- 28.08.2021
- VfB Zittau – SG Crostwitz 4:1
- Landesklasse Sachsen Ost (VII)
- Weinauparkstadion (Att: 104)
Das 1919 eröffnete Dresdner Stadion im Ostragehege (seit 1953 Heinz-Steyer-Stadion) wird noch in diesem Jahr abgerissen und im Anschluss durch ein modernes Multifunktionsstadion ersetzt. Entsprechend hatte ich mir das letzte Punktspiel dort auf meine Agenda gesetzt. Allerdings wollte ich nicht nur für 90 Minuten Fußball nach Dresden reisen und schaute deshalb, was am letzten Augustwochenende sonst noch in Sachsen möglich sein würde. Samstag sollte beispielsweise das Weinauparkstadion in Zittau bespielt werden, welches dank seiner historischen Haupttribüne schon seit ungefähr 20 Jahren auf meiner To Do List steht.

Entsprechend beschloss ich in Zittau anstatt Dresden zu nächtigen und das samstägliche Fußballspiel mit einer Wanderung im Zittauer Gebirge zu kombinieren. Ich sicherte mir Zugtickets für zusammen 62,30 € (inklusive Platzreservierung auf der Rückfahrt) und eine Hotelübernachtung für 57 € (inklusive Frühstück) im Zittauer Weberhof (***). 6:23 Uhr war am Samstagmorgen Abfahrt in Hannover. Es ging zunächst mit einem InterCity nach Dresden, wo ich vormittags über eine Stunde Aufenthalt haben sollte. Ich nutzte sie für einen Spaziergang durch die Neustadt, wo wieder schöne Erinnerungen an feuchtfröhliche Abende wachgerufen wurden. Ein Wolkenbruch gegen 11 Uhr sorgte nun dafür, dass es ebenfalls feucht, aber gewiss nicht fröhlich zum Neustädter Bahnhof zurückging.

11:36 Uhr rollte der RegionalExpress nach Liberec (Reichenberg) ein und bis Bischofswerda mussten ein paar kahl rasierte Erfurter Fans ertragen werden, die durchklingen ließen ideologisch in einem ganz anderen Spektrum als ich unterwegs zu sein. Zum Glück waren das nur knappe 30 gemeinsame Minuten und weitere 50 Minuten später erreichte ich Zittau. Zunächst suchte ich dort mein Hotel auf. Der gebuchte Weberhof ist nur 1,4 km vom Bahnhof entfernt. Entsprechend fix war ich dort und bereits 13:20 Uhr verließ ich das Hotel schon wieder in Richtung Stadion. Das Zittauer Weinauparkstadion liegt in der gleichnamigen städtischen Parkanlage und ich hatte nun auf 3,6 km Länge die Innenstadt zu durchqueren. Ideal für einen ersten Eindruck, während am nächsten Vormittag die tatsächliche touristische Auseinandersetzung mit Zittau erfolgen sollte.

Als ich um 14 Uhr am Stadion eintraf, rollte der Ball bereits und es fiel just das 1:0 für den gastgebenden VfB durch Enrico Neumann. Der Schiedsrichter hatte anscheinend schon ein paar Minuten früher angepfiffen. Na ja, es ist nur 7.Liga, auf eine TV-Übertragung musste also keine Rücksicht genommen werden. Und wenn dann eh alle schon 13:55 Uhr startklar auf dem Rasen stehen, spricht natürlich nichts dagegen sofort anzufangen. Während meiner „Fußballkarriere“ (in der komischerweise auch kein einziges meiner Spiele im TV übertragen wurde) war das nicht anders. Wir waren damals sogar froh, wenn der angesetzte Schiedsrichter überhaupt erschien und nicht der Platzwart oder einer der drei Zuschauer pfeifen musste.

Der VfB Zittau war allerdings nicht immer nur auf Bezirksniveau unterwegs gewesen. Der Ursprungsverein Zittauer BK wurde 1909 gegründet und firmierte zwischen 1912 und 1945 unter dem schönen Namen FC Sportlust. Die nach sportlicher Aktivität lüsternden Zittauer gewannen 1933 die Oberlausitzliga, was zur Teilnahme an der Mitteldeutschen Meisterschaftsendrunde berechtigte (im ersten Spiel gegen Wacker Leipzig war damals jedoch schon Endstation). 1942/43 spielte der FC Sportlust sogar ein Jahr in der erstklassigen Gauliga Sachsen mit, stieg aber sofort wieder ab.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der FC Sportlust im Jahre 1945 wie jeder deutsche Sportverein aufgelöst (Direktive Nr. 23 des Alliierten Kontrollrats) und von den neuen Machthabern die SG Zittau ins Leben gerufen. Wie in der DDR üblich, wurde der Sportgemeinschaft alsbald ein Trägerbetrieb zugeordnet. Dieser wechselte auch noch ein paar Mal (u. a. BSG Textil und BSG Lokomotive), aber sportlich änderte sich dadurch wenig. Die Bezirksliga Dresden blieb mehrere Jahrzehnte fast ununterbrochen die sportliche Heimat der Zittauer Fußballer. Bis 1971 der örtliche Lastkraftwagenproduzent VEB Robur-Werke zum neuen Trägerbetrieb wurde. Als BSG Robur Zittau konnte 1978 und 1981 der Aufstieg in die zweitklassige DDR-Liga gefeiert werden. Leider stieg man beide Male sofort wieder ab.

