Łódź & Sieradz (Lodsch & Schieratz) 06/2021

  • 18.06.2021
  • Warta Sieradz – Skalnik Sulejów 1:1
  • IV liga, grupa łódzka (V)
  • MOSiR w Sieradz (Att: 80)

Die erste Planung für das Grande Finale meiner Tour de Pologne sah eigentlich Warszawa (Warschau) als Zielort vor. Von dort hatte ich meine Rückreise gebucht und mit Ząbkovia Ząbki vs. Pilica Białobrzegi stand am Samstag im Großraum der Hauptstadt ein vielversprechendes Fußballspiel an. Die Entwicklung in der Aufstiegsrunde zur 2.Liga unter der Woche eröffnete jedoch eine neue Option. KKS Kalisz hatte sich überraschend auswärts bei Wigry Suwałki durchgesetzt (2:4 n. E.) und weil Chojniczianka Chojnice gegen Skra Częstochowa den kürzeren zog (dieses Medium berichtete), hatte KKS Kalisz das Heimrecht für das samstägliche Endspiel der Aufstiegsrunde erworben. Jetzt war ich ganz froh noch keinen Zug nach und keine Unterkunft in Warszawa gebucht zu haben. Der Ursprungsplan am Freitag von Gdańsk (Danzig) via Starogard Gdański (Preußisch Stargard) in die Hauptstadt zu reisen, wurde entsprechend verworfen und stattdessen an der Variante “über Kalisz fahr‘ ich nach Berlin” getüftelt.

Mein Zimmer für die letzten beiden Nächte in Łódź

Das war in der Tat noch etwas Organisationsaufwand. Ich benötigte nun von Freitag bis Sonntag ein neues Basislager, vom dem ich am Samstag mühelos einen Tagesausflug nach Kalisz machen konnte und Sonntag gut und günstig Anschluss an meinen bereits gebuchten EuroCity gen Heimat haben würde. Alex hatte diesbezüglich Poznań (Posen) ins Auge gefasst, weil er dort Sonntagmittag eh noch ein Jugendspiel schauen wollte. Ich studierte aber weiter Landkarten, Spielpläne und Fahrpläne und entschied mich letztlich für Łódź (Lodsch). Denn von Gdańsk konnte ich Freitagmorgen für umgerechnet 15 € nach Łódź reisen und dort im Ibis (75 € für zwei Nächte) mein Quartier einrichten. Aus Łódź wiederum war es nur ein Katzensprung nach Sieradz (Schieratz), wo Freitagabend noch ein Fünftligaspiel angesetzt war, zu dem Alex ebenso wollte.

Das letzte Morgenmahl in Danzig

Samstagmorgen käme ich ebenfalls gut von Łódź nach Kalisz und könnte auf dem Rückweg noch irgend ein unterklassiges Nachmittagsspiel mitnehmen. Wiederum existierte Sonntagmorgen ein spottbilliger Expresszug von Łódź nach Warszawa (6,30 €), mit dem ich locker meinen gebuchten EuroCity nach Berlin erreichen würde. Die Verbindung war sogar besser (und günstiger) als die Zwischenhalte Konin oder Poznań für einen späteren Zustieg anzusteuern. Gab nun am späten Donnerstagabend einen entsprechenden Buchungsmarathon und Freitagmorgen klingelte um 6 Uhr der Wecker.

Unerwartet in der 1.Klasse unterwegs

Frisch gestriegelt und mit Gepäck unter’m Arm ging es eine halbe Stunde später ein letztes Mal zum Frühstücksbuffet des Hotels. Dort war ich um diese Zeit der erste Gast und genoss bis um 7 Uhr den exklusiven Zugriff auf alle Speisen und Getränke. Als so langsam Betrieb aufkam, war das für mich das Signal aufzubrechen. Denn 7:25 Uhr rollte der gebuchte TLK nach Łódź. Erfreulicherweise war mein reservierter Platz sogar in einem 1.Klasse-Abteil, welches jedoch als 2.Klasse deklariert und entsprechend bepreist war (TLK haben immer älteres Wagenmaterial, sind dafür allerdings günstiger als InterCity im Fernverkehr). War auf jeden Fall top für die lange Fahrt.

