2005/06

Kind ist dann mal kurz weg

Was hätten wir doch gerne UI-Cup gespielt im Sommer 2005. Aber es hat nicht sollen sein. Also auf ein Neues im Spieljahr 2005/06! Mit neuen Gesichtern, die auf dem Papier ganz ordentlich klangen. Mit Tommy Brdaric kehrte ein schlechter Sänger, aber guter Stürmer zurück an die Leine (war 2003/04 immerhin unser Toptorjäger mit 12 Saisontoren). Ebenfalls für viele Tore sollte Hubschrauber Vahid Hashemian sorgen. Gekauft wurde der Iraner vom FC Bayern, weil die ihn dort nicht gebrauchen konnten. Geholt hatten sie ihn allerdings, weil er zuvor in Bochum wie am Fließband traf (vorwiegend mit Köpfchen). Setzt er vielleicht in Hannover fort, war die Hoffnung. Das Sturmproblem aus der abgelaufenen Saison war also bei 96 zumindest erkannt worden und mit Hanno Balitsch (hat immerhin schon mal den Bundesadler auf der Brust gehabt) kam ein weiterer gestandener Bundesligaprofi. Dazu die vielversprechenden Talente Michael Delura und Chavdar Yankov auf Leihbasis, alle fünf zusammen für ca. 5 Millionen Euro Ablöse bzw. Leihgebühr.

Fandemo in Frankfurt
Fandemo in Frankfurt

Europapokal-Methadon wurde nun ein internationaler Vergleich in der Saisonvorbereitung. Ich gönnte mir im Sommer zunächst die WM-Generalprobe „Confed Cup“ (inklusive großer, wichtiger und friedlicher Fan-Demo in FFM) und dann hieß es mit 96 nach der üblichen Dörfertournee doch noch „Europa auswärts“. Über den gemeinsamen Hauptsponsor fanden der FC Twente Enschede und Hannover 96 zueinander. Aus Sicherheitsgründen war es nicht möglich vorher die Stadt zu prüfen, aber auch solche Schikanen konnten rund 250 96-Fans nicht davon abhalten mit vier Bussen in die Niederlande aufbrechen. Es waren natürlich zu 96% nur Leute aus dem harten Kern der Szene und das machte es umso geiler. Mit ziemlich viel schwarz-rot-gold wurde das Testspiel von unserer Seite noch mehr zum hochwichtigen internationalen Vergleich stilisiert und gesangstechnisch machten wir auch gut Attacke. Endstand war übrigens 1:1, falls es jemanden interessiert.

Die Szene auf dem Weg nach Enschede
Die Szene auf dem Weg nach Enschede

Unentschieden blieb nicht nur die Generalprobe, sondern auch der Saisonauftakt eine Woche später daheim gegen Hertha. Ebenso das erste Auswärtsspiel in Nürnberg. Zum Siegen brauchte es dann schon einen guten Sparringspartner wie die Reserve des 1.FC Köln, welche in der 1.Runde des DFB-Pokals unsere 1.Mannschaft in der Domstadt empfing (4:0 für die Profis aus Hannover). Gespielt wurde im Kölner Südstadion („Home of Fortuna“), was die Herzen der 2.Liga-Nostalgiker höher schlagen ließ. Weniger gut drauf als Mannschaft und Fans war Petrus. Ihm gefiel wohl nicht, dass sich da in Köln parallel ein Typ namens Ratzinger als irdischer Vertreter seines Bosses ausgab und ließ es wie aus Kübeln über Köln niedergießen. Uns egal, wir zogen obenrum blank und ein anderer geistiger Führer einer Weltanschauung namens LS’04 ließ sogar seinen nackten Unterkörper beregnen (was ein Pressefotograf fest, aber nicht verborgen hielt).

