Górny Śląsk (Oberschlesien) 03/2024

  • 16.03.2024
  • Ruch Chorzów – Górnik Zabrze 1:2
  • Ekstraklasa (I)
  • Stadion Śląski (Att: 38.106)

Nach Abpfiff der Partie Cracovia vs. Widzew (siehe Kraków 03/2024) mussten Jojo und ich unverzüglich von Kraków (Krakau) gen Górny Śląsk (Oberschlesien) aufbrechen. Denn um 17:30 Uhr sollte im polnischen Kohlenpott die 123. Auflage des Wielkie Derby Śląska zwischen Ruch Chorzów und Górnik Zabrze steigen. Bahn- und Busverbindungen waren uns zu knapp, so dass es um 14:40 Uhr per Taxi ins rund 80 km entfernte Katowice (Kattowitz) ging. Nach ziemlich genau einer Stunde Fahrzeit erreichten wir dort das meinerseits für zwei Nächte gebuchte Qubus Hotel Katowice (****) und mussten dem Fahrer für seine Dienstleistung einen vorher festgelegten Fixpreis von 300 Złoty (ca. 70 €) überlassen.

Die Stadtwappen von Chorzów und Katowice am Stadion Śląski

Da Jojo sich für eine andere Unterkunft entschieden hatte, trennten sich vorerst unsere Wege. Aber wir kamen wenig später beide gut und günstig per Tram zum Park Śląski (Schlesischer Park) an der Stadtgrenze von Katowice zu Chorzów (Königshütte). Am südwestlichen Ende jener großen Parkanlage hat man zwischen 1951 und 1956 das Stadion Śląski (Schlesisches Stadion) erbaut, welches zwischen 2009 und 2017 nochmal grundlegend modernisiert wurde und mit 55.000 Plätzen nach dem Stadion Narodowy in Warszawa (Warschau) zur Zeit das zweitgrößte Stadion Polens ist.

Ein 1970 geschaffenes Mosaik am Stadioneingang

Für größte aller schlesischen Fußballderbys waren allerdings aus Sicherheitsgründen lediglich 40.800 Zuschauer zugelassen. Letztlich wurden 38.106 Tickets an den Mann und die Frau gebracht, was aber für polnische Verhältnisse trotzdem eine beachtliche Zuschauerzahl bedeutete (bislang ligaweit Saisonrekord). Ruchs Anhang hatte sich übrigens gegen 14:30 Uhr im Stadtzentrum von Chorzów gesammelt und war von dort mit viel Tamtam zur 1.896 m entfernten Spielstätte gezogen. Unterdessen hatte sich der Mob von Górnik Zabrze am Stadion der Fanfreunde von GKS Katowice mit eben jenem Verbündeten getroffen. Dieses Stadion liegt am anderen Ende des Park Śląski, so dass die Gästefans eine Distanz vom ca. 2,5 km zurücklegen mussten.

Unflätiger Gruß an Ruch

Die ebenfalls zahlreich anwesende und martialisch auftretende Polizei hatte entsprechende Maßnahmen ergriffen, um die Fantrennung auch auf den Anreisewegen und im Stadionumfeld zu gewährleisten. Aber den ungeliebten Gästen aus dem nahen Zabrze gelang eine gute Guerillaaktion. An einem Katowicer Hochhaus gegenüber vom Stadion Śląski wurde nachmittags ein riesiges Anti-Ruch-Banner vom Dach hinabgelassen. Es war ca. 40 m lang und wer auf dem Weg zu den Eingängen für Heimfans keine Scheuklappen aufhatte, wird diese Provokation gesehen haben.

Blick in die Heimkurve, die aber nur bedingt die Fankurve war

Nachdem ich am Presseeingang meine Akkreditierung entgegen genommen hatte, suchte ich mir einen mittigen Platz auf der Haupttribüne. Da Ruchs harter Kern im Stadion Śląski auf der Gegengerade aktiv ist, sollte ich von dort die beste Sicht auf deren Show haben. Psycho Fans, Ultras Niebiescy & Co hatten selbstverständlich einiges für ihr größtes Spiel der Saison vorbereitet und präsentierten gleich zu Spielbeginn eine große Choreographie auf der gesamten Tribüne. 15.000 Papptafeln in den Vereinsfarben blau und weiß ergaben den Schriftzug „Super Ruch“, während eine zentrale Blockfahne die polnische Meistertrophäe zum Motiv hatte. Dazu hingen an der Brüstung des Oberrangs vierzehn goldene Sterne. Für jeden Meistertitel in der Vereinsgeschichte also einer.