1989/90 kam die politische Wende und die Fußballer lösten sich vom polysportiven Stammverein. Sie gingen fortan als VfB Zittau auf Tore- und Punktejagd. Das durften sie nach der Abwicklung des DDR-Fußballs vorerst in der fünftklassigen Landesliga Sachsen tun. Man bewegte sich dort fast ein Jahrzehnt konstant im gesicherten Mittelfeld, ehe 1999 der Aufstieg in die viertklassige Oberliga Nordost gelang. Als Dritter der Südstaffel hielt man souverän die Klasse und dank der Regionalligareform (Deutschlands 3.Liga war ab 2000 nur noch zwei- anstatt viergleisig) bekam man in der Folgesaison viele prominente Absteiger dazu. Der Weinaupark begrüßte nun solch illustere Gäste wie den 1.FC Magdeburg, VfB Leipzig, Hallescher FC, FSV Zwickau und Dynamo Dresden. Den Kassenwart wird es jedes Mal gefreut haben.

Leider war für die Zittauer nach dem dritten Jahr Oberliga Schluss. Man stieg als Drittletzter ab und sollte fortan noch bis auf die Kreisebene durchgereicht werden. Was jedoch von der glorreichen Zeit blieb, ist eine Spielstätte in exzellentem Zustand. Die Traversen wurden seinerzeit saniert und teilweise mit Sitzschalen bestückt. Außerdem wurde ein separater Gästeblock geschaffen und die markante Haupttribüne renoviert. Jene ist natürlich das Schmuckstück des Weinauparkstadions. Dieses Bauwerk aus Holz wurde am 19.August 1894 eröffnet – als das Stadion noch eine Radrennbahn war – und ist damit Deutschlands älteste noch erhaltene Tribüne in einem Fußballstadion. Wenngleich an der Weinau erst seit 1919 Fußball gespielt wird und der Titel „Älteste für den Fußball errichtete Tribüne Deutschlands“ von Düren reklamiert wird (die Holztribüne der Westkampfbahn wurde am 9.August 1914 eingeweiht). Für die Nerds: Deutschlands älteste Stadiontribüne überhaupt steht in Gotha. Sie ziert die schon lange nicht mehr genutzte Pferderennbahn am Boxberg, hat aber entsprechend keine Fußballhistorie vorzuweisen.

Da auf dem Rasen in den ersten 45 Minuten wenig passierte, war diese Auseinandersetzung mit der Vereins- und Stadiongeschichte auf jeden Fall ein sinnvoller Zeitvertreib. In der Halbzeitpause ging ich nahtlos zur Stadtgeschichte über, da ich einen Blick auf das VfB-Wappen warf. Denn das Vereinsemblem, welches im wesentlichen dem Stadtwappen entspricht, verriet bereits einiges über Zittaus Vergangenheit. Die vier Felder des Hauptwappens zeigen je zweimal den böhmischen Löwen und den schlesischen Adler. Im 13.Jahrhundert erhielt Zittau das Stadtrecht vom böhmischen König Ottokar II. und gehörte bis ins 17.Jahrhundert hinein zur Böhmischen Krone. 1635 fiel Zittau schließlich mit dem Prager Frieden an das Kurfürstentum Sachsen. Zu Schlesien gehörte man anders als die Nachbarstadt Görlitz zwar nie; nichtsdestotrotz hatte Zittau im 14.Jahrhundert vom schlesischen Herzog Heinrich von Jauer den schlesischen Adler als Wappen verliehen bekommen. Der Herzog hatte Zittau kurzzeitig als Pfand vom böhmischen König Johann erhalten.

Schon das Stadtwappen (in dieser Form seit 1896 in Gebrauch) vermittelt also ganz gut, dass bei Zittau nicht erst seit 1945 die Grenzen verschiedener Reiche oder Länder aufeinandertreffen und die Stadt schon immer gewissermaßen eine Grenzgängerin war. Sogar die Fußballmannschaft trug dem Dreiländereck heute Rechnung. Der tschechische Trainer Ladislav Sorm hatte seine Landsleute Daniel Mohr, Miroslav Kucera und Jiri Haunold aufgeboten. Vielleicht fehlte dieser böhmische Block vor zwei Wochen, als der VfB seine Saisonauftaktpartie aufgrund von Spielermangel absagen musste?

Als mir heute ein VfB-Ehrenamtlicher von dieser Spielabsage erzählte, erinnerte mich das nicht nur ein zweites Mal an meine aktive „Fußballkarriere“, sondern ich war auch sehr froh, dass ich die Zittau-Dresden-Tour nicht schon zwei Wochen vorher durchgezogen hatte. So war es nämlich angedacht, da der VfB am 14.August Rotation Dresden empfangen sollte und der Dresdner SC am 15.August das Derby gegen SC Borea Dresden hatte. Nur waren die mir die Bahntickets kurzfristig zu teuer und ich entschied mich die Reise nach Sachsen auf das letzte August-Wochenende zu verschieben und von etwas Frühbucherrabatt zu profitieren.