In Köln bei Fortuna, aber gegen 1.FC Köln Amateure
In Köln bei Fortuna, aber gegen 1.FC Köln II

Danach versuchten wir erstmal alte Fankontakte nach Dänemark aufzuwärmen. Bereits in der Vorsaison waren wir mit einer Autobesatzung beim Gastspiel von Odense BK in Kopenhagen (gegen den FCK), um dort mal zu schauen was so geht. In meiner Kindheit hatte ich einen der begehrten Hannover-Odense-Freundschaftsschals und ab und zu waren fröhliche Dänen aus Odense im Block H31 zu Gast. Hintergrund war der Sage nach der Wechsel von unserem Pokalheld Michael Schjønberg zu Odense BK anno 1994. Aber meine Generation pflegte keine Kontakte nach Dänemark und die „Kuttenfreundschaft“ war auch eingeschlafen. Die Odenser in Kopenhagen waren ganz nett und vor allem weibliche Fans, die Tangas mit Vereinslogo trugen, blieben im Gedächtnis. So wurde über dieses neumodische Internet Kontakt gehalten und im August 2005 rollten zwei 9er-Busse von uns auf die Insel Fünen.

OB & 96
OB & 96

Wir wurden dort von zwei Dutzend mehr oder weniger gleichgesinnten Supportern von OB in einer Kneipe mit dem passenden Namen „Stadion“ empfangen und gingen nach guten Bieren und guten Gesprächen zusammen zum Spiel gegen den Aufsteiger SønderjyskE (2:3 verlor OB). Außer hübschen Frauen und freundlichen Dänen, blieb aber nichts nachhaltig hängen von dem Besuch. War ganz nett, aber für tiefergehende Kontakte begeisterten uns die Odenser nicht.

Im Liga-Alltag baute 96 schließlich seine Remis-Serie aus. Diesmal spielten wir schiedlich-friedlich 1:1 in Hamburg. Das passende Ergebnis zur freundschaftlichen Atmosphäre den ganzen Tag über. Die Freundschaft zwischen CFHH und UH hatte in den ersten gemeinsamen Bundesligajahren wirklich einen neuen Level erreicht und strahlte auch auf weite Teile des allgemeinen Publikums ab. In den Jahren, wo der Hamburger SV international spielte, schnupperten viele von uns mit den Freunden zusammen Europapokalluft. Und bei den zwei regulären Aufeinandertreffen, die der Spielplan pro Saison parat hielt, organisierte der jeweilige Gastgeber immer ein stattliches Programm für seine Gäste und oft erstreckten sich die gegenseitigen Besuche über das ganze Wochenende. So auch wieder jenes Wochenende in Hamburg, wo Bier und Cider in rauen Mengen konsumiert wurde.

UH & CFHH
UH & CFHH

Zwei Wochen später (es war Länderspielpause, in der 96 sich jeweils zweistellig gegen Niedernwöhren und Ahlten warmschoss) sollte gegen Eintracht Frankfurt endlich der erste Saisonsieg gefeiert werden. Tore von Stajner und Yankov (der sich in diesem Spiel den Penis brach) verdoppelten Hannovers Punktekonto nach dem 4.Spieltag und machten Martin Kind ein schönes Abschiedsgeschenk. Der Große Vorsitzende von Hannover 96 entschied sich tatsächlich dazu alle seine operativen Ämter niederzulegen. Vereinspräsident wurde nun der joviale Götz von Fromberg, Geschäftsführer der Profigesellschaft wurden Karl-Heinz Vehling und Jungmanager Ilja Kaenzig. Der größte Gesellschafter bei 96 hieß aber weiterhin Martin Kind und er behielt damit natürlich alle Fäden in der Hand. Nur das Tagesgeschäft sollten jetzt andere verantworten.

In der offiziellen Stellungnahme von Martin Kind hieß es: „Für mich sind damit die Herausforderungen der zum Teil schwierigen Vergangenheit im Wesentlichen ebenfalls erfolgreich abgeschlossen: Das vierte Jahr 1.Bundesliga, die Fertigstellung der AWD-Arena, die Übernahme des Eilenriedestadions, der Aufbau des Nachwuchsleistungszentrums und die Entwicklung der Vereins- und Unternehmensstrukturen von Hannover 96.“ In der Retrospektive muss ich da natürlich wirklich über die Stelle mit dem Nachwuchsleistungszentrum schmunzeln, denn dafür war selbst 10 Jahre später immer noch nicht der erste Spatenstich erfolgt. Aber sonst war es, trotz aller persönlicher Differenzen, im Großen und Ganzen eine Erfolgsgeschichte, die Kind bis dato schrieb.