Die Choreo zu Spielbeginn

Damit hat der 1920 als Ruch Bismarkhuta gegründete Traditionsverein aus Chorzów einerseits genauso viele Meisterschaften wie der 28 Jahre jüngere Rivale Górnik Zabrze errungen, andererseits liegen die letzten Triumphe bei beiden oberschlesischen Schwergewichte schon eine halbe Ewigkeit zurück. Górnik wurde 1988 letztmals zum Mistrzostwa Polski gekrönt, während Ruch ein Jahr später zum bisher letzten Mal die wichtigste Trophäe des Landes in die Höhe recken durfte. Nichtsdestotrotz waren die beiden Clubs mit ihren jeweils vierzehn Titel noch jahrzehntelang gemeinsam Rekordmeister. Erst 2020 zog Legia mit Ruch und Górnik gleich, um allerdings bereits im Folgejahr mit Titel Nr. 15 die Statistik bis heute alleine anzuführen.

Anstoß zum 123. Wielkie Derby Śląska

Pünktlich zum Anstoß garnierten die Niebiescy (Blauen) ihre Choreographie außerdem noch mit massig Air Smoke Single Shots in den Vereinsfarben und den ersten Fackeln des Tages. Unterdessen war im Gästeblock zunächst nur eine Schalparade zu sehen. Den Górnicy hatte man das Fanleben heute aber auch besonders schwer gemacht. So überließ Ruch dem Rivalen nur 2.040 Tickets, obwohl in den sehr gut vom Rest des Stadions abgeschirmten Gästesektor mehr als doppelt so viele Zuschauer passen und Legia jüngst mit 4.500 Schlachtenbummlern anreisen durfte. Ferner musste um jegliches Tifomaterial mühsam gekämpft werden. Sogar Zaunfahnen standen zwischenzeitlich zur Disposition.

Schalparade zu Spielbeginn im Gästesektor

Die 2.040 Gästetickets waren natürlich heiß begehrt, aber dennoch stellte man davon über 10 % für befreundete Szenen zur Verfügung. Abordnungen von GKS Katowice (100), ROW Rybnik (80), Hajduk Split (37) und Banik Ostrava (14) waren somit ebenfalls in der Gästekurve präsent. Indes konnten auf Heimseite größere Delegationen der drei Waffenbrüder Widzew Łódź, Wisła Kraków und Elana Toruń begrüßt werden (sie bilden zusammen mit Ruch die WRWE Gang). Überdies gesellten sich befreundete Besuchergruppen aus den Fanszenen von Unia Oświęcim, KKS Kalisz, Slovan Bratislava und Atlético de Madrid ebenfalls zu Ruch. Ich habe dazu zwar keine exakten Zahlen, aber als Statistikliebhaber liefere ich euch wenigstens die Top 10 der Herkunftsorte der Stadionbesucher auf Heimseite:

  1. Chorzów (12.707)
  2. Ruda Śląska (4.187)
  3. Świętochłowice (2.407)
  4. Katowice (2.378)
  5. Siemianowice Śląskie (2.181)
  6. Piekary Śląskie (1.076)
  7. Bytom (902)
  8. Mikołów (862)
  9. Mysłowice (671)
  10. Łaziska (479)

Von den Fangruppen aus jenen Städten und Gemeinden hingen natürlich auch die entsprechenden Zaunfahnen im üppig beflaggten Rund. Insbesondere die blaue Bande aus dem zwischen Ruch und Górnik umkämpften Ruda Śląska hatte ihr Banner (Niebieska Ruda Śląska) prominent in der Mitte des Oberrangs platzieren dürfen und fiel kurz vor dem Seitenwechsel mit einer eigenen kleinen Pyroshow auf.

