- 04.03.2020
- FC Nitra – FC Zlaté Moravce 1:1 (4:5 won on penalties)
- Slovenský pohár (Quarter-final)
- Štadión pod Zoborom (Att: 816)
Am 3.März wurde Belgrad wieder gen Budapest verlassen. Um 8 Uhr sollte mein gebuchter Flixbus starten (18,99 €), so dass ich immerhin bis 6:45 Uhr schlafen konnte. Nach Körperpflege und Packen, saß ich um 7:15 Uhr am Frühstückstisch des Hotels und schaufelte mir noch schnell zwei, drei Eier in gerührt-gebratener Form, sowie Würstchen und Käse rein. 7:35 Uhr checkte ich aus und 15 Minuten später hatte ich den Belgrader Busbahnhof fußläufig erreicht. Nun musste noch die obligatorische Zutrittskarte zu den Bussteigen erworben werden, die nicht im Ticketpreis inbegriffen ist und gegenwärtig 190 RSD (ca. 1,60 €) kostet. Dank peilungsresistenter Backpacker und streitsüchtiger Serben betrug die Wartezeit am Verkaufsschalter stolze sieben Minuten. 7:59 Uhr saß ich jedoch im Bus, der wenige Sekunden später seinen Motor anwarf.

Die Busfahrt war staufrei und unspektakulär (lediglich ein Mitreisender, der schon an der Stadtgrenze Belgrads das erste Dosenbier aufriss, erfreute mich). Bereits nach 5,5 Stunden und somit 30 Minuten vor Plan erreichten wir die ungarische Hauptstadt. Nun ging es vom Busbahnhof Népliget per Straßen- und U-Bahn – für diesen und folgende Transfers hatte ich ein 24h-ÖPNV-Ticket für umgerechnet 4,90 € erworben – zum abermals gebuchten Baross City Hotel (***). Bereits 14 Uhr war ich eingecheckt und startklar für Touripower. Auf der Busfahrt hatte sich zwar ein gewisses Unwohlsein im Körper des Don eingeschlichen, aber ich dachte das würde sich an der frischen Luft schon wieder in Wohlgefallen auflösen.

Mein erstes Ziel war die Metrostation Deák Ferenc tér. Die ist schön zentral im Stadtteil Pest und von dort sollte es erstmal in die Szent István-bazilika (Sankt-Stephans-Basilika) gehen. Diese 1905 eröffnete Konkathedrale des römisch-katholischen Erzbistums Esztergom-Budapest ist die größte Kirche der Stadt. Sie ist dem ersten ungarischen König, der sich zum Christentum bekehren ließ, geweiht. Richtig, Stephan war dessen Name. Er herrschte von 1000 bis 1038 über das Königreich Ungarn und leistete der Ausbreitung des Christentums unter seinen Landsleuten erheblichen Vorschub. Stephan ist bis heute der Nationalheilige des Landes (1083 wurde er bereits heiliggesprochen) und seine Stephanskrone ist darüberhinaus nationales Symbol und krönt das Staatswappen Ungarns.

Im klassizistischen Kirchenbau beeindruckt besonders die Kuppel im Zentrum, die in 96 Metern Höhe das Bauwerk nach oben hin abschließt (die Zahl wurde bewusst gewählt, weil das Steppenvolk der Magyaren sich im Jahre 896 im heutigen Ungarn niederließ). In ihrer Mitte findet man ein Abbild Gottes und drumherum dessen mythologischen Sohnemann Jesus und diverse Engel. Auch der Reliquienschrein des Heiligen Stephan (mit der rechten Hand des Nationalheiligen zum Inhalt) und der Altarraum sind einen Anblick wert. Kleiner interessanter Fakt am Rande: Neben klerikalen Würdenträgern und Staatsmännern, fand 2007 auch die ungarische Fußballlegende Ferenc Puskás in der Krypta der Sankt-Stephans-Basilika seine letzte Ruhestätte.