Heimspiel gegen die SGE
Heimspiel gegen die SGE

Spieltag Nr. 5 führte den roten Tross nach München, pünktlich zum Beginn des 172.Oktoberfests. Nicht wenige Fans nutzten die Gelegenheit dieses größte Volksfest der Welt mal zu prüfen, aber auch einige Hundert Schlachtenbummler entschieden sich für den von der Fanszene organisierten Sonderzug (damals leider noch ohne Tanzwagen). Das just eröffnete neue Stadion in München sorgte auf jeden Fall für reißenden Absatz in Hannover (Stichwort: Arenatouristen). Ob es nun an den vielen Touristen, am bescheidenen Gästebereich der Arena oder am Zustand der vielen angeschlagenen Sonderzugfahrer und Oktoberfestgänger lag; viel ging stimmungstechnisch nicht bei uns. Auch das Stadion, so kalt und grau in einer unwirtlichen Einöde, konnte mein Herz nicht erobern. Interessante Architektur allemal, aber als Heimstatt möchte ich das Ding nicht haben. Gewonnen haben übrigens wenig überraschend die Bayern. Mit 1:0 in einem unansehnlichen Kick.

Erstmals in Fröttmaning
Erstmals in Fröttmaning

Der Oktoberfestrausch war kaum überstanden, schon stand Dienstagabend das nächste Spiel an. Wolfsburg gastierte vor rund 30.000 Zuschauern (jämmerlich!) in Hannover. Die durch Spätschicht verhinderten VW-Arbeiter verpassten einen 4:2-Auswärtssieg ihrer Konzerntochter. Das Wochenende darauf machte es 96 auf Schalke auch nicht besser und verlor dort 0:2 gegen die Knappen. Von dem Ausflug blieb nur die vorherige Partynacht in Bielefeld positiv hängen, bei der eine dort studierende UH-Größe wieder mal seine WG als Schlafdomizil für circa 20 Hannoveraner zur Verfügung stellte. Wer dort mangels Alternativen auf der Herdplatte schlief, konnte am nächsten Morgen durch Aktivierung selbiger besonders sanft geweckt werden.

Nach drei Pleiten in Folge gastierte der Aufsteiger Meidericher SV im Niedersachsenstadion. Ein Pflichtsieg, so denn man sich nach durchwachsenem Saisonstart von der Abstiegszone absetzen will. Aber es reichte nur zu einem 1:1. Positiv blieb also wieder nur ein Ereignis neben dem Platz hängen, nämlich die Erstausgabe des Fanzines „RIport“. Der Rote Infarkt (est. 1999) füllte das große hannoversche Fanzinevakuum (abseits der Notbremse) und entwickelte sich die kommenden Jahre zum treuen Chronisten unseren Fanszene.

Eine Länderspielpause und Frust wegballern bei unterklassigen Testspielgegnern entpuppte sich danach wieder als ideale Vorbereitung für Saisonsieg Nr. 2. Köln wurde auswärts überdeutlich mit 4:1 geschlagen. 15 gute Minute reichten bei einer sonst wieder schwachen Partie, um die Geißbockelf deutlicher als verdient zu schlagen. Einmal mehr machten Jiri „Jürgen“ Stajner (der seine vielleicht beste Saison in Hannover spielte) und Tommy Brdaric den Unterschied. Und sogar Kaenzigs längst abgeschriebenes und zwischendurch nach Holland abgeschobenes „Sahnehäubchen“ Ricardo Sousa konnte zwei Scorerpunkte verbuchen.