Der auskunftsfreudige Ehrenamtliche hatte übrigens im zweiten Durchgang gut an der manuellen Anzeigetafel zu tun. In der 51. und 58.Minute erhöhte der VfB durch Treffer von Moritz Keller und Enrico Neumann auf 3:0, ehe den Crostwitzern in der 75.Minute das Anschlusstor gelang (durch den polnischen Legionär Jan Bogusz). Das beeindruckte die Zittauer jedoch wenig und in der 78.Minute avancierte Keller zum zweiten Doppeltorschützen des Tages. Dadurch, dass die zweite Hälfte bereits um 14:55 Uhr angepfiffen wurde, waren bei meinem Aufbruch um 15:40 Uhr immerhin schon 90 Minuten Spielzeit um. Die Nachspielzeit, in welcher kein Tor mehr fiel, musste ich mir jedoch schenken. Um 16:07 Uhr fuhr mein Bus nach Oybin, von einer 2,6 km entfernten Bushaltestelle im Zittauer Zentrum.

Mit schnellem Schritt bekam ich diesen Bus auch – wäre beim heutigen Zwei-Stunden-Takt ansonsten sehr ungünstig gewesen – und nach knapp 30 Minuten Fahrt betrat ich Oybiner Boden. Der Blick ging sofort hoch zum imposanten Glockenberg, der ebenfalls Oybin heisst und auf dem eine Kloster- und Burgruine thront. Vom Ortskern aus sieht der Tourist allerdings noch nichts von der historischen Bebauung. Man muss sich erstmal in eine Seitenstraße am Berg begeben und von dort den Aufstieg starten. Dann ist nach und nach der Umfang der Anlage zu erahnen.

Bevor man oben ankommt, empfehle ich allerdings unbedingt noch einen Zwischenstopp in der barocken Bergkirche von Oybin (1709 geweiht). Hinter der Pforte verbirgt sich große Kunst. Aufgrund der Bausituation am Fels wirkt das Innere wie ein kleiner Theatersaal. Der Chor geht stufenweise hinunter zum Altarraum und darüber ist eine reich verzierte, zweigeschossige Empore aus Holz. Ebenfalls sehr kunstvoll bemalt ist die Holzkassettendecke der Kirche. Ein wirkliches Kleinod!

Nach der Kirche muss man sich noch ein paar Stufen hochquälen, ehe man das äußere Burgtor der Ruine erreicht. Dieses kann der Besucher noch kostenlos passieren, doch vor dem zweiten Tor ist eine moderne und unbemannte Bezahlschranke mit Ticketscanner. Die Zugangsberechtigung kann man entweder im kleinen Shop am Eingang erwerben oder kontaktlos am Automaten ziehen (8 € für Vollzahler).

Hoppermäßig überlegte ich nach dem Passieren der Schranke, ob ich nicht einfach ein ermäßigtes Kinder- oder Hundeticket hätte ziehen können. Aber ich meine am Automaten waren nur Vollzahlertickets buchbar und für alle anderen Tickets muss entsprechend an den Schalter gehen. Bei den ganzen Sparfüchsen und Betrügern da draußen, würde ich den Automaten jedenfalls so programmieren. Na ja, ich generiere so viel Einkommen, dass mir sogar schon die Wahlprogramme der Union und der FDP Steuererleichterungen versprechen. Da tun 8 € nicht weh, um dafür als Gegenleistung eine gute Stunde durch eine ruinöse Zauberwelt spazieren zu dürfen und dabei viel zu lernen.

Im 13.Jahrhundert gab es hier anscheinend bereits eine von Raubrittern genutzte Burg, welche die Zittauer Bürger 1291 zerstörten. Im frühen 14.Jahrhundert ließ der böhmische Marschall Heinrich von Leipa eine neue Burg zur Sicherung der Handelswege durch das Zittauer Gebirge errichten. 1364 veranlasste Karl IV., böhmischer König und römisch-deutscher Kaiser in Personalunion, man möge die Burg Oybin zu seinem Altersruhesitz ausbauen. Karl – dessen Bautätigkeit bis heute das Prager Stadtbild prägt und der als einer der mächtigsten Herrscher des Spätmittelalters gilt – stiftete die Burg mitsamt der großen, seit 1366 im Bau befindlichen gotischen Hallenkirche jedoch 1369 dem Orden der Cölestiner.

Fortan war der Oybin also Heimat eines Klosters. Allerdings ein äußerst wehrhaftes Kloster. Denn als zwischen 1419 und 1436 die religiös motivierten Hussitenkriege in Böhmen tobten, scheiterten die Hussiten mit zwei Belagerungen des Klosters Oybin. Damals war das Kloster auch Hort des Prager Domschatzes, um diesen vor dem Zugriff der Hussiten zu schützen. Mit der Reformation wurde das Kloster jedoch im 16.Jahrhundert aufgelöst und die Anlage nach und nach dem Verfall preisgegeben.

Erst die kulturgeschichtliche Epoche der Romantik im frühen 19.Jahrhundert sorgte für die Wiederentdeckung des Klosters. Unter anderem der Maler Caspar David Friedrich verliebte sich in das wildromantische Motiv der überwucherten Mauerreste und brachte es auf Leinwand. Ganz dem Zeitgeist entsprechend, setzte ein erster Torurismus von Adel und Bürgertum zur Ruine auf dem Berg Oybin ein. Quasi das Instagram des 19.Jahrhunderts. Caspar David Friedrich und weitere Influencer brachten die Motive in den Umlauf und ihre Follower waren nun heiß darauf die romantischen Orte live zu erleben.

