UK Road Trip 08/2023 (III)

  • 19.08.2023
  • Bolton Wanderers – Wigan Athletic 0:4
  • League One (III)
  • University of Bolton Stadium (Att: 24.438)

Am Morgen des 19.Augusts sollte uns die Reise von Caernarfon nach Liverpool führen. Aber selbstredend musste vor Abfahrt noch ein Frühstück her. Da die Travellodge jenes nicht offerierte, ging es um 8 Uhr zum dritten Mal binnen 13,12 Stunden zum lokalen Wetherspoon’s. In der Tafarn Y Porth wurden mir für £ 6.40 die üblichen Deftigkeiten serviert, während mein Vater Speck und Spiegelei lieber als Belag von zwei britischen Backwaren à £ 2.99 genießen wollte. Hatte wiederum den Vorteil, dass pro English Muffin ein Kaffeegetränk mit Free Refill im Preis inklusive war. Anschließend mussten endlich Souvenirs für die Lieben daheim gekauft werden. Als jene im Auto verstaut waren, wurde das Navigationssystem mit der Anschrift des University of Bolton Stadium versehen und schon waren wir wieder on the road.

Brecwast yn Caernarfon

Ein Samstag ohne Fußball war natürlich jenseits meiner Vorstellungskraft und mit dem Derby zwischen den Bolton Wanderers und Wigan Athletic wurde meines Erachtens etwas qualitativ Hochwertiges aus dem reichhaltigen Angebot gefischt. Neben der Rivalität und der damit verbundenen großen Kulisse, gefiel mir besonders die frühe Anstoßzeit. Bereits 12:30 Uhr sollte der Ball rollen, so dass wir anschließend noch einiges vom Tage haben würden.

Das Stadion der Wanderers, welches seit 1997 durchweg Sponsorennamen trägt

9:45 Uhr war Abfahrt in Caernarfon und der Verkehr spielte zunächst mit, so dass mein Vater die knapp 200 km zum Spielort in gut zwei Stunden meisterte. Jedenfalls kam das 1997 in Boltons Vorstadt Horwich eröffnete Stadion bereits 11:55 Uhr in Sichtweite… Doch leider verursachte das heutige Topspiel einen mächtigen Anfahrtsstau und der Caddy konnte erst um 12:18 Uhr auf dem Stadionparkplatz abgestellt werden. Zum Glück war der Stadioneingang nur 500 m entfernt und durch’s Drehkreuz kommt man in diesen Breitengraden erfreulicherweise immer flott.

Gut gefüllte Ränge beim Derby

Der Schwung wurde gleich mit ins Treppenhaus genommen, so dass wir 12:27 Uhr auf unseren Plätzen à £ 34 im Oberrang der Gegengerade saßen. Tatsächlich war ein Großteil der 28.723 Zuschauerplätze in diesem All-Seater verkauft worden. So wie sich das für ein Derby gehört. Erst recht wenn der Gastgeber Bolton Wanderers als Tabellenführer mit drei Siegen in drei Spielen in den 4.Spieltag geht und Absteiger Wigan Athletic mit zwei Siegen und einem Remis ebenfalls noch ungeschlagen ist. Der BWFC wiederum war 2022/23 knapp im Aufstiegsrennen gescheitert und beide Rivalen dürften zu Saisonbeginn das Ziel Aufstieg in die zweitklassige Championship postuliert haben (mindestens intern). Obendrein ist das Stadion der Wanderers nur 9 km von Wigans Stadtmitte entfernt. Kein Wunder also, dass der Anhang von Wigan Athletic das Away End gut gefüllt hatte. Es dürften rund 4.000 Supporter der Latics im Stadion gewesen sein.

Die Teams präsentieren sich dem Publikum

Zunächst wurden deren Gesänge noch vom Heimanhang übertönt. Die Euphorie bei den Fans des 1874 gegründeten Bolton Wanderers FC, der nebenbei 1888 zu den zwölf Gründungsvätern der English Football League gehörte und auf stolze 72 Spielzeiten Erstklassigkeit zurückblicken kann, bekam jedoch schnell einen Dämpfer. In der 12.Minute fühlte sich bei einem Eckstoß niemand für Wigans Charlie Wyke zuständig und der einem breiteren Publikum durch die Dokumention Sunderland Til I Die bekannte Angreifer konnte aus kurzer Distanz zum 0:1 einschieben. Die Fans des erst 1932 gegründeten Gastvereins flippten erstmals an diesem Mittag aus und anschließend wurde ihr Gegenüber landestypisch verhöhnt und provoziert.

