Łódź, Chorzów & Kraków 05/2018

  • 26.05.2018
  • Widzew Łódź – Polonia Warszawa 2:0
  • III Liga Grupa I (IV)
  • Stadion Widzewa (Att: 17.521)

Am letzten Mai-Wochenende führte die Reise abermals nach Polen. In unserem östlichen Nachbarland standen noch ein paar interessante Spiele an, um die so genannte Sommerpause möglichst kurz zu halten. Mit von der Partie waren Ole und El Glatto, so dass wir uns einen Triple Room in einem Hotel am Rynek von Katowice (Kattowitz) buchten (ca. 135 € Gesamtpreis für drei Nächte). Weil Ryanair nur 20 € pro Person und Richtung für die Verbindung Hamburg – Katowice aufrief, wurde die schlesische Metropole erneut unsere Basis. Abflugzeit war zwar erst 18:45 Uhr, aber wir starteten Freitagmittag bereits um 14 Uhr in Hannover, da sich die A7 mal wieder als Mobilitätshölle auf Erden darstellte. Letztlich hatten wir gegen 17:00 Uhr das Auto kostenneutral in Flughafennähe abgestellt und eine Viertelstunde später passierten wir die Eingangstür des Airports.

Kleine Alsterrundfahrt

Bis zum Abflug hatten wir nun noch 90 Minuten. Besonders der Fahrer gierte nun nach Erfrischung und selbstlos wie üblich standen Glatto und ich dem nicht im Wege. Da an der Sicherheitskontrolle nichts los war, waren noch ein Supermarktbier davor und ein Gezapftes dahinter möglich. Im Flieger ging es feuchtfröhlich mit Cider aus dem Hause Bulmers weiter und nach ungefähr 75 Minuten setzte der Vogel in Katowice auf. Schnell noch ein paar Kannen Tyskie für den 60minütigen Transfer zum Rynek erworben und ab in den Bus (5 € one way).

Erfrischender Cider an Bord

Am Ziel wollten wir natürlich zunächst im Hotel einchecken. Doch nicht nur, dass ich bis zuletzt nicht wusste, ob die Buchung auch wirklich bestätigt war (die Kommunikation im Vorfeld lief ausschließlich auf Polnisch ab und ich bekam keine schriftliche Buchungsbestätigung), auch wurden wir überraschenderweise in eine Wohnung in einem riesigen Plattenbau umquartiert. Der betagte Schnauzbartträger an der Rezeption erklärte uns in einem Mix aus Polnisch und ein paar deutschen Wörtern den Weg und in ca. 250 Metern Entfernung fanden wir Appartement Nr. 24a im 1.OG der Platte.

Unsere Platte

Anschließend konnte es nur noch ein Ziel geben: Die Mariacka! Katowices Kneipenstraße versüßte uns zuerst in der Pijalnia wódki i piwa bzw. davor das Leben. Auf der Straße spielte eine Live-Band und der Asphalt wurde zur Tanzfläche. Wir gönnten uns Shots, deren Namen Chupa Chups oder Monte geschmacklich das hielten, was sie versprachen. Zwischendurch wurde mal die Pinte gewechselt und diverses Bier in der Piwiarnia Warki getrunken, ehe es wieder in die vom Publikum her jüngere Pijalnia wódki i piwa ging.

Chupa Chups

Dort hatten wir nun Logenplätze für einen aufziehenden Straßenkampf. Kurz nach 1:00 Uhr waren sehr verdächtige Bewegungen auszumachen und wenig später flogen die Fäuste zwischen zwei Gruppen junger Männer. An Testosteron hat es der polnischen Jugend bekanntlich noch nie gemangelt und ein Fußballbezug könnte hier in Polens Kohlenpott natürlich auch vorhanden gewesen sein. Aber wir wollten nicht spekulieren oder nachfragen. Stattdessen gab es lieber noch ’ne Rutsche Drinks und gegen 2:00 Uhr erhoben wir uns.

Zapiekanka z piekła rodem – extra spicy

Der Hunger trieb uns zum gegenüberliegenden Imbiss, wo sich jeder ein höllisch scharfes Zapiekanka gönnte. Feuer speiend wie walisische Drachen ging es nun noch in ein Casino. Während ich meinen Prinzipien treu blieb und nur Freibier abstaubte, verzockten meine Freunde jeder 100 Złoty am Roulettetisch. Zwischenzeitlich sah es sogar ganz gut aus und der Haufen hatte sich nahezu verdoppelt, aber dann hab ich mit schlechten Tipps tatkräftig geholfen den Stapel der Jetons zu dezimieren. Wenn es nicht das eigene Geld ist, macht Glücksspiel eigentlich doch Spaß.

Geld verbrennen leicht gemacht

Gegen 4:30 Uhr marschierten wir im Morgengrauen rüber in unsere Platte und schon wenige Stunden später küsste einen die Sonne wieder wach. Der polnische Teil des Planeten Erde brannte heute richtig und nachdem unser persönlicher Brand – dieser so genannte Nachdurst – mit Wasser gelöscht war, musste die weitere Tagesplanung angegangen werden.

Auf zum Zug ins Glück

Für Samstag hatten wir im Raum Oberschlesien ein paar mehr oder weniger interessante Spiele im Auge. Direkt vor der Haustür wäre zum Beispiel das Gastspiel von ŁKS aus Łódź (Lodsch) bei Rozwoj Katowice gewesen. ŁKS hat bekanntlich große Tradition und Łódź ist gar nicht so weit von Katowice entfernt, so dass mit genügend Gästefans zu rechnen war. Halt! Moment mal, Łódź ist gar nicht so weit entfernt? Warum fahren wir dann nicht dahin und gucken Widzew Łódź vs.Polonia Warszawa? Es wurde nicht lange überlegt und um 10:25 Uhr ein InterCity nach Łódź bestiegen (ungefähr 10 € p. P.).

