Liverpool 10/2018

  • 24.10.2018
  • Liverpool FC – FK Crvena zvezda 4:0
  • UEFA Champions League (Group Stage)
  • Anfield Road (Att: 53.024)

Da spielt der Titelträger von 1991 – auch wenn es damals noch Europapokal der Landesmeister hiess – endlich mal wieder in der UEFA Champions League, doch die Ansetzungen der so genannten UEFA Mafia passen überhaupt nicht zu meiner Lebensrealität der zweiten Jahreshälfte 2018. Die ersten Spieltage kollidierten sowieso unveränderlich mit meiner Südamerikareise (Napoli heim und PSG auswärts) und mein Traumspiel Napoli auswärts wurde während einer berufsbedingten Urlaubssperre im November ausgetragen. Die drei mir potentiell vergönnten Spieltage hielten zwei Heimspiele auf einem Dienstagabend parat, sowie Liverpool auswärts. Letzteres war nun auch die einzige Ansetzung, die beruflich mit einem Urlaubsantrag vereinbar war.

Geplante Stationen des Tages in Liverpool

Flüge waren nun nicht das Problem (mit Ryanair HAM – MAN für 50 € return), doch die Kartenproblematik war eine gewisse Herausforderung. Zumal die eingangs zitierte UEFA Mafia dem FK Crvena zvezda für zwei Gruppenspiele Auswärtsfans untersagte, weil der Anhang in Salzburg den Einzug in die Champions League (nach Abpfiff) friedlich auf dem Platz feierte. Damit war schon mal ausgeschlossen eine Karte aus dem Gästekontingent abzugreifen. Zum Glück habe ich einen guten Freund in Liverpool, der wiederum dort unzählige gute Freunde hat. Einer davon konnte zum Match gegen den serbischen Meister nicht ins Stadion, so dass ich ins Spiel kam.

Mein Ticket, eine freundliche Leihgabe

Als Scouser-Tommy, mein besagter guter Freund, wenige Tage vor dem Spiel auch noch zwei Karten für meine Mitreisenden Ole und El Glatto ankündigte (übrigens alle drei Tickets für The Kop), war die Freude groß. Jetzt stand einem coolen Trip nichts mehr im Wege und gemeinsam mit Tommy wurde ein gutes Pub- und Touri-Programm für unser voraussichtlich siebenstündiges Zeitfenster vor dem Spiel gebastelt.

Frühstück

Am Matchday kamen wir alle gut aus den Federn und 5:55 Uhr wurde der InterCity gen Hamburg bestiegen. Alles lief reibungslos und gegen 8 Uhr waren wir am Airport der Hansestadt. Schnell noch Leberkäsbrötchen geschmaust und dennoch über eine Stunde vor Abflug (der war für 9:40 Uhr angesetzt) durch die Sicherheitskontrolle gewesen. Früher als eine halbe Stunde vor der Startzeit braucht man bekanntlich nicht am Gate rumlungern und dementsprechend gönnten wir uns noch ein Pils vor der Passkontrolle.

Undercover in den Kop

9:10 Uhr noch fix ein Toilettengang und plötzlich hören wir den Final Call für unseren Flug. Ui, dann doch mal Gas gegeben und trotz lästiger Passkontrolle 9:15 Uhr am einsamen Schalter gestanden. „Das Gate ist leider schon geschlossen…“ „Wie, was?“ Der folgende Dialog sprengt den Rahmen und war auch weder spannend, noch großartig vulgär. Uns wurde halt mit „Schaut auf eure Tickets, da steht 9:10 Uhr schließt das Gate“ der Wind aus Segeln genommen. Auf das „Ich bin schon circa 96 Mal mit Ryanair geflogen, noch nie war das Gate schon eine halbe Stunde vor der announcierten Abflugzeit geschlossen“ konnten wir uns das „Tja, irgendwann ist immer das erste Mal“ schon selbst denken und machten Platz für diverse weitere Fluggäste, die noch später als wir am Gate ankamen.