Vor Anpfiff wanderte die Blockfahne einmal über die Tribünen

Die Boltonians antworteten auf den Rängen gestenreich zurück, aber die passende Replik auf dem Rasen blieb leider aus. Stattdessen erhöhte Stephen Humphrys in der 24.Minute auf 0:2 und das “Bolton get battered everywhere they go” schallte noch lauter als beim ersten Tor durch das Rund. Der vierfache Gewinner des FA Cups (1923, 1926, 1929 und 1958) bekam weiterhin nichts auf die Kette und konnte froh sein, dass Wigan (ihres Zeichens einmaliger Gewinner des FA Cups 2013) nicht noch effizienter im Torabschluss war. Doch als die Wanderers dachten, dass sie sich wenigstens ohne weiteres Gegentor in die Pause retten können, war Humphrys ein zweites Mal zur Stelle (45+4.Minute) und es ging mit 0:3 zur Kabinenpredigt.

Torjubel im Away End

Was war da noch von den Whites im zweiten Durchgang zu erwarten? Eigentlich nichts und entsprechend wenig war noch vom Heimanhang zu hören, als der Ball um 13:33 Uhr wieder rollte. Vielleicht hätte ein früher Anschlusstreffer nochmal für Hoffnung und ernsthafte Anfeuerung gesorgt. Allerdings hatte das defensiv wie offensiv überzeugende Wigan Athletic weiterhin alles unter Kontrolle und ließ sich hier auf keinen Fall mehr die Beans vom Toast nehmen. Zumal man mit dem heutigen Sieg im Prestigeduell zweier vor nicht all zu langer Zeit noch in der Premier League mitmischenden Teams – zumindest vorübergehend – die Tabellenführung übernehmen würde.

Gepöbel in Richtung der Boltonians

Als schließlich auch noch das 0:4 in der 75.Minute fiel (abermals durch Wigans Wyke), konnte man eigentlich vorzeitig den Abflug machen. Die Schmäh- wie auch Feiergesänge aus dem Repertoire der Latics hatten wir bereits alle gehört und die kurze Interaktion mit der Mannschaft nach Schlusspfiff dürfte vielleicht nett, aber wohl kaum unvergleichlich werden. Blöd, dass 96 % der Heimfans es uns gleichtaten und uns der Abfahrtsstau nun doch nicht erspart blieb. Es dauerte abermals rund 30 Minuten, um die kurze Distanz zwischen Stadionparkplatz und Autobahn zu überwinden. Aber dann ging es rasant ins 50 km entfernte Southport, wo wir gegen 15:45 Uhr bei unserer gebuchten Unterkunft eintrafen.

Eigentlich war nur in Boltons Strafraum regelmäßig was los

In jenem Seebad waren wir auf Empfehlung von meinem in Liverpool lebenden Kumpel Tommy gelandet. In Liverpool ging heute in Sachen Unterkunft nichts unter 250 € und im 30 km nördlich gelegenen Southport würde sein Arbeitgeber regelmäßig Gäste im Premier Inn unterbringen, wenn in der Metropole mal wieder alle Hotelpreise jenseits von Gut und Böse sind. Im empfohlenen Hotel wurden immerhin nur 130 € pro Zimmer aufgerufen, aber ich fand in guter Lage sogar noch eine Unterkunft für 63 € pro Zimmer. Die OYO Tequila and Dunlin Rooms sahen auf den Bildern akzeptabel aus und auch wenn ich eigentlich nichts buche, was bei Google schlechter als 4,0 und bei Booking schlechter als 8,0 bewertet ist, machte ich hier trotz 3,4 und 6,9 eine Ausnahme. Zu verlockend war die Ersparnis und es ist ja nur eine Nacht…

Dass jemand seine Unterkunft Tequila Rooms nennt, hätte durchaus stutzig machen können

Schon in der Einfahrt verhießen die Betreiber eine interessante Erfahrung. Auf der Eingangstreppe genoss das mutmaßliche Pärchen gerade Bier und Cider. Während sie die Dose Strongbow mal kurz absetzen musste, um uns die Zimmerschlüssel im eher unorganisiert wirkenden Büro auszuhändigen, erkannte er anhand unseres Kennzeichens sofort unsere Herkunft und zog großzügig zwei weitere Dosen Holsten aus seiner Plastiktüte. Wir lehnten dankend ab, doch um die Episode Expat in Germany aus seiner sicher insgesamt sehr spannenden Biographie kamen wir nicht mehr herum. Er hat in Bremen auf dem Bau gearbeitet und war zweimal auf dem Oktoberfest. Noch öfter war er jedoch auf der Reeperbahn in Hamburg. Auch Fußball wurde schnell Thema. Mit dem HSV von 1896 konnte er jedoch trotz der Schande von Burnley nichts anfangen. Den von Vater favorisierten anderen HSV kannte er allerdings und schwärmte von Kevin Keegan.

