Bayreuth 08/2022

  • 21.08.2022
  • VfV 06 Hildesheim – VfB Lübeck 0:0
  • Regionalliga Nord (IV)
  • Friedrich-Ebert-Stadion (1.670)

Ende August war mal wieder ein Schlemmerwochenende mit guten Freunden angesetzt. Da unser geplanter Bayreuth-Trip im Vorjahr im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen war und es stattdessen nach Mainz ging (siehe Mainz 06/2021), stand die Wagnerstadt 2022 ganz oben auf unserer Liste. Doch bevor ich von diesem Ausflug nach Franken berichte, muss ich noch ein paar Worte zu einer besuchten Partie vom Vorwochenende verlieren, da mich dazu doch einige Anfragen erreicht hatten. Denn als wäre mein freitäglicher Spielbesuch in Magdeburg nicht schon turbulent genug gewesen (siehe Magdeburg 08/2022), gab es am Sonntagnachmittag völlig unerwartet Action beim heimischen VfV Borussia 06.

Der Lübecker Gästeblock in Hildesheim

Es war Spitzenspiel. Der Verein für Volkssport war exzellent in die Saison gestartet und zierte nach vier Spieltagen mit 10 Punkten und 10:4 Toren die Tabellenspitze der Regionalliga Nord. Der Aufstiegsaspirant VfB Lübeck durfte nun am 5.Spieltag als Zweitplatzierter nach Hildesheim reisen und das lokale Publikum war gespannt, ob der VfV seinen Lauf würde fortsetzen können. Ergo gab es einen veritablen Zuspruch von 1.670 zahlenden Zuschauern und aufgrund des Andrangs wurde mit 15 Minuten Verspätung angepfiffen. Die ca. 200 mitgereisten Lübecker, unterstützt von einer Abordnung der Castaways aus der Szene des Hamburger SV, mussten zunächst mit ansehen, dass ihr VfB tatsächlich große Mühe mit dem VfV hatte.

Die schnuckelige Haupttribüne zu Hildesheim

Die Schützlinge von Chefcoach Markus Unger mauerten nicht, sondern machten im ersten Durchgang das Spiel und hatten mehrere gute Gelegenheiten in Führung zu gehen. Das Heimpublikum durfte entsprechend oft Szenenapplaus spenden, während tatsächlicher optischer und akustischer Support dem Gästeblock vorbehalten war. Dessen Zaun war üppig beflaggt und in der Halbzeitpause entstand auf einmal Hektik an jener Metallkonstruktion. Diverse Lübecker (und Hamburger) überwanden aus heiterem Himmel den Zaun und spurteten zum dicht bewachsenen Wall, der das Hauptstadion vom Kunstrasennebenplatz trennt. Die Polizei machte ebenfalls mobil und knapp 1.500 Hildesheimer rätselten, was da gerade los sei.

Action im Friedrich-Ebert-Stadion

Wenig später führten die behelmten Einsatzkräfte einen jungen Mann mit Ordnerleibchen durch das Gebüsch zurück ins Hauptstadion und die Gästefans ließen sich wieder dazu bewegen in ihren Block zurückzukehren. Was war geschehen? Offenbar hatte sich ein der Werder-Fanszene zugehörig fühlender Hasardeur das Ordnerleibchen übergestreift, um so unbemerkt in den Innenraum zu gelangen und dort das kleine Banner der Castaways vom Zaun zu rupfen. Das klingt bis hierhin so, als wäre da richtig aufwändig ein Plan ausgetüftelt worden. Aber irgendwie scheint der Täter seine Vorgehensweise nur bis zu diesem Punkt durchdacht zu haben. Denn wie nun auch das Ergebnis bewies, war sein Fluchtweg sehr suboptimal.

Der vermeintliche Ordner wird abgeführt

Die tatsächlichen Stadiontore waren für den Gauner als Fluchtmöglichkeit unerreichbar. Es blieb als nur der Fluchtweg über den Kunstrasenplatz. Aber dort musste er noch zwingend einen hohen Zaun überwinden und anschließend so flüchten, dass ihm die Polizei nicht sofort den Weg abschneiden kann. Offensichtlich scheiterte es aber schon am Zaun. Ob er noch Komplizen und ein Fluchtfahrzeug in Stadionnähe hatte, bleibt daher auch Spekulation. Scheint gerade ein kleiner Trend zu sein, dass man Zaunfahnen in Innenräumen mopsen geht. Prominentestes und wohl auch für den heutigen Täter inspirierendes Ereignis war da sicher die jüngste Aktion der Kölner.