Folglich gab es Mitte des 19.Jahrhunderts Baumaßnahmen, um die Ruine wieder besser freizulegen und zu sichern. Obendrein bekam Oybin 1890 als schnelle Verbindung mit Zittau einen Schmalspurbahnanschluß, was den Fremdenverkehr weiter beflügelte (die Bahn ist übrigens nach wie vor in Betrieb und sehr beliebt bei Touristen). Bereits 1879 war außerdem vom Lyriker und Heimatkundler Alfred Moschkau ein Museum auf dem Berg eröffnet worden.
Aus Zittau’s blauen Bergen,
Vom Glockenfels Oybin,
Mag mit der Wolken Fluge
Ein Gruß hin zu Dir zieh’n.
Alfred Moschkau
Im späten 20.Jahrhundert gab es nochmals umfangreiche Sicherungs- und Sanierungsarbeiten und heuer passieren rund 100.000 Touristen die Bezahlschranke, um sich vom Ausblick ins Zittauer Gebirge und der romantischen Ruine verzaubern zu lassen.

Aber sind 100.000 eigentlich viel? Die Bastei bei Dresden besuchen ca. 1,5 Mio Touristen pro Jahr. Ich war immer noch perplex, dass es einen so reizvollen Flecken in Deutschland gab, der mir jahrzehntelang unbekannt geblieben war. Klar, ich konnte auf der Deutschlandkarte sofort Zittau lokalisieren und wusste entsprechend, dass es in einem Dreiländereck mit Polen und der Tschechischen Republik liegt. Auch war ich schon in den nahen Oberlausitzer Städten Bautzen, Bischofswerda und Görlitz als Tourist. Allerdings war mir das Zittauer Gebirge bis vor kurzem wirklich kein Begriff.

Ausgerechnet ein Spinnermob von so genannten Querdenkern bzw. Reichsbürgern machte mir die Gegend im Frühjahr erstmals visuell bekannt. Der amtierende sächsische Ministerpräsident hat ein Wochenendhaus im Zittauer Gebirge (in Waltersdorf) und wurde beim Schneeschippen im Januar 2021 von ca. 30 radikalisierten Realitätsverweigerern mit Plakaten wie „Wer Völkermord betreibt, hat das eigene Lebensrecht verwirkt“ und „Rücktritt und Verhaftung sofort!“ überrascht.

Ein Nebeneffekt der medialen Berichterstattung über dieses Ereignis war, dass ich mich fragte warum der sächsische Ministerpräsident seine Freizeit im Zittauer Gebirge, anstatt in der Sächsischen Schweiz, im Erzgebirge, im Vogtland oder im ebenfalls schönen Mittelsächsischen Hügelland verbringt. Eine Internetrecherche eröffnete, dass das Zittauer Gebirge anscheinend mindestens so attraktiv wie die vorgenannten sächsischen Urlaubsregionen ist. Doch entweder wird dieses Schmuckstück nicht ausreichend vermarktet oder die Sachsen sind so clever, dass sie es bewusst vom Torurismusradar fernhalten. Wird eben zuvorderst die Sächsische Schweiz für den nationalen und internationalen Tourismus geopfert, während man das Zittauer Gebirge für sich behält.

Im Anschluss an meine Erkundung der Burg- und Klosterruine, sollte noch eine kleine Wanderung folgen. Vorbei an Felsen, die Namen wie Ritter, Burgwächter und Totenturm tragen, ging es vom Berg Oybin zunächst einmal hinunter in den so genannten Hausgrund. Von dort stieg ich hinauf zum Pferdeberg. Von diesem 545 Meter hohen Berg hätte man bei weniger Vegetation sicher ein tolles Panorama mit dem Berg Oybin und seinen Ruinen. Leider offenbarte das Blätterkleid der Bäume zu dieser Jahreszeit nur einen Blick in eine andere Himmelsrichtung, nämlich gen Zittau. War aber auch eine schöne Aussicht.

Weiter ging es über steinige Wege zum 575 Meter hohen Ameisenberg. Dabei passierte ich eine kleine Schlucht namens Katzenkerbe, in der rechts und links steile Felswände aufragen. Auf dem Ameisenberg selber erwartet den Wanderer anschließend die so genannte Felsenstadt. Hat man diese imposante Ansammlung zerklüfteter Sandsteinquader passiert, beginnt der Abstieg in Richtung Teufelsmühle. Dabei halten die Felsen mehrere sehr schöne und mehr oder weniger gut gesicherte Aussichtspunkte bereit. Der Glockenberg Oybin steht im Zentrum des Panoramas, während am Horizont der Hochwald gut zu sehen ist (siehe Titelbild). Dieser sattelförmige Berg ist mit 749,5 Metern ü. NN die zweithöchste Erhebung des Zittauer Gebirges (nach der 792,6 Meter hohen Lausche) und über seinen Kamm verläuft die Grenze zur Tschechischen Republik.