Viel Rauch bei Ruch

Aber eigentlich springen wir damit chronologisch schon zu weit voran. Ich will nämlich nicht die große Pyroaktion der Chorzowscy in der 15.Minute unterschlagen. Dabei wurden auf der gesamten Breite der Gegengerade etliche weiße Fackeln gezündet und dahinter stieg eine gigantische blaue Rauchwolke auf (siehe auch Titelbild). Außerdem ließ man die Sektoren nach 35 Minuten nochmals hell erleuchten. Dazu wurde die Mannschaft natürlich durchweg lautstark mit Gesängen und Schlachtrufen nach vorne gepeitscht. Der Aufsteiger als Chorzów, der nach sechs unterklassigen Spielzeiten vergangenen Sommer in die Ekstraklasa zurückkehren konnte, spielte wiederum nicht, wie es der gegenwärtige Tabellenplatz (17.) befürchten ließ. Überraschend waren die Akteure mit dem blauen R auf der Brust zunächst besser als der aktuell siebtplatzierte Rivale.

Dritte Pyroshow in der 35.Minute

In der 39.Minute zappelte der Ball gar im Netz von Górnik. Aber der VAR setzte dem Freudentaumel der Niebieska Szarańcza (blaue Heuschrecken)* ein jähes Ende. Dem vermeintlichen Treffer von Filip Starzyński war ein Foulspiel bei der Balleroberung vorausgegangen. Während die Rauchschwaden weiter durch’s Rund waberten, schien es torlos und die Kabinen zu gehen. Wäre da nicht noch ein starkes Solo von Adrián Kaprálik in der 4.Minute der Nachspielzeit gewesen. Nachdem sich Górniks Angreifer gegen mehrere Verteidiger durchgesetzt hatte, konnte Tormann Dante Stipica den Abschluss zwar zunächst abwehren, aber im Nachschuss war Kaprálik letztlich doch erfolgreich.

Kleine Pyroeinlage von Ruchs Bande aus Ruda Śląska

Der Torjubel der Żabole (Frösche)** war für beide Fanlager zugleich das Signal mehr Nähe zueinander zu suchen. Aber auf den Rängen war kein Durchkommen und im Umlauf hielten die Polizeiketten dank Schlagstöcken und Reizgas ebenfalls den Hooligans stand. Mehr als wahlweise blaue oder tränende Augen gab es für die Pseudokibice wahrscheinlich nicht zu holen. Zumindest im Gästebereich tobte sich eine marodierende Horde aber noch in den sanitären Anlagen aus und brach außerdem die Tür zu einem Serverraum auf, um die Technik darin zu zerrupfen. Erste geschätzte Schadensumme der Sachbeschädigungen: 300.000 Złoty (ca. 70.000 €). Dazu wird der Gästesektor im Stadion Śląski zwecks Reparaturarbeiten bis Saisonende geschlossen bleiben.

Intro zum zweiten Durchgang im Gästesektor

Bei Wiederanpfiff setzte der Gästeanhang aber auch mal einen optischen Akzent im Stadion. Sie hatten ungefähr 250 karierte Handschwenker in den Vereinsfarben weiß-blau-rot verteilt. Ferner wurde die Beflaggung an der Brüstung gewechselt. Hingen im ersten Durchgang noch ortsbezogene Fahnen von wichtigen Sektionen der 1999 gegründeten Hauptgruppe Torcida Górnik (Ruda Śląska, Piekary Śląskie, Orzesze, Gliwice, Knurów, Rydułtowy, Żory, Pszczyna & Mikołów), folgten nun bekannte Zaunfahnen mit Gruppen- oder Vereinsbezug (Torcida Crew, KS Górnik, Władcy Górnego Śląska, Ultras Górnik Zabrze, Torcida PDW, Stara Gwardia, Torcida & Młoda Torca). Lediglich das Erinnerungsbanner an den 2017 bei einer Auseinandersetzung mit Ruch um’s Leben gekommenen Górnik-Fan Dariusz Pastor und die Banner der Fanfreunde aus Katowice und Rybnik hingen über die komplette Spieldauer.