Moin Widzew

Planmäßig um 13:30 Uhr erreichten wir den Łódźer Bahnhof Widzew und vermissten schnell den klimatisierten Zug. Die Sonne hatte logischerweise mittlerweile noch mehr Power und die Kleidung musste dringend minimiert werden. In so einer polnischen Plattenbausiedlung wie Łódź-Widzew guckt dich eh keiner schräg an, wenn du oberkörperfrei rumspazierst. Höchstens weil du zu wenig Masse hast oder die Masse zu undefiniert ist.

Stadion Widzewa

Ziel war natürlich zunächst das Stadion, um Eintrittskarten zu organisieren. Am Kassenhäuschen jedoch die Ernüchterung: Sold Out! Da wollen heute also tatsächlich ungefähr 18.000 Menschen ein Spiel der vierten polnischen Liga gucken. Widzew halt… Die haben einfach mal über 16.000 Zuschauer im Saisonschnitt und heute kam mit Polonia Warszawa der attraktivste Gegner der Liga. Auch so ein abgestürzter Traditionsclub, der bis 2013 noch Ekstraklasa gespielt hatte, aber dann die Lizenz verlor (u. a. hatte sich Artur Sobiech 2011 in Polonias Reihen für Hannover 96 empfohlen).

Schon mal drin, nur vier Stunden zu früh

Zu unserem Glück gingen neben der Tageskasse gerade ein paar Damen durch eine Tür in die Haupttribüne und wir schlossen uns einfach an. Drinnen fragten uns mal zum Pressesprecher durch. Eine nette Dame nahm uns an die Hand und platzierte uns auf einem Sofa. Dann passierte lange nichts und wir machten uns nützlich, in dem wir Caterern mit Rollwägen immer brav die Türen aufhielten. Nach einer Viertelstunde erschien schließlich eine Vereinsmitarbeiterin und sammelte unsere Presseausweise ein. Wenig später kam der Pressesprecher Marcin mit unseren Akkreditierungen raus und plauderte noch wenig mit uns.

Orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale

Nun konnte es frohen Mutes mit der Tram ins Łódźer Stadtzentrum gehen, um touristisch motiviert die knapp vier Stunden bis zum Anpfiff zu überbrücken. Herz der Stadt ist dort die über vier Kilometer lange Prachtstraße Ulica Piotrkowska. Die spazierten wir, inklusive Abstechern in die Nebenstraßen, von Süd (Plac Niepodległości) nach Nord (Plac Wolności) und sahen so allerhand.

Ulica Piotrkowska

Die Hauptstraße erinnerte mich von der Architektur her ein wenig an die Knez Michailova in Beograd (Belgrad). Ferner gab es besonders in den Nebenstraßen viel Streetart an fensterlosen Fassaden und optisch interessante Hinterhöfe. Dazu schönes Wetter und schöne Frauen. Wir fühlten uns auf Anhieb total wohl in Łódź. Einer Stadt, die übrigens vor 200 Jahren noch ein kleiner Fleck auf der Landkarte war.

Großflächige Streetart

Ausgerechnet Russen und Deutschen ist die Blüte der Stadt zu verdanken. 1815 beim Wiener Kongress wurde die Gegend um Łódź dem so genannten Kongresspolen zugeschlagen, welches fortan de facto Teil des Russischen Zarenreiches war. Die Russen erweiterten die kleine Stadt und warben deutsche Textilhandwerker an. Aus wenigen Hundert Einwohnern wurden schnell mehrere Tausend (davon ca. 75 % Deutsche). Als wenig später die Industrialisierung einsetzte, entwickelten sich aus kleinen Handwerksmanufakturen große Textilfabriken und Łódź wurde das „Manchester Polens“. Der Bedarf an Arbeitskräften war riesig und insbesondere Polen und Juden siedelten sich in großer Anzahl in der Boom Town an. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs (1914) lebten bereits über 500.000 Menschen in Łódź (51 % Polen, 32 % Juden, 15 % Deutsche, 2 % Sonstige).

Izrael-Poznański-Palast

An der Piotrkowska sind zahlreiche ehemalige Villen der deutschen Fabrikanten, repräsentative Bankhäuser und teilweise auch noch die alten Fabriken zu sehen. Besonders zur palastähnlichen Biała Fabryka Geyera (Weiße Fabrik) in der Piotrkowska Nr. 282, die heute das Textilmuseum beherbergt, lohnt ein Blick. Oder auch zum Pałac Izraela Poznańskiego (Izrael-Poznański-Palast), der jetzt als Museum genutzt wird. Dem ersten Eindruck nach taugt Łódź bestimmt auch für ein ganzes Wochenende, bei dem man dann u. a. noch das Nachtleben prüfen könnte. Das ist in Polens drittgrößter Stadt (ca. 700.000 Einwohner) bestimmt nicht von schlechten Eltern.

Cepeliny

Gegen 16 Uhr wollten wir endlich Frühstück und Mittagessen nachholen und landeten im einladend wirkenden Anatevka. Musicalfreunde hätten es bereits am Namen erkannt, aber wir brauchten noch einen Blick in die Karte („Geil, hier gibt’s Shakshuka und Gefilte Fisch“), bis wir realisierten, dass uns dort jüdische Küche erwartete. Ich entschied mich für zwei Gänge. Zuerst Cepeliny (mit Hackfleisch gefüllte Kartoffelklöße) und danach Zraziki zawijane „Anatevka“ (Rouladen nach Art des Hauses). Die anderen hatten Ente mit Beilagen (Kaczka pieczona „Karola Borowieckiego“) und ’ne Suppe vorweg.

