Ljubljana (Laibach) 10/2023

  • 05.10.2023
  • NK Olimpija Ljubljana – ŠK Slovan Bratislava 0:1
  • UEFA Europa Conference League (Group Stage)
  • Stadion Stožice (Att: 5.064)

Am 5.Oktober klingelte der Wecker in Rosenheim um 8 Uhr. Denn 10,75 Stunden später wollte ich dem Europapokalduell zwischen Olimpija Ljubljana und Slovan Bratislava beiwohnen. Dafür hatte ich mir ein Ticket 1.Klasse (37,90 €) von München nach Ljubljana (Laibach) gebucht und konnte um 8:55 Uhr in Rosenheim bequem in den RJ 111 nach Villach zusteigen (in Rosenheim hatte ich relativ spontan genächtigt, weil in München auch einen Tag nach dem Ende des Oktoberfests noch horrende Zimmerpreise aufgerufen wurden). Mit am Bahnhof zu Frühstückszwecken erworbenen Backwaren – Leberkässemmel und Butterbrezel für zusammen 4,40 € – ging es nun gen Österreich.

Es geht anscheinend bei Schneppe Tours nicht mehr ohne Leberkässemmel

Nach meinem Frühstück ließ ich mir noch eine Wiener Melange (3,60 €) am Platz servieren und dann wurde in die Tasten gehauen. Mein Derbybericht aus Erfurt konnte noch vor Villach fertiggestellt werden (siehe Erfurt 10/2023), ehe ich schließlich um 12:53 Uhr in jener Kärntner Stadt in einen D-Zug nach Vinkovci wechselte. Diesen Fernzug (D 211) verließ ich bereits 96 Minuten später in Ljubljana und steuerte sogleich mein fünf Fußminuten vom Hauptbahnhof entferntes Hotel an. Wie schon bei meinem Erstbesuch der Stadt im Sommer 2019 (siehe Ljubljana 07/2019), hatte ich mich für das Hotel Park – Urban & Green (***) entschieden. Gehört mittlerweile auch zu B&B, so dass ich die dritte Nacht in Folge Gast dieser Kette war.

Zwischen Villach und Vinkovci rollen noch echte Klassiker

Nachdem 80 € für eine Übernachtung ohne Frühstück entrichtet waren, genoss ich aus meinem Zimmer im 9.Stock gern ein wenig den Ausblick auf die Berge der Kamniške Alpe (Kamniker Alpen). Dann machte ich mich gegen 16:00 Uhr auf in die nahe Altstadt. Schnell zog mich der Lärm eines vielleicht gerade einmal 1,896 km vom Hotel entfernten Fußballmobs an. Doch ich kam zu spät. Die Schlachtrufe und das Zischen und Krachen von Pyrotechnik entfernten sich akustisch. Als ich ca. 16:30 Uhr die Hauptverkehrsachse Slovenska cesta (Slowenische Straße) im Stadtzentrum erreichte, staute sich auf Höhe des Hochhauses Nebotičnik der Busverkehr in Richtung Norden und überall lagen ausgebrannte Fackeln auf dem Asphalt.

Mein Ausblick vom Hotelfenster

Ich beschloss nun den Lift ins Panoramarestaurant des knapp über 70 m hohen Nebotičnik zu nehmen und dort entspannt einen Cappuccino (3,50 €) zu genießen. Von der Dachterrasse des 1933 fertiggestellten Hochhauses – seinerzeit übrigens das höchste Gebäude Südosteuropas – hat man selbstredend einen fantastischen Ausblick auf Ljubljana (siehe Titelbild). Zugleich konnte ich den knapp verpassten Corteo des Gästemobs noch aus luftiger Höhe verfolgen. Die hatten, von viel Polizei flankiert, mittlerweile ungefähr den ersten der insgesamt 4,5 Kilometer vom Stadtzentrum zum Stadion geschafft.

Der Corteo der Slowaken

Nach einer zweiten Tasse Cappuccino zog es mich gegen 17:15 Uhr letztlich auch in Richtung Stadion Stožice. Um meinem Körper nach der langen Zugfahrt noch etwas mehr Bewegung zu gönnen und obendrein neue Ecken von Ljubljana zu sehen, hatte ich beschlossen die Shuttlebusse zum Stadion zu ignorieren und zu Fuß zu gehen. Bei dem gut einstündigen Spaziergang ging es einmal quer durch den nördlich vom Hauptbahnhof beginnenden Stadtbezirk Bežigrad. Während Ljubljana in der Altstadt mehr so „habsburgisch“ wirkt, kommt es hier schön „jugoslawisch“ daher.