You get what you pay for

Es hätte sicher noch ein langes Gespräch werden können, aber das Gepäck wollte irgendwann in die Zimmer und eine Verabredung hatten wir heute auch noch. Es blieb daher kaum Zeit sich näher mit den wirklich ranzigen Räumlichkeiten zu beschäftigen. Aber ich nehme es vorweg, nach Dimitris „Ferienwohnung“ in Vilnius meine bisher schlimmste Absteige. Zum Glück ging es um 16:27 Uhr vom nur 600 m entfernten Bahnhof erst einmal für £ 5.95 return nach Liverpool. Dort wollten wir die monetäre Ersparnis bei der Herbergsbuchung verjubeln. Mit dem Nebeneffekt, dass sich unter Alkoholeinfluss später wahrscheinlich eine gewisse Gleichgültigkeit ob der Qualität der Unterkunft einstellen könnte.

Der gekachelte Nebenraum

Doch bevor die Zapfhähne beansprucht werden sollten, stand noch etwas Sightseeing an. Ich war zwar schon einmal in Liverpool, aber damals ging wirklich fast alles schief und von der Stadt hatten wir so gut wie nichts gesehen (Vgl. Liverpool 10/2018). Da war also massiver Nachholbedarf und gegen 17 Uhr spazierten wir vom Bahnhof Moorfields zu den nahen Three Graces. So nennt man landläufig die drei markanten Gebäude Port of Liverpool Building (1907), Cunard Building (1916) und Royal Liver Building (1911) am Pier Head (siehe Titelbild). Ersteres war früher das Verwaltungsgebäude der Mersey Docks and Harbour Company, das mittlere Gebäude war wiederum der Hauptsitz der Reederei Cunard Line und das dritte Bauwerk in diesem Trio gehört bis heute der Versicherungsgesellschaft Royal Liver Assurance.

Die Beatles sind natürlich auch irgendwie Liverpools Welterbe

Die architektonischen Grazien waren neben den Docks auch Kern von Liverpools Welterbeeintrag als Maritime Mercantile City (Maritime Handelsstadt). Damit sollte der historischen Entwicklung der Stadt zu einem der bedeutendsten Handelszentren der Welt im 18. und 19.Jahrhundert Rechnung getragen werden. Damals war Liverpool einerseits Drehkreuz des menschenverachtenden Sklavenhandels, andererseits wegweisend für die Entwicklung moderner Dockanlagen, maritimer Transportsysteme und des kommerziellen Hafenmanagements. In dieser Form war die Stadt eine der Säulen des britischen Seehandels und der Entwicklung Großbritanniens zur Weltmacht. Aufgrund von baulichen Eingriffen wurde Liverpool 2021 jedoch der Welterbestatus von der UNESCO aberkannt.

Einmal alles bitte

Nichtsdestotrotz sind die Three Graces und die Docks weiterhin einer der Touristenmagnete der Stadt und wo im urbanen Raum des Vereinigten Königreichs viel Laufkundschaft unterwegs ist, betreibt J. D. Wetherspoon meist einen seiner Pubs. In diesem Fall hört jener auf den Namen The Captain Alexander und war an einem Samstag um 18 Uhr natürlich proppenvoll. Aber im Durchschnitt wird auch alle 96 Sekunden ein Tisch frei und wir konnten schnell irgendwo Platz nehmen. Wir bestellten ein kleines Best of der Speisekarte und zwei Pints, so dass für zusammen £ 30.13 vorerst all unsere Bedürfnisse gestillt wurden.

