Maribor (Marburg an der Drau) 02/2023

  • 19.02.2023
  • NK Maribor – NK Olimpija Ljubljana 2:0
  • Prva Liga (I)
  • Stadion Ljudski vrt (Att: 9.611)

Mitte Februar sollte es zusammen mit El Glatto zu Sloweniens Večni derbi nach Maribor (Marburg an der Drau) gehen. Weil die slowenische Prva Liga ihre Spieltage erst sehr kurzfristig fix terminiert und wir in unseren beruflichen Tätigkeitsfeldern beide nur langfristig Urlaub planen können, wurde es zwangsläufig ein langes Wochenende von Freitag bis Montag. Die sinnvollste An- und Abreisemöglichkeit bot dabei der Schienenverkehr und so ging es Freitagmorgen um 8:26 Uhr für 69 € pro Person (1.Klasse) von Hannover nach Maribor. Respektive zunächst einmal nach Graz. Denn wir wollten lieber einen gemütlichen Freitagabend in Graz verbringen, als erst erst kurz vor Mitternacht in Maribor aufzuschlagen und somit einen kompletten Reisetag nur im Zug verbracht zu haben.

Alpine Aussichten

Es wurde via München und Salzburg gereist und Glatto hatte dankenswerterweise ein Frühstück organisiert, während ich zumindest den Kaffee beisteuern durfte. Als die Landschaft ab Salzburg herrlich alpin wurde, erklommen wir mit Brauerzeugnissen von Stiegl und Gösser unterdessen die ersten Genussgipfel Österreichs. Planmäßig um 20:14 Uhr erreichten wir schließlich Graz. Es wurde zunächst im 1.000 Meter vom Bahnhof entfernten Mercure Graz City (****) eingecheckt (88 € für eine Übernachtung mit Frühstück) und anschließend spazierten wir entlang der Mur zu Gösser Bräu (man will schließlich nicht so viel durcheinander trinken…).

Graz bei Nacht

Graz bei Nacht machte auf Hin- und Rückweg eine gute Figur (wer mehr über die Stadt aus meiner Feder erfahren will, liest gern einmal Graz 04/2022). Unsere Speisen zwischen den zwei Spaziergängen leisteten dagegen eher dem Body Shaming Vorschub. Glatto wählte Gulaschsuppe mit Brot (6,90 €), sowie Krustenbraten mit Semmelknödel & Sauerkraut (16,50 €), während ich mich für Obazda mit Brezn (4,90 €) und Schnitzel mit Petersilienerdäpfeln (17,50 €) entschied. Weil beim Primo nicht mit Teigwaren gegeizt wurde, hatten wir jeder etwas mit dem Secondo zu kämpfen. Aber schmackhaft war’s ja schon und letztlich wurden doch noch leere Teller abgeräumt. Die Biere zum Essen will ich natürlich nicht unterschlagen (4,50 € der Halbe) und weil der Coupon für die Welcome Drinks an der Hotelbar ebenfalls noch eingelöst werden wollte, gab es um kurz vor Mitternacht die letzten zwei Gösser des Tages im Mercure.

Abendessen bei Gösser

Samstagmorgen um 7 Uhr hielt das Sättigungsgefühl zwar immer noch an, aber gänzlich verschmähen wollten wir das reichhaltige Frühstücksbuffet des Hotels natürlich trotzdem nicht. Als wieder ausreichend Nahrung an die Magenwand drückte, wurde schließlich um 7:55 Uhr ausgecheckt. Zum Glück schafften wir den Kilometer zum Bahnhof trotz Bauchweh in 13,12 Minuten und saßen pünktlich um 8:10 Uhr in der S-Bahn nach Spielfeld. Dort wechselten wir in einen slowenischen Nahverkehrszug und anstatt Maribor wurde zunächst einmal Ptuj (Pettau) angesteuert. Denn dort war dieses Wochenende Kurentovanje, wo altes slawisches Brauchtum zur Karnevalstradition gehört.