Gospodarsko razstavišče

Ich passierte u. a. das 1959 fertiggestellte Gospodarsko razstavišče (Ausstellungs- und Kongresszentrum) und den in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre gebauten der Wohn- und Gewerbekomplex Plava laguna (Blaue Lagune). Im Stadionumfeld erwarteten mich außerdem zwei Großwohnsiedlungen aus der sozialistischen Ära. Zum einen die Wohnblöcke der zwischen 1968 und 1979 errichteten Bežigrajska soseska 7 (BS 7) und zum anderen die 1977 begonnene und 1981 vollendete Bežigrajska soseska 3 (BS 3).

Plava laguna

In dieser bis zu 20 Stockwerke hohen Betonnachbarschaft wurde 2009/10 das Projekt Športni park Stožice umgesetzt. Ljubljana gönnte sich eine neue Mehrzwecksporthalle mit 12.480 Zuschauerplätzen und ein neues Stadion mit 16.038 Zuschauerplätzen. Es handelt sich dabei um die größten und modernsten Sportstätten Sloweniens. Neben den Nationalmannschaften der populärsten Ballsportarten, sind in der Arena bzw. im Stadion Stožice auch die Topvereinsmannschaften der Hauptstadt zuhause. In Sachen Fußball und somit Stadion ist das der amtierende slowenische Meister NK Olimpija Ljubljana, der heute sein erstes Heimspiel der Gruppenphase der UEFA Europa Conference League austragen sollte. Der Gegner ŠK Slovan Bratislava ist ebenfalls amtierender Landesmeister, hat aber diesen Sommer genau wie Olimpija die Qualifikation für die UEFA Champions League und die UEFA Europa League verfehlt.

Die Arena Stožice

Der Trostpreis für die beiden gescheiterten Landesmeister hieß nun UEFA Europa Conference League. In dieser „Champions League des kleines Mannes“ trafen Olimpija und Slovan in der Gruppenphase außerdem auf Lille OSC und KÍ Klaksvík. Der ŠK Slovan gewann dabei sein Auftaktmatch gegen den färöischen Meister, während NK Olimpija in Lille eine Niederlage erlitt. Nun also das slowenisch-slowakische Meisterduell, welches zumindest seitens der Slowaken großen Anklang gefunden hatte. Die 1.500 Gästekarten gingen allesamt über den Verkaufstresen und die Angst vor weiteren slowakischen Schlachtenbummlern und einer Durchmischung der Fanlager im Stadion war offenbar groß. Entsprechend benötigte ich für einen Platz auf der Gegengerade (30 €) im Onlinevorverkauf einen slowenischen Proxy.

Im Stadion wurde das Knurren des Magens vor Anpfiff mit Pica Burek (4,50 €) beendet

Slovan hat eine Fanszene, von der man als Stadiontourist bei einem 08/15-Spiel in Sachen Quantität und Qualität durchaus enttäuscht werden kann. Aber bei besonderen Spielen haben sie einen hohen Mobilisierungsgrad und liefern auch optisch und akustisch meist ordentlich ab. Heute war einer dieser Sahnetage und bereits vor’m Anpfiff setzten die Slowaken erste akustische Ausrufezeichen im abseits des Gästesektors nur spärlich gefüllten Rund. Obwohl es in der Vereinsgeschichte des 1911 gegründeten NK Olimpija das erste Heimspiel in der Gruppenphase eines Europapokalwettbewerbs war, wollten lediglich so ungefähr 3.500 Slowenen live im Stadion dabei sein. In Relation zu den durchschnittlich rund 2.000 Zuschauern im Ligabetrieb, klang es fast schon okay. Allerdings sorgten Derbys gegen NK Maribor oder andere wichtige Spiele in jüngerer Vergangenheit auch mal für annähernd fünfstellige Besucherzahlen im Stadion Stožice.