Die 1754 fertiggestellte Town Hall

Nach dem Essen wollten wir uns dann mit meinem Kumpel Tommy am anderen Ende der Innenstadt treffen. Ideal, um auf dem Weg dorthin noch einige Sehenswürdigkeiten en passant zu würdigen. Wir warfen mal einen Blick auf die Town Hall, die Municipal Buildings, die St George’s Hall und viele weitere repräsentative Bauwerke im Stadtzentrum. Auch ein frühabendlicher Streifzug durch die Amüsiermeile Mathew Street durfte nicht fehlen. Hier lagen um 19:30 Uhr bereits die ersten Schnapsleichen auf dem Straßenpflaster, aber ein Großteil der hier feiernden Gruppen – viele Geburtstagsgesellschaften und Hen & Stag Parties – war noch gut in Fahrt.

Gut was los in der Mathew Street

Tommy trafen wir dann gegen 20 Uhr in der etwas kultivierteren Ausgehmeile Bold Street. Die Straße wurde vor einigen Jahren in eine Fußgängerzone umgewidmet und zahlreiche Restaurants wetteifern um Gäste. An Pubs für ein, zwei anschließende Pints fehlt es dort ebenfalls nicht, an grölenden und verkleideten Partytruppen jedoch schon. Tommy, der heute bereits einen bunten Nachmittag mit zwei ehemaligen Arbeitskollegen verbracht hatte, wurde beim Abendessen in der Greek Taverna von uns belästigt. Anschließend suchten wir den Pub Newington Temple auf, der uns ein paar Runden Bones Lager der Brauerei Beavertown zapfen durfte.

Die Wall of Fame in der Mathew Street

Tommy lebt mittlerweile seit 18,96 Jahren in Liverpool, aber zum Glück läuft man sich dennoch immer wieder über den Weg. Ehrensache, dass ich mich melde, wenn ich in seiner Wahlheimat unterwegs bin. Allerdings stand bei ihm am heutigen Samstag schon lange das nachmittägliche Treffen mit den Ex-Kollegen im Kalender und wir wiederum waren nicht flexibel genug, um auch noch den Sonntag an der Mersey zu verbringen. Schön, dass es in den Abendstunden doch noch klappte, sich auf ein paar Pints zu treffen und den üblichen Stuss zu quatschen. Mein Vater hatte dann nach sieben Tagen auch endlich mal wieder einen anderen Gesprächspartner als mich und der Scouser konnte die gern erwünschten Fragen zu seiner Biografie und dem Leben in Liverpool gewohnt informativ und unterhaltsam beantworten.

Bones Lager aus dem Hause Beavertown

Da gegen 23 Uhr jedoch die letzten Bahnen vor Betriebsschluss fahren sollten, wurde es zwangsläufig kein langer Abend mehr. Dazu lenken die Zwänge des Fahrplans gut davon ab, dass hier über 150 Lebensjahre am Tisch saßen und uns allen ein langer Tag in den Knochen steckte. Also gar nicht so schlecht, dass Merseyrail den Zeitpunkt unserer persönlichen Last Order bestimmte. Nachdem wir uns von Tommy verabschiedet hatten, mussten mein Vater und ich allerdings nochmal eine nächtliche Visite der Mathew Street vornehmen und das Flair dort war nicht uninteressanter geworden. Im übervollen Vorortzug ging es dann vom nahen Bahnhof Moorfields zurück nach Southport und gegen Mitternacht lagen wir schließlich in unseren Tequila Rooms.

Mathew Street by night

Am nächsten Morgen herrschte natürlich schnell Aufbruchstimmung. Da in der Unterkunft wohl höchstens Frühschoppen, aber kein Frühstücken möglich war, wurde der Wetherspoon’s des Ortes fix lokalisiert. Ich bin zwar eigentlich gar nicht (mehr) so der Fan dieser Kette, aber man weiß, dass man da auch am Sonntag um 8 Uhr ein preiswertes und qualitativ akzeptables Frühstück bekommt. Dazu war auf diesem Trip absurderweise wieder mein Sammelfieber geweckt worden. Wir hatten auf dieser Reise viel zu wenig Fußballstadien besucht, da wollte ich wenigstens meine Statistik bei Wetherspoon’s in die Höhe schrauben.