Blockfahne in der 2.Halbzeit

Auf der Heimseite hielt man sich dagegen choreographisch zunächst zurück. Erst nach einer knappen Viertelstunde startete die nächste große Aktion. Auf einer Blockfahne umringten drei Typen in Szeneshirts (Łowcy Szczew, Psychofans & Ultras Niebiescy) einen Kochkessel. In jenem befand sich wiederum der von der Torcida gern genutzte Comiccharakter Bart Simpson, der mit Todesangst seinem Ende entgegen sah. Denn dem Kessel wurde sehr rasch vom Capo-Podest aus symbolisch mit vier Bengalos etwas Feuer gemacht. Und wenig später brannte es auch rechts und links der Blockfahne lichterloh. Als Parole prangte derweil an der Gegengerade: „Niech kipi kocio, ogien sie pali – dzis bez litoschi dla naszych rywali.“ (Lass den Kessel kochen, lass das Feuer brennen – heute ohne Gnade für unsere Rivalen).

Die Gegengerade brennt nochmal heftig

Während das Spiel so wie der heutige Regen vor sich hin plätscherte, wollte die Torcida den Abend ihrerseits auch nicht gänzlich ohne Pyrotechnik ausklingen lassen. In der 69.Minute verschwanden ein paar Gestalten unter einer kleinen Blockfahne mit dem Gruppenlogo und kamen wenige Augenblicke später wieder hervor. Nur eben vermummt und mit Fackeln ausgerüstet, die alsbald an der Brüstung in Reih und Glied entzündet werden sollten.

Kleines Inferno in der KSG-Kurve

Etwa zehn Minuten später durften die mittlerweile ohne Oberkleidung supportenden Żabole darüber hinaus erneut jubeln. Der eingewechselte Rechtsaußen Soichiro Kozuki hatte sich den Ball an der Mittellinie erobert und startete einen Sololauf in den gegnerischen Strafraum. Der prominente Mitspieler Łukasz Józef Podolski war zwar mitgelaufen, aber Kozuki sah sich selbst in guter Schussposition und zirkelte das Leder in der 81.Minute ins Netz. „Poldi“ nahm es dem jungen Japaner keineswegs krumm und herzte ihn sogleich innig. Aber der seit Kindesbeinen bekennende Górnicy hatte auch schon im Hinspiel seinen Lebenstraum vom entscheidenden Derbytor gegen Ruch verwirklichen dürfen. Da stand er heute nicht mehr ganz so unter Druck.

Oberschlesische Nackedeis

Ferner war mit dem zweiten Tor des Abends noch nichts entschieden. Ruch gelang in der 86.Minute durch zwei kurz zuvor eingewechselte Offensivkräfte tatsächlich noch der Anschluss. Miłosz Kozak konnte in besagter Spielminute einen Freistoß in den Górnik-Strafraum segeln lassen, wo Soma Novothny schlecht bewacht in die Höhe steigen konnte und den Ball ins Tor nickte. Jetzt keimte bei den rund 36.000 zu Ruch haltenden Stadionbesuchern nochmal Hoffnung auf. Zumal die Rauchentwicklung bei den ganzen Pyroshows zwischenzeitlich für etwas längere Spielunterbrechungen gesorgt hatte und es nun stolze 10 Minuten Nachspielzeit gab.

Die letzten Fackeln des Abends

Während auf der Gegengerade nochmal groß gefackelt wurde, warf Ruch auf dem Rasen natürlich alles nach vorne. Als Novothny schließlich in der 89.Minute erneut zum Kopfball aus kurzer Distanz kam, hatten bereits alle Niebiescy den Torschrei auf den Lippen. Aber diesmal streifte das Leder nur das Außennetz und anschließend sollte Górnik wieder konzentrierter und konsequenter verteidigen. Fast alles köpfte oder kloppte man hinten raus. Erst als die Anzeigetafel auf 100 Spielminuten gesprungen war, drohte die Taktik „Hohe Bälle auf Novothny“ nochmal zu funktionieren. Doch der Ex-Bochumer erwischte den Ball nicht optimal und köpfte ihn lediglich in die Arme von Tormann Daniel Bielica.