Stärken für die nächste Etappe

Die ganz große Sause, sprich Sloweniens größter Karnevalsumzug mit rund 2.000 Marschierenden und bis zu 100.000 Gästen aus dem In- und Ausland, sollte zwar erst am Sonntag steigen. Doch heute war schon mal der lokale Umzug, woran außer dem Spielmannszug der Partnerstadt Burghausen nur Gruppen aus der 19.000-Einwohner-Stadt Ptuj teilnahmen. Entsprechend eine Art Warm-up im kleineren Rahmen, aber auf der Bühne wurde für die ersten internationalen Gäste trotzdem schon mal alles auch auf Englisch erläutert.

Unterwegs in den Gassen Ptuj

Bevor die Kurenti durch die Stadt zogen, blieb uns obendrein ein bisschen Zeit für Sightseeing in Sloweniens ältester Stadt, die bereits in der Antike als Colonia Ulpia Traiana Poetovio eine wichtige Handels- und Garnisonsstadt der Römer darstellte (erste urkundliche Erwähnung 69 n. Chr.). Denn hier war die Legio XIII Gemina stationiert und hier trafen zwei wichtige Handelsstraßen aufeinander, so dass im 3.Jahrhundert n. Chr. gar mehr Menschen als heute in der Stadt gelebt haben sollen. Als das Römische Reich in der Spätantike zerfiel, drangen Awaren und Slawen bis an die Drava (Drau) vor und ließen sich auch in Poetovio nieder. Sie schufen im 7.Jahrhundert das slawische Fürstentum Karantanija (Karantanien), welches am Ende des 8.Jahrhunderts von den Franken erobert und ihr in Reich eingegliedert wurde.

Weg hinauf zur Burg

Unter dem germanisierten Namen Pettau gehörte das heutige Ptuj ab dem 9.Jahrhundert schließlich zum weltlichen Besitz des Erzbistums Salzburg. Als Statthalter setzten die Erzbischöfe lokale Adlige ein, die als Herren von Pettau im 12.Jahrhundert eine Dynastie begründeten und fortan weite Teile der späteren Untersteiermark als Salzburger Lehen beherrschen sollten. Dabei mussten sie ihr Territorium immer wieder vor einfallenden Magyaren behaupten. Zwar schloss das Erzbistum Salzburg im frühen 12.Jahrhundert Frieden mit dem Königreich Ungarn, aber die Errichtung einer Burg oberhalb von Ptujs Altstadt empfand man trotzdem als sinnvoll.

Burg Ptuj

Der Frieden sollte auch tatsächlich brüchig sein, aber solange er hielt, trieb man einträglichen Handel mit den Magyaren und das nun besser befestigte Ptuj erlebte anschließend als Warenumschlagplatz zwischen Ungarn und Oberitalien eine neue Blüte. Denn hier führte lange die einzige Brücke über die Drava. Man konnte also Zölle erheben und auf den regelmäßigen Handelsmessen in Ptuj wurden ungarische Viehhäute und oberitalienisch Tuche gleichermaßen gehandelt. Der Entwicklung tat auch das dynastische Aussterben der Herren von Pettau im 15.Jahrhundert und der Anschluss an das habsburgische Herzogtum Steiermark im 16.Jahrhundert keinen Abbruch. Erst als die Eisenbahn 1846 zunächst das nahe Maribor anstatt Ptuj erschloss, büßte die Stadt ihre regionale Führungsrolle in der Spodnja Štajerska (Untersteiermark) ein.