Nichts los am Flughafen und trotzdem zu spät am Gate

Weil hinter uns u. a. noch eine Mutter mit Kleinkind und Kinderkarre kam, warteten wir fünf Meter entfernt, ob nicht doch noch was geht (der Stahlvogel stand schließlich noch 20 Minuten auf dem Rollfeld). Tja, wir waren halt nicht in einem coolen Land (z. B. Brasilien vor Bolsonaro), wo für solche Fälle noch ein Minibus organisiert werden kann. Oder das geht schon, jedoch nicht für Ryanair. Jedenfalls mussten alle mit langen Gesichtern abziehen und man sah sich ein paar Stunden später wieder. Denn nach Hause fahren war für uns natürlich keine Option. Wir checkten alle verbliebenen Möglichkeiten von Deutschland nach Manchester oder Liverpool zu fliegen und blieben bei dem Flug HAM – MAN um 15:35 Uhr mit Easyjet hängen. Knapp 130 € pro Person, die dank Kreditkarte natürlich erst im November ein kleines Loch in den Haushalt reißen (das macht es psychologisch immer leichter).

Was kostet die Welt?

Über fünf Stunden am Flughafen rumhängen ging natürlich gar nicht und wir stöberten im Internet nach Kneipen in der Nähe. Ah, das Marktstübchen in HH-Langenhorn ist nur 2,5 km entfernt und öffnet um 11 Uhr. Auf dem Weg zur Pinte haben wir uns selbstverständlich überlegt, wem wir die Schuld für den verpassten Flug in die Schuhe schieben können. Doch wie man es dreht oder wendet, haben wir einfach ganz allein verbockt und letzlich ist das natürlich auch kein Weltuntergang gewesen. Ich will nicht philosophisch oder moralisch werden, aber es gibt auf dieser Welt so viele ernste Probleme und Dramen, da braucht man sich wirklich nicht lange mit einem verpassten Flug und bescheidenen Mehrkosten im niedrigen dreistelligen Bereich aufhalten. Also die nächsten Stunden Spaß gehabt und viel gelacht. Langenhorn statt Liverpool, Holsten Edel statt English Ale.

Kaum aus dem Flughafen heraus, hat HH die passende Mülltonne parat

Der Spaß begann schon bei der ersten Bestellung in der gerade geöffneten, aber schon komplett verrauchten Pinte. Drei große Holsten vom Fass wurden geordert und wenig später kam die Bardame mit einem gefüllten Bierglas an den Tisch. „Hier, probiert mal ob das Holsten ist.“ „Bitte was?“ „Ich bin hier nur ganz kurzfristig eingesprungen und weiß nicht, was aus welchem Hahn kommt.“ „Okay… hm, das schmeckt irgendwie zu mild“ „Dann ist das bestimmt das Warsteiner. Wir haben Warsteiner, Holsten, Astra und noch irgendwas. Komm‘ mal bitte mit.“ Ich durfte nun an der Theke Bier-Sommelier spielen und entschied mich für ein Bier, welches halbwegs mundete. „Also das ist definitiv Holsten!“ „Okay, ich bringe euch gleich drei.“ Gesagt, getan und sie servierte es mit den Worten „Und Jungs, was gibt es zu feiern?“ „Hä, wieso?“ „Na wenn so junge Männer wie ihr um diese Zeit in eine Kneipe gehen und Bier trinken, gibt es doch auf jeden Fall was zu feiern. Habt ihr eine wichtige Prüfung bestanden?“ „Nein, gerade unseren Flug verpasst…“

Holsten (mutmaßlich)

Das war für sie jetzt größte anzunehmende Unfall. Aufrichtiges Mitleid wurde uns zuteil, sowie eine gewisse Verwunderung darüber, dass wir nicht zu Tode betrübt sind. Bei der nächsten Runde fragte sie dann, ob wir wenigstens Morgen fliegen können. „Nee nee, heute Nachmittag. Wir haben eben schon einen neuen Flug gebucht.“ „Neu? Musstet ihr dann nochmal bezahlen?“ „Na klar, aber was willste machen? Das Spiel zu dem wir wollen ist heute Abend.“ „Was denn für ein Spiel? Wollt ihr zum Fußball?“ „Ja, Champions League. Liverpool gegen Roter Stern Belgrad.“ Jetzt waren wir für sie und ihre Kneipen-Originale an der Theke, denen sie natürlich davon berichtete („Die wollen heute noch nach Liverpool… Champions League…“), noch extraterrestischer.