Es war mittlerweile 19 Uhr durch und Regen hatte eingesetzt. Also forcierte ich den Abstieg zur Teufelsmühle im Goldbachtal, wo auch eine Bushaltestelle zu finden ist. Es ging sehr steil bergab und war teilweise sehr rutschig. Leider verpasste ich den letzten Bus von der Teufelsmühle nach Zittau um vier Minuten. Aber als doppelten Boden hatte ich noch einen Bus aus dem nahen Olbersdorf um 20:27 Uhr recherchiert. Und zur Not hätte man die sieben letzten Kilometer bis zum Hotel auch noch irgendwie zu Fuß geschafft.

Aber es wurde langsam dunkel und mir steckten mit der Wanderung und den Stadtspaziergängen in Dresden und Zittau nun schon rund 24 km in den Knochen, so das ich nur noch die 1.896 Meter bis zur Olbersdorfer Bushaltestelle gehen wollte. In Olbersdorf hatte ich dann noch eine gute halbe Stunde für meine bis dahin aufgesparte Brotzeit. Wobei statt Brot Weintrauben und Trockenfleisch aus dem kleinen Rucksack in den großen Bauch wanderten.

Gegen 21:45 Uhr hatte ich dann wieder Zittauer Boden unter den Füßen und 30 Minuten später lag ich frisch geduscht in der Heier. War wirklich ein schöner, aber auch anstrengender Tag. 26,4 km, bzw. 37.653 Schritte wies das Smartphone als Leistungsbilanz aus. Das war genau richtig, um ausgepowert, aber nicht völlig zerstört zu sein. Bei meiner aktuellen sportlichen Verfassung liegt der Kipppunkt zum Muskelkater wohl irgendwo bei 30 km und ca. 750 Höhenmetern, vermute ich. Ich werde demnächst mal wieder im Harz austesten, wo die Belastungsgrenze liegt.

Entsprechend ging es am nächsten Morgen um 8:30 Uhr ohne zwickende Muskeln und aufrechten Ganges zum Frühstücksbuffet. Es war gut aufgetischt worden und neben den ganzen kalten Optionen, wurde einem auf Wunsch Spiegel- oder Rührei frisch zubereitet. Da sagt der proteingierige Don natürlich nicht nein und nach Rührei und belegten Brötchen folgte außerdem noch eine Schüssel (neudeutsch Bowl) mit Müsli und Obst. Dazu Säfte und koffeinhaltige Heißgetränke. Optimaler Start in den Tag.

Da mein Zug nach Dresden erst 13:03 Uhr fahren sollte, hatte ich nach dem Check-out noch gute 3,5 Stunden für einen kulturhistorischen Rundgang in Zittau. Den begann ich am Fluss Mandau. Dort hatte man in jüngerer Vergangenheit zwei Straßenzüge mit Mehrfamilienhäusern in Blockbebauung zum Künstlerviertel umgewidmet. Die Fassaden im Quartier Mandauer Glanz sind sehr bunt geworden und mit Skulpturen geschmückt. Am markantesten ist sicherlich die Skulptur einer Doppelhelix, welche sich torbogenartig über die Straße spannt. Grüße an James Watson und Francis Crick!
Mindestens genauso reizvoll wie den Mandauer Glanz fand ich allerdings auch den Neißer Matt, wie ich freimütig die benachbarten unrenovierten Häuserzeilen taufte. Zittau versprüht an ein paar Ecken noch den rauen Charme der späten DDR. Gebäude, an denen schon seit Jahrzehnten der Zahn der Zeit ohne Gegenwehr nagen darf. Zugleich ist schon viel der Bausubstanz in den letzten 30 Jahren restauriert worden (hängt natürlich auch immer vom öffentlichen Interesse und den Eigentumsverhältnissen ab). Die Kirchen, der Marktplatz und ein Großteil der altstädtischen Straßenzüge können sich durchaus sehen lassen.

Die Stadtgeschichte habe ich bei meiner heraldischen Auseinandersetzung mit dem Zittauer Stadtwappen ja bereits angerissen. Ergänzen muss ich noch, dass Zittau im Spätmittelalter auch „die Reiche“ genannt wurde. Den Wohlstand verdankte die Stadt ihrer Lage am Schnittpunkt verschiedener Territorien und den entsprechenden Handelswegen, die durch den Ort führten. Dabei entwickelte sich Zittau zu einem Zentrum des Tuchhandels, der Leinenweberei, des Brauwesens und des Salzhandels (1389 bekam die Stadt das Salzstapelrecht vom König verliehen).

Seit 1346 war man ferner mit Bautzen, Görlitz, Lauban, Löbau und Kamenz im Oberlausitzer Sechsstädtebund organisiert. Gemeinsam wollte man sich gegen die Willkür des Adels schützen, seine städtischen Privilegien sichern und die Handelsaktivitäten zusammen koordinieren. Allerdings konnte man nicht jeden Konflikt innerhalb des Bündnisses diplomatisch lösen. So kam es 1491 zum Bierkrieg zwischen Görlitz und Zittau. Die Zittauer wollten ihr beliebtes Bier auch in Görlitz vertreiben, die dortigen Brauerfamilien duldeten das jedoch nicht. So wurden Bierkutschen überfallen und als Vergeltung wiederum Dörfer geplündert.