Passabel gefüllte Traversen beim VfV

Der Gästeblock konnte sich anschließend nicht nur freuen, dass der Bannerdiebstahl missglückte, sondern in der 2.Halbzeit wurde ihr VfB auch etwas aktiver und kam zu ein paar guten Torchancen. Am Ende blieb es dennoch eine leistungsgerechte Punkteteilung. War aber wirklich ein 0:0 der besseren Sorte und der VfV scheint in der Tat in der Spitzengruppe der Liga mithalten zu können. Die Tabellenführung wurde nun jedoch vorerst an den lachenden Dritten namens Weiche Flensburg abgetreten. Übrigens steigt dieses Jahr der Nordmeister direkt in die 3.Liga auf. Wenn das nicht motivierend ist?

Die letzte unpanierte Hauptmahlzeit vor der Abreise nach Bayreuth

Am Freitag den 26.August sollte es dann nach Bayreuth gehen. Um 14 Uhr war für Fahrer Pumba, InterCityBerger, den stummen Kai und mich Abfahrt in Hildesheim. Aus logistischen Gründen bildeten außerdem Kräftchen und Johnny Power eine weitere Fahrgemeinschaft, die via Kassel anreiste, während unser Quartett die etwas kürzere Harzroute nehmen konnte. Aufgrund von Stau und Umleitungen durch klangvolle Ortschaften wie Unterkaka, waren wir jedoch alle ziemlich zeitgleich in Bayreuth und konnten gegen 19 Uhr unsere zweietagige Altstadtwohnung beziehen. 450 € für’s ganze Wochenende wurden aufgerufen, was während der Festspiele ein akzeptabler Preis war.

Irgendwann sitzen wir alle in Bayreuth zusammen und begreifen gar nicht mehr, wie wir es anderswo aushalten konnten.

Friedrich Nietzsche

Da ich am Vortag mal wieder ein Jahr älter geworden war, bekam ich nicht nur ein tolles Geschenk von meinen Freunde überreicht (es war etwas noch besseres als eine Opernkarte für die Wagner-Festspiele), sondern es war mir natürlich auch ein Bedürfnis die Herrschaften am heutigen Abend zum Essen einzuladen. Dazu hatte ich gleich nebenan von unserer Unterkunft einen Tisch in der gut besuchten Restauration Eule reserviert. Dieses Lokal kann bereits auf 190 Jahre Gastrogeschichte zurückblicken und als Richard Wagner Ende des 19.Jahrhunderts zum Stammgast wurde, begründete er den Ruf einer Künstlerkneipe. Berühmte Sänger und Dirigenten wie Hans Breuer, Loisl Burgstaller oder Julius Kniese kehrten hier regelmäßig ein und Wagners Sohn Siegfried machte die Eule endgültig zum geselligen Treffpunkt der Festspielszene. Das ist bis heute so geblieben und neben den prominenten Wagners der letzten 100 Jahre, finden sich auf Fotos zahlreiche Festspielgäste oder -akteure, die nach den Aufführungen in der Eule speisten und tranken. Furtwängler, Toscanini, Knappertsbusch, von Karajan oder René Kollo seien an dieser Stelle mal repräsentativ genannt.