Zufluchtsort

Wir erlaubten uns unterdessen den Spaß ein Foto unserer ersten Bierrunde in den Touri Chat (virtuelle Plattform meines Freundeskreises) mit der Unterschrift „Der Pubcrawl beginnt. Es gibt hier sogar Holsten!“ zu stellen. Reaktionen gab es leider zunächst keine, doch später erfuhren wir, dass sich die meisten Leute gedacht haben „Sind die blöd geworden? Warum trinken die Holsten in England?“ Der nächste Kracher des Tages kam in Form einer Nachricht von Easyjet. Es tat ihnen leid uns mitteilen zu müssen, dass unser Flug sich um voraussichtlich ca. 96 Minuten verspäten wird. Ja ja, tut uns auch leid, ihr *piep*. Sind wird also erst so gegen 18 Uhr Ortszeit in Manchester und wahrscheinlich nicht vor 20 Uhr in Liverpool. Wir wurden selbstständlich nebenbei schon die ganze Zeit virtuell von Scouser-Tommy hochgenommen (Banter kann er gut) und lieferten ihm mit der Verspätung und unserer weiteren Planung die nächste Steilvorlage.

Geil, Verspätung!

„Na ja, wir kriegen in Manchester spätestens den Zug um 18:50 Uhr und sind dann 20:09 Uhr an der Lime Street. Dann steigen wir sofort in ein Taxi und sind hoffentlich 30 Minuten vor Anpfiff am Stadion.“ „Alter, Schneppe!!! Das Spiel ist um 20 Uhr!!!“ Punkt für Tommy, der jetzt fragte, ob ich wirklich der Schneppe von Schneppe Tours sei oder der bisher unbekannte und unfähige Zwillingsbruder. Hatten wir Idioten doch zwischendurch völlig die Zeitverschiebung verdrängt. Gut, musste halt noch ein Taxi für 66 £ vom Manchester Airport zur Anfield Road vorbestellt werden, um vielleicht noch vor 20 Uhr am Stadion zu sein. Was kostet die Welt?

I love Wan Tan Wednesdays

Weil wir jetzt noch mehr sinnlose Zeit an der Backe hatten, gingen wir nach dem dritten Bier etwas Essen. Dazu spazierten wir in einen Asia-Imbiss namens NGON in HH-Langenhorn. Gewohnt preiswert für diese Art von Lokal, jedoch nicht zu empfehlen. Der Kollege am Wok muss das Glutamat mit dem Salz verwechselt haben. Alle Gerichte waren total versalzen. Wir stellten übrigens Bilder davon in besagten Touri Chat. Mit dem Hinweis, dass es bei der englischen Pubkette Wetherspoon’s einen neuen Aktionstag gibt (der so genannte Wan-Tan Wednesday mit einer Auswahl diverser asiatischer Klassiker für je 5 £).

Wenigstens bekamen wir für unser Geld eine 6er-Reihe zu dritt

Nach dem Essen und einem dringend notwendigen Wasserkauf, ging es zum Airport zurück. Wir waren nun bereits um 16 Uhr am Gate, sahen alte Bekannte wieder (die ganzen britischen Schicksalsgenossen aus den Morgenstunden) und im Endeffekt hob der Flieger sogar mit knapp zwei Stunden Verspätung ab. Immerhin kam es am Himmel zu keinen weiteren Verzögerungen und 18:20 Uhr verabschiedete uns das Personal von Easyjet.

Über den Wolken

Als wir aus dem Flugzeug heraus waren, sind wir gerannt wie Ben Johnson anno ’88 und waren tatsächlich trotz Passkontrolle schon 15 Minuten später in der Obhut unseres Chauffeurs. Erste Route zeigte 1:20h an, zweite Route 0:55h. Und da fragt der tatsächlich, welche wir nehmen wollen, weil die zweite Variante würde ein paar £ Maut kosten. Also den Bengel schnell noch über unseren Termin aufgeklärt und er gab Gummi. Zum Glück war selbst in Stadionnähe der Verkehr noch fließend (wir rechneten fest damit, dass wir die letzten 1.000 Meter nochmal sprinten müssen), so dass der Fahrer uns 19:34 Uhr am Sir Kenny Dalglish Stand absetzen konnte.