Nach dem Kathedralenbesuch spazierte ich ein wenig durch die Straßen von Pest und steuerte die berühmte Széchenyi lánchíd (Kettenbrücke) an. Ich wollte hier nun über die Donau nach Buda wechseln und mir dort den Budavári Palota (Budapester Burgpalast), die Mátyás-templom (Matthiaskirche), die Halászbástya (Fischerbastei) und vieles mehr anschauen. Doch mir ging es mittlerweile richtig schlecht und es hatte keinen Sinn mehr meine Pläne in die Tat umzusetzen. Das abendliche Pokalspiel im Budapester Umland (Puskás Akadémia FC – Mezökövesd) war für mich ebenfalls gestorben. Ich brauchte dringend eine Toilette und ein warmes Bett. Wahrscheinlich war gestern oder gar beim heutigen Frühstück irgendwas nicht mehr gut oder ich hatte mir einen Virus eingefangen. Jedenfalls sah mein Spiegelbild so beschissen aus, als wäre ich Ungarns erster COVID19-Fall.

Ich hatte es schon mal irgendwo in einem Bericht geschrieben; Budapest und ich passte bisher noch nicht so richtig. Muss ich also nochmal Wiederkehren und der Stadt eine weitere Chance geben (dann gibt es hoffentlich endlich mal einen ausführlichen Bericht in Sachen Sehenswürdigkeiten und Stadtgeschichte). Gegen 17 Uhr war ich wieder im Hotel und hatte eine unruhige Nacht mit vielen Toilettenbesuchen vor mir. Wie sang die italienische Eurodance-Formation Corona in den Neunzigern doch so schön? This is the rhythm of the night… Mit Medikamenten und 14 Stunden Bettruhe konnte ich allerdings eine deutliche Verbesserung des Zustandes erzielen und fühlte mich am nächsten Morgen zumindest reisetauglich. Wichtig, da es nun weiter nach Nitra (Neutra) in die Slowakei ging.

Allerdings traute ich dem Frieden noch nicht und verzichtete sicherheitshalber auf das im Hotelpreis inkludierte Frühstück (mit 33,63 € wurde meine Kreditkarte übrigens diesmal belastet). Stattdessen investierte ich die letzten Forint noch in 1,5 l Mineralwasser und machte mich gegen 8:50 Uhr auf zum Budapester Nordbahnhof (Nyugati pályaudvar). Ich nahm noch einen kleinen Umweg über den Parlamentspalast (dessen Kuppel endet übrigens ebenfalls in 96 Metern Höhe) und dann standen mir ab 9:40 Uhr erstmal 90 Minuten Bahnfahrt bis Nové Zámky (Neuhäusl) in der Südslowakei bevor.

Die Buchung war übrigens etwas tricky, da ich weder über die ungarische, noch über die slowakische Bahn im voraus online ein Ticket für meine Verbindung kaufen konnte. Nur über die Seite der ČD (tschechische Bahn) gab es E-Tickets von Budapest nach Nitra. Allerdings für umgerechnet 29 €. Wahrscheinlich so teuer, weil bei der Relation kein Stück tschechische Schiene befahren wurde. Also kaufte ich mir ein Ticket bis zum ersten tschechischen Halt meines Zuges (Břeclav) für ca. 15 €, stieg aber schon ’ne Stunde vorher im südslowakischen Nové Zámky aus und fuhr von dort mit einem slowakischen Nahverkehrszug weiter nach Nitra. 2 € kostete diese 45minütige Bahnfahrt im Nahverkehr. Ergo für rund 17 € von Budapest nach Nitra gekommen.

Im pünktlich erreichten Nitra hatte ich noch gute zwei Stunden bis ich ins Hotel einchecken konnte. Ich absolvierte einen ersten Stadtspaziergang und kehrte anschließend noch zur Rast in die moderne Shopping Mall im Stadtkern ein. An feste Nahrung wagte ich mich immer noch nicht heran, aber in einem der zahlreichen Gastronomiebetriebe im Einkaufszentrum gönnte ich mir einen Pott hausgemachte Limonade für 2,70 €. Gegen 13:45 Uhr schlenderte ich dann die letzten Meter zum zentralen Hotel Oko (***), wo mich ein Zimmer mit Frühstück für eine Nacht 36 € kostete. Die junge Rezeptionistin nahm hier kein Blatt vor den Mund und lenkte den Smalltalk auf das Thema Coronavirus. „Hopefully you don’t have Corona…“ Ich sah also immer noch beschissen aus, denke ich.