Wagners Leibspeise

Der gegenwärtige Wirt Harald Kaiser legt großen Wert auf die Wagnertradition des Hauses. Neben den historischen Fotos an den Wänden der urigen Gaststube, erwarten einen in der Speisekarte Kreationen wie die Nibelungensuppe, der Goldschatz im Rhein, Sentas Traum oder die berühmten Bayreuther Blauen Zipfel, ihres Zeichen die Leibspeise Richard Wagners. Diese in Silvaner-Essigsud gegarten nackten Bratwürste gönnten wir uns als Vorspeise, während bei den Hauptgerichten sehr heterogen bestellt wurde. Ich hatte beispielsweise Siegfrieds Drachenschnitzel. Ein paniertes und in Butterschmalz gebackenes Schnitzel vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein mit warmem fränkischen Kartoffelsalat anbei. Ferner standen ein weiteres Drachenschnitzel, zweimal der Fränkische Sauerbraten mit Lebkuchensoß und Kartoffelkloß, einmal Wotans Hirschragout mit Waldpilzen und Kartoffelkloß und einmal die Schweinelendchen mit Champignonsrahmsauce und Spätzle auf dem Tisch.

Siegfrieds Drachenschnitzel

Für die Bierkrüge und die Teller mit den Beilagensalaten war kaum noch Platz auf meiner Festtafel. Aber was muss, das muss… Als wir alle satt und geschmacklich liebkost von den Speisen waren, war zwar kein Platz mehr für Desserts, aber diverse Biere gingen natürlich noch über den Tresen. Wir unterhielten uns außerdem noch nett mit Herrn Kaiser. Der offenbarte uns unter anderem, dass im sich langsam leerenden Lokal ab 22 Uhr wieder alle Tische reserviert sind, weil dann nach Aufführungsende der Festspielmob einrückt. Da die Kapazität der Eule aber ihre Grenzen hat, war klar, dass gleich diverse Altstadtlokale Gästezuwachs in feiner Abendgarderobe bekommen dürften. Wir taten also gut daran noch vor 22 Uhr woanders einzukehren und entschieden uns für das Oskar am Markt. Dieses große Wirtshaus hatte zum Glück noch einen freien und unreservierten Tisch, während ansonsten die vorerst verwaisten Plätze für Festspielpublikum reserviert waren. Hier gab es nun mit Obazda und Brezeln doch noch eine Art deftiges Dessert und das Bayreuther Hell wurde fassfrisch im Maßkrug gereicht.

Obazda im Oskar

Nachdem im Oskar gegen 0 Uhr die letzte Runde serviert wurde, herrschte immer noch Motivation für weitere Kaltgetränke. Zunächst ließen wir uns von den aus dem Tanzlokal Roemers XV dröhnenden Bässen anlocken. Doch in diesem proppevollen Etablissement herrschte Saunaklima und wir fragten lieber eine junge Dame, ob es denn noch eine gediegene Kneipe für Nachtschwärmer in Bayreuth geben würde. Uns wurde das ein bisschen versteckt liegende Kanapee genannt, aber zugleich gewarnt, dass es dort ein bisschen asi sei. Wohlan, genau unser Ding!

Die Mohren Apotheke bei Nacht

Wir fanden die charmante Spelunke auf Anhieb und ließen uns zwischen jungen Leuten und diversen langmähnigen Metallern nieder. Bisschen derb abgerockte Pinte, aber dafür mit breit gefächerter Getränkekarte gesegnet. Außerdem gab es dort ein interessantes Separee für intimere Momente. Gerüchteweise hatte dort jemand aus unserer Reisegruppe noch eine erotische Begegnung, weshalb am Restwochenende diverse Lieder über das Separee im Kanapee gedichtet wurden. Aber auch der schönste Abend endet irgendwann an einer bis in die Puppen geöffneten Dönerbude und nach den nächtlichen Drehspießköstlichkeiten und ein bisschen Chemie aus der Reiseapotheke (es wurden Elotrans-Tornados in Weizenbiergläsern gezündet), ging es gegen 3 Uhr in die Betten.

Die erste Runde am Morgen

Sieben Stunden später waren wir alle frisch geduscht und startklar für die Abenteuer des heutigen Tages. Zunächst einmal ging es zur Brauereischänke am Markt, wo auf Filterkaffee sogleich die erste Runde Bier des Tages folgte. Verdammt, es schmeckte schon wieder… Auf 11 Uhr hatten wir dann für‘s späte Katerfrühstück einen Tisch bei Manns Bräu reserviert. Der Plan war heute eine touristische Runde durch Bayreuth zu drehen und dabei in diversen Brauereischänken und Biergärten einzukehren.