Eigentlich ist Southport ja ganz schön

Sollte meine Statistik lückenlos gepflegt sein, war The Sir Henry Segrave in Southport meine Niederlassung Nr. 60 der Pubkette. Zur Feier des Tages gönnte ich mir mal die vegetarische Option beim Frühstück (£ 6.88), während mein Vater Eggs Benedict orderte (£ 5.41). Kaffee mit Free Refill à £ 1.50 war natürlich auch wieder obligatorisch. Beim herzhaften Biss ins fleischfreie Frühstückswürstchen studierte ich außerdem den Klappentext der Speisekarte. Sir Henry Segrave war Rennfahrer und hatte am 26.März 1926 am Ainsdale Beach bei Southport mit seinem Sunbeam Tiger einen neuen Weltgeschwindigkeitsrekord aufgestellt (245,10 km/h). Das stimmte uns thematisch gut auf den heutigen Besuch der Rennstrecke in Silverstone ein. Dass der Sunbeam Tiger den Beinamen Ladybird (Marienkäfer) hatte, erinnerte uns darüber hinaus erneut an meinen Bruder (der obendrein an einem 26.März geboren wurde).

Heute mal das Large Vegetarian Breakfast

So sehr der Verlust für immer schmerzen wird, ist es schön, dass die Erinnerung an diesen geliebten Menschen immer wieder im Alltag durch derlei Zufälle lebendig wird. Nach 30 gemeinsamen Jahren verbinde ich einfach so viel mit ihm. Begegnen mir seine Lieblingstiere, muss ich sofort an ihn denken. Auch Fußballleidenschaft war immer ein gemeinsames Band. Wir haben unzählige Spiele bei 96 und anderswo gemeinsam besucht und haben im Herrenbereich sogar mal eine Zeit lang in einer Mannschaft gespielt. Wenn ich das Niedersachsenstadion betrete oder irgendwo anders der Ball rollt, denke ich automatisch an meinen Bruder. Wir waren auch viel zusammen wandern. Daher ist er mir immer präsent, wenn ich in der Natur unterwegs bin. Dazu gibt es unzählige Erinnerungsorte. Ob direkt vor der Haustür oder dank gemeinsamer Reisen in der Fremde.

King’s Gardens in Southport

Wir machten nach dem Frühstück noch einen kleinen Spaziergang durch Southport und dann war um 9:45 Uhr Abfahrt. Da am Folgetag unsere Fähre gen Festland fahren sollte, mussten wir heute zwangsläufig viele Meilen in Richtung Dover machen. Aber mein Vater sollte und wollte die Distanz natürlich nicht am Stück durchfahren und ich hatte uns wie bereits erwähnt einen Zwischenstopp in Silverstone ersonnen. Jene berühmte Rennstrecke lag grob auf halbem Wege und im angeschlossenen Motorsportmuseum hatte ich uns ein Besuchsfenster von 14 bis 17 Uhr gebucht (£ 22.50 pro Ticket). Da wir gut durchkamen, waren wir allerdings bereits gegen 13 Uhr an der Rennstrecke und ich regte noch spontan eine Kurzvisite von Stowe House an.

Stowe House

Für eine Besichtigung der Innenräume dieses prächtigen Landsitzes aus dem 17.Jahrhundert fehlte zwar leider die Zeit, aber von außen gucken kostet ja nichts und anscheinend konnte man ohne Entrance Fee durch die Parkanlage spazieren. Mein Vater beschloss nun am Auto zu warten, während ich mir wenigstens einen kleinen Überblick der Anlage verschaffen wollte. Okay, dass kein Eintritt fällig war, entpuppte sich als Irrtum. Allerdings erst, als ich bereits zwischen den zahlenden Besuchern auf der Wiese vor der Südfront stand. Da wurde wohl vergessen ein Tor abzuschließen. Ich hatte allerdings auch keine Lust nochmal einmal um den Pudding zurück zum Besucherparkplatz zu latschen und bin daher durch den Museumsshop und das angeschlossene Café wie ein regulärer Gast hinaus spaziert.

Ich wollte mir heute zwar Motoren näher anschauen, aber der sollte eigentlich nicht dazugehören

Weil ich doch etwas länger als geplant unterwegs war, schien mein Vater die Zeit genutzt zu haben, um sich einen Scherz zu überlegen. Denn plötzlich sprang der Caddy nicht mehr an. Aber nach ein paar gescheiterten Versuchen den Motor zu starten, merkte ich, dass es doch kein schlechtes Schauspiel war. Es war zum Glück nur die Batterie und mein Vater hatte so eine Starthilfe-Powerbank im Kofferraum. Also kamen wir doch noch pünktlich nach Silverstone und dort auf unsere Kosten.