Slovan is here

Auch beim Tifo hatte ich mir heute etwas mehr von der Heimkurve erhofft. Immerhin ist die führende Gruppe Green Dragons im Jahre 1988 gegründet worden und hatte am Wochenanfang in Ljubljanas Innenstadt mit viel Feuerwerk und einem Festmarsch den 35.Geburtstag der Gruppe gefeiert. Für das heutige Spiel war nun eine große Geburtstagschoreographie angekündigt, von der jedoch zunächst nur ein Banner zu sehen war. Aber dafür reagierte man bei Spielbeginn direkt auf die Choreo der Gäste. Die hatten unter dem Leitmotiv „Slovan is here“ einen vermummten Fan auf Stoff gepinselt. Aus dessen geballter Faust qualmte alsbald blauer Rauch gen Stadiondach. Anschließend folgten noch ein paar Fackeln in der ersten Reihe des Sektors.

Their moms are here too?

Besagte Replik in der Heimkurve war nun ein Banner mit der Aufschrift „Your moms are here too (Escape, Hard Core)“. Ein dazu präsentierter Doppelhalter hatte eine an der Stange tanzende Stripperin zum Motiv. Mein Smartphone bestätigte schnell das Offensichtliche. Beim Escape und beim Hard Core handelt es sich um zwei Strip Clubs in der slowenischen Hauptstadt. Aber ob da wirklich so viele Slowakinnen wie suggeriert arbeiten, war virtuell nicht zu klären. Das bedurfte wahrscheinlich noch einer Recherche vor Ort.

Slovan zündet

Doch ich komme ja mehr aus der Linguistik, als aus der Erotik. Wenn es nun plötzlich um slowakische Frauen in Slowenien geht, muss ich unbedingt das unnütze Wissen verbreiten, dass Slowakin auf slowakisch Slovenka und Slowenin auf slowenisch ebenfalls Slovenka heißt. Auf slowakisch heißt die Slowenin dagegen Slovinka und die Slowakin heißt auf slowenisch Slovanka. Ihre slowakische Sprache nennen die Slowaken und Slowakinnen unterdessen Slovenčina, die slowenische Sprache heißt bei ihnen wiederum Slovinčina. Slowene und Slowenin sprechen dagegen Slovenščina, während Slowakisch bei ihnen Slovaščina genannt wird. Die Slowakei heißt auf slowakisch übrigens Slovensko und Slowenien heißt Slovinsko. Die Slowenen bezeichnen ihr Slowenien demgegenüber als Slovenija, während die Slowakei für sie die Slovaška ist.

Slowenische Hände (Slovenske roke auf slowenisch, Slovenské ruky auf slowakisch)

Alle Begriffe, die mit ihrer Ethnie zu tun haben, gehen bei beiden Völkern eben etymologisch auf Sloveni zurück (die altslawische Selbstbezeichnung der Slawen). Slowaken und Slowenen müssen daher damit leben, dass alles zum Verwechseln ähnlich klingt und ihre Länder tatsächlich regelmäßig verwechselt oder vertauscht werden. Dazu halten sie es obendrein für eine gute Idee sehr ähnliche Flaggen zu nutzen. Beide haben eine Trikolore mit drei horizontalen Streifen in den panslawischen Farben weiß, blau und rot. Mit Szenen oder Gesten der panslawischen Verbrüderung war zwischen den beiden Fanlagern dennoch zu keiner Zeit zu rechnen. Es blieb an diesem Abend stattdessen 90 Minuten lang hitzig auf den Rängen.

Slowakische Hände (Slovenské ruky auf slowakisch, Slovaške roke auf slowenisch)

Auf dem Rasen war es dafür eher mau war. Slovan machte bei dem müden Kick etwas mehr für’s Spiel und hatte in der 26.Minute die beste Gelegenheit zur Pausenführung. Nach Foulspiel im Strafraum zeigte der Referee auf den Punkt, doch Routinier Vladimír Weiss (77 A-Länderspiele für die Slowakei) scheiterte an Olimpijas Schlussmann Matevž Vidovšek. An dieser Stelle muss ich einstreuen, dass schon Vladimírs Großvater Vladimír Weiss tschechoslowakischer Nationalspieler war. Obendrein hat der glücklose Strafstoßschütze einen Vater namens Vladimír. Jener mittlere Vladimír Weiss, welcher somit der Vater und der Sohn von Vladimír Weiss ist, war nicht nur ebenfalls Nationalspieler, sondern von 2008 bis 2012 auch Nationaltrainer der Slowaken. Mittlerweile trainiert er seinen Sohn Vladimír beim ŠK Slovan…