Nach dem Check-in setzte ich meine Stadterkundung fort und war wirklich begeistert von Nitra. Die Stadt bot eine gute Mischung aus alter Bausubstanz und einigen Perlen der realsozialistischen Epoche aus der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts. Überhaupt ist Nitra eine der ältesten Städte der Slowakei. Unter anderem Kelten, Germanen, Daker, Awaren und Slawen siedelten hier in der Antike und im Frühmittelalter. Um das Jahr 800 soll dann das slawische Fürstentum Nitra entstanden sein und 828 wurde in Nitra unter dem Fürsten Pribana auch die erste Kirche auf slowakischem Boden geweiht.

Spätestens ab 833 gehörte Nitra zu Mähren. Einem westslawischen Reich in Mitteleuropa, welches im 9.Jahrhundert unter Fürst Svatopluk I. von Sachsen bis Bulgarien reichte. Tschechien und besonders die Slowakei berufen sich noch heute auf das Mährerreich als Vorläuferstaat. Damals wirkten auch die byzantinischen Slawenapostel Kyrill und Method in Mähren. Sie missionierten bei den Slawen und etablierten die altslawische Schriftsprache (Glagoljica), die für die Liturgie und religiöse Schriften verwendet wurde. 880 wurde Nitra schließlich auch erstes Bistum der Slowakei.

Im frühen 10.Jahrhundert schwächte sich das Mährerreich durch interne Fürstenstreitereien und wurde zur leichten Beute für die expandierenden magyarischen (ungarischen) Stämme. Die magyarische Dynastie der Árpáden herrschte dann ab 955 auch über das Fürstentum Nitra. 40 Jahre später wurde eine Árpáde namens Stephan Fürst von Nitra. Dieser war bereits 985 von Adalbert von Prag christlich getauft worden und förderte die Ausbreitung des Christentums in den magyarischen Stammesgebieten erheblich. Richtig, es handelt sich um jenen Stephan, der ab 1000 erster König eines vereinigten ungarischen Reiches wurde (vorher waren sie in Stämmen mit jeweiligen Fürsten organisiert) und dessen mutmaßlichen Reliquien ich am Vortag in Budapest ganz nahe kam.

Allerdings verlor Stephan schon 1001 die slowakischen Territorien mitsamt des Fürstentums Nitra an die Polen unter deren ersten König Bolesław I. (über welchen ich u. a. im jüngsten Bericht aus Poznań ein paar Worte verloren habe). 1030 konnte Stephan Nitra nebst Umland aber für Ungarn zurückerobern und die Region blieb jetzt fast 900 Jahre Teil des Königreiches Ungarn. Das Fürstentum Nitra wurde zwar administrativ im 12.Jahrhundert aufgelöst, jedoch machte der ungarische König Béla IV. Nitras Unterstadt 1248 zur königlichen Freistadt (sieben Jahre zuvor hatte man übrigens erfolgreich die Mongolen abgewehrt). Burg und Oberstadt blieben dagegen klerikaler Besitz des Bistums Nitra.

Auch die folgenden Jahrhunderte waren teilweise sehr konfliktreich. Nachdem 1301 der letzte ungarische König aus dem Geschlecht der Árpáden kinderlos gestorben war (Andreas III.), fiel die Krone zunächst an das böhmische Geschlecht der Přemysliden (Ladislaus V.) und dann in den kommenden rund 150 Jahren an die Wittelsbacher, ans Haus Anjou, die Habsburger, die Luxemburger und die Jagiellonen. Es gab in diesen unsteten Zeiten mehrere Aufstände des ungarischen Adels und Gegenkönige. Nachdem König Władysław III. (ein Jagiellone) 1444 in der Schlacht von Warna gegen die Türken sein Leben ließ, war das Königreich sogar einige Jahre ohne gekröntes Haupt. Der Adel wählte am 5.Juni 1446 schließlich Johann Hunyadi aus Siebenbürgen zum Reichsverweser. Hunyadi war ein begnadeter Feldherr, der die Osmanen (Türken) mehrfach auf dem Schlachtfeld schlug und u. a. 1456 das belagerte (damals ungarische) Belgrad erfolgreich entsetzte. Nach seinem Tod wurde sein Sohn Matthias Hunyadi 1458 zum König gewählt, der als Matthias Corvinus prominent in den Geschichtsbücher steht. Auch er erzielte militärische Erfolge gegen die Türken und dehnte das Königreich Ungarn bis zu seinem Tode 1490 von der Lausitz bis nach Bulgarien aus.