Der Schlossteil der Ptujer Burganlage (heute Museum)

In jüngerer Vergangenheit vermarktet man jedoch sein touristisches Potential mit steigendem Erfolg. Zur netten Lage an der Drava, umgeben von etlichen Weinbergen, gesellt sich schließlich das just skizzierte historische Erbe. Man hat die schnuckelige Altstadt, eine imposante Burganlage, viele Weinstuben und eben einmal im Jahr den Kurentovanje. Diesen hat mittlerweile sogar die UNESCO in das Immaterielle Welterbe der Menschheit eingetragen und der reichweitenreiche Reiseführer Lonely Planet zählt ihn zu den zehn interessantesten Karnevalsveranstaltungen der Welt. Hört, hört!

Dieser Mann sorgte für Musik beim Straßenkarneval

Nach unserem schönen Stadtbummel mischten die Kurenti gegen 12 Uhr dann endlich die Schaulustigen am Straßenrand auf. Sie trugen dabei natürlich ihre traditionellen Kostüme aus Schafsfellen und furchteinflößende Kopfmasken mit geschmücktem Federgeweih. Dazu sind sie mit Kuhglocken behangen und schwingen einen massiven Holzstock, dessen Hiebe ganz schön wehtun können. Dieser Brauch soll seit Alters her den Winter vertreiben und im deutschsprachigen Alpenraum kennen wir mit dem Klausentreiben oder dem Krampuslaufen sehr ähnliche Traditionen.

Die Kurenti wüten in Ptuj

Als der Spuk sich etwas gelegt hatte, nahmen wir schließlich um 13:34 Uhr den nächstbesten Zug nach Maribor und erreichten das eigentliche Reiseziel eine gute halbe Stunde später. Als erstes wollten wir natürlich im gebuchten B&B Hotel Maribor (***) einchecken. Allerdings gab es für mich noch eine unerwartete Hürde zu meistern. Es stellte sich nämlich heraus, dass ich für den 18. bis 20.03.2023 anstatt den 18. bis 20.02.2023 gebucht hatte und das Hotel heute obendrein ausgebucht war. Tja, meine geistigen Kräfte lassen im Alter einfach nach und aus Glattos Einzelzimmer wäre nun beinahe ein Doppelzimmer geworden.

Die Kurenti marschieren auf dem Marktplatz auf

Doch die Damen an der Rezeption klickten viel am Rechner rum, telefonierten mit dem Hotelmanager und vertrösteten uns erstmal auf später. Nach kurzer Wartezeit in Glattos Zimmer gab es schließlich Entwarnung. Zwar wäre die Umbuchung auf dieses Wochenende technisch weiterhin nicht möglich, weil das Hotel im System unabänderlich ausgebucht sei. Doch ein freies Zimmer würde dennoch existieren und ich solle nun einfach vorab die City Tax von 2,50 € pro Nacht entrichten und im März würden sie dann meine zwei Übernachtungen à 35 € (inklusive Frühstück) abbuchen. Top! Das Glück ist mit den Dummen.

Das ersehnte Zimmer

Beim Hotel also das falsche Datum ausgewählt, beim verspäteten Mittagessen hingegen potentiell den falschen Ort. Denn im Restaurant Kozlovna Poštna stolperten Glatto und ich zielsicher in ein Gipfeltreffen von ca. 20 konfrontationsfähigen Fußballfreunden aus den Fanszenen der Clubs NK Maribor, BFC Dynamo, Real Valladolid und Spartak Trnava. Dass Maribor außer der relativ bekannten Freundschaft zu St. Gallen, auch vereinzelte Kontakte nach Valladolid und Ostberlin pflegt, war mir Dank des hervorragenden polnischen Buches Navijači bekannt (welches detailversessen alle Fanszenen aus Ex-Jugoslawien für geneigte polnische Kibice porträtiert und irgendwann auch mal auf deutsch erscheinen soll). Von Kontakten nach Trnava hatte ich allerdings noch nichts gehört oder gelesen. Aber wir reisen bekanntlich, um stets dazuzulernen.