Die Green Dragons gratulieren sich zum Geburtstag

Bevor es torlos in die Pause gehen sollte, hatten die Green Dragons passenderweise die 35.Minute für ihre Geburtstagschoreographie auserkoren. Zu dem seit Spielbeginn hängenden Banner mit der Aufschrift „Zgodovina ustvarja spomine, misel na njih nikoli ne mine“ (Geschichte schafft Erinnerungen, der Gedanke daran verschwindet nie), gesellte sich eine riesige Blockfahne. Deren Hauptmotiv stellten in einem Fotoalbum blätternde Hände dar. Auf den Fotos waren mutmaßlich Ereignisse aus der Gruppengeschichte angedeutet. Als die Fahne wieder verschwunden war, rechnete ich natürlich mit vielen Fackeln. Aber die Dragonsi wollten heute überraschenderweise kein Feuer speien.

Das Buch der Erinnerungen

Meine Theorie war eigentlich, dass man keine horrende UEFA-Strafe für den Verein verursachen wollte. Allerdings war die nicht wirklich valide. Schließlich deckten die Green Dragons nach dem Seitenwechsel Slovans Schlussmann Milan Borjan mehrmals mit Wurfgeschossen ein. Der nun vor ihrer Kurve agierende kanadisch-serbische Fußballtorwart war offenbar durch seine sechs Jahre beim serbischen und jugoslawischen Rekordmeister FK Crvena zvezda automatisch eine Hassfigur für die slowenischen Navijači. Es kam aufgrund der Wurfgeschosse zu zwei Unterbrechungen und der Androhung eines Spielabbruchs. Anschließend zügelte sich der Mob in Richtung Borjan etwas, aber der Unparteiische hielt natürlich alle Verfehlungen in seinem Spielbericht fest. Die Disziplinarkammer der UEFA bestrafte Olimpija deshalb wenige Tage später mit einer Geldbuße in Höhe von 30.000 € und mit einem Zuschauerteilausschluss beim nächsten Europapokalheimspiel (was angesichts der zu erwartenden Ticketnachfrage gegen KÍ Klaksvík aber wohl keine strafende Wirkung entfalten wird).

Schalparade im Gästesektor

Gewissermaßen bestraft wurde der NK Olimpija auch noch auf dem Platz. In der 55.Minute bekam Slovan nach Intervention des VAR einen weiteren Strafstoß zugesprochen. Der ehemalige serbische U-Nationalspieler Aleksandar Čavrić machte es besser als Vladimír Weiss und es stand 0:1. Die Slowenen versuchten fortan etwas mehr nach vorne, aber ich glaube Borjan musste weiterhin mehr Angst vor der Treffsicherheit der Kurve, als vor der Treffsicherheit der Spieler haben. Entsprechend endete der Kick mit 0:1 und lediglich die Mannschaft mit Borjan, Weiss, Čavrić und auch Ex-96 Kevin Wimmer hatte was zu feiern. Da der Lille OSC nicht über ein 0:0 auf den Färöer hinaus kam, ist Slovan mit sechs Punkten aus zwei Spielen gar unangefochtener Tabellenführer der Gruppe A, während Olimpija mit weiterhin null Punkten das Tabellenende ziert.

Sie haben Grund zum Feiern

Weil ich durch meinen Fußmarsch zum Stadion heute bereits ausreichend Kalorien verbrannt hatte, nahm ich nach Spielende einen der kostenlosen Shuttlebusse ins Stadtzentrum. Der Bus endete beim Nebotičnik und um 21:15 Uhr war der Abend beinahe noch jung. Hm, schaue ich jetzt als guter Investigativjournalist wirklich beim Escape und Hard Core vorbei und werde vielleicht Zeuge von slowakischen Familienzusammenführungen? Aber wir müssen uns abermals linguistischen Feinheiten widmen. Denn gegenwärtig größer als meine Fleischeslust war meine Fleischlust. Die durfte wie beim Erstbesuch in Ljubljana das dem Nebotičnik nahe gelegene Grillrestaurant Sarajevo ’84 befriedigen. 10 Čevapčiči mit Zwiebeln im Fladenbrot kosteten hier zusammen mit Kajmak und Ajvar 11,40 €, während 0,5 l des hauseigenen Pivo mit 3,30 € zu Buche zu schlugen.