Diverse Rennwagen erwarteten einen erwartungsgemäß in Silverstone

Das Museum ist sehr modern und interaktiv gestaltet. Nach einem rasanten Einführungsfilm widmet man sich der Geschichte des Areals, auf welchem im Mittelalter eine Abtei zu finden war und die Royal Air Force später einen Flugplatz betrieb. Herzstück des Museums sind anschließend natürlich die ausgestellten Motorräder und Rennwagen, insbesondere die ikonischen F1-Boliden der vergangenen Jahrzehnte. Ich bin zwar nicht so ein großer Motorsportfan wie mein Vater, aber ich habe es glaube ich bereits im Bericht aus Modena geschrieben; Formel 1 gucken war in den 1990er Jahren oft ein kleines sonntägliches Familienvergnügen. Entsprechend ist es eine nette Kindheitserinnerung und ich empfinde gewisse Nostalgie, wenn ich vor den einstigen F1-Boliden von Nigel Mansell, Damon Hill, Michael Schumacher oder David Coulthard stehen kann.

Michael Schumachers erster F1-Flitzer

Aber auch das Tech Lab in Silverstone fand ich interessant. Dort wird einem Motorsporttechnik veranschaulicht und man kann viel ausprobieren. Natürlich dürfen auch Rennwagensimulatoren nicht fehlen und am Ende kann man in einem 360°-Kinosaal die Ultimate Lap erleben. Außerdem darf draußen ein Teil der Rennstrecke besichtigt werden. Als wir an der Strecke standen, fuhren gerade ein paar „Pablos“ ein Rennen der BRSCC Fiesta Junior Championship. Wieder so ein kurioser Zufall, dass nun ausgerechnet „Artgenossen“ vom letzten Auto meines Bruders hier und jetzt ein Rennen austrugen und wir eigentlich die Reise in seinem alten Fiesta namens Pablo antreten wollten.

Ein paar Pablos fahren um die Wette

Gegen 16 Uhr musste die Powerbank schließlich wieder ihren Dienst an der Autobatterie verrichten und dann rollten wir weiter südwärts. Gute drei Stunden später erreichten wir mit Canterbury den Ort der letzten Übernachtung auf dieser Tour. Ich hatte uns ins zentrale Premier Inn (***) für 82 € pro Zimmer (inklusive Frühstück) eingebucht. Mit dieser Kette hatten wir erneut nichts verkehrt gemacht, aber lange aufhalten wollten wir uns im Hotel zunächst dennoch nicht. Wir wollten wenigstens ein bisschen was von der 62.000-Einwohner-Stadt mit ihrem reichen architektonischen Erbe sehen und es musste außerdem endlich die zweite Mahlzeit des Tages her.

Das Christchurch Gate der Canterbury Cathedral

Nein, diesmal nicht bei Wetherspoon’s. Stattdessen führte uns der Internetsuchbegriff Sunday Roast in den Pub The Three Tuns. Leider waren die Sonntagsbraten bereits alle über den Tresen gegangen und noch schlimmer; wir mussten jetzt umgehend etwas Essbares ordern, da in einer Minute Küchenschluss sei. Der Vater zeigte umgehend auf die prominent per Foto in der Speisekarte angepriesenen Chicken Wings. Aber was nehme ich? Einen Burger? Ein Steak? Verdammt, es können nur noch wenige Sekunden sein, bis das Kassensystem automatisch die Speisekarte sperrt… Also das Gericht direkt unter Chicken Wings gewählt. Chicken Katsu, was auch immer das ist. Es entpuppte sich als panierte Hähnchenbruststreifen in pikanter Currysauce mit der etwas komischen Beilagenkombination Reis und Pommes frites.

Unsere Abendessen

Nach Speis und Trank setzten wir unseren Stadtspaziergang in der Blauen Stunde fort und Canterbury wusste weiterhin zu begeistern. Fast schon schade, dass wir hier keinen vollen Tag hatten. Auch nach Einbruch der Dunkelheit hatte die historische Altstadt einen fotogenen Charme und es war für einen Sonntagabend sogar relativ viel in den Gastwirtschaften los. Für die Statistik in der Wetherspoon’s App wurden die letzten beiden Runden Bier auf dieser Reise nun noch in den Pubs The West Gate Inn und The Thomas Ingoldsby getrunken. In Pub Nr. 1 gab es dabei sogar geliebtes Brains SA aus Cardiff (und in Nr. 2 Spitfire Kentish Ale).