Tagliata auf geröstetem Weißbrot mit Grillgemüse

Weil wir ferner aussahen wie dumme Touristen, die noch nie ein Stadion von innen gesehen haben, konnten wir außerdem völlig unbehelligt am Nachbartisch speisen. Glatto hatte Gulasch mit Serviettenknödeln (9,60 €) und ich Tagliata auf geröstetem Weißbrot mit Grillgemüse (21,60 €). Kozel frisch aus dem Tank gab’s natürlich auch (3,40 € der Halbe). Diese böhmische Bierstube in einer slowenischen Stadt ist zwar keine Adresse für besondere kulinarische Raffinesse oder lokale Spezialitäten, aber wir waren weitgehend zufrieden. Insbesondere wenn es neben deftigem Essen auch ein paar Bier mehr werden sollen (wie bei unserer internationalen Nachbartafel), ist es anscheinend ein guter Anlaufpunkt.

Spaziergang an der Drava

Nach dem Essen gab es einen ersten Stadtbummel durch die Altstadt und einen Abendspaziergang am Ufer der Drava. Wir integrierten ferner eine Kaffeepause mit süßen Leckereien in diese Unternehmungen, ehe nach Einbruch der Dunkelheit aus Neugier geprüft wurde, wo an einem Samstagabend etwas im Stadtzentrum los ist. Wenig überraschend hatten sich die meisten Ausgehenden in den Bars und Pubs am Glavni trg (Hauptplatz) bzw. in dessen abzweigenden Gassen eingefunden (im Sommer dürfte außerdem am Ufer der Drava gut was los sein).

Was für den süßen Zahn

Ein paar Clubs und Diskotheken existieren auch, aber die heutigen Faschingspartys reizten wenig. Obwohl unsere Kostüme als dumme Touristen anscheinend recht gut gelungen waren. Stattdessen kehrten wir zum Abschluss des Abends bei La Pizza ein. Die haben da so ein Signature dish namens Pizza, welches in zweifacher Ausführung an unseren Tisch kam. Ich hatte einen Backauftrag für die Bambola erteilt (zweierlei Salami, Schinkenspeck, Champignons und Paprika), Glatto für die Mamma Rosa (Kochschinken, Burrata und Oliven).

Abendstimmung an der Mariborer Pestsäule

Sie kosteten 10 bzw. 11 € und waren beide gut. Laut Glatto sogar richtig gut. Bis mein Gaumen vergesslich geworden ist, werden sich bei mir allerdings insbesondere Pizza, Pasta und Espresso an den jüngst in Italien genossenen Referenzen messen müssen. Daher konnte ich den Überschwang meines Reisepartners nicht teilen und überhaupt hatte mich auf dieser Tour bisher kein Restaurantbesuch so richtig euphorisiert. Obwohl ich weder Gösser in Graz, noch die beiden heutigen Restaurants unzufrieden verlassen habe.

Pizza Bambola

Beim mittelmäßigen Frühstück im B&B Hotel am nächsten Morgen gab es in Sachen Auswahl oder Qualität ebenfalls nichts, was man besonders hervorheben könnte. Aber genau das zu bekommen, was man bei der gebuchten Hotelkategorie erwarten darf, kann ich natürlich keineswegs negativ auslegen. Im Anschluss an die erste Mahlzeit des Tages kopierten wir dann ab ca. 9 Uhr unsere touristische Runde vom Vorabend noch einmal bei Tageslicht und sammelten dabei einige Informationen zur rund 850jährigen Stadtgeschichte.

Das Stadtschloss von Maribor (15.Jahrhundert)

1164 wurde erstmals die auf einem Hügel oberhalb der Drava thronende Marchburg urkundlich erwähnt. Diese Höhenburg überwachte den wichtigen Fluss und hatte zugleich eine Grenzsicherungsfunktion gegenüber dem nahen magyarischen Herrschaftsgebiet (Königreich Ungarn). Unterhalb der Marchburg entwickelte sich im 12.Jahrhundert eine Marktsiedlung gleichen Namens, die 1254 das Stadtrecht erhielt. Wenig später wurde das heutige Maribor auch mit einer Stadtbefestigung versehen, die in den kommenden Jahrhunderten immer weiter verstärkt werden sollte und neben den Magyaren auch die Osmanen erfolgreich abzuwehren vermochte.