Das Stadion in Sicht

Von dort marschierten wir schnellen Schrittes zum Kop, genauer gesagt zum Pub The Olbert. 19:40 Uhr konnte Tommy uns empfangen und mit den Eintrittskarten bewaffnet (übrigens alle zum Originalpreis von je 39 £) und ein paar Instruktionen im Ohr (ab und zu gibt es wohl Stichproben in Sachen Schwarzmarkt) gingen wir zu den Drehkreuzen. Dort gab es keine Leibesvisitation und die Ticketkontrolle war automatisch, so dass das alles überraschend flott ging. Quasi im Spaziergang, ohne wirkliches Warten. Also waren wir tatsächlich pünktlich zu „You’ll Never Walk Alone“ im Block.

Meine CL Premiere

Danach lief die Hymne der UEFA Champions League und ich realisierte, dass ich zum ersten Mal einem Spiel dieses Wettbewerbs beiwohnte. Normalerweise verfolge ich die Chose nicht mal mehr im TV. Doch heute gab es Gründe von A (Anfield) bis Z (Zvezda), um diese besondere Premiere zu feiern. Beides bedingte sich auch ein wenig. Denn, dass es doch verhältnismäßig einfach Karten für ein Pflichtspiel an der Anfield Road gab, lag am heutigen Gegner. Der Otto-Normal-Scouser setzt halt andere Maßstäbe, als der Fußballkenner von Welt.

Der Kop zum Spielbeginn

Tommy meinte, dass heute einige Leute ihre Dauerkarte mal weitergegeben haben, weil es nicht so wirklich als Spiel des Jahres durchging. Ohne dass es geäußert wurde, unterstelle ich mal, dass der gemeine Fan das Ganze eher so als Testspiel gesehen hat. Pflichtsieg, der ungefährdet eingetütet wird, Dazu ohne Gästefans, die die Nummer schon deutlich aufgewertet hätten. Da bleibt man nach 50 CL-Heimspielen in Serie, vielleicht doch mal daheim. Zum Beispiel, wenn man eine weite Anreise hat oder am nächsten Morgen früh raus muss.

18 Minuten und 96 Sekunden lang stand es 0:0

Die heutige Gemengelage dürfte auch als Alibi herhalten, dass die Stimmung ziemlich mau war. Also wahrscheinlich noch mauer als sonst. Nichtsdestotrotz mühte sich besonders der obere Teil des Kop für Stimmung zu sorgen und alle standen 90 Minuten durchgängig. Und Lautstärke hin oder her; die Namen Liverpool FC, Anfield Road und The Kop sorgen einfach dafür, dass es kribbelt. Auch wenn es der Spielbesuch nicht als einer der stimmungsvollsten in meine Logbücher schafft, so war es doch ein tolles Stadionerlebnis.

Die Gegengerade

Es gibt eben auf der Metaebene einen Mythos und der löst irgend etwas in dir aus. Es ist ähnlich wie wenn ich in alten Kathedralen, Burgen, Römerruinen usw. stehe; die Gemäuer erzählen dir im übertragenen Sinn eine Geschichte. Du hast von Schlachten, Kaiserkrönungen usw. gelesen und die alten Geschichten fühlen sich am Ort des Geschehens plötzlich greifbar an. Das klappt bei mir bei Stadien ebenso. Nur klar, dass man eigentlich nicht den alten Mythos spüren will, sondern am liebsten dabei wäre, wenn dieser ein neues Kapitel bekommt.

Die Haupttribüne

Doch dazu taugte der heutige Abend beileibe nicht. Die Voraussetzungen waren einfach zu eindeutig. Ein Newbie und Nobody, der gerade erst bei PSG mit 6:0 abgefertigt wurde, soll dem großen LFC in dessen Wohnzimmer gefährlich werden? Die Buchmacher hätten dir im Falle eines Auswärtssieges 36 £ für jedes auf FK Red Star gesetzte Pound Sterling ausgezahlt. Auch wenn der sowohl serbische, als auch jugoslawische Rekordmeister unsere Sympathien hatte und sich die ersten 20 Minuten gut sortiert und mit ein, zwei schnellen Kontern präsentierte, glaubten wir ebenfalls nicht daran, dass es irgendwie spannend werden könnte.