Das ist doch kein Biergartenwetter

Zwar meinte es der Spielplan der 3.Liga auch gut mit uns und Rot-Weiss Essen gastierte heute bei der SpVgg Bayreuth zum Aufsteigerduell. Weil ich jedoch bereits am Ostermontag dieses Jahres in Bayreuth war (inklusive Stadionbesuch bei der SpVgg), blieb heute meinerseits das Quengeln bezüglich eines Stadionbesuchs aus. Nichtsdestotrotz wurden die Karten nochmal neu gemischt. Denn a) sah es heute zunächst nicht nach Biergartenwetter aus und b) liefen wir kurz vor’m Manns Bräu zufälligerweise mir persönlich bekannten Essenern direkt in die Arme. Überhaupt waren viele Fußballfreunde aus dem Ruhrpott zum Frühschoppen ins Manns Bräu eingekehrt und wenn so ’ne Spieltagsatmosphäre aufkommt, kribbelt es dann doch irgendwie.

Cordon Bleu im Manns Bräu

Wir gönnten uns nun erstmal Deftiges wie Cordon Bleu zum Frühstück und tauschten uns bei diversen Rutschen Bier mit den Essenern aus (u. a. über den mittlerweile an der Hafenstraße nicht mehr besonders hochgeschätzten Cheftrainer Christoph Dabrowski). Die Menschen aus der Gemarkung zwischen Ruhr und Emscher erörterten uns außerdem, dass es sich heute nach 3.808 langen Tagen erstmals wieder um ein RWE-Auswärtsspiel außerhalb von NRW handelt und sie deshalb richtig motiviert sind.

Flüssiges Gold

Um 13:30 Uhr, nach 2,5 Stunden in der Schankwirtschaft, waren schließlich alle Essener zum Stadion aufgebrochen und wir beschlossen beim Leeren der nächsten Runde spontan doch noch zur 1,896 km entfernten Spielstätte zu flitzen.

  • 27.08.2022
  • SpVgg Bayreuth – Rot-Weiss Essen 1:1
  • 3.Liga (III)
  • Hans-Walter-Wild-Stadion (Att: 3.920)

Leider konnten wir uns durch diese Kurzentschlossenheit erst 13:58 Uhr an den Kassenhäuschen des Hans-Walter-Wild-Stadions einreihen. Doch trotz bereits angeheiterter Geistesverfassung reagierte ich handlungsschnell und orderte uns noch fix Mobile Tickets à 12 € auf meinem Smartphone. So konnten wir ohne Verzögerung durch die Eingangskontrolle schreiten. Wir sahen nun ein Fahnenmeer im mit exakt 1.312 Essenern gut gefüllten Gästeblock, während die mitgeführte Blockfahne just eingerollt wurde. Aber das große Banner mit der Aufschrift „ESSEN ASOZIAL“ prangte wenigstens noch am Zaun. Wir hatten neben der Blockfahne außerdem Konfetti und Wurfrollen verpasst. Künstlerpech…

Spielbeginn im Hans-Walter-Wild-Stadion

Die Essener machten akustisch zunächst auch gut Alarm, während bei den Bayreuthern bekanntlich der Stadionsprecher der größte und lautstärkste Enthusiast ist. Dessen Pathos überzeugte auch meine fünf Freunde, die ihn heute zum ersten Mal erleben durften. Ansonsten freuten wir uns natürlich, dass das Bayreuther Hell (0,5l ) für fanfreundliche 3,50 € über’n Tresen ging. Da heute erwartungsgemäß weder in Sachen Fankultur, noch in Sachen Spielkultur neue Maßstäbe gesetzt wurden, lag unser Schwerpunkt hauptsächlich beim Bierkonsum und Fachsimpeln.

Das stets bemühte, aber wenig bissige Biest von Bayreuth

Außerdem wurde noch der obligatorische Zaunfahnencheck gemacht. Auf der Heimseite stand gefühlt auf jeder Zaunfahne „Altstadt“ und weil das auch immer von den Fans skandiert wurde, durfte ich meinen Wissensvorsprung aus dem Frühjahr über den Ursprung der Altstadt als SpVgg-Kosenamen natürlich noch teilen (Vgl. Bayreuth 04/2022). Bei den Essenern waren die Zaunfahnen dagegen diverser. Unter anderem fiel auch ein Banner von KAI 2000 auf (Essener Fanfreunde vom FK Austria aus Wien), aber die beste in den Vereinsfarben auf Textil gepinselte Wortspielkreation war wohl „Wir ziehen alles, außer Konsequenzen“ (wer übrigens noch ein bißchen mehr über die RWE-Historie lesen will, wird in meinem Bericht Essen 07/2022 fündig).