Die Piotrkowska

Die 5,5 Stunden bis Łódź wurden zum Berichte schreiben genutzt und am Zielort wurde mir abermals der alte Malus von Łódź offensichtlich. Es fehlt immer noch ein echter Hauptbahnhof im Stadtzentrum. Aber dieser „Tigerstaat“ Polen ist wenigstens nicht untätig und hat diesbezüglich schon viel Erde bewegt und ordentlich Stahl und Beton verbaut (doch dazu im nächsten Bericht mehr). Ich kam in Łódź-Widzew an und hatte nun noch 6 km bis ins Zentrum zurückzulegen. Mit der Tram gelang das immerhin flott und günstig (umgerechnet 0,35 €). Gegen 13:30 Uhr checkte ich im Ibis ein und nachdem ich ein zweites Mal an diesem Tag geduscht hatte (34° Celsius, olé, olé), war ich wieder motiviert zum Aufbruch.

Einkehr unter Palmen

Łódź hatte den Vorteil, dass ich hier schon zweimal zu Gast war und mehr oder weniger alles in der Innenstadt gesehen hatte (wer mehr über Łódź erfahren will, kann sich mit den Berichten Łódź 05/2018 und Łódź 07/2018 vergnügen). So herrschte an diesem Wochenende kein touristischer Druck und ich spazierte lediglich gemütlich die Piotrkowska entlang (die Prachtstraße von Łódź). Dann lockte ein Sommerbiergarten in einem der Innenhöfe. Dort gab es einen alkoholfreien Melonencocktail (ca. 3,50 €) zur Erfrischung und als Mittagessen ein Zapiekanka mit Biała Kiełbasa (polnische Weißwurst), Gurke und Röstzwiebeln (ca. 5 €).

Ein leckeres Würstelbaguette

Nach der Stärkung mit diesem Würstelbaguette polnischer Prägung hatte ich immer noch 45 Minuten bis der gebuchte Zug von Łódź-Kaliska nach Sieradz fahren sollte (Abfahrt 16:15 Uhr). Ich quälte mich jetzt doch nochmal drei Kilometer zu Fuß durch die Hitze, anstatt Tram zum Bahnhof zu fahren (0,35 € gespart, he he). Der dritte Froschmarkt (Żabka) am Wegesrand wurde meiner und ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk für umgerechnet 0,39 € sorgte für neue Energie.

Mein Saint-Tropez heisst Łódź

Im klimatisierten Zug wurde nun etwas durchgeschnauft, ehe es 16:55 Uhr wieder zurück an die frische, aber vor allem heiße Luft ging. Auch in Sieradz waren vom Bahnhof fast drei Kilometer bis ins Zentrum zurückzulegen. Nur hier gab es die Option Tram gar nicht erst. Also wieder Meter gemacht und 25 Minuten nach Ankunft wurde Alex am Restaurant Incognito eingesammelt. Er war schon deutlich früher in Sieradz eingetroffen und nutzte die Zeit für das altpolnische Traditionsgericht Tagliatelle Asparagi con Salmone. Der feine Herr.

Sieradz ist Widzewland

Nun war wieder Żabkazeit. Denn wir glaubten eher an die Unschuld einer alten Metze, als an Catering bei Warta Sieradz. Deshalb hat sich jeder noch mit einem Liter Wasser eingedeckt und trotz unserer überragenden Polskiskills wurden wir mit “Bitteschön” und “Auf Wiedersehen” verabschiedet. Als nun das nächste Auto auch noch ein deutsches Kennzeichen hatte (Kreis Mettmann), kamen kurz schwarz-rot-geile Heimatgefühle auf. Dabei sah Sieradz in meinen Augen eher wie eine Kleinstadt in der Vojvodina aus. Aber gut, das setzt noch positivere Emotionen bei mir frei.

Chillen oder Strampeln?