Entenschmaus

Während die Speisen nach und nach von den Kellnerinnen serviert wurden, tauchte der Chef bereits spendierfreudig mit einer Pulle Schnaps auf. Zum Glück kein Arak, sondern so eine Art Obstbrand (ging geschmacklich in Richtung Rakija Dunja). Der Mann hatte auch Lust auf Plaudern mitgebracht. So konnten wir einiges über das jüdische Leben in Łódź und die Stadt allgemein erfahren. Im letzten Jahrzehnt soll sich viel getan haben, weshalb auch der Tourismus zunehme. Der ehemalige Bürgermeister habe sehr viel im technischen Bereich bewegt (z. B. Kanalisation und Nahverkehr), während die aktuelle Bürgermeisterin viel wert auf die Optik der Stadt legen soll (Gebäudesanierung, Kunst im Stadtbild).

Auf die Gesundheit!

Im Endeffekt versackten wir für über 90 Minuten, statt der geplanten Stunde. Nachdem jeder mit Trinkgeld 100 Złoty los war, ging es deshalb fix mit einem Taxi zum Stadion. Wir waren kurz vor Anpfiff drin und platzierten uns in der Medienebene der Haupttribüne nun ziemlich nah am gut gefüllten Gästeblock. Polonia, fantechnisch die (abgeschlagene) Nr. 2 in Warszawa (Warschau), hatte gut für das Topspiel mobilisiert. So rund 600 Hauptstädter dürften es gewesen sein. Ihr Sektor war schön beflaggt und die Fans trugen alle schwarz.

Alle in Rot

Der Rest des Stadions war dagegen zu 96 % in rot gekleidet. Dazu hatte der etatmäßige Fanblock von Widzew eine große Blockfahne präsentiert. Motto: Alles auf Rot! Optisch schon einmal alles erste Sahne und akustisch sollte es auch eine Galavorstellung werden. Hier gab es auf keiner der Tribünen träges Publikum. Alles wirkte wie ein riesiger Fanblock, bei dem der harte Kern der rechten Hintertortribüne den Takt vorgab.

Alles auf Rot

Dazu waren noch Freunde angereist, wie man an Zaunfahnen der Szenen von Ruch Chorzów, Wisła Kraków und Elana Toruń erkennen konnte. Die drei Clubs bilden mit Widzew eine Achse (Kürzel WRWE), die in Polen für mächtig Wirbel gesorgt hat. Brachen sie doch bei der EM 2016 in Frankreich den Nichtangriffspakt der polnischen Szenen bei Länderspielen. Aber das ist schon wieder ein anderes, sehr kompliziertes Thema.

Solidarisches Spruchband für den kriselnden Freund Ruch

Um dem ganzen Potential auf den Rängen wieder gerecht zu werden, muss man natürlich raus aus der 4.Liga, in welcher man durch Misswirtschaft und Lizenzentzüge gelandet ist (2015 begann der Neustart in der 5.Liga). Sportlich war die heutige Zielsetzung dementsprechend klar: Gewinnen und damit die Tabellenführung verteidigen (nur die Staffelmeister steigen von der viergleisigen 4.Liga in die eingleisige 3.Liga auf). Die Mannschaft schien das verinnerlicht zu haben und bereits in der 14.Minute erzielte der 20jährigen Stürmer Kacper Falon das 1:0. Der Torjubel auf den Rängen: Atemberaubend! Ohrenbetäubend!

Kompakter Support

Mit der frühen Führung im Rücken machte Widzew weiter Druck und kam bis zur Pause zu einigen weiteren Torchancen. Dem in der eigenen Hälfte eingeschnürten Gast gelangen dabei nur wenige Konter. Lediglich in der 40.Minute streifte ein Abschluss das Außennetz des Widzew-Kastens. Die Fans der Polonia waren etwas besser in Form und verschafften sich immer mal wieder Gehör bei uns. Gut, ob davon viel am anderen Stadionende angekommen ist, ist fraglich. Aber wir standen wie erwähnt recht nah dran und fanden den Auftritt sehr stabil.

Blockfahne im Gästebereich

Zur Beginn der 2.Hälfte setzten die Hauptstädter obendrein schöne optische Akzente in ihrer Stadionecke. Bei der Wiederkehr der Teams war eine Blockfahne mit dem Logo der Ultras Enigma ausgebreitet und darunter wurde wenig überraschend ein kleines Feuerwerk vorbereitet. Als der Rauch langsam von dannen zog, packten sie auch noch über ein Dutzend Schwenkfahnen aus. Man merkte, dass das Spiel auch für sie Highlight war, welches eine Atmosphäre der Extraklasse bekommen sollte. Sprich, das ganze Drumherum gehörte in die Ekstraklasa und nicht in die viertklassige III Liga.

Pyro von Polonia

Widzews Anhang beeindruckte unterdessen mit weiterhin fantastischer Mitmachquote. Da wurden zum Beispiel Lieder von allen vier Tribünen im Kanon gesungen und dabei die Schals, wovon fast jeder Fan einen hatte, gewedelt. Auch Hüpfeinlagen aller Couleur wurden reihum von den Tribünen zelebriert. Und anderswo feiern die Durchschnittskartoffeln sich dafür, dass sie am letzten Spieltag mal aus Gruppendynamik für ein Sekündchen von ihren Sitzen aufgestanden sind. Wie schrieb mir die 96-Marketingabteilung doch jüngst im Newsletter? „La-Ola, die berühmte Begeisterungswelle, machte in der HDI-Arena die Runde.“ Ich bin auch immer noch ganz begeistert. Wo muss ich für meine neue Dauerkarte unterschreiben? Der Füller, das berühmte Schreibwerkzeug auf Tintenbasis, ist schon gezückt.