Nochmal der Gästeblock

Obwohl die Essener bereits in der 2.Minute einen frühen Rückstand verknusen mussten (Torschütze für die Altstadt: Markus Ziereis), machte der Anhang über 90 Minuten weitgehend gefällig Stimmung. Man merkte, dass die Jungs und Mädels aus dem Pott schon Bock darauf hatten sich nach über 10 Jahren mal wieder außerhalb der Grenzen Nordrhein-Westfalens zu präsentieren (die ersten beiden Auswärtsspiele der Saison waren in Duisburg und Dortmund). Allerdings fehlte es für einen richtig denkwürdigen Auftritt wohl am passenden Spielverlauf oder an einem weniger biederen Gegner auf den Rängen. Das so genannte Biest, wie der Bayreuther Fansektor auf der Gegengerade heißt, ist jedenfalls weniger wild als der hiesige Stadionname.

Zum Wohle

Immerhin schaffte der 1907 gegründete Gastverein in der 56.Minute noch den Ausgleich durch Young, was neben den mitgereisten RWE-Fans auch ein paar Menschen aus unserer Reisegruppe freute. Denn darauf, dass beide Teams treffen, wurden heute hoch dotierte Sportwetten platziert. Einen Sieger sollte die ausgeglichene Partie allerdings nicht mehr bekommen. Damit muss Rot-Weiss Essen weiter auf den ersten Saisonsieg warten und ziert vorerst mit drei Punkten aus sechs Begegnungen das Tabellenende. Die Bayreuther logieren mit nun vier Punkten jedoch ebenfalls auf einem Abstiegsplatz. Während beide Teams also nicht so recht wussten, ob sie mit einem Remis zufrieden sein können, zog unser Sextett ein positives Fazit vom Spielbesuch. Stadionarchitektur aus dem vorigen Jahrhundert, verschiedene Facetten der Fankultur auf den Rängen, bezahlbare Stehplätze und realpreisiges Bier; sowas mögen wir!

Eine Altstadtkutte der alten Schule

Nach Spielende zog es uns alsbald zurück in den historischen Stadtkern. Bedarf unsere große Tour mit den ganzen Sehenswürdigkeiten und Schankwirtschaften nachzuholen, bestand nun um 16 Uhr nicht mehr. Aber weil Bayreuth (ca. 75.000 Einwohner) eine überschaubar große Stadt ist, nahm man en passant wenigstens ein paar fotogene Bauwerke mit und dank meines Erstbesuches vor vier Monaten konnte ich dazu sogar ein paar Fragen aus der Runde klären (für euer Interesse an Stadtgeschichte und Sehenswürdigkeiten verweise ich an dieser Stelle nochmals auf den Bericht Bayreuth 04/2022). Wer dieser Jean Paul ist, vor dessen Denkmal wir zwischenzeitlich posierten, konnte ich allerdings nicht beantworten. Der war mir im April durch’s Raster gerutscht.

Stadtrundgang

Das war die Gelegenheit diesem deutschen Schriftsteller, der Zeitgenosse von Goethe und Schiller war, gruppendynamisch eine eigene Vita anzudichten und ihn ferner mit dem Kosenamen Schorni zu versehen. Schorni, der Bayreuther Bezirksschornsteinfeger aus dem frühen 19.Jahrhundert… Da Gestik und Mimik des stummen Kai außerdem darauf hindeuteten, dass er auf dieser Tour einen weiteren Spitznamen bekommen möchte (er hat mittlerweile über die Jahre wirklich an die 96 Spitznamen angesammelt), nannten wir Kai – bei dem übrigens selbst Kai ein Spitzname ist – fortan Schornislav, bzw. Schornislav den Rußmuckel. Passte besonders gut, weil Kai in seiner Freizeit gerne mal auf Dächer klettert.