Historische Weberhäuser der Altstadt in der Blauen Stunde

Gegen 23 Uhr lagen wir schließlich in unseren Zimmern und ich stellte mir den Wecker tatsächlich auf 6 Uhr, um vor dem Frühstück noch ein paar Sehenswürdigkeiten von Canterbury in Augenschein nehmen zu können. Im Frühnebel ging es zunächst zur St Martin’s Church. Diese stammt aus dem späten 6.Jahrhundert (vermutlich um 580) und ist somit Großbritanniens ältester noch erhaltener Kirchenbau. Auch die Ruinen der St Augustine’s Abbey waren mir einen Blick wert. Dieses Kloster wurde von Augustine of Canterbury (Augustinus von Canterbury) mutmaßlich 597 gegründet und ist damit das älteste Kloster im südlichen England. Zusammen mit der Canterbury Cathedral haben die St Martin’s Church und die St Augustine’s Abbey der Stadt übrigens einen Eintrag ins UNESCO Welterbe beschert.

St Martin’s Church

Dass mir eine Besichtigung der Kathedrale durch die gestrige späte Ankunft und heutige frühe Abreise nicht möglich war, zwingt mich natürlich in absehbarer Zeit nochmal wiederzukehren. An einem morgendlichen Spaziergang an der noch fast komplett erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauer hatte ich nach den Stationen St Martin’s Church und St Augustine’s Abbey aber ebenfalls meine Freude. Gegen 7:30 Uhr gesellte ich mich schließlich zu meinem Vater an den Frühstückstisch und beim vorläufig letzten English Breakfast für sicher wieder längere Zeit wurden zugleich lokale Autoteilehändler recherchiert. War vielleicht doch besser, die Rückreise mit neuer Batterie anzutreten und den Motor nicht dauernd mit der Powerbank starten zu müssen.

Das letzte Frühstück der Reise

Es ging daher um 8:30 Uhr zu einem Fachhändler namens Euro Car Parts und für umgerechnet 70 € gab es dort die passende Batterie. Dann steuerten wir das nahe Dover an und hatten dort noch gute zwei Stunden Puffer bis wir spätestens am Fährhafen einchecken mussten. Das erst um 10 Uhr öffnende Dover Castle lohnte zeitlich nicht mehr, aber ein kleinen Spaziergang an den berühmten White Cliffs of Dover war noch drin.

Abschlussspaziergang in Dover

Um 11:25 Uhr legte schließlich die gebuchte Fähre von Det Forenede Dampskibs-Selskab (106 €) nach Calais ab und aufgrund der Zeitumstellung erreichten wir das europäische Festland gegen 14 Uhr. Uns standen nun noch knapp 750 km bis Hildesheim bevor, die mein Vater gewohnt souverän meisterte. Dabei gönnten wir uns natürlich auch nochmal eine Tank- und Frittenpause in Belgien. Die Frituur von der Hinreise hatte heute leider Ruhetag, aber am Ortsrand von Brugge war gleich neben einer Tankstelle mit der Frituur De Bosrand ein Ersatz zu finden. Gegen 22 Uhr waren wir schließlich wieder in Hildesheim und während mein Vater wieder ackern musste, stand bei mir am nächsten Morgen gleich die nächste Reise an. Aber darüber lest ihr dann im folgenden Bericht.

Nochmal eine Kilojoule-Eskalation in Belgien

Da die Einleitung und weitere Stellen dieser drei UK-Berichte für mich sehr emotional waren, soll das Ende zuvorderst der nüchternen Statistik gehören. Wir sind auf diesem besonderen Trip binnen neun Tagen 3.224 km gefahren. Dank günstiger Benzinpreise in Belgien und Großbritannien haben wir für fast exakt 300 € Benzin im Motor des Caddy verfeuert. Die Unterkünfte kosteten zusammen 1.258 € und für die Fähren waren 206 € fällig. Damit beliefen sich die Reisegrundkosten dieses Trips auf circa 882 € pro Person. Insgesamt 196.351 Schritte dürften außerdem geholfen haben die unzähligen konsumierten Kalorien an diesen neun Tagen zu egalisieren. Am Ende möchte ich mit Horst Hrubesch eine Ikone des Lieblingsvereins meines Vaters zitieren und neben ihm dürfen sich noch einige Menschen mehr aus meinem nahen Umfeld angesprochen fühlen:

Ich sag nur ein Wort: Vielen Dank!

Song of the Tour: I’m back in Liverpool…