Fahneneinsatz der mitgereisten Hauptstädter

Belohnt wurde das beeindruckende Treiben auf den Tribünen mit dem 2:0 in der 65.Minute durch Marek Zuziak. Das sollte und musste heute einfach Widzews Abend werden. So sehr sich Polonia auf Rängen und Rasen auch mühte, der polnische Meister von 1981, 1982, 1996 und 1997 war schlicht durchweg überlegen und ließ nichts mehr anbrennen. Gegen Ende gingen nochmal alle Schals in die Höhe und nach Abpfiff konnten 17.000 Rote bei der obligatorischen Stadionrunde ihrer Mannschaft den nächsten großen Schritt in Richtung Aufstieg feiern. Doch auch Polonias Elf schlich nicht wie ein geprügelter Hund vom Platz, sondern ging erhobenen Hauptes in die Gästekurve, um sich vor den mitgereisten Fans für die Unterstützung zu bedanken. Diese goutierten die starke kämpferische Leistung ebenfalls mit Applaus und Gesängen.

Alle Schals in die Höhe

Das war in allen Belangen ein starkes Spiel und mehr als zufrieden verließen wir das Stadion. Angeblich wird Widzew jetzt von seriösen Geschäftsmännern geführt und strategische Partner aus der Wirtschaft sind auch in Sicht (hoffentlich keine polnischen Hörgeräteakustiker aus dem Łódźer Speckgürtel). Mit dem Stadion und den Fans im Rücken ist das einfach ein Erstligastandort. Traurig, dass Widzew so abgeschmiert ist und dass der Lokalrivale ŁKS als aktueller Drittligist die Stadt ebenfalls nicht im Spitzenfußball vertreten darf.

Warschauer Pyronudist

Weil unser Zug nach Katowice vom Widzewer Bahnhof 20:42 Uhr losrollen sollte, brachten wir nach Abpfiff auch endlich Spitzenleistungen und kamen etwas verschwitzt, aber pünktlich am Bahnsteig an. Für einen Fahrkartenkauf hat das Zeitfenster zwar nicht mehr gereicht, aber im InterCity kann man natürlich nachlösen. Hat letztlich umgerechnet ein oder zwei Euro mehr gekostet.

Abendliche Eisenbahnromantik in Koluszki

Nach einem Umstieg in Koluszki wurde sich schließlich für 2,5 Stunden Restfahrzeit im Bordbistro platziert und der Złoty rollte wie der Zug. Feucht-fröhlich freuten wir uns auf das morgige Derby zwischen Ruch und Zagłębie. Erst recht, als sich ein leicht alkoholisierter Fan von Zagłębie zu uns gesellte. Der war gerade auf dem Weg von seinem Arbeits-Exil Coventry nach Sosnowiec (extra für’s Derby) und teilte uns mit, dass es Gästefans geben wird. 500 Tickets sollen sie bekommen haben. Sehr gut!

Zechzug

In Katowice steuerten wir die Mariacka an und setzten uns heute mal vor das KATO. Aber so gegen 1:00 Uhr machte ich ermattet den Abflug, während meine juvenilen Mitstreiter echt noch Energie für einen Diskobesuch hatten. Sie waren erst in der Großraumdiskothek Spiz und danach auf einer Ü40-Party in einem Club, dessen Namen sie sich nicht merken konnten. Einem schockierenden Videodokument zufolge tanzten sie unter anderem zum polnischen 2012er Smashhit „Ona Tanczy Dla Mnie“ von der Gruppe Weekend ab. Ich hoffe jeder, der das Lied jetzt recherchiert, bekommt einen Ohrwurm davon.

  • 31.03.2018
  • KS Ruch Chorzów – Zagłębie Sosnowiec 0:1
  • I Liga (II)
  • Stadion Miejski (Att: 7.426)

Für Sonntag war natürlich das Derby Ruch Chorzów versus Zagłębie Sosnowiec ohne Konkurrenz in unseren Planungen. Da bereits um 12:45 Uhr angestoßen werden sollte, hieß es um 10 Uhr aufstehen und zeitnah eine Straßenbahn in die Nachbarstadt besteigen. Die Erstbeste mit der Aufschrift Chorzów endete zwar bereits kurz hinter der Stadtgrenze am Stadion Śląski, aber von dort waren es auch nur 20 Fußminuten bis zum Stadion Miejski, wo Ruch seine Heimspiele austrägt. Und ’ne Tankstelle, bei der wir das georgische Wunderwasser Borjomi erwerben konnten, lag glücklicherweise am Wegesrand. Die Bewegung an der frischen Luft und das mineralienreiche Wasser aus der kaukasischen Bergquelle, vertrieben den lästigen Kater aus unseren Körpern.

Das Schlesische Stadion

Da hatte man auch gleich wieder ein Auge für die Backsteinarbeiterhäuser (Familoki) im Barrio und die vielen Ruch-Graffiti an den Fassaden und in den Hinterhöfen. Den Weg zum Stadion fand man aufgrund der vielen Menschen mit Ruch-Fanartikeln am Körper ziemlich leicht. Und wir dachten uns; wenn wir schon keine Ruch-Shirts haben, laufen wir wenigstens wieder oberkörperfrei rum. Das war am unauffälligsten, gerade weil wir natürlich zielsicher die Heimkurve ansteuerten und nicht alle dort lungernden Gestalten nach Lust auf fremde Typen aussahen.