Geschenk meines Stehnachbarn im Kop

Denn nach 20 Minuten hatte sich auch die Klopp-Elf sortiert und ein Steilpass von irgend einem Mittelfeldspieler erreichte Robertson an der Grundlinie. Der passte sofort zu Firmino in den Strafraum und der Brasilianer schloss platziert ab. Sah so aus, als wenn das alles ein bißchen zu schnell für die Serben ging. Danach funktionierte der Abwehrriegel vorerst wieder, doch kurz vor der Pause wurde es erneut zu rasant für die Defensive der Gäste. Über zwei vorherige Stationen landete der Ball vor Mo Salahs Füßen und der Ägypter vollstreckte gewohnt sicher im Strafraum (45.).

Halbzeitbier

Damit war die Messe eigentlich schon gelesen und wir gönnten uns unser Halbzeitvollbier. Tatsächlich darf seit dieser Spielzeit in der UEFA Champions League auch außerhalb der High-Society-Stadionbereiche wieder Alkohol ausgeschenkt werden. Allerdings nur, wenn in dem betreffenden Land im normalen Ligabetrieb ebenfalls Alkohol erlaubt ist.

Salahs Strafstoß

In der 2.Halbzeit sorgte Herr Salah mittels Strafstoß bereits in der 51.Minute für die allerendgültige Vorentscheidung und den Spielern von Zvezda merkte man ab jetzt an, dass die Kondition nachließ. Ein zu hohes Tempo musste man in den ersten 45 Minuten gehen, um halbwegs mitzuhalten. Der Torjubel im Kop war übrigens jedes Mal sehr bescheiden. Unsere Nachbarn schrien nur kurz ihre Freude raus und applaudierten dem Team. Keine ausrastenden Scouser, die einem plötzlich umarmen oder umreißen. Wie gesagt, das hatte alles eher den Charakter eines Pre-season friendly.

Leaving The Kop

Immerhin durfte sich Zvezdas Tormann Borjan noch in der 77.Minute auszeichnen. Den zweiten Strafstoß des Tages parierte er gegen Mané. Allerdings war der gleiche Mané nur drei Minuten später aus dem Spiel heraus doch noch erfolgreich (nach Vorarbeit von Sturridge). Das 4:0 war dann auch der Schlußpunkt einer Partie von bemühten, aber in den entscheidenden Situation mit dem Tempo überforderten Serben gegen eine clever und kraftsparend agierende Liverpooler Mannschaft.

To the Halfway House

Mit Tommy und seinem Stiefsohn ging es nun in den Pub The New Halfway House. Dort gab es leckeres Tetley’s vom Fass zu einem guten Kurs (2,30 £) und Live Music. Jamie Webster trat mit seiner Gitarre im Pub auf. Der Mann ist mittlerweile eine lokale Berühmheit. Er ist ein Liverpooler Singer-Songwriter, der Songs aus dem Fanblock spielt oder selbst Fanversionen von Musikklassikern dichtet. Seine Performances haben auf YouTube bereits siebenstellige Klickzahlen erreicht und heute erfreute er einen proppevollen Pub mit einem Gratis-Konzert.

Post match pivo

Hier war die Stimmung wirklich prächtig. Das Bier floss in Strömen und die Fans tanzten teilweise auf den Tischen. Genau die Lautstärke und der Enthusiasmus, den man sich im Stadion gewünscht hätte. Tommy entschuldigte zwar, dass heute der Alterschnitt so niedrig war, weil unter der Woche die Werktätigen zeitig nach Hause fahren, aber das störte uns wenig. Wir sind schließlich alle selbst noch jung oder jung geblieben.

Jamie plays some songs for us

Nachdem Jamie mit seinem „Allez, allez, allez“ ein letztes großes Brodeln im Publikum ausgelöst hatte, war um 23 Uhr Last Order. Das war eine sehr feine Stunde Fan- und Pubkultur, die wir hier verbringen durften. Dann ging es mit einem Taxi in die Innenstadt. Tommys Stiefsohn verabschiedete sich bereits, doch Tommys morgige Arbeitszeit war immerhin noch flexibel genug, um noch auf ein, zwei Pints mitzukommen.

Gute Stimmung

Rund um die Mathew Street ist ein Zentrum des Nachtlebens an der Mersey. Hier ist auch der berühmte Cavern Club zu finden, in dem The Beatles zwischen 1961 und 1963 über 290 Mal auftraten. Außerdem spendierte die Stadt der Straße Statuen von u. a. John Lennon und Cilla Black. Ist alles schon auch ein bißchen auf Touris getrimmt, aber trotzdem ein nettes Ausgehviertel.