Der Saša mag Ćevapčići

Auch am nächsten Morgen dachte ich als erstes gleich wieder ans Essen. Da ich kein Frühstück zur Übernachtung dazu gebucht hatte, organisierte ich mir für 3 € Burek bei einem Bäcker. Mit diesem südosteuropäischen Streetfood auf der Faust machte ich zwischen 8 und 9 Uhr zunächst einen neuerlichen Stadtspaziergang mit allen wesentlichen architektonischen Sehenswürdigkeiten. Denn als wäre ich der Reiseleiter einer imaginären Tourigruppe, hatte ich den heutigen Vormittag komplett durchgeplant. Nach dem ersten Flanieren sollte es um 9 Uhr hinauf zur Ljubljanski grad (Laibacher Burg) gehen. Um 11 Uhr wollte ich anschließend pünktlich zur Öffnung der örtlichen Kathedrale an die Kirchenpfote klopfen und 11:30 Uhr bis 12:30 Uhr war für Mittagessen und einen weiteren kleinen Spaziergang vorgesehen, ehe 12:55 Uhr schließlich unumstößlich die Weiterreise nach Italien im Tagesplan stand.

Südosteuropäisches Streetfood

Für die Burg hatte ich mir ein Kombiticket gekauft, welches Hin- und Rückfahrt mit der Standseilbahn und Zutritt zum Puppentheater-Museum, zum Aussichtsturm und zur Dauerausstellung zur slowenischen Geschichte ermöglichte (16 €). Um 9 Uhr ging es nun mit der Standseilbahn als allererster Gast des Tages hinauf zur im 12. Jahrhundert zum erstmals urkundlichen erwähnten Burg. Oben marschierte ich über den Burghof sofort zielstrebig zum erst 1813 errichteten Aussichtsturm und genoss nach vielen Treppenstufen das wunderbare Panorama in alle vier Himmelsrichtungen. Auch die noch aus dem Mittelalter erhaltene Burgkapelle war Pflicht. Das Puppentheater-Museum reizte wiederum nicht, aber dafür verbrachte ich umso mehr Zeit in der Geschichtsausstellung.

Ausblick vom Aussichtsturm nach Süden

In der einstigen Pulverkammer aus dem 15.Jahrhundert wird einem auf mehreren Etagen die slowenische Geschichte von der Steinzeit bis in die Gegenwart näher gebracht. Neben zahlreichen Exponaten, machten auch Videosequenzen und weitere Multimediainhalte die Vergangenheit lebendig. Ehrensache, dass ich meine teils aufgefrischten und teils neuen Erkenntnisse zur Landesgeschichte Sloweniens und insbesondere zur Stadtgeschichte Ljubljanas mit meinen Lesern an dieser Stelle teile (und dabei die Fotos meines Stadtrundgangs einfließen lasse):

Eine antike Bronze aus dem 2.Jhr n. Chr. (1836 bei Ausgrabungen in Ljubljana zu Tage gefördert)

Auf dem Stadtgebiet Ljubljanas existieren über 4.000 Jahre alte Siedlungsspuren von Pfahlbauten im Ljubljansko barje (Laibacher Moor). Laut Gründungsmythos schaute ferner in grauer Vorzeit die griechische Sagengestalt Iason mit seinen Argonauten im Ljubljanska kotlina (Laibacher Becken) vorbei. Iason tötete dabei einen im hiesigen Moor ansässigen Drachen und gründete anschließend die Stadt. Auf diesem Mythos fußt übrigens auch das Stadtwappen Ljubljanas. Doch widmen wir uns lieber bezeugter Stadtgeschichte, wo uns die Römer einen ersten Siedlungsnamen überliefern. Sie hatten ungefähr um 50 v. Chr. ein Militärlager auf dem Gebiet der heutigen Stadtmitte von Ljubljana errichtet und 14 n. Chr. folgte eine zivile Siedlung namens Iulia Aemona.