Königshütter Backsteinromantik

Der Weg nach rechts hätte nun zum Gästeblock geführt und war von einem massiven Polizeiaufgebot versperrt. Also ging es linksrum zu den Tageskassen an der Haupttribüne. Dort durften wir ewig lange in der Hitze anstehen, ehe wir für je 50 Złoty unsere Tickets in den Händen hielten. Sportlicher Preis für die 2.Liga, aber wir helfen gerne die maroden Ruch-Finanzen zu sanieren. Und ein paar Taler für die Choreokasse hatten wir auch noch übrig.

Choreokasse

Unser Eingang war gleich neben dem Gästeblock und so sahen wir bereits beim Hereinspazieren den imposanten Gästemob aus Sosnowiec. Sehr schön, dass Gästefans diesmal nicht vom obersten Verwaltungschef der Woiwodschaft untersagt wurden. Obwohl sich zur eh schon großen Rivalität der beiden Fanszenen auch noch besondere sportlich Brisanz gesellte. Denn da Ruch überraschend die letzten beiden Spiele gewonnen hatte, wäre bei einem heutigen Sieg am letzten Spieltag (kommendes Wochenende) vielleicht doch noch der Klassenerhalt drin. Sosnowiec hatte dagegen seit Ostern, wo wir ihrer Niederlage in Katowice bei GieKSa beiwohnten, acht Siege aus neun Spielen geholt und konnte heute mit einem weiteren Sieg den Aufstieg in die Ekstraklasa klar machen.

Fanartikel für die Pumper

Aber auch, wenn es heute nur noch um die Złoty Ananas gegangen wäre, hätte genug Brisanz dringesteckt. Ruchs Fanszene hat die schlesische Mentalität und Geschichte in ihrer Fankultur kultiviert (heute wieder mit großem Oberschlesien-Banner vor’m Block), wohingegen die Sosnowiecer sich als stolze Polen definieren und auch historisch gesehen nie Schlesier waren. Erst die deutschen Besatzer haben Oberschlesien im Zweiten Weltkrieg nach Osten um das Dombrowaer Kohlebecken mit Städten wie Sosnowiec erweitert und die Polen haben es nach dem Krieg so beibehalten. Während es im traditionellen Oberschlesien gewissen Separatismus und mindestens eine ausgeprägte schlesische Identität gibt, ist man in Sosnowiec besonders loyal zur polnischen Nation.

Oberschlesien-Banner vorm Block

Nach Anpfiff wähnten sich die Gäste schnell auf Aufstiegskurs, da das 0:1 durch den angolanischen Stürmer Cristóvão bereits in der 13.Minute fiel. Doch wer glaubte, dass das Tabellenschlusslicht nun gebrochen war und die verhassten Nachbarn mit einem Schützenfest in die Ekstraklasa einziehen, wurde eines Besseren belehrt. Ruch lieferte bei brütender Hitze einen großen Kampf und ließ fortan wenig zu. Hier und da kamen sie sogar zu eigenen Torchancen. Das Heimpublikum, natürlich unterstützt von Abordnungen der Verbündeten Wisła und Widzew, goutierte das Gebotene mit lautstarker Unterstützung.

Blick hinüber zum harten Kern von Ruch

Kurz vor der Halbzeit beschlossen wir derweil mit einer üppigen Kiełbasa vom Grill das Frühstück nachzuholen. Kann auch nicht teuer gewesen sein, da für drei Getränke und drei Würste nicht einmal 40 Złoty zu zahlen waren. Satt freuten wir uns auf eine hoffentlich spannende 2.Hälfte. Doch irgendwie hatte sich alles auf 0:1 als Endstand eingependelt. Zagłębie wollte nicht mehr und Ruch konnte einfach nicht mehr. Erfreuen konnten wir uns lediglich noch an den weiterhin brachialen Gesängen und Schlachtrufen der Fangruppen.

Nahrhafte Kielbasa

Als nach 90 Minuten der Abpfiff erfolgte, feierte die ganze Zagłębie-Équipe natürlich ausgelassen mit den Fans in der Gästekurve. Nach 10 Jahren Abstinenz kehrt man endlich in die höchste Spielklasse zurück. Ruchs Anhang wirkte derweil relativ gelassen. Man hatte sich wahrscheinlich schon zeitig mit dem Abstieg abgefunden, wusste dass die junge Truppe auf dem Platz alles gegeben hat und verabschiedete die geknickten Kicker mit Applaus. Andere Szenen, als noch vor einem Jahr. Da stieg der polnische Rekordmeister (14 Titel) aus der Ekstraklasa ab und aufgrund der immensen Schulden war gar nicht klar, ob es überhaupt eine Lizenz für die 2.Liga gibt. So ein Absturz wie bei den Freunden von Widzew drohte und es gab schwere Ausschreitungen mit rund 150 Festnahmen.

Sosnowiec feiert

Ob der weiterhin finanziell sehr angeschlagene Club die Lizenz für die 3.Liga bekommt, halte ich allerdings ebenfalls für fraglich. Ich will auch nicht ausschließen, dass es heute außerhalb des Stadions noch gerappelt hat. Aber selbst wenn entsprechende Schaulust bei uns vorhanden gewesen wäre; kurz vor Spielende war eine Frau in unserer Nähe zusammengesackt und das war so ernst, dass die Rettungssanitäter direkt nach Abpfiff Maßnahmen zur Wiederbelebung unternahmen.