Unterwegs in Köln-Müngersdorf
Unterwegs in Köln-Müngersdorf

Im nächsten Spiel gastierte der wenig geschätzte SV Werder in Hannover. Es gab noch so einige unbeglichene Rechnungen in beiden Fanlagern, aber eine Attacke Hannovers an der Stadionbrücke unterband die Polizei mit aller Härte, so dass etliche 96-Fans unweit des Stadions in der Waterloowache vergeblich die Ohren für einen Torjubel in Richtung benachbarte Nordkurve spitzen durften. Denn der Nordvergleich endete 0:0. Dafür gab es ein fröhliches Spruchbandduell auf den Rängen. Bremens „Nerd-Fraktion“ machte auf Tapete deutlich, dass sie wieder mal das UH-Forum gehackt hatten. Und unser Block pinselte in der Halbzeit schnell den Konter „Ihr im Internet – Wir auf der Straße“. Ob nun in der virtuellen Welt oder auf dem harten Asphalt, die letzten Worte waren in dieser Fanrivalität noch lange nicht gesprochen. Nervig war lediglich, dass die zum Teil mittlerweile ins linksexotische Milieu abgedriftete Bremer Ultraszene ständig versuchte die UH in die rechte Ecke zu stellen, um ihre Gewaltakte gegen Andersdenkende (in dem Fall den „falschen“ Verein Liebende) moralisch zu rechtfertigen.

Ihr im Internet - Wir auf der Strasse! (gegen Werder)
Ihr im Internet – Wir auf der Strasse! (gegen Werder)

Fast so nervig wie Bremen war damals der fragwürdige Großsponsor AWD. Dessen Klinkenputzer-König Carsten Maschmeyer butterte privat Geld in 96 und seine Firma hatte bekanntlich auf dem Papier die Namensrechte an unserem Niedersachsenstadion erworben. Um den Grund und Boden unserer Heimstatt noch besser als Werbefläche zu missbrauchen, plante der AWD einen 80 Meter hohen Pylon neben das Stadion zu setzen. Breiter Protest sowohl in der Fanszene als auch in der Lokalpolitik, ließen die Pläne zum Glück wieder in der Schublade verschwinden.

Ich hatte dieses Jahr übrigens auch wieder einen ganz besonderen Plan in der Schublade, nämlich sich über den DFB-Pokal für den Europapokal zu qualifizieren. Die zweite Hürde hieß dort Aachener TSV Alemannia. Deren Alter Tivoli gehörte ganz klar zu meinen Lieblingsstadien in Deutschland und so buchte ich mich in den Doppeldecker-Bus der UH ein, der immerhin bis Bielefeld kam und dann streikte wie französische Werktätige. Nichts ging mehr und Gott sei Dank erspähten wir am Pannenort nahe der A2 eine Bushaltestelle. Also über’s Feld rüber und mit dem nächsten Überlandbus (der just eintraf) nach Bielefeld rein. Von dort ging es mit dem ICE weiter und der Schaffner war nicht an Fahrkartenverkauf, sondern an einer Privatspende interessiert, um sich mal ein schönes Wochenende mit seiner Gattin zu machen. Verhältnisse, die man sonst nur aus dem wilden Osteuropa kannte.

Gestrandet irgendwo bei Bielefeld
Gestrandet irgendwo bei Bielefeld

Eine pünktliche Ankunft war nicht mehr realisierbar, aber kurz vor Aachen hatten wir eine Live-Schalte aus dem Gästeblock ins Bordbistro und nach dem 1:0 für 96 in der 9.Minute drohte dieser ICE-Teil abgerissen zu werden. Wenige Minuten später purzelten wir alle auf den Bahnsteig des Aachener Hauptbahnhofs und sprangen in sämtliche verfügbaren Taxis, so dass wir zur 40.Minute etwa allesamt im Block waren und die Stimmung deutlich anhoben. Mit einem spannend zustande gekommenen 2:1 zog 96 ins Achtelfinale ein.