A guy called John Lennon

Wichtig war vor allem, dass wir hier unter der Woche bis mindestens 3 Uhr morgens saufen… äh, ein paar gepflegte Biere trinken konnten. Denn erst 3:37 Uhr sollte der erste Zug nach Manchester fahren. Die Wartezeit wurde zunächst im The Grapes überbrückt. Der Pub durfte uns ein paar Pints servieren und wir lauschten so genannten Cougars beim Karaoke. Tommy strich kurz nach Mitternacht verständlicherweise die Segel und wir blieben noch bis zur Last Order um 1 Uhr nachts.

Mathew Street late at night

Danach zogen wir weiter ins McCooley’s. Das war gleich um die Ecke und ist ein großer Laden, der tagsüber noch als Pub durchgeht, aber abends zum Club mit DJ wird. Die Stimmung war gut und die Frauen waren typisch britisch enthemmt. Damit aus einer Armlänge Abstand die selbe Wellenlänge werden konnte, halfen wir mit Jägerbombs nach.

Some Drinks at McCooley’s

Nun wurde im McCooley’s richtig  rumgekatzt, so dass kurzfristig über spätere Alternativen der Rückreise nachgedacht wurde. Aber nun ja, wie sagte doch gleich der leider schon verstorbene Kieler Philosoph Bernd Knauer? „Ja, jede Mudder hat ’ne schöne Tochter!“ So war man irgendwann doch gewillt den Flug nach Deutschland anzutreten.

Goodbye Britcat

Da traf es sich auch ganz gut, dass an der Bar ab 3 Uhr wirklich nichts mehr ausgeschenkt wurde und die Bouncer begannen die Leute nach draußen zu bitten. So bekamen wir problemlos den Zug um 3:37 Uhr an der Lime Street und trafen dort auf alte und neue serbische Bekannte aus Deutschland. Zum Glück hatten sie alle auf dem Ticketzweitmarkt Erfolg und waren ebenfalls im Stadion gewesen.

At Liverpool Lime Street Station

Ab Manchester Piccadilly ging es mit dem Bus weiter und gegen 5 Uhr morgens, also fast zwei Stunden vor Abflug, waren wir am Flughafen. Die Serben, geschockt von unserer Anreisestory, und Ole, noch traumatisiert vom verpassten Flug, spazierten sofort durch die Sicherheitskontrolle. El Glatto und ich erspähten allerdings Cider für 1 £ im Spar und kamen zu der empirisch einwandfreien Schlußfolgerung, dass es völlig unrealistisch ist zweimal binnen 24 Stunden einen Flug zu verpassen und wir uns ruhig noch Zeit zum Zechen nehmen können. Wir hatten natürlich recht. Betrunkene haben immer recht (und Glück).

Good Morning Cider

Im Flieger – Boarding begann übrigens erst 20 Minuten vor Abflug und damit fünf Minuten nach Gateschließung laut Ticket – schlummerte ich noch vor dem Start ein und wachte erst bei der Landung wieder auf. Den ersten 96 Minuten Schlaf folgten viele weitere in den Nahverkehrszügen zwischen Hamburg und Hannover und zum Mittagessen waren daheim. Chaostrip, der erfreulicherweise zwischen 19:55 Uhr und 5:55 Uhr sehr geil war.

Liverpool muss auf jeden Fall zeitnah wieder besucht werden. Es gibt noch einiges nachzuholen. Bis dahin wünsche ich den Scousers außer im Rückspiel in Belgrad maximalen sportlichen Erfolg. Gerade die englische Meisterschaft muss endlich mal wieder an die Mersey wandern (letzter Triumph: 1990).

In Serbien müsste es dagegen schon mit dem Teufel zugehen, wenn Zvezda den Titel diese Saison nicht verteidigt. Ein Traum wäre eine nochmalige Qualifikation für die UEFA Champions League und dann vielleicht nicht nochmal eine Todesgruppe. Kurzfristig muss das Ziel lauten, dass man nach 0:10 Toren in den vergangenen zwei Spielen mit Würde ausscheidet. Immerhin stehen noch zwei Heimspiele an und eine Weisheit habe ich persönlich bei meinen Besuchen aus Belgrad mitgenommen. Sie gilt im Fußball wie in allen anderen Lebenslagen: „In Belgrade everything is possible!“

Song of the Tour: Unser Barde Jamie Webster.