Unter anderem die Zmajski most (Drachenbrücke) von 1901 greift den Gründungsmythos im Stadtbild auf (im Bildhintergrund: Türme und Kuppel der Kathedrale)

Die römische Epoche endete um das Jahr 600, als im Zuge der Völkerwanderung die Awaren und slawische Stämme in das Gebiet einfielen und auch Iulia Aemona eroberten. Rund 200 Jahre später kam die Gegend unter fränkische Kontrolle, was den Grundstein für die lange Zugehörigkeit Sloweniens bzw. der Mark Krain zum deutschen Kulturraum legte. Das mittelalterliche Laibach wurde 1144 erstmals urkundlich erwähnt und bekam im Jahre 1200 die Stadtrechte verliehen. 1278 fiel die Mark Krain an die Habsburger und Laibach wurde 1335 zur Hauptstadt der zum Herzogtum erhobenen Krain bestimmt.

Das prächtige barocke Innere der hiesigen Kathedrale

Im 15.Jahrhundert widerstand Laibach 1415 zunächst einer türkischen Belagerung, ehe es 1461 an religiöser Bedeutung gewinnen durfte. Die im 13.Jahrhundert erbaute städtische Hauptkirche Stolnica svetega Nikolaja (St. Nikolaus) wurde zur Kathedrale des neu gegründeten Bistums Laibach erhoben. In Sachen weltlicher Herrschaft änderte sich jedoch zwischen 1278 und 1918 so gut wie nichts. Abgesehen von einer kurzen französischen Episode während der Napoleonischen Kriege, blieben Laibach und die Krain bis zum Ende des Ersten Weltkriegs in verschiedenen Staatsverbänden habsburgisch.

Der Burghof

Anders als in anderen heute slowenischen Städten, wie z. B. Marburg an der Drau (siehe Maribor 02/2023), gab es in Laibach aber zumindest in der Neuzeit nie eine deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit. Insbesondere im 19.Jahrhundert, als die Industrialisierung auch in Laibach Einzug hielt, sank durch slowenischsprachigen Zuzug vom Land der Anteil der Deutschsprachigen nochmals deutlich. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs hatten mittlerweile über 80 % der rund 42.000 Einwohner Slowenisch als Muttersprache. Nach der Kriegsniederlage Österreich-Ungarns im Jahre 1918 wurde die Krain bzw. Slowenien schließlich Teil des neu geschaffenen Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen (ab 1929 Königreich Jugoslawien) und aus Laibach wurde nun auch amtlich Ljubljana.

Malerisches Ljubljana

Leider machte der Zweite Weltkrieg auch vor Slowenien nicht Halt. Im April 1941 wurde das Königreich Jugoslawien von den Achsenmächten besetzt und aufgelöst. Das slowenische Territorium wurde dabei unter dem Deutschen Reich, Ungarn und Italien aufgeteilt. Ljubljana fiel an Italien, wurde in Lubiana umbenannt und zur Hauptstadt der italienischen Provincia di Lubiana auserkoren. Gemäß Vereinbarung der faschistischen Diktatoren Hitler und Mussolini, wurde die deutschsprachigen Bevölkerung Ljubljanas nun ins Deutsche Reich umgesiedelt. Unterdessen gingen die Italiener rigoros gegen den slowenischen Widerstand vor. Sie riegelten die Stadt – in der am 26.April 1941 die Osvobodilna Fronta Slovenskega naroda (Befreiungsfront der slowenischen Nation) gegründet wurde – hermetisch nach außen ab und deportierten rund 18 % der slowenischsprachigen Stadtbevölkerung in Konzentrationslager.

Stari trg (Alter Markt)

Der slowenische Widerstand schloss sich schnell der kommunistisch dominierten jugoslawischen Volksbefreiungsarmee des besser unter seinem Kampfnamen Tito bekannten Partisanenführers Josip Broz an. Am Ende besiegten die Partisanen bekanntlich die faschistischen Besatzer und ihre lokalen Verbündeten, so dass 1945 unter Führung von Tito die Socialistična federativna republika Jugoslavija (Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien) gegründet wurde. Die Socialistična Republika Slovenija (Sozialistische Republik Slowenien) bildete fortan eine der sechs jugoslawischen Teilrepubliken und schwang sich im Bundesstaat zu einem wichtigen Wirtschaftsmotor auf.