17:50 Uhr erreichten wir das städtischen Stadion am Rande der Innenstadt. Hier wurde in jüngerer Vergangenheit kräftig investiert und der ganze Sportpark machte einen gepflegten Eindruck. Mein Highlight waren die Pedalen vor den Sitzbänken an den Tennisplätzen (coole Idee eigentlich) und die Bärchenmülleimer (voll süß, oder?). Allein für diese zwei Attraktionen habe ich gerne 5 Złoty Eintritt entrichtet. Was wir dann auf der Haupttribüne sahen, war jedoch unbezahlbar. Einer der älteren Zuschauer hatte “Aber nicht heute !!!” auf dem Shirtrücken stehen. Sofort umrundenden wir den Germanophilen und feierten den Schriftzug auf der Vorderseite extrem: “Mich gibt es auch nüchtern…”. Ich bedauerte, nicht wie in Słubice ein wenig Soplica zur Völkerverständigung reichen zu können. Der hatte sich einen Schnaps auf meine Kosten redlich verdient.

Wojtek, bist du es?

Als nächstes hatte sich der Stadionsprecher und -DJ einen Schnaps verdient. Spielte er doch „Thunderstruck“ von AC/DC, drehte aber vor den Passagen mit dem Wörtchen Thunder immer die Regler runter und rief „Warta!“ ins Mikro. Warum stieg da niemand der rund 80 Zuschauer ein? Die Fankultur in Sieradz ist leider noch ausbaufähig. Die Jugend fährt anscheinend lieber zu Widzew, als lokal etwas aufzubauen. Aber gut, a) kann ich es ihnen nicht verdenken und b) kann sich sowas auch schnell ändern. Vielleicht steht landestypisch bei größeren Spielen sogar eine kleine Bande im Stadion?

Sieradz letzter Zecher

Doch tragen wir nun zur deutschsprachigen Sportberichterstattung über den polnischen Amateurfußball bei. Im Glutofen von Schieratz versuchten beide Kampfmannschaften mit ihren Kräften hauszuhalten. So blieben die ersten 45 Minuten angriffsarm und torlos. Nach dem Seitenwechsel wirkte Wartas Sturmreihe wie neu formiert und bereits in der 46.Minute gelang der entscheidende Durchbruch. Płaneta drosch das Leder zur Führung in den Kasten der Gäste und die Schlachtenbummler stießen mehrfach ein Hurra aus. Unhaltbar für den Tormann, der bis dahin als letztes Bollwerk tadellos geblieben war.

Die Haupttribüne

Bei den Mannen aus Sulejów war nun Willenskraft gefragt. Würden sie sich in der Hitzeschlacht noch einmal aufbäumen können? Ihre Angriffe waren bisher immer an den massierten Linien der Schieratzer gescheitert. So blieb es auch weiterhin. Doch in der Nachspielzeit fasste sich Stalniks Scharfschütze Smolarczyk ein Herz und überwand Wartas Schlussmann aus einer Distanz von ungefähr 40 Metern. Damit endete der große Wettkampf ohne Sieger und Besiegte. Die altehrwürdige Kampfbahn zu Schieratz hat sicherlich schon größere Spiele gesehen. Dennoch sind Tugend und Tatkraft bei beiden Mannschaften unter diesen widrigen Bedingungen zu loben.

Die Gegengerade

Ich hoffe das war jetzt nicht zu martialisch. Aber ich habe gerade erst eine Dissertation zu Militärsprache in der deutschen Fußballberichterstattung gelesen. Das ging natürlich nicht spurlos an mir vorüber. Zumal heute zwar nicht mehr im Duktus wie vor 70 Jahren kommentiert wird, aber sich trotzdem noch einiges an Militärjargon gehalten hat. Ist nur so selbstverständlich, dass es einem nicht mehr wirklich auffällt. Übrigens schraubte sich das Punktekonto von Warta mit dem heutigen Remis auf 85 hoch. Sie werden trotzdem nicht aufsteigen, da die zweite Mannschaft des Łódźer Zweitligisten ŁKS unaufhaltsam durch die Liga marschierte (q.e.d.) und einen Spieltag vor Schluss bereits 96 Punkte aus 37 Spielen vorweisen kann. Stalnik Sulejów wird die Saison dagegen im gesicherten Mittelfeld abschließen (gegenwärtig 11.Platz).