Vojašniški trg (einer der mittelalterlichen Marktplätze Maribors)

Unterdessen konzentrierte sich Maribor wirtschaftlich auf den Weinanbau und -vertrieb. Die hiesigen Erzeugnisse wurden bereits im Spätmittelalter weit gehandelt und besonders stolz sind die Bürger der Stadt daher auch auf die älteste Weinrebe der Welt. Sie trägt seit über 450 Jahren an einer Hausfassade ihre Früchte der Rebsorte Blauer Kölner. Das hat Maribor einen Eintrag in das Guinness Book of World Records eingebracht und die Ernte wird jedes Jahr selbstverständlich mit einem großen Weinfest gefeiert. Ferner beherbergt das Hiša Stare trte (Haus der Alten Rebe) ein Weinmuseum und offeriert die Möglichkeit Weinproben zu genießen.

Glavni trg (Hauptplatz von Maribor)

Nichtsdestotrotz blieb Maribor innerhalb des Herzogtums Steiermark nicht nur im Schatten der nahen Residenzstadt Graz, sondern – wie wir am Vortag bereits gelernt hatten – musste es auch lange gegenüber Ptuj zurückstehen. Wein- und Holzhandel sorgten zwar für einen gewissen Wohlstand, aber nachdem im 17. und 18.Jahrhundert auch immer wieder große Stadtbrände und Pestepidemien die Stadt in ihrer Entwicklung zurückwarfen, war es erst der bereits erwähnte Eisenbahnanschluss im Jahre 1846, der Maribor spät einen großen Schub gab.

Haus der Alten Rebe

Fortan entwickelte sich Maribor zum industriellen Zentrum der Untersteiermark und neben Fabriken entstanden neue Stadtviertel, Straßen und Brücken, wofür teilweise der mittelalterliche Stadtkern weichen musste. Mit dem Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung musste auch das kulturelle und religiöse Leben Schritt halten. Theater und Kulturhäuser wurden errichtet und die katholische Kirche verlegte obendrein 1859 den Bischofssitz des Bistums Lavant von Sankt Andrä nach Maribor.

Die Kathedrale von Maribor

Nach dem Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) wurde die ethnisch durchmischte Spodnja Štajerska jugoslawisch und sollte dies in unterschiedlichen Staatsformen – sowie durchbrochen von der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg – noch bis ins Jahr 1991 bleiben. Die 1918 zumindest im Stadtgebiet noch existierende deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit, war zwischen den Weltkriegen durch Abwanderung bereits zur Minderheit geschrumpft und 1945 wurden schließlich alle noch verbliebenen Deutschen aus der Stadt vertrieben.

Huldigung der slowenischen Weinkultur

Heute ist Maribor mit ca. 96.000 Einwohner nach der Hauptstadt Ljubljana (Laibach) immerhin die zweitgrößte Stadt des seit 1991 unabhängigen Staates Sloweniens. Aber in einer Stadt dieser Größenordnung hat der Tourist natürlich dennoch in überschaubarer Zeit alle wichtigen Sehenswürdigkeiten abgelaufen. Entsprechend ließen sich Glatto und ich nach der touristischen Pflicht gegen 12 Uhr auf den Außenplätzen der Piranha Bar am Ufer der Drava nieder. Wir genossen zunächst Cappuccino und Faschingskrapfen in der Mittagssonne. Angefixt von der ältesten Rebe der Welt gleich nebenan, wurde außerdem noch Weißwein aus slowenischer Produktion kredenzt.