Siegreich in Aachen
Siegreich in Aachen

Das Wochenende darauf rief Ostwestfalens Perle Bielefeld. Natürlich wurde wieder bei UH-Größe Jannis B. genächtigt und von Samstag auf Sonntag Bielefelds Kneipenszene massiv gefördert. Verstärkt mit dem Rest-Mob und einem bewusst trashig gestalteten Bettlaken mit „Hauerclub ohne Ende“-Schriftzug (Reminiszenz an die 80er-Kultreportage „Die sind eben so“) ging es sonntags in die 1€-Bar. Für schmale Taler wurde hier zusammen mit unseren Bielefelder Freunden ein Pegel erreicht, der uns das desaströse 1:4 gegen ihre Arminia ertragen ließ.

H.C.O.E.
H.C.O.E.

Hannover war nun nach elf Spielen zwei Punkte über’m Strich und es wurde verdammt eng für den durchaus sympathisch gewordenen Coach Lienen. Der dieses Jahr wie rostiges Blech daherkommende Oktober ließ Lienens Kredit beim Publikum massiv schwinden. Zu groß war der Kontrast seines Defensivfußballs mit dem Rangnick-Hurrafußball zuvor. Sobald die Ergebnisse nicht mehr passten, fehlte ihm die Lobby und in Manager Kaenzig hatte er auch keinen Freund für’s Leben gefunden. Seine Ablösung nach dem kommenden 2:2 gegen Mainz 05 überraschte wohl niemanden und ließ er eine Minderheit traurig zurück, aber die breite Masse jubelte.

Ersetzt wurde der medial als verbissen gezeichnete Lienen durch den Entertainer Peter Neururer, der in Hannover eigentlich noch Stadionverbot (ausgesprochen am 31.Mai 1995 auf unbestimmte Zeit vom damaligen 96-Präsidenten Klaus-Dieter Müller), aber einen guten Leumund hatte. Er hatte Retter-Reputation aus seinem ersten Engagement bei 96 und noch die recht frischen Bochum-Lorbeeren (Aufstieg und Europapokal-Qualifikation). Ein Bochumer Fan prognostizierte allerdings in den 96-Fanforen ziemlich exakt die kommenden Monate mit einem tollen Höhenflug und einem großen Absturz danach (inklusive fundierter Begründung).

H.C.O.E. Away-Banner in Stuttgart
H.C.O.E. Away-Banner in Stuttgart

Aber zunächst nahmen wir den Höhenflug dankend mit. Es gab beim Bundesliga-Sonntagsklassiker VfB Stuttgart versus Hannover 96 ein ordentliches 2:2 zur Premiere und sechs Tage später wurde Lautern 5:1 aus dem Niedersachsenstadion gefegt. Die hatten zwar auch einen neuen Trainer mit Wolfgang Wolf, aber Peter und der Wolf endete wie das musikalische Märchen von Prokofjew zugunsten Peterchens. Mit endlich wieder offensiver Ausrichtung durften sich je zweimal Tanne Tarnat und Tommy Brdaric und einmal Vahid Hashemian in die Torjägerliste eintragen.

Feierei im A-Treff nach dem 5:1 gegen Lautern
Feierei im A-Treff nach dem 5:1 gegen Lautern

Als die Woche darauf in Dortmund gewonnen wurde (2:0), war Peter Neururer spätestens wieder „der beste Mann“. Es folgten Unentschieden gegen Gladbach daheim (1:1) und in Leverkusen (0:0). Letzteres fungierte als Jahresabschlussfahrt der UH in einem mit Schnaps überladenen Linienbus aus dem Hause Lahrmann, inklusive der beliebten Tanzfläche in der Busmitte. Wären Tore gefallen, ich hätte mich an keine erinnern können. Dafür blieb hängen, dass der Busfahrer, der irgendwie unseriös wirkte, mitten auf der Autobahn die hintere Bustür öffnete. Wie gut, dass es gerade keinen Pogo auf der Tanzfläche gab.