Hinterhof-Graffiti im Stadionumfeld

Auch wenn wir bewusst nicht mehr hinschauten, nimmt einen das schon mit, wenn keine 10 Meter neben dir um das Leben eines Menschen gekämpft wird. Da denkst du dann nicht an Suff und Halligalli, sondern drückst fest die Daumen. Es wirkte leider auch so, als liefen die Reanimationsversuche ins Leere und in der Berichterstattung zum Spiel wurde es später traurige Gewissheit. Es war die Mutter eines Ruch-Spielers, die bei jedem Spiel auf der Tribüne mitfieberte. Spoczywaj w pokoju Marzena Kulejewska!

Bonjour Tristesse

Nachdem wir aus dem Stadion raus waren, machten wir uns auf in die Innenstadt von Chorzów (ehemals Königshütte). Wenig überraschend ließ diese Malocherstadt das Touri-Herz nicht höher schlagen, aber bei sommerlichen Temperaturen und viel grün, war das Stadtbild nicht ganz so deprimierend. Außerdem bröckelte nicht überall der Putz. Die Haupteinkaufsstraße namens Wolności war fein herausgeputzt und die größeren repräsentativeren Gebäude wie die Parafia św. Barbary (Barbarakirche), die Parafia św. Jadwigi Śląskiej (Hedwigskirche) oder das Gmach Poczty (altes Hauptpostgebäude) ebenso.

Alte Post in Chorzów

Wirklich alte Bausubstanz sucht man allerdings vergebens, da das namensgebende Hüttenwerk erst 1797 gegründet wurde und die Stadt Königshütte ein Zusammenschluss mehrerer Siedlungen der Hüttenwerker im Jahre 1868 war. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel Königshütte an Polen (obwohl knapp 75 % bei der Volksabstimmung für den Verbleib im Deutschen Reich votierten) und bekam wenige Jahre später, nach ein paar Eingemeindungen, den heutigen Namen Chorzów.

Hedwigskirche

Im Zuge des deutsch-sowjetischen Überfalls auf Polen fiel die Stadt 1939 (bis 1945) erneut an das Deutsche Reich. Wie bereits in der Zwischenkriegszeit, mussten die Oberschlesier sich national bekennen: Deutsch oder Polnisch? Auch fußballhistorisch ist das ein interessantes Thema. Exemplarisch sei da die Vita der Ruch-Legende Ernst Willimowski (polnisch: Ernest Wilimowski) genannt, der von 1934 bis 1939 beeindruckende 21 Tore in 22 Länderspielen für Polen erzielte und in den Jahren 1941 und 1942 achtmal für das Deutsche Reich auflief (13 Tore).

Ernst-Willimowski-Huldigung im Stadion

Nachdem wir genug von der Stadt gesehen hatten, suchten wir uns ein Lokal mit Außenbestuhlung und wurden an einer Grünfläche nahe des Rynek fündig. Wie die Pinte hieß, war nicht ersichtlich, aber sie hatte eine schattige Terrasse und das erste Bier des Tages schmeckte besser als gedacht. Das ältere Pärchen am Nachbartisch war in der Thematik schon wesentlich fortgeschrittener als wir und torkelte alsbald von dannen. Wie teilte uns Monti noch am selben Abend via Instagram Story mit? Wenn es die Verpflichtungen des Montags zulassen, kann man sich auch ruhig sonntags zuzechen. Waren wohl polnische Follower von ihm.

Lauschiges Plätzchen in Chorzów

Wenig später brach unser Trio ebenfalls auf und suchte den innerstädtischen Bahnhof von Chorzów auf. Denn wir wollten mit dem Zug zurück nach Katowice. Fahrplangemäß um 16:31 Uhr fuhr ein Zug ein. Hm, allerdings ein InterCity. Sollte das nicht eigentlich ’ne Koleje Śląskie sein? Egal, da steht was von Katowice dran, also rein da. Dummerweise kam der Zug aus Katowice und war auf dem Weg nach Poznán (Posen). Ergo ergriffen wir die Flucht vor dem Schaffner und sprangen am nächsten Halt raus.

Bahnfahrt durchs schlesische Industrierevier

Das war Bytom (Beuthen). Eine Stadt, die vielleicht die schönste polnische Stadt wäre, wenn Polen nur eine Stadt hätte. Quasi Chorzów in hässlich. Doch bevor uns dieser Ort so richtig verzaubern konnte, waren wir auch schon wieder weg. Der Zug, den wir eigentlich in Chorzów besteigen wollten, fuhr gerade mit 30 Minuten Verspätung in Bytom ein. Bytom, du bekommst dann irgendwann anders deine Chance und bist wahrscheinlich gar nicht so schlimm wie alle sagen.

Bytom Hauptbahnhof

Gegen 17:15 Uhr war Katowice erreicht und dort votierten wir sofort für’s Abendessen. Wie schon an Ostermontag, sollte uns das Wiejska Chatka bewirten. Nun saisonal jetzt auch mit Außenbestuhlung. Da verzichteten wir in Anbetracht des Wetters auf das liebevoll eingerichtete Innere des Restaurants und nahmen auf der Terrasse Platz. Mit einem Liter hausgemachter Grapefruitlimonade erfrischte ich mich erstmal (für läppische 2,50 €), während die anderen beiden aus Macht der Gewohnheit Bier bestellten.