Kapelle auf dem Pekrska gorca

Der wiederum beseelte uns so sehr, dass wir beschlossen vor‘m Spiel noch ein wenig durch die Weinberge oberhalb der Stadt zu spazieren. Drängte sich sowieso auf, da das Stadion Ljudski vrt (Volksgartenstadion) am Fuße eines dieser Berge errichtet wurde. Auf dem Gipfel jenes Pekrska gorca (351 m ü. NN) erwartete uns nicht nur ein nettes Panorama, sondern auch eine kleine Kapelle. In ihrem Schatten genossen wir gegen 14 Uhr einen herrlichen Ausblick auf die Stadt, das Stadion und die umliegenden Berge. Die Idylle wurde allerdings von einem Polizeihubschrauber oben am Himmel und Detonationen unten in der Stadt getrübt. Olimpijas Mob hatte offenbar Maribor erreicht.

Ausblick vom Pekrska gorca

Also schnell wieder runter, um auch bloß nichts vom ritualisierten Fangebaren eines solchen Derbys zu verpassen. „Attacke, dann sind wir 15 Minuten am Stadion!“ schob ich Glatto giftig an. Der wollte jetzt ebenfalls keine Zeit verlieren, meinte allerdings, dass wir niemals so schnell wieder unten sind. Weil ich nicht den Wanderweg des halbstündigen Aufstiegs, sondern eine vertikale Abkürzung durch die Weinstöcke im Sinn hatte, gewann ich die fix vereinbarte Wette selbstverständlich und durfte mich im Stadion über Bier auf Glattos Nacken freuen. Obendrein erreichten wir eine Minute vor den Gästefans das 1962 eröffnete und zwischen 2006 und 2008 grundlegend modernisierte Stadion Ljudski vrt (12.700 Plätze).

Die Gästefans erreichen das Stadion

Somit konnten wir die lautstarke und gestenreiche Ankunft von knapp 400 Schlachtenbummlern sogleich aus nächster Nähe genießen. Für die sporthistorischen Wurzeln der zur Schau getragenen Antipathie muss man sich am besten nochmal die jugoslawische Prva Liga ins Gedächtnis rufen. Die wurde über all die Jahrzehnte von Clubs aus Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina dominiert. Dieses Teilrepubliken-Trio stellte alle Meister und bis auf eine Ausnahme (Vardar Skopje 1961) auch alle Pokalsieger. Von den besten zwanzig Clubs der Ewigen Tabelle der jugoslawischen Prva Liga stammen siebzehn aus den drei vorgenannten Teilrepubliken, während Mazedonien, Slowenien und Montenegro nur je ein Team in den Top 20 platzieren konnten. Sloweniens Stolz war der 1945 gegründete NK Olimpija aus Ljubljana, der immerhin 20 Spielzeiten in der Prva Liga verbrachte und den 15.Platz der Ewigen Tabelle inne hat. Zwei 7.Plätze (1970/71 und 1982/83) und ein Einzug ins Jugoslawische Pokalfinale (1970) markieren dabei die Höhepunkte der Vereinsgeschichte vor 1991.

Der Fanblock der Violetten

Der 1960 gegründete NK Maribor versuchte zwar an Olimpijas slowenischem Primat zu rütteln, schaffte aber lediglich von 1967 bis 1972 in der jugoslawischen Eliteliga mitzumischen. Stattdessen schienen die Vijolice (Violetten) dazu verdammt zu sein, auf ewig die zweite Geige in der slowenischen Teilrepublik zu spielen. Nach Sloweniens Unabhängigkeit im Jahre 1991 wurden die Karten jedoch neu gemischt. Zwar konnte Olimpija seinen vor 1991 erarbeiteten Vorsprung zunächst behaupten und wurde zwischen 1991/92 und 1994/95 prompt viermal am Stück slowenischer Fußballmeister. Ab 1996/97 gelang NK Maribor mit einer Serie von sieben aufeinanderfolgenden Meistertiteln jedoch nachhaltig die Wachablösung. Als Rekordmeister hat man inzwischen sechzehnmal den slowenischen Titel errungen (zuletzt in der abgelaufenen Saison 2021/22), während Olimpija in jener Rangliste mit mittlerweile sechs Titeln der abgeschlagene erste Verfolger ist.