Mit Lahrmann-Tours nach Leverkusen
Mit Lahrmann-Tours nach Leverkusen

Kurz vor Weihnachten versaute uns Bremen im DFB-Pokal den Traum von Berlin (und Europa) mit einem 1:4. Diesmal übrigens der friedlichen und harmonischen Weihnachtszeit entsprechend ohne großen Knall vor oder nach dem Spiel. Trübte die Stimmung wieder etwas und dann dominierte ein Fanthema die Winterpause (zumindest für die aktive Fanszene). Hannover 96 sollte und wollte der Szene ein Fanhaus zur Verfügung stellen. Es gab das Modell „Fanhaus inklusive neue Räumlichkeiten für das Fanprojekt ins Stadion integriert“ oder das Modell „Containerdorf im Stadion und zugleich die Vereinsräumlichkeiten an der Clausewitzstraße zum Fanhaus umfunktionieren (ohne FP dabei)“. Beim ersten Heimspiel der Rückrunde (zuvor gab es ein 1:1 in Berlin zum Auftakt) durften die Fans abstimmen und 77% votierten für die Clausewitzstraße. Die von mir und breiten Kreisen der UH favorisierte Lösung, die sich jedoch in der Folgezeit mangels Entfaltungsmöglichkeiten doch nur als Übergangslösung entpuppte. Fußball wurde natürlich auch noch gespielt und man trennte sich 1:1 vom 1.FC Nürnberg.

Rückrundenauftakt in Berlin
Rückrundenauftakt in Berlin

Es folgte ein 2:1-Sieg gegen den Hamburger SV, der in der englischen Woche ohne die üblichen Partyeskapaden auskommen musste. Gefeiert wurde dafür nach dem nächsten Punktspiel in Frankfurt. Die SGE wurde 1:0 geschlagen und 96 kletterte auf Platz 6. Geht da vielleicht doch noch was in Richtung Europa? Peter Neururer, schalalalala!

Ein 1:1 daheim gegen den Tabellenführer aus München brachte eine Woche später sogar schon Platz 5. Ausgerechnet bei den abstiegsbedrohten Wolfsburgern (für die sich auf einem Samstagnachmittag noch sensationelle 15.000 Wolfsburger interessierten) bekam der Höhenflug wieder einen Dämpfer (1:2). 1:2 endete auch das kommende Heimspiel gegen Schalke 04 und das Tabellenmittelfeld hatte uns wieder.

Heimspiel gegen S04
Heimspiel gegen S04

Wie schön, dass nun ein besonderes Auswärtsspiel anstand. Aufsteiger MSV Duisburg rief und das Spiel sollte wie zu Zweitligazeiten unter dem Motto stehen „Wie falle ich am wenigsten in Duisburg auf?“. Was mehrere hundert Gästefans da für Outfits zauberten, war schon gigantisch gut. Weniger gut war aber der erneute Wintereinbruch Mitte März (ich trug wie viele nur einen dünnen Anzug aus Ballonseide). Zum Glück war die Tarnung von mir und einigen Freunden heute so gut, dass wir der Einkesselung mit anschließender Knüppelorgie der Polizei in Duisburg entgehen konnten und noch eine wärmende Kneipe von innen gesehen haben. Unsere heitere Laune senkte dann erst das grottenschlechte 0:0 gegen den MSV.

Wie falle ich am wenigsten in Duisburg auf?
Wie falle ich am wenigsten in Duisburg auf?

Eine Woche später reichte es mit Ach und Krach zu einem 1:0 Heimsieg gegen den Tabellenletzten aus Köln (Tor des Tages: Vahid Hashemian) und danach setzte es ein derbes 0:5 in Bremen. Ein 0:1 gegen Bielefeld und ein 0:0 in Mainz ließen den Europapokalzug diese Saison zu 96% wieder ohne 96 abfahren. Und wenn dann im nächsten Spiel daheim gegen Stuttgart (wie immer sonntags) eine 2:0 bzw. 3:1 Führung in einem 3:3 Unentschieden münden, steht man nach 30 Spielen nur noch auf Platz 12. Neururers Effekte waren verpufft.