Novi trg (Neuer Markt)

Nach dem Tod des Staatsgründers und Dauerpräsidenten Tito am 4.Mai 1980 – übrigens Sohn einer slowenischen Mutter (und eines kroatischen Vaters) – stand Jugoslawien jedoch ein schicksalhaftes Jahrzehnt bevor. Der verhältnismäßig hohe jugoslawische Wohlstand der vergangenen Jahrzehnte war auf Pump finanziert worden und die Kredite waren mittlerweile kaum noch zu bedienen. Die daraus resultierende Inflation und Wirtschaftskrise der 1980er Jahre befeuerte ökonomische, wie auch nationalistische Sezessionsbestrebungen in mehreren Teilrepubliken. Insbesondere in Slowenien und Kroatien wuchs die Ansicht als unabhängiger Staat besser dazustehen. Zumal man den Machtzuwachs und die politische Agenda des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević innerhalb der Union kritisch beäugte und Ängste vor einem Großserbien im jugoslawischen Gewand aufkamen.

Ribji trg (Fischmarkt)

Nachdem Sloweniens eingebrachte Reformvorschläge im Januar 1990 allesamt vom mittlerweile serbisch dominierten Zveza komunistov Jugoslavije (Bundes der Kommunisten Jugoslawiens) abgeschmettert wurden, war spätestens absehbar, dass das bisherige Jugoslawien bald Geschichte sein würde. Slowenien und Kroatien leiteten ihrerseits Schritte zur Sezession ein und vollzogen diese im Frühjahr 1991. Doch während Kroatien multiethnisch war und es dort umgehend zum Bürgerkrieg zwischen den ethnischen Kroaten und der serbischen Bevölkerung Kroatiens kam, profitierte Slowenien gewissermaßen von seiner ethnischen Homogenität. Hier gab es keine nennenswerte serbische Minderheit, die Milošević politisch und militärisch hätte instrumentalisieren können. Vom 26.Juni bis 7.Juli 1991 kam es lediglich zu begrenzten Kampfhandlungen, die offiziell 74 Todesopfer forderten. Dann räumte die aus Belgrad befehligte jugoslawische Volksarmee, deren slowenische und kroatische Soldaten zuhauf desertiert waren, schließlich das slowenische Territorium.

Das 1933 fertiggestellte Hochhaus Nebotičnik

Nach einer dreimonatigen Übergangszeit trat am 8.Oktober 1991 auch formell die Unabhängigkeit Sloweniens in Kraft. Einige Staaten der Europäischen Union, allen voran Deutschland, hatten die Unabhängigkeitsbestrebungen in Slowenien (wie auch Kroatien) von Anfang an unterstützt und somit gelang eine schnelle Westintegration des slowenischen Staates. Seit 2004 ist die Republik Slowenien bereits EU-Mitglied und schon drei Jahre später übernahm man die Gemeinschaftswährung Euro. Ebenfalls 2004 schloss sich Slowenien der NATO an. Mit dem vielleicht etwas zu kitschigen und zu undifferenzierten Bild der bekennenden Europäer, schloss nun auch die Ausstellung in der Burg ihre spannende Zeitreise ab.

Als ebenfalls bekennender Europäer schmause ich in Slowenien etwas Italienisches was nach einem Franzosen benannt ist

Gegen 11 Uhr schloss ich wiederum meinen Besuch der Ljubljanski grad ab und beehrte wie angekündigt als nächstes die Kathedrale. Nach Entrichtung einer Eintrittsgebühr in Höhe von 2 € durfte ich das wunderschöne barocke Interieur im Augenschein nehmen, welches italienische Künstler im frühen 18.Jahrhundert geschaffen hatten. Danach suchte ich die Pizzerija Foculus zwecks Mittagessen auf. Die hatte mir mein Kumpel Jojo drei Tage zuvor auf der gemeinsamen Anreise nach Schweinfurt empfohlen und Pizza bot sich zugleich prima an, um mich kulinarisch auf die anschließende Weiterreise nach Italien einzustimmen. Zunächst wurde der Durst mit einem halben Liter Mineralwasser gelöscht (2,20 €) und dann orderte ich mir eine große Pizza Napoleon mit Kochschinken, Wildsalami, Kulen und Champignons (13,90 €). Ein sehr delikater Abschluss meines zweiten und sicherlich nicht letzten Kurztrips nach Ljubljana.

Song of the Tour: Wenn es hier schon ausnahmsweise mal um Strip Clubs geht…