Aus dem Spätmittelalter stammt außerdem Zittaus kostbarster Kunstschatz. Dabei handelt es sich um das Große Zittauer Fastentuch von 1472. Neben dem Teppich von Bayeux gehört es laut Experten zu den eindrucksvollsten textilen Kunstwerken des abendländischen Mittelalters. Daher konnte ich mir dieses Zeitzeugnis von internationalem Rang nicht entgehen lassen und besuchte die zum Museum umgewidmete gotische Kreuzkirche. Das dort ausgestellte Fastentuch im so genannten Feldertyp erzählt in 90 Einzelbildern (auf 56 m²) die biblische Geschichte von der Schöpfung bis zum jüngsten Gericht.

Für die Nicht-Katholiken: Mit Fastentüchern (auch Hungertücher genannt) wurde früher während der Fastenzeit der Altarraum in den Kirchen abgehangen. Neben dem obligatorischen Nahrungsverzicht, sollte sich die Gemeinde in dieser Zeit somit auch im visuellen Verzicht üben. Die Heiligtümer der Kirche waren wochenlang nicht zu sehen und der Gottesdienst konnte ausschließend hörend verfolgt werden. Vor über 500 Jahren scheint das ein krasser Entzug für den gemeinen Gläubigen gewesen zu sein. Na ja, die lebten halt auch in einer Welt, in der die Heilige Messe am Sonntag der Höhepunkt der Woche war. Arme Schweine.

Martin Luther war allerdings kein Fan der Fastentücher und in reformierten Regionen verschwand dieser Brauch im 16./17.Jahrhundert weitgehend. Außerdem ließ sich die textile Kunst nicht sonderlich gut konservieren. Von den insgesamt noch 18 existierenden Fastentüchern im Feldertyp ist das Große Zittauer Fastentuch sogar das einzige, das sich in Deutschland erhalten hat. Es galt mehrere hundert Jahre als verschollen, wurde jedoch 1840 wiederentdeckt und fortan in Dresden und Zittau ausgestellt.

Im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) wurde es zur Sicherheit auf den Oybin gebracht und dort nach Kriegsende von sowjetischen Soldaten gefunden. Die nutzten es als Dampfsperre für eine provisorische Waldsauna, ehe es in entsprechend schlechtem Zustand von einem Wanderer gefunden wurde und für Jahrzehnte in einem Museumsmagazin verschwand. Nach der Wende konnte es von Schweizer Textilkonservatoren restauriert werden und seit 1999 ist es in der größten Museumsvitrine der Welt der Öffentlichkeit zugänglich. Konstante Temperatur-, Luftfeuchtigkeits- und Lichtverhältnisse sollen dafür sorgen, dass das Tuch uns noch möglichst lange erhalten bleibt.

Nachdem ich intensiv den Museumkatalog über das Fastentuch gewälzt und die Museumsführerin mit Fragen gelöchert hatte, blieb von selbigen keine mehr offen. Ich überlegte, ob ich ich mir das Kleine Zittauer Fastentuch von 1573 im Stadtmuseum auch noch anschauen sollte. Es ist ebenfalls ein bedeutender Kunstschatz, dessen Licht ich nicht unter den Scheffel stellen will, aber mit 3,40 x 4,15 Metern hat es natürlich viel bescheidenere Dimensionen als das Große Fastentuch und es ist auch nicht im Feldertyp gestaltet, sondern dem Arma-Christi-Typ zuzuordnen (also lediglich die Kreuzigung als Einzelbild). Meine letzte Stunde in Zittau nutzte ich stattdessen für einen weiteren Altstadtbummel, wobei ich insbesondere nochmal den Marktplatz und das Rathaus (nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel) in Augenschein nahm.
- 29.08.2021
- Dresdner SC 1898 – VfB Weißwasser 0:0
- Landesklasse Sachsen Ost (VII)
- Heinz-Steyer-Stadion (Att: 329)
Mein Zug fuhr planmäßig in Zittau ab und gegen 14:30 Uhr verließ ich ihn am Bahnhof Dresden-Mitte, quasi direkt am Heinz-Steyer-Stadion. Am Stadionvorplatz erwartete mich bereits mein sächsischer Kumpel Kenny mitsamt Freundin. Die beiden drückten mir sogleich eine Eintrittskarte in die Hand. Entsprechend musste ich nicht direkt die 3,50 € für das Billet investieren, ließ es mir aber nicht nehmen hinter dem Stadiontor eine Runde Bier zu spendieren. Für je 2,80 € gab es 0,4 l Pils aus dem Hause Quartiermeister*in. Da das Unternehmen pro verkauftem Liter Bier 0,10 € in soziale Projekte steckt, schlage ich ihnen den Werbeslogan „Drink social responsibly“ vor. Aber ihr Claim „Zum Wohle aller“ ist auch schon ganz pfiffig für eine gemeinwohlorientierte Brauerei, die eine Wirtschaftsordnung jenseits von Profitmaximierung, Ausbeutung und Wachstumszwang postuliert.