Die Türkengefahr war für das Königreich Ungarn allerdings nicht gebannt. 1521 fiel zunächst Belgrad und 1526 erlitten die Ungarn in der Schlacht bei Mohács im heutigen Südungarn eine vernichtende Niederlage. In der Schlacht war auch der amtierende König Ludwig II. gefallen. Entscheidend für das weitere Schicksal Ungarns wurde nun die Doppelkönigswahl nach der Schlacht bei Mohács. Der überwiegende Teil der ungarischen Stände wählte den von den Osmanen goutierten Fürsten Johann Zápolya zum ungarischen König. Doch auch der Habsburger Erzherzog Ferdinand von Österreich erhob Ansprüche auf den Thron und ließ sich auf einer Versammlung des west- und oberungarischen Adels noch im selben Jahr in Bratislava (heute Hauptstadt der Slowakei) zum König von Ungarn wählen. Ferdinands Ansprüche gründeten übrigens auf der Wiener Doppelhochzeit von 1515, als er noch minderjährig mit Ludwigs Schwester Anna Jagiello von Böhmen und Ungarn vermählt wurde, während Ludwig wiederum Ferdinands Schwester Maria von Habsburg heiratete. Tu felix Austria nube…

Von 1527 bis 1538 herrschte ein Bürgerkrieg um die Krone des Königreiches, an dessen Ende das bisherige Ungarn prinzipiell dreigeteilt wurde. Das heutige österreichische Bundesland Burgenland, die heutige Slowakei, weite Teile des heutigen Kroatiens sowie nördlicheTeile des heutigen Ungarns wurden unter der Bezeichnung Königliches Ungarn de facto zu einer Provinz des Habsburgerreichs. Formal wurden die Habsburger allerdings weiterhin als ungarische Könige gekrönt (Beginn der Doppelmonarchie) und zur Hauptstadt des Königlichen Ungarns wurde Bratislava (Pressburg) bestimmt. Das bis dato ungarische Siebenbürgen wurde ein türkischer Vasallenstaat und weite Teil des heutigen Ungarns und des heutigen Serbiens wurden vom Osmanischen Reich annektiert. Der osmanische Expansionsdrang war damit allerdings noch nicht gestillt und sie marschierten sogar bis vor die Tore Wiens, welches die Türken 1529 erstmals erfolglos belagerten.

Nitra konnten die Türken zwar zunächst nicht erobern (es gab drei erfolglose Versuche im 16. und 17.Jahrhundert), allerdings verwüsteten sie das Umland. Aus dieser Zeit stammt auch die Legende vom Nitraer Schmied Corgoň, der angeblich von den Mauern der Oberstadt riesige Steinblöcke auf die türkischen Belagerer schleuderte. Er ist Namenspatron der bekanntesten slowakischen Biermarke (1896 gegründet) und ziert als stilisierter Atlas das klassizistische Palais der Kanoniker (1821 fertiggestellt) in der Oberstadt. Im slowakischen Volksmund, besonders im Raum Nitra, werden starke Männer bis heute als Corgoň bezeichnet. Quasi ein Synonym für Muskelprotz oder Kraftpaket.

1663 fiel Nitra doch noch für wenige Monate unter türkische Kontrolle, konnte aber schon 1664 von den kaiserlichen Truppen zurückerobert werden. Als 1683 die zweite osmanische Belagerung Wiens von den Habsburgern abgewehrt wurde, war die Bedrohung des Reiches endgültig gebannt war. Mehr noch; unter dem Kommando ihres legendären Feldherren Prinz Eugen von Savoyen, setzten die Habsburger den Türken nach und eroberten binnen weniger Jahre weite Teile Ungarns und des Balkans. Damit war das Königreich Ungarn in seinen alten Grenzen und unter Herrschaft der Habsburger wiedervereint. Gefiel jedoch nicht jedem Magyaren. Bei Aufständen des ungarischen Adels gegen die Habsburger im frühen 18.Jahrhundert, den so genannten Kuruzenaufständen, fiel Nitra von 1704 bis 1708 in die Hände der Aufständischen. Die Einnahme durch die Kuruzen unter Gegenkönig Franz II. Rákóczi, wie auch die Rückeroberung durch kaiserliche Truppen, sorgte dabei für großflächige Zerstörungen der Stadt.