Kleine Blockfahne zum Intro

Dass die Vijolice seit 1999 außerdem mehrfach in der UEFA Champions League und in der UEFA Europa League die Gruppenphase erreichten, sorgte obendrein für ganz andere finanzielle Möglichkeiten als bei der nationalen Konkurrenz. Zugleich berührten die europäischen Erfolge nicht nur die sportliche, sondern auch die emotionale Ebene der Rivalität zwischen Ljubljana und Maribor. Die Fans von NK Maribor könnten mehr oder weniger berechtigt „In Europa kennt euch keine Sau“ skandieren und das ist mit dem Selbstverständnis eines Hauptstadtclubs, der gut ein halbes Jahrhundert lang erster Repräsentant des slowenischen Vereinsfußballs war, nicht vereinbar.

Es folgte ein kleines Fahnenmeer nebst blinkender Pyrotechnik

Für die Fans des heutigen Gastgebers eine späte Genugtuung. Schließlich war man im Umkehrschluss jahrzehntelang der fast immer unterlegene Underdog, dem die Anhänger des Hauptstadtclubs stets mit einer gewissen Arroganz begegnet sind. Zumal früher die soziokulturellen Kontraste in der Bevölkerung und somit auch auf den Tribünen viel größer waren. Auf der einen Seite das Bürger- und Beamtentum aus der vornehmen Hauptstadt Ljubljana, auf der anderen Seite die Arbeiterklasse aus der Industriestadt Maribor. Im eigentlich klassenlosen Sozialismus traf bei diesem Derby trotzdem irgendwie die Bourgeoisie auf das Proletariat und ironischerweise haben sich diese Kontraste erst im Kapitalismus der vergangenen 30 Jahre weitgehend aufgelöst.

Der Gästesektor

Der violetten Dominanz kam natürlich auch zugute, dass NK Olimpija zwischenzeitlich sogar ganz von der Bildfläche verschwunden war. 2005 wurde der Club aus finanziellen Gründen zwangsaufgelöst und der zunächst als NK Bežigrad firmierende Nachfolgeclub (seit 2008 wieder NK Olimpija Ljubljana) musste in der 5.Liga neu starten. Doch man marschierte souverän durch die Ligapyramide und feierte 2009 die Rückkehr in die Erstklassigkeit. Bald darauf war man national wieder konkurrenzfähig und 2015/16 durfte Olimpija den fünften Meistertitel feiern. Seitdem schloss man konstant jede Saison in den Top 3 ab.

Die Violetten brachten etwas Farbe ins Spiel

Die sechste und vorläufig letzte Meisterschaft sicherte sich Olimpija am Ende der Saison 2017/18 und aktuell ist Titel Nr. 7 greifbar. Denn die Zmaji (Drachen) reisten heute mit stolzen fünfzehn Punkten Vorsprung als Tabellenführer nach Maribor. Für ein klitzekleines Fünkchen Resthoffnung, musste der NK Maribor also unbedingt gewinnen und an der Unterstützung von den Rängen sollte es auf jeden Fall nicht scheitern. Insgesamt wurden 9.611 zahlende Zuschauer vermeldet, ergo hielten gut 9.000 Stadionbesucher zu den Vijolice. Nahezu alle waren mit Herzblut dabei, so dass Glatto und ich auch auf der Gegengerade von sehr leidenschaftlichen Fans umringt waren.