Ob nun Regenwald retten oder ein Nachbarschaftsprojekt im Szenekiez, es ist doch immer ein gutes Gefühl mit jedem Schlückchen die Welt zu verbessern. Obendrein kann Bier auch den letzten Grottenkick erträglich machen. Womit wir schon beim Geschehen auf dem Rasen wären… Ich will niemandem zu nahe treten und auch keine Wunderdinge von zwei Siebtligisten erwarten, aber das war schon ein 0:0 der schlechteren Sorte. Zum Glück gab es ausreichend Bier und zwei gute Gesprächspartner. So war das Ganze mehr wie ein Nachmittag im Biergarten (oder Freisitz, wie man in Dresden zu sagen pflegt). Nebst sportlicher Laiendarstellung in ansprechender Stadionkulisse. Ich würde schätzen rund die Hälfte der insgesamt 329 Zuschauer war sowieso nur angereist, um dieses altehrwürdige Stadion nochmal vor dem Abriss zu erleben.

Am 12.Oktober 1919 wurde das Stadion am Ostragehege eröffnet und von Anfang war der Dresdner SC von 1898 der Hauptnutzer. Zuvor war das Ostragehege seit 1550 sozusagen der elbnahe Küchengarten des sächsischen Kurfürsten- bzw. Königshofes. Doch spätestens nachdem 1919 der Adelsstand in Deutschland aufgehoben wurde, brauchte das Gelände eine sinnvolle Nachnutzung und Sport, insbesondere Fußball, war mittlerweile ein Massenvergnügen geworden. Neben dem DSC trug auch die Deutsche Nationalmannschaft einige Spiele im Ostragehege aus. Das erste fand am 5.Mai 1921 gegen Österreich statt (3:3). In den 1920er Jahren wurde das Stadion sogar auf über 60.000 Plätze ausgebaut und der bis heute gültige Zuschauerrekord konnte am 26.Mai 1935 mit ca. 61.000 Besuchern beim Länderspiel Deutschland gegen die Tschechoslowakei aufgestellt werden (2:1).

Aber auch die Heimspiele des Dresdner SC zogen das Publikum an. Erst recht, als der DSC in die nationale Spitze vorstoßen konnte und 1940 und 1941 der Gewinn des Tschammerpokals (Vorläufer des DFB-Pokals in der NS-Zeit) gefeiert werden konnte. Dazu wurde man zwischen 1934 und 1944 sechsmal Meister der Gauliga Sachsen und war somit regelmäßiger Teilnehmer der Endrunde um die Deutsche Fußballmeisterschaft. 1943 und 1944 krönte die Mannschaft um die Nationalspieler Willibald Kreß, Richard Hofmann und Helmut Schön (später von 1964 bis 1978 Bundestrainer) ihre erfolgreiche Dekade mit zwei Meistertrophäen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der DSC natürlich auch von Direktive Nr. 23 des Alliierten Kontrollrats betroffen und Nachfolger wurde mehr oder weniger die SG Dresden-Friedrichstadt. Als der Spielbetrieb wieder aufgenommen wurde, knüpften die Friedrichstädter schnell an alte Erfolge an und wurden in der ersten Saison der DDR-Oberliga (1949/50) Vizemeister. Als Tabellenführer verlor man seinerzeit am letzten Spieltag im heimischen Ostragehege gegen den Verfolger ZSG Horch Zwickau mit 1:5. Diese Zwickauer Meisterschaft auf Dresdner Boden wurde von Zuschauerausschreitungen überschattet, da das Publikum eine Manipulation zugunsten der ZSG Horch witterte. Gemutmaßt wurde, dass die kommunistischen Machthaber einem Verein mit bürgerlichem Hintergrund die Meisterschaft aus ideologischen Gründen nicht gönnten.

Doch nicht nur der Meistertitel entging den Friedrichstädtern. Die Ausschreitungen der Zuschauer und die „unsportlichen“ Vorwürfe einer Meisterschaftsmanipulation, waren für die Kommunisten Anlass genug, um die SG Friedrichstadt mitsamt ihrem bürgerlichen DSC-Erbe aufzulösen. Die meisten Leistungsträger migrierten zusammen mit Spielertrainer Helmut Schön nach West-Berlin und schlossen sich Hertha BSC an. Wenig später zogen einige Spieler weiter nach Heidelberg und gründeten dort 1952 den Dresdner SC Heidelberg (seit 1968 Heidelberger SC). Den Startplatz der aufgelösten SG Friedrichstadt in der DDR-Oberliga bekam übrigens der 1948 gegründete und systemkonforme Stadtligist SV Deutsche Volkspolizei Dresden, zu dem eiligst gut kickende Volkspolizisten aus der ganzen DDR delegiert wurden. Mit dieser Truppe etablierte man sich sogleich in der nationalen Spitze (Vizemeister und Pokalsieger 1952) und wurde 1953 in SG Dynamo Dresden umbenannt. Die Geschichte der zwei berühmtesten Fußballvereine Dresdens berührt sich also an dieser Stelle erstmals.

Inoffizieller DSC-Erbe wurde unterdessen die BSG Sachsenverlag/Rotation Dresden, die fortan am Ostragehege kicken durfte. Mittlerweile war das Stadion dem kommunistischen Fußballer und NS-Widerstandskämpfer Heinz Steyer gewidmet worden und die BSG aus dem Druck- und Verlagswesen schaffte auf Anhieb den Aufstieg in die DDR-Oberliga, so dass dort in der Saison 1950/51 zwei Dresdner Mannschaften konkurrierten. Der SV Volkspolizei bzw. die SG Dynamo wurde staatlich zwar mehr gefördert, aber auch die BSG (ab 1954 SC Einheit Dresden) machte sich einen Namen. In den Jahren 1952, 1953 und 1955 konnte man die Oberliga als Vierter abschließen. Obendrein gewann man 1958 den Fußballpokal der DDR (FDGB-Pokal).