Schmalzbrot, Limo & Piwo

Die englischsprachige Karte konnte der Kellner auch gleich behalten, da unser slawisches Kauderwelsch mit der polnischen Saisonkarte gut klar kam und darauf eine Grillplatte für umgerechnet 9 € entdeckt wurde. Die nahm jeder und wir bekamen Nackensteak, ausgelöstes Kotelett, Putensteak und Kiełbasa, sowie grünen Spargel mit Speck umwickelt und Kartoffelecken. Leckere und sättigende Angelegenheit. Fast schon zu viel des Guten, denn irgendwie war der Motor anschließend aus.

Polnischer Grillteller

Wir entschieden uns nach dem Essen für Lungern in der Abendsonne am Spodek, der Katowicer Veranstaltungshalle in Form einer fliegenden Untertasse. Auf dem Weg dorthin kam uns ein junger Mann mit blutverschmierten Händen und einem zermatschten Auge entgegen. Na ja, der polnische Kohlenpott ist halt nicht Disneyland. Nichtsdestotrotz erreichten wir einen ganz friedlichen Ort, an dem außer uns nur Liebespaare, Hobbyfotografen und Hundehalter zugegen waren.

Spodek bei Sonnenuntergang

Auch nach einer Stunde des Chillens, wollte der Motor immer noch nicht wieder anspringen. Als die Sonne verschwunden war, ging es deshalb rüber ins Appartement, um schlechte, äh… kultige Musik zu hören und blöde Scheiße zu labern (also alles wie bisher, nur mit Musik im Hintergrund). Das relativ frühe Ende des letzten Abends der Reise zog immerhin einen ausgeschlafenen Start in den letzten Tag nach sich. Trotz Wecker um 6 Uhr.

Good Morning Katowice

Das Tagesziel hieß heute Kraków (Krakau). Nach der Körperpflege ging es zum 250 Meter entfernten Busbahnhof. Dort rollte um 7:50 Uhr unser Flixbus ein (3 € p. P. für Katowice – Kraków). Doch an Einstieg war vorerst nicht zu denken. Eine bewusstlose junge Frau musste zunächst aus der Bordtoilette befreit werden. Als das gelungen und außerdem ein Rettungswagen eingetroffen war, rollte der Bus mit 20 Minuten Verspätung los. Gute Besserung, unbekannte Frau!

Vorne: Barbakane – Hinten: Florianstor

Polens zweitgrößte Stadt (ca. 760.000 Einwohner) wurde nun auch erst 9:30 anstatt 9:10 Uhr erreicht, aber das war nicht so wild. Blieben immer noch 6,5 Stunden für die traumhafte Stadt an der Wisła (Weichsel). Erstes Ziel waren die eindrucksvollen Reste der einstigen Stadtbefestigung. In Kraków kann man nämlich die größte Barbakane Europas besuchen (warum eigentlich nicht der Welt, wo außerhalb von Europa soll denn eine größere Barbakane stehen?). Ihr wisst nicht was eine Barbakane ist? Keine Sorge, ich wusste es vorher auch nicht. Das ist eine runde oder halbrunde vorgelagerte Kanonenbastion. Man lernt nie aus.

Turm und Wehrmauer der Stadtbefestigung

Die Barbakane hier war dem Brama Floriańska (Florianstor) vorgelagert, welches wir nun durchschritten, um die Altstadt zu betreten. Wir waren sogleich auf der Sichtachse der bis zu 81 Meter hohen Bazylika Mariacka (Marienkirche). Über die Straße Florianska steuerten wir auf diese prächtige Kirche zu. Als das sakrale Meisterwerk erreicht war (Tipp: unbedingt reingehen und das Innere bewundern), befanden wir uns in der Nordostecke des Rynek Główny (Hauptmarkt).

Die Marienkirche

Der ist mit über 40.000 m² einer der größten mittelalterlichen Marktplätze Europas. In der Mitte dominieren die Sukiennice den Platz. Jene Krakówer Tuchhallen sind eines der größten Renaissancegebäude in Mitteleuropa (fotografisch bei diesem Bericht als Titelbild verewigt). Rings um den Rynek reihte sich eine schöne Fassade an die nächste und in alle Himmelsrichtungen waren Kirchtürme zu sehen. Ich wusste schon jetzt, bei meinem historischen Interesse und meiner Detailverliebtheit, könnte ich locker mal ’ne Woche Urlaub in Kraków machen und mir würde nicht langweilig werden.

Am Hauptmarkt (Rynek Główny)

Vom Hauptmarkt waren es nur wenige Meter zum Collegium Maius, dem ältesten Gebäude der Jagiellonen-Universität. Die Universität wiederum ist (nach Prag) die zweitälteste mitteleuropäischen Universität (1364 gegründet). Die beiden berühmtesten Absolventen sind wohl Nikolaus Kopernikus und Karol Józef Wojtyła (Papst Johannes Paul II.). Vom Collegium Maius arbeiteten wir uns dann nach Süden vor und passierten zahlreiche sehenswerte Kirchen. Unter anderem die Dominikanerkirche, die Peter-und-Paul-Kirche und die romanische Andreaskirche.

Ein Turm der Wawel-Festung

Prinzipiell könnte ich schon jetzt den Text mit Schilderungen, kleinen Entdeckungen und geschichtlichen Vorträgen zukleistern, aber das hebe ich mir für den definitiv kommenden nächsten Kraków-Besuch auf. Daher fasse ich mich auch kurz bei der Darstellung unseres nächsten Ziels, dem Wawel. Dort residierten einst die Könige Polens und wir ließen uns von einer riesigen Burganlage, malerisch auf einem Hügel (228 m ü. NN) an der Wisła (Weichsel) gelegen, in den Bann ziehen.