König Fußball

Der Stadion-DJ entließ uns nach Abpfiff mit den „Sultans of Swing“ in die Abendsonne. Alex musste sich nun sputen, um seinen Zug zu bekommen, während ich noch zwei Stunden für Sieradzer Sightseeing übrig hatte. Als erstes schaute ich mir den dem Stadion nahe gelegenen Burghügel an. Sieradz war höchstwahrscheinlich schon im Frühmittelalter ein slawischer Fürstensitz. Unweit des Hügels findet man übrigens ein ethnografisches Freilichtmuseum, in welches ein paar historische Gebäude umgesetzt oder nachgebaut wurden. Hauptsächlich dörfliche, bäuerliche Architektur aus der Region.

Das ethnografische Freilichtmuseum

Die erste urkundliche Erwähnung von Sieradz findet sich in einer päpstlichen Bulle von 1136. Genauer gesagt in der Ex commisso nobis, welche als ältestes Schriftstück in (teilweise) polnischer Sprache gilt. Die Bulle ist zwar selbstredend in Latein verfasst, jedoch tauchen dort mehrere hundert polnische Orts- und Eigennamen auf. Es ist das älteste Dokument auf welches sich polnische Sprachforscher berufen können und woraus sich Rückschlüsse auf die polnische Sprachentwicklung im Hochmittelalter schließen lassen. Mit der Bulle bestätigte Papst Innozenz II. seinerzeit die Eigenständigkeit des ersten polnischen Bistums Gnesen (Vgl. Poznań 10/2019), weshalb Ex commisso nobis auch als Bulle von Gnesen bekannt ist und heute im dortigen Diözesanarchiv aufbewahrt wird.

Die Allerheiligen Pfarrkirche (14. Jahrhundert)

Aber zurück zur Sieradzer Stadtgeschichte… Kasimir von Kujawien – aus der kujawischen Linie der Piasten und von 1247–1261 Herzog von Sieradz – schenkte dem Ort während seiner Regentschaft das Stadtrecht. Aus dem Herzogtum wurde 1339 die Woiwodschaft Sieradz gebildet und die Stadt blieb ein wichtiger Adelssitz. 1445 wurde in Sieradz mit Kasimir IV. Andreas (aus dem Geschlecht der Jagiellonen) sogar ein polnischer König gewählt.

Das Stadtmuseum

Mit der Zweiten Polnischen Teilung im Jahre 1793 fiel Sieradz an das Königreich Preußen, doch durch die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress 1814/15 wurde es wenig später dem so genannten Kongresspolen zugeordnet und damit de facto dem Russischen Zarenreich zugeschlagen. Teil eines unabhängigen polnischen Staates konnte Sieradz erst wieder 1918, nach dem Ersten Weltkrieg, werden. Dann landen wir in der Stadtchronik unweigerlich beim Zweiten Weltkrieg. Sieradz wurde am 9.September 1939 von der deutschen Wehrmacht eingenommen und gehörte nach Polens Kapitulation zu dem Teil des Landes, der von Hitler zur Germanisierung vorgesehen war. Von der jüdischen Bevölkerung, die bei Kriegsausbruch ca. 40 % der Einwohner ausmachte, überlebte kaum jemand die Shoah. Die Sieradzer Polen wiederum wurden größtenteils nach Osten vertrieben und sollten durch deutschstämmige Umsiedler ersetzt werden.

Unterwegs in den Straßen von Sieradz

Wir erinnern uns, Hitler und Stalin verabredeten sich nicht nur zum gemeinsamen Überfall auf Polen, sondern teilten 1939 gleich ganz Europa unter sich auf. Dabei war vorgesehen, dass so genannte Volksdeutsche aus den sowjetisch kontrollierten Gebieten in die von Hitler eroberten Ostgebiete zwangsumgesiedelt werden. Der Hitler-Horror endete bekanntlich schon 1945, während die sowjetische Hegemonie über Osteuropa und weite Teile Mitteleuropas (inklusive Polen) sich noch weiter manifestieren sollte. Erst mit der Wende 1989 wurde Polen wieder souverän (he he, ich klinge schon wie ein PiS-Historiker).