Eine Reorganisation des DDR-Fußballs im Jahre 1965 sorgte schließlich dafür, dass in Dresden nur noch die SG Dynamo als Standort für Fußball auf Leistungsniveau gefördert wurde. Die Friedrichstädter Fußballer wurden dagegen im Januar 1966 aus dem SC Einheit herausgelöst und spielten bis zur Wende auf Bezirksniveau als FSV Lokomotive Dresden weiter. Am 31. März 1990 erfolgte schließlich die Wiedergründung des Dresdner SC 1898, dem sich am 19.April 1990 der SC Einheit Dresden und am 1.Juli 1990 die FSV Lokomotive Dresden anschlossen. Der DSC war wieder da und sollte mit dem vor rund vier Dekaden verblassten Erbe des Traditionsvereins zur neuen Nummer 1 in der sächsischen Landeshauptstadt aufgebaut werden.

Man rechnete sicher ein wenig damit, dass mit der DDR auch die alten Systemvereine abgewickelt werden oder die Fans nichts mehr von den Aushängeschildern des DDR-Fußballs wissen wollen, wenn man ihnen eine Alternative serviert. Doch da Dynamo sich zunächst in der 1.Bundesliga etablieren konnte, war eine sportliche Wachablösung noch in weiter Ferne. Obwohl der DSC bereits ab 1992/93 in der drittklassigen Oberliga mittat. Auch als es bei Dynamo Ende der 1990er Jahre sportlich nicht mehr rund lief und die Finanzen sowieso seit der Wende das Dauerproblem waren, bewiesen die Anhänger der SGD große Treue. Da half auch nicht, dass Michael Kölmel (Kinowelt) einige Millionen in den DSC steckte und das Ziel Bundesligafußball ausgerufen wurde.

Am Ende der Saison 1999/00 verpasste man als Vizemeister der Regionalliga Nordost sogar nur knapp die Teilnahme an den Aufstiegsspielen zur 2.Bundesliga. Darüberhinaus wurde die Regionalliga in der Folgesaison auf zwei Staffeln reduziert und Dynamo musste den Gang in die Viertklassigkeit antreten (wie oben bereits beim Spielbericht aus Zittau angerissen). Der DSC war nun zwei Jahre lang die sportliche Nummer 1 in Dresden, aber mit dem Zuschauerzuspruch wollte es immer noch nicht hinhauen. Nach einem 9.Platz in der Saison 2000/01, spielte man die beiden Folgesaisons gegen den Abstieg. Derweil war Dynamo wieder aufgestiegen und zeigte in den Derbys der Saison 2002/03, dass die Herzen der Fußballfans dieser Stadt zu 96 % immer noch der alten Liebe SGD zuflogen.

2006 ging der DSC in die Insolvenz und kennt seit rund 15 Jahren nur noch die siebte und die achte Stufe der Ligapyramide. Folglich füllt man das altehrwürdige Heinz-Steyer-Stadion auch nicht mal mehr im Ansatz. Niedrige dreistellige Besucherzahlen sind der Standard. Da zogen die American Footballer und Stadionmitnutzer der Dresden Monarch in den letzten Jahren deutlich mehr Publikum. Aber auch denen bereitet in der Regel keine Sorge, dass das Stadion aus Sicherheitsgründen nur noch für 4.500 Zuschauer zugelassen ist. Nun also der Abriss und bis Ende 2023 soll hier eine moderne und multifunktionale Sport- und Veranstaltungsstätte entstehen. Der Nutzungsschwerpunkt des Stadions wird weiterhin auf den Sportarten Leichtathletik, American Football und Fußball liegen und dabei den Ansprüchen für nationale und internationale Leichtathletikmeisterschaften genügen. Die Kapazität soll 5.000 Plätze betragen, kann jedoch mit Zusatztribünen kurzfristig auf 15.000 aufgestockt werden.

Der vermeintliche Abschiedskick ging tatsächlich 0:0 aus (er hatte auch einfach keinen Sieger verdient!) und während die Hopper nun auch die gesperrten Stadionteile für Erinnerungsfotos enterten, ließ ich mich von Kenny zum Hauptbahnhof kutschieren. Besten Dank nochmal! 17:23 Uhr war Abfahrt meines InterCitys und vier Stunden später war ich wieder daheim. Ein toller Wochenendtrip nach Sachsen lag hinter mir und das Zittauer Gebirge hat sich auf jeden Fall einen Platz in meinem Fremdenverkehrsatlas gesichert. Aber nicht weitersagen, soll schließlich zumindest für uns Wessis ein Geheimtipp bleiben 😉
P.S.: Für alle (kurzentschlossenen) Hopper zum Schluss noch eine gute Nachricht; ich sah doch nicht das letzte Spiel im Heinz-Steyer-Stadion. Der DSC konnte am 12.September das Heimrecht mit dem SV Sachsenwerk Dresden tauschen, so dass doch noch ein Spiel im Stadion stattfindet, bevor die Bagger anrollen.