Der spätbarocke Präsidialbau der Regierung von Oberfranken

Doch genug von schwer transportierbarer Situationskomik, sondern zurück zu den flüssigen Treibern unserer heutigen Kreativität. Zunächst ließen wir uns am frühen Abend auf eine Runde Helles aus der Brauerei Stöckl vor der Gaststätte Porsch nieder, ehe es zur Abendbrotzeit wieder ins Oskars ging. Da hier viele Stadionbesucher beider Fanlager zugegen waren, wurde es schwer einen Tisch zu bekommen. Doch nach einem kurzen Intermezzo an der Theke bekamen wir wenigstens einen kleinen Tisch im Gang zugewiesen, an dem gespeist werden konnte. Warum nicht ausnahmsweise mal etwas mit Panade, dachte ich mir und bestellte mir das Schnitzel mit Kartoffelsalat.

Schnitzel bei Oskar

Nach dem Essen ging es nochmal auf die Außenplätze der Brauereischänke am Markt, wo weitere Runden Helles folgten. Da unsere ursprünglich geplante Tour durch Bayreuth am Herzogkeller enden sollte, überlegten wir diesen ebenfalls noch aufzusuchen. Doch als wir telefonisch vorab einen Tisch reservieren wollten, wurde uns eine eintrittspflichtige Fremdveranstaltung ab 22 Uhr offenbart. Damit war der dortige Absacker obsolet geworden. Letztlich verabschiedeten sich gegen 23 Uhr die ersten drei Mitstreiter in die verdiente Nachtruhe, während ich mit Pumba und Johnny Power einen Scheidebecher im selbst zur Geisterstunde noch gut besuchten Lokal Rosa Rosa nahm. Doch in der ersten Stunde des neuen Tages wurde nebenan bei Baku Elit Döner bereits ein Gute-Nacht-Lahmacun geordert, der wenig später am Küchentisch unseres Domizils verköstigt wurde. Es sollen wohl auch noch Europapokalgesänge in der Küche angestimmt worden sein, aber da nur ein Teil der Schlafenden davon wach wurde, können sie natürlich nicht besonders penetrant gewesen sein.

Ein letzter Krug Bier im bzw. vor’m Rosa Rosa

Am Sonntagmorgen konnten die Frühaufsteher noch ein Weißwurstfrühstück genießen und das Markgräfliche Opernhaus besuchen. Den Langschläfern entging dagegen dieses Kleinod der barocken Theaterarchitektur, welches obendrein zum Kanon des UNESCO Welterbes zählt. Um 10 Uhr waren letztlich alle abreisebereit und dank relativ leerer Autobahnen betrug die Nettofahrzeit heute vier Stunden. Aufgrund der von allen begrüßten Mittagspause auf halber Strecke, waren wir letztlich gegen 14:30 Uhr zurück in Hildesheim. So konnte auf dem heimischen Sofa noch die 2.Halbzeit von Hannover 96 vs. SpVgg Greuther Fürth verfolgt werden. Dritter Sieg in Serie für 96! Leitl und seine Mannen liefern aktuell ordentlich ab. Ob die Roten jetzt unter Christoph Dabrowski auch in Schlagdistanz zur Tabellenspitze stehen würden, wage ich doch irgendwie in Zweifel zu ziehen.

Weißwurstfrühstück

Zum Schluss noch ein Dank an Johnny Power und den stummen Kai, weil jene sich aufgrund kürzlich erreichter neuer Karrieremeilensteine ebenfalls im Laufe des Wochenendes in Spendierlaune zeigten. Dazu gebührt auch Pumba und Kräftchen huldvolle Anerkennung, weil sie ihr Dienstwagenprivileg auf dieser Tour vergemeinschaftlichten und die Boliden souverän über die Bahn manövrierten. Und InterCityBerger bekommt natürlich noch ein Sonderlob, weil er das Gros der Organisationsarbeit trug und diese Aufgabe mit Bravour meisterte. Wir freuen uns jedenfalls schon alle auf das nächste fränkische Schlemmerwochenende.

Song of the Tour: Immer wieder schön in Franken