Nachdem 1711 Frieden zwischen dem Haus Habsburg und den ungarischen Aufständischen geschlossen war, wurde Nitra wieder aufgebaut und bekam ein sehr barockes Antlitz. Davon sind sowohl in der Unter-, als auch in der Oberstadt tolle Beispiele zu finden. Die Kirche der Burg Nitra (zwischen 1711 und 1736 barockisiert), die 1750 fertiggestellte Pestsäule in der Oberstadt oder die Klosterkirche St. Ladislaus (frühes 18.Jahrhundert) in der Unterstadt wären da unter anderem zu nennen. Aber es gibt auch eine Unmenge barocker Profanbauten in Nitra. Die Anzahl denkmalgeschützter Gebäude dürfte deutlich dreistellig sein.

Im späten 18.Jahrhundert wurde Nitra eines der Zentren der slowakischen Nationalbewegung. Die Slawen in dieser Region waren nun mal weder Ungarn, noch Deutsche. Obwohl man schon seit gut 800 Jahren unter ungarischem Einfluss stand und seit fast 300 Jahren von Habsburgern regiert wurde, hatte man sich eine eigene Sprache und Kultur bewahrt. Der katholische Priester Anton Bernolák schuf 1787 die erste slowakische Schriftsprache und Dichter wie Ján Kollár oder Pavel Jozef Šafárik förderten ab dem frühen 18.Jahrhundert das slowakische Nationalbewusstsein. Im Revolutionsjahr 1848 versuchten die Slowaken, wie so viele Völker im Habsburgerreich, ihre Unabhängigkeit zu erwirken. Am Ende setzte sich aber der Kaiser in Wien durch und bewahrte die Reichseinheit.

Erst nachdem das Habsburgerreich zu den Verlierern des Ersten Weltkriegs (1914 – 1918) gehörte, wurden die Slowaken unabhängig bzw. bildeten fortan mit den sprachlich und kulturell sehr nahestehenden Tschechen den neuen demokratischen Staat Tschechoslowakei (mit den historischen Regionen Böhmen, Mähren und Slowakei als Kerngebiet). Im slowakischen Landesteil gab es allerdings immer noch eine große ungarische Minderheit und auch nicht alle Slowaken empfanden die Tschechoslawakei als ersehnte nationalstaatliche Lösung. So fand 1933 in Nitra, weiterhin Hochburg der nationalistischen Slowaken, auch die große slowakische Nationalfeier statt, die an die Gründung der ersten Kirche auf slowakischem Boden im Jahre 833 erinnern sollte. Der Seperatismus der Slowaken, wie auch jener der großen Minderheiten von Deutschen und Ungarn in der Tschechoslowakei (die sich nach Anschluss an ihre Nationalstaaten sehnten), destabilisierte den Staat in den 1930er Jahren zunehmend.

Für die äußere Bedrohung sorgte zugleich das seit 1933 nationalsozialistische Deutsche Reich. Als die aggressive deutsche Außenpolitik unter Adolf Hitler die Tschechoslowakei 1939 schließlich zerschlagen konnte (in meinem Prag-Bericht aus dem Jahr 2019 habe ich dazu etwas mehr geschrieben), kam es mit deutscher Unterstützung zu einem ersten slowakischen Nationalstaat. Während die Deutschen weite Teile der Tschechoslowakei annektierten und sich auch Polen und Ungarn als Leichenfledderer betätigten, war die erste Slowakische Republik in der Weltgeschichte de facto ein Satellitenstaat des Deutschen Reiches. Entsprechend beteiligte man sich auch an der Seite der Deutschen am Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) und ebenso am Völkermord an den Juden in Europa. Die bis dahin große jüdische Gemeinde Nitras (1940 lebten über 4.000 Menschen jüdischen Glaubens in der Stadt) wurde durch Deportationen in die deutschen Vernichtungslager fast vollständig ausgelöscht.

Als duw Sowjetunion Anfang des Jahres 1945 die Slowakei besetzen konnte (Nitra wurde am 30. März 1945 durch die Rote Armee besetzt) und am 8.Mai das Deutsche Reich an allen Fronten kapitulierte, wurde die Slowakei in die rekonstituierte Tschechoslowakei zurückgegliedert. Dieser Staat geriet jedoch alsbald unter sowjetischen Einfluss und transformierte sich zu einer sozialistischen Diktatur. Die ab 1948 totalitär herrschende Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) trieb fortan die bisher nur in geringem Maße erfolgte Industrialisierung von Nitra voran. Für die zugezogenen Arbeiter in den Fabriken entstanden bald große Wohnsiedlungen in Plattenbauweise am Stadtrand. Nitras Einwohnerzahl stieg dabei von rund 20.000 am Kriegsende auf ca. 85.000 im Jahre 1989.