An Feuer mangelte es auch nicht

Die optischen Höhepunkte sollten allerdings der Hauptgruppe Viole vorbehalten bleiben, die zusammen mit den bereits am Vortag identifizierten internationalen Freunden im etatmäßigen Fanblock stand. Jene 1989 gegründete Viole hatte eine mehrteilige Choreographie für den Spielbeginn vorbereitet und später sollten zwei größere Pyroshows folgen. Unterdessen sorgten Tore von Žan Vipotnik (22.Minute) und Marko Božić (42.) für einen Pausenstand von 2:0, der auch im zweiten Durchgang nicht mehr in Gefahr geraten sollte. So richtig energisch stemmte sich der Tabellenführer nicht gegen die Derbyniederlage und eine Schlussoffensive gab es lediglich von den mitgereisten Ultras. Passend zu ihrem Gruppengründungsjahr, zündeten die Green Dragons in der 88.Minute etliche Fackeln und diese wurden brennend auf dem Rasen entsorgt.

Bei den Gästen brannte es kurz vor Ultimo

Während nun doch noch Feuer auf dem Rasen auszumachen war, wurden die gegenseitigen Provokationen zwischen den beiden Fanlagern intensiviert. Nach dem Austausch von ersten kleineren Wurfgeschossen, flogen alsbald die Sitzschalen hin und her. Anschließend gaben einige Vermummte die physische Distanz auf und drängten in den bisherigen Pufferblock. Dabei fielen uns auch die an vorderster Front vertretenen himmelblau-weißen Sturmhauben der Freunde aus Warszawa (Warschau) auf. Olimpija Ljubljana hat was mit Olimpia Warszawa und da jene Kibice zugleich Teil der Szene von Legia sind, stellen sie durchaus brauchbare Waffenbrüder dar.

Etwas Unruhe

Nun musste auch die Polizei ihre bisherige Zurückhaltung ablegen und die Fantrennung durch unmittelbaren Zwang wiederherstellen. Nachdem das halbwegs gelungen war, ertönte obendrein der Schlusspfiff. Die Derbysieger wurden natürlich noch gebührend vom Heimpublikum gefeiert, aber dann leerte sich das Stadion auch relativ schnell, während die Gäste noch eine Blocksperre erdulden mussten. Glatto und ich leisteten ihnen etwas Gesellschaft, bzw. vergewisserten uns, ob die Polizei die Abreise der Zeleno-beli halbwegs stressfrei realisiert bekommt.

Abschied vom Ljudski vrt

Nachdem wir das bejahen konnten, spazierten wir ein drittes Mal binnen 24 Stunden durch die Mariborer Altstadt und für das Abendessen wurde letztlich das Grillrestaurant Ranca am Ufer der Drava erwählt. Wir bestellten beide die große Portion Banjalučki Ćevapi à 10 €. Dabei waren die zu Karrees geformten Hackfleischröllchen klassisch von Zwiebeln, Kajmak und Lepinja begleitet. Wirklich sehr köstlich und das Laško vom Fass (0,5 l für 3,50 €) mundete natürlich ebenfalls. Am Ende doch noch ein Restaurantbesuch, wo ich nicht nur zufrieden, sondern begeistert war.

Banjalučki Ćevapi

Am Montagmorgen ging es wie am Vortag gegen 8 Uhr an den Frühstückstisch und anschließend bummelten wir – mangels Alternativen für das kurze Zeitfenster bis 10 Uhr – noch ein viertes Mal durch die Altstadt von Maribor. Ist eben keine Metropole, in der es mehrere Tage am Stück etwas zu entdecken gibt (jedenfalls, wenn man das Umland außen vor lässt). Aber ein bisschen Bewegung tat dem Körper dennoch gut, bevor uns ab 10:19 Uhr gute zwölf Stunden Sitzen bevorstanden und es mit Umstiegen in Graz und Rosenheim zurück nach Hannover ging. Diesmal „zweitklassig“ für 49 € pro Person, da wir für eine montägliche Rückreise zurecht relativ leere Züge prognostiziert hatten und uns so auch in der 2.Klasse gebührend ausbreiten konnten.

Song of the Tour: Ein bisschen musikalische Yugo-Nostalgie aus Slowenien