Die Wawel-Kathedrale innerhalb der Festungsmauern

Dank über 1000jähriger Existenz der Anlage, fanden wir einen Mix aus allen möglichen Architekturepochen vor. Die Innenräume kosten ein bisschen Eintritt, auf den großen Burghof kommt man jedoch gratis (anderswo wird ja schon gern am Burgtor kassiert). Von den Wehrmauern hat man einen schönen Ausblick auf die Stadt und ein Gang führt von dort hinunter zur Drachengrotte. Der mythologische Ex-Bewohner der Grotte soll von einem Vandalenfürsten namens Krak getötet worden sein, der anschließend am Tatort des Verbrechens die Stadt Krakau gegründet haben soll. Doch nicht nur der Drache kommt aus dem Reich der Fabel, auch ist der vermeintliche Stadtgründer Krak historisch nicht zu belegen.

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Vor der Grotte erinnerte dann eine Drachenskulptur an den Gründungsmythos der Stadt. Der Drache speit sogar in gewissen Abständen Feuer und war logischerweise nicht nur für walisische Touristen, sondern auch für Schulklassen ein Magnet. Ein Selfie mit Feuer und ohne Schulkinder wollte einfach nicht gelingen. Frustriert ging es nun das Flussufer am Fuße der Festung entlang. Zum Glück sonnten sich an der Wisła lauter polnische Bikinikatzen. Daher beschlossen wir, dass uns etwas Farbe auch gut tun würde.

Zurek

Kurz vor’m Sonnenbrand war Zeit für Mittagessen und es zog uns ins Restaurant Chłopskie Jadło (was wohl soviel wie Landküche oder Bauernessen heißen muss). Der Name hielt was er versprach und es gab deftiges Essen. Gruß aus der Küche war das obligatorische Schmalzbrot und danach ging es weiter mit einer kräftigen Żurek (polnische Sauermehlsuppe mit ordentlich Fleischeinlage, Kartoffeln und gekochtem Ei). Hauptgang wurde bei meinen Freunden ein Holztrog mit Schweinesteaks, diversen Pierogi, Kohlrouladen, Sauerkraut, Kartoffelecken und ’nem halben Hahn.

Der Speisetrog

Weil ich so ungern teile, habe ich mir allerdings 10 Pierogi mit Wurstfüllung bestellt und einige davon als Tauschmittel für Teile aus dem Trog eingesetzt. Auf jeden Fall wurden wir alle satt und verließen das rustikal eingerichtete Lokal etwas träge und um je 50 Złoty ärmer. Auf der Agenda standen jetzt die alte Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler oder die Stadien von Cracovia und Wisła zur Auswahl. Für beide Programmpunkte reichte die Zeit nicht mehr und da wir sicher nochmal zu ein oder zwei Fußballspielen nach Kraków zurückkehren, bekam die Fabrik den Zuschlag.

Rustikales Restaurant Chłopskie Jadło

Bei sengender Hitze spazierten wir durch das einstige jüdische Viertel Kazimierz in Richtung Süden. Den Graffiti nach zu urteilen, ist dieses Viertel fußballtechnisch Cracovia-Gebiet. Neben den grafischen Reviermarkierungen gibt es außerdem viele Synagogen und schöne Straßenzüge zu sehen. Viele von Schindlers jüdischen Zwangsarbeitern kamen ursprünglich aus diesem Viertel, allerdings waren sie seinerzeit bereits von Kazimierz ins Krakauer Ghetto zwangsumgesiedelt worden.

Die einstige Schindler-Fabrik

Das befand sich südlich der Wisła im Stadtteil Podgórze, unweit der Deutsche Emailwarenfabrik (DEF) von Oskar Schindler. Jene Fabrik wollten wir nun gerne besichtigen, allerdings waren für heute alle Führungen ausgebucht. Merke, beim nächsten Mal im Internet vorbestellen. Ein schattiges Plätzchen auf der Terrasse eines nahen Restaurants war nun die Alternative. Mit fruchtigen Cocktails gab es Vitamine und Flüssigkeit. Genau das Nötige, um 60 Minuten vor Abfahrt wieder fit für die 4 km zum Busbahnhof zu sein.

Cracovia-Graffito in Kazimierz

Statt Taxi o. ä. wurde natürlich lieber nochmal eine Dreiviertelstunde durch Kraków spaziert, um noch mehr Eindrücke von dieser prächtigen Stadt aufzusaugen. Am Busbahnhof erwarben wir noch Wasser, holten das eingeschlossene Gepäck und pünktlich um 16:00 Uhr rollte der letzte Transferbus des Tages (10,50 € p. P.) gen Flughafen Katowice. 17:00 Uhr hätte uns auch massig gereicht, aber ich darf die Fahrpläne nunmal nicht machen.

Kantinenmäßiger Fraß am Flughafen

Die zweistündige Fahrt nutzen wir alle für Nickerchen und das zahlte sich aus. Denn zu den knapp drei Stunden regulärer Wartezeit auf den Flug, die in einem Biergarten am Flughafen und in einem Schnellrestaurant rumgebracht wurden, gesellte sich obendrein eine Verspätung des Fluges um eine Stunde. Dazu noch eine nächtliche Vollsperrung der A7 bei Schwarmstedt und die Nachtruhe schrumpfte ein weiteres Stück. Nach vier Tagen Arbeit ging es übrigens gleich wieder für ein verlängertes Wochenende nach Polen. Aber ist davon lest ihr dann im nächsten Bericht.

Song of the Tour: Ohrwurm beim Feiern in Katowice bekommen.