Heimspiel gegen Stuttgart
Heimspiel gegen Stuttgart

Wenn es Ende April bereits um nichts mehr geht, ist in Hannover eigentlich klar, dass die Prioritäten der Fanszene wieder auf Topleistungen am Glas gelegt werden. So war der Ausflug nach Kaiserslautern (0:1), der mit diversen 9ern bestritten wurde, wenigstens einer der Witzigsten diese Saison. Laut Einheimischen gab es in dem Pfälzer Städtchen noch nie so eine hohe Quote von Alkoholleichen unter den Gästefans. Eine Feststellung, die so mancher Gastgeber in 14 Jahren Bundesliga gemacht haben dürfte. Da war es gut, dass das folgende Heimspiel gegen Dortmund (1:2) Dienstag und somit alkoholarm stattfand.

Sek HI auf dem Weg nach Lautern
Sek HI auf dem Weg nach Lautern

Am 33.Spieltag gab es dafür natürlich nochmal einen Exzess. Letzte Auswärtsfahrt und wie immer zum Ende einer Halbserie eine All-Inclusive-Fahrt mit „UH Tours“. Da war das 2:2 in Mönchengladbach nur Nebensache und auch am letzten Spieltag sollte es nochmal ein Unentschieden geben. Leverkusen kam nach Hannover und man teilte sich bei einem weiteren 2:2 die Punkte. Das Spiel war im Rahmen der WM-Hysterie nochmal eine gute Gelegenheit, um mittels großer Choreographie in der Nordkurve auf die beschissene Situation in Sachen Fanrechte aufmerksam zu machen. Denn Meldeauflagen und Betretungsverbote für die Spielorte an Spieltagen hagelte es zuhauf in Hannover. Im Prinzip war jeder fällig, der mal irgendwo aufgeschrieben wurde und die rechtlichen Möglichkeiten gegen diese Willkür vorzugehen, waren arg begrenzt.

Choreographie zum Saisonabschluss
Choreographie zum Saisonabschluss

Stattdessen goss man selbst nochmal Wasser auf die Mühlen der verantwortlichen Behörden und Verbände. BS II gastierte nach dem Ende der Bundesligasaison in Hannover bzw. Letter, wo im Leinestadion keine effektive Fantrennung durch Zäune o. ä. herrschte und die Polizei zwar zahlreich anwesend war, aber ziemlich planlos agierte. Das nutzte der gewaltbereite Teil der Fanszene natürlich schamlos aus und attackierte den Gästeblock. Das Spiel, welches 3:2 für 96 endete, wurde für insgesamt 20 Minuten unterbrochen. Ein gefundenes Fressen für die Medien, um nochmals zu fragen, ob die Stadt Hannover und ihre Bürger die WM 2006 heil überstehen werden?

38 Punkte / Platz 12 / 5 Punkte auf Platz 16 / 14 Punkte auf Platz 5 / 43:47 Tore / Meiste Auflaufprämien kassiert: Jiri Stajner (33x) / Meiste Torprämien kassiert: Thomas Brdaric (10x) / Zuschauerschnitt: 38.419

Moin: Thomas Brdaric (VfL Wolfsburg), Vahid Hashemian (Bayern München), Hanno Balitsch (FSV Mainz 05), Chavdar Yankov (Slavia Sofia), Michael Delura (FC Schalke 04), Ricardo Sousa (De Graafschap), Mohammadou Idrissou (SM Caen), Jonas Troest (Silkeborg IF).

Tschüss: Leandro Fonseca (Grasshoppers), Daniel Haas (TSG Hoffenheim), Danijel Stefulj (SC Paderborn), Nebojsa Krupnikovic (Arminia Bielefeld), Julian de Guzmán (Dep. La Coruna), Vladimir But (Shinnik Jaroslavl), Jiri Kaufman (Karlsruher SC), Roman Wallner (Austria Wien), Thomas Schneider (Karriereende), Veljko Paunovic (FC Getafe), Ricardo Sousa (Boavista Porto), Tranquillo Barnetta (Bayer Leverkusen).