Als gegen Ende der 1980er Jahre die friedliche Revolution in vielen Staaten und Teilstaaten des so genannten Ostblocks einsetzte, kam es auch in der Tschechoslowakei zum Umbruch und 1990 fanden die ersten demokratischen Wahlen seit 1946 statt. Unterschiedliche Interessen in wirtschaftlichen, nationalen und außenpolitischen Fragen führten allerdings bald zu einem Bruch zwischen Tschechen und Slowaken. So kam es zur friedlichen Dismembration (Staatenteilung) der Tschechoslowakei in die Tschechische Republik und die Slowakei, welche in der Nacht zum 1.Januar 1993 vollzogen wurde. Die Slowakei orientierte sich – wie auch die Tschechische Republik – sofort zur Westlichen Welt und 2004 kam es durch Beitritte zur NATO und zur Europäischen Union zur endgültigen Westintegration des jungen Staates. Am 1.Januar 2009 führte man außerdem die EU-Gemeinschaftswährung EURO ein.

Durch sein seit Jahrhunderten agrarisch geprägtes Umland ist Nitra bis heute ein wichtiger Standort der slowakischen Lebensmittelindustrie. Daneben existieren außerdem größere Zulieferer der Automobilindustrie und seit 2018 sogar eine Autofabrik von Land Rover (das Geländewagenmodell Defender läuft hier vom Band). Ferner gibt es als größere Arbeitgeber noch einen Produktionsstandort für LCD-Fernseher und einen für Chipkarten. Sehr wahrscheinlich wurde z. B. eure Kreditkarte oder Krankenkassenkarte in Nitra gefertigt. Außerdem finde ich Stadt und Umland (am Fuße eines Mittelgebirges gelegen) wirklich reizvoll, so dass ich Nitra durchaus noch tourististisches Potential nach oben attestieren würde.

Meinem heutigen Touri-Endpunkt Burg Nitra lag übrigens das hiesige Fußballstadion zu Füßen. Da sollte pünktlich zum Sonnenuntergang (17:30 Uhr) der Ball im slowakischen Fußballpokal rollen. Nachdem vorgestern in Belgrad und gestern in Budapest zwei Gelegenheiten des Fußballkonsums liegen gelassen wurden, brauchte ich heute mal wieder eine Dosis Ballgekicke. FC Nitra vs. FC ViOn Zlaté Moravce klang zwar nicht nach dem Stoff, aus dem die Fußballträume sind, aber auf Entzug nehmen wir Süchtigen bekanntlich alles, was wir kriegen können.

Ich hatte noch einen Blick auf die Landkarte geworfen und festgestellt, dass Nitra und Zlaté Moravce gerade mal 30 Kilometer Asphalt trennen. Weil ich so ein unfassbar positiver Mensch bin und sich mein Daueroptimismus auch von 1.896 enttäuschenden Gammelkicks im letzten Vierteljahrhundert nicht ausbremsen ließ, malte ich mir natürlich ein Derby der Spitzenklasse aus. Quasi ein Geheimtipp, der erst durch meine Zufallsentdeckung seinen Platz im europäischen Groundhoppingkalender findet. Klar, in der Slowakei ist wahrscheinlich nichts außer Slovan (Bratislava) und vielleicht noch Spartak (Trnava) fantechnisch ernstzunehmen. Aber so eine Busladung Gästefans mit den letzten Pyroresten von Silvester im Gepäck und circa 100 motivierte Nitraer im Heimsektor, wär‘ doch nicht zuviel verlangt, oder?