Abendstimmung in der Altstadt

Im postkommunistischen Polen verlor man 1998 zwar den Status als Hauptstadt einer Woiwodschaft (mittlerweile ist man nur noch Kreisstadt innerhalb der Woiwodschaft Łódź), aber konnte durch eine Sonderwirtschaftszone einige neue Betriebe anlocken und damit Arbeitsplätze schaffen. Heute stellt man ein prosperierendes Mittelzentrum mit ca. 42.000 Einwohnern dar. Zwei der berühmtesten ehemaligen Bürger der Stadt sind übrigens der Gangster Hymie Weiss (*1898 in Sieradz als Henryk Wojciechowski) und der Friseur Antoine de Paris (*1884 ebenda als Antoni Cierplikowski), die beide ihr „Glück“ in der Emigration fanden. Ersterer wollte unbedingt den Kopf von Al Capone (und war dessen vielleicht gefährlichster Konkurrent in Chicago), während Letzterer in Paris die Häupter von Berühmtheiten wie Coco Chanel, Greta Garbo und Brigitte Bardot frisieren durfte.

Now they’re livin‘ large in Sieradz

Antoine hat sogar ein Denkmal am Rynek (Marktplatz) von Sieradz bekommen. Eines von Hymie konnte ich jedoch nicht entdecken. Statt danach zu suchen, überlegte ich lieber, ob ich vielleicht irgendwo für ein Abendessen einkehren sollte (die Pasta im Incognito soll gut sein). Aber ich hatte nur noch 50 Minuten in Sieradz und die Angst den letzten Zug nach Łódź zu verpassen, war dann doch zu groß für einen Restaurantbesuch. Nicht, dass ich ewig lange auf mein Essen oder die Rechnung warten darf und die drei Kilometer von der Altstadt zum Bahnhof plötzlich im Laufschritt gemeistert werden müssen. Dann lieber gemütlich zum örtlichen Anschluss an das Schienennetz trotten und unterwegs noch zwei Hot Dogs bei Żabka erwerben. Natürlich mit der leckeren Amerykański-Sauce (Beste!).

Mein Sieradzer Abendmahl

Am Bahnhof jedoch Ernüchterung; der Zug hatte erst 15, dann 20 und letztlich 25 Minuten Verspätung. Gut, das kann man vorher natürlich noch nicht wissen. Blöd war allerdings, dass die Bahnsteige fest in der Hand mehrerer Mückenschwärme waren. In der schier endlosen Wartezeit tötete ich wirklich sehr viele von ihnen. Doch es war ein ungleicher Kampf, bei dem die Übermacht einfach zu groß war und ich etliche Stiche hinnehmen musste. Bis mich endlich der InterCity nach Łódź aus dem Kampfgebiet evakuierte. Besonders einen Stich ins Gesicht nahm ich den Biestern übel. Kurwa!

Und plötzlich ist man selber ’ne Mahlzeit

Kurz nach 23 Uhr erreichte ich wieder Widzew. Hier war nun leider spätabends Anlungerpotential an der Straßenbahnstation. Ich überlegte schon mich freizukaufen, aber gibst du einem ein paar Groszy, wollen alle Lungerer was haben. Also schnell in die erstbeste Tram, die mich allerdings nicht wie erhofft in die Innenstadt, sondern in den universitär geprägten Stadtteil Lumumbowo verfrachtete. Zwar völlig falsche Richtung, aber spannender Stadtteilname. Der Wortstamm konnte eigentlich nicht slawischen Ursprungs sein. Stattdessen vermutete ich die Ableitung von einem nicht-polnischen Eigennamen und hatte völlig zurecht Patrice Lumumba im Verdacht. Dass mein Smartphone diese Theorie wenig später verifizierte, ließ meinen Ärger über die falsche Bahn und die nun noch spätere Rückkehr ins Hotel wieder vollends verfliegen.

Na komm du doch her

Obendrein standen ein paar Erasmusstudenten mit mir im Laternenschein der Bahn- und Bushaltestelle. Die wollten in die Innenstadt zum Feiern und der entsprechende Nachtbus hatte kurz nach Mitternacht auch einen Stopp nahe meines Hotels. Leider stieg noch ein schwer betrunkener Fahrgast zu, doch ich konnte mich durch Wegsetzen einem Dialog weitgehend entziehen. Immerhin wollte der kein Geld, sondern nur Rumpöbeln. Für die Gaststudenten aus dem europäischen Ausland hatte er übrigens sogar Beleidigungen auf Deutsch und Englisch parat. War wohl ein belesener Wermutbruder.

Song of the Tour: Dank an dieser Stelle an den Sieradzer Stadion-DJ.