Doch, war es! Gästefans waren Fehlanzeige (außer so ein paar Hanseln auf der Haupttribüne, die vielleicht Angehörige der Gästespieler waren) und die Nitraer hatten zwar ein schönes Ultras-Banner an den Zaun geklatscht, versammelten sich jedoch lediglich mit zehn Teenagern dahinter. Also doch wieder nur Hafergrütze. Aber ich war wenigstens alleine angereist und musste mir deshalb nicht das Dauergezeter von so Typen wie Schirm oder Milano Pete reinziehen. Außerdem war das Stadion ganz okay. Zwar einen Tick zu modern (gerade erst zwischen 2016 und 2018 generalüberholt), aber malerisch gelegen. Um das Areal mäanderte der Fluss Nitra und hinter dem einen Tor erhob sich der Burgberg, während man hinter dem anderen Tor auf den 588 Meter hohen Nitraer Hausberg Zobor blickte.

Traurig, dass der Club hier kaum einen vor’m Ofen hervorlockt (Eishockey soll in Nitra besser ziehen, aber die haben halt auch den Kollegen Corgoň als Wappenfigur und generell ist die Slowakei mehr Eishockey- denn Fußballnation). Dabei ist der FC Nitra ein echter Traditionsclub. Schon 1909 wurde er gegründet und nimmt immerhin Platz 16 der Ewigen Tabelle der Tschechoslowakei ein, sowie Platz 7 beim slowakischen Pendant. Für die ganz großen Titel reichte es zwar weder in der tschechoslowakischen Vergangenheit, noch in der slowakischen Ära seit 1993, aber die Vizemeisterschaft 1962 und mehrere Europapokalteilnahmen wollen wir nicht unterschlagen. Außerdem konnte man 1972, 1973 und 1980 den Intertoto Cup gewinnen. Die ersten beiden Male übrigens parallel mit Hannover 96.

Der heutige Kick war natürlich nicht nur fantechnisch, sondern auch sportlich recht dürftig. Torchancen waren Mangelware und durch zwei verwandelte Strafstöße binnen zwei Minuten (19. und 21.Minute) ging es mit 1:1 in die Halbzeitpause. Die Unterbrechung nutzte ich dann mal für einen Snack und ein Getränk. Leider gab es nichts Gegrilltes, ergo keine ersehnte Klobasa. Gut, dann musste halt ein Hot Dog von bescheidener Güte her. Hauptsache nach 35 Stunden endlich mal wieder etwas Festes im Magen. Zu trinken gab es dazu ’ne Kofola. Immerhin war das landestypisch.

Auch in den zweiten 45 Minuten tat sich nicht viel auf dem Rasen. Ich beschloss definitiv nach 90 Minuten abzuhauen, egal ob dann schon ein Sieger feststehen würde. War nach Einbruch der Dunkelheit nämlich auch gefühlt 13,12° Celsius kühler geworden und so geil ging es mir physisch immer noch nicht. Da wurde langsam jede weitere Minute auf der Sitzschale zur Qual. Zum Abpfiff stand es tatsächlich immer noch 1:1 in diesem Pokalviertelfinale. Aber da sich die Mannschaften nun auf dem Rasen mit ihren Trainern zusammenrotteten, deutete alles auf ein sofortiges Elfmeterschießen hin. Okay, das kann ich mir natürlich noch reinziehen, dachte ich mir und machte nochmal kehrt auf der Stadiontreppe.

Die ersten sechs Schützen waren sicher, doch dann konnte der Schlussmann von Zlaté Moravce einen Elfmeter der Hausherren parieren. Der nächste Gästeschütze brachte seine Farben beim folgenden Versuch nun erstmals in Führung. Nitras fünfter Elfmeterschütze hielt seine Truppe zwar nochmal im Spiel, aber als der fünfte Mann der Gastmannschaft ebenfalls sicher verwandelte, stand der Sieger fest. Der FC ViOn Zlaté Moravce darf sich auf das Halbfinale freuen. So wie ich mich nun auf mein Bett freute.

Zum Glück fühlte ich mich am nächsten Morgen wirklich schon wieder sehr fit und hatte auch genügend Appetit, um am Frühstücksbuffet des Hotels zu glänzen. Neben Eiern und Würsten, gab es noch Müsli, Obst und Gemüse. Lipide, Saccharide, Proteine, Vitamine… Ich wollten meinem Körper möglichst alles davon wieder zuführen. Da draußen die Sonne schien, schloss ich gleich nochmal einen kleinen Spaziergang zur Burg Nitra an (die kann man sich auch zweimal angucken), ehe ich mich gegen 9:30 Uhr auf den Weg zum Bahnhof machte. Nächstes Ziel: Brno (Brünn) in der Tschechischen Republik.