Mannschaft und Anhang feiern gemeinsam den Derbysieg

Dann war Schluss. Podolski und Co waren außer sich vor Freude und marschierten nach einem Reigentanz auf dem Rasen in die dankbare Gästekurve. Aber auch das Heimpublikum verabschiedete seine unterlegene Mannschaft mit Stolz und Trotz. Die Elf in den blauen Dressen hatte einen großen Kampf geliefert und mindestens eine Punkteteilung wäre in Anbetracht der Chancen und Spielanteile gerecht gewesen. Doch stattdessen wird es immer düsterer im Tabellenkeller und im Abstiegsfall wäre der Zeitpunkt des nächsten Wielkie Derby Śląska erst einmal fraglich (Gesamtbilanz nun übrigens: 49 Siege Górnik / 40 Remis / 34 Siege Ruch).

Polizeipräsenz in Katowice nach Spielende

Eine gute Viertelstunde nach Abpfiff traf ich mich vor’m Stadion wieder mit Jojo und die nächstbeste Tram ins Stadtzentrum von Katowice war die unsere. Eigentlich sollte es noch gemeinsam zwecks Abendessen in ein Restaurant gehen, aber Jojo outete sich plötzlich als Kostverächter. Ohne richtig guten Schlaf in der Nacht zuvor, war er einfach stehend K.O.. O.K., das war irgendwie nachvollziehbar. Er suchte nun unverzüglich sein Hotelbett auf, während ich die kulinarischen Optionen alleine prüfen musste.

Bruschetta nach Art des des Hauses

Meine erste Wahl war das Restaurant Tatiana mit angeblich sehr guter regionaler Küche. Aber die werte Tati hatte um 20:15 Uhr nichts mehr frei für einen weiteren hungrigen Gast. An einem Samstagabend war die gesamte Gastronomie in der Katowicer Innenstadt gewohnt gut ausgelastet. Ich war schon kurz davor mir nur ein Zapiekanka auf die Faust zu holen. Aber von dieser polnischen Baguettespezialität schafften meine Gehirnzellen plötzlich die Transferleistung zu einem neapolitanischen Leckerbissen namens Pizza. Ein paar brauchbare Pizzabäcker gibt es sogar in Katowice und einer davon heißt Vera Napoli. Zwar musste ich mich dort auch noch ein paar Minuten an der Theke gedulden, bis ein Tisch frei wurde. Aber mit Aperol Spritz ging das ganz gut.

Pizza Don Carmelo

Am Tisch ließ ich mir dann Bruschetta als Antipasto servieren und darauf folgte neben einer großen Flasche San Pellegrino die Pizza Don Carmelo mit u. a. Salame Spianata und ganz viel Knoblauch. Klar, so gut wie in Bella Napoli schmeckte die Pizza trotz importierten Zutaten wie Pomodori di San Marzano nicht, aber für Bella Polonia war das schon in Ordnung. Dass ich bei meiner Rechnungssumme von 120 Złoty (ca. 28 €) in etwa doppelt so teuer wie jüngst in Napoli diniert hatte, fand ich allerdings schon irgendwie bemerkenswert. Das polnische Preisniveau hat einfach deutlich zu Deutschland aufgeschlossen in den letzten Jahren.

Waffelgruß an alle Groundhopper

Nach dem Abendessen übermannte auch mich die Müdigkeit. Es folgten neun Stunden Nachtruhe, ehe ich mich am nächsten Morgen gegen 8 Uhr auf die nächsten Köstlichkeiten stürzte. Das Qubus hatte ich nicht nur gewählt, weil es für 96 % der ca. 200 beim Wielkie Derby Śląska anwesenden deutschen Groundhopper preislich nicht attraktiv war (99 € pro Nacht). Sondern zuvorderst, weil mich bei dieser kleinen, aber feinen polnischen Kette in einer anderen Niederlassung das Frühstück sehr überzeugt hatte (siehe Bielsko-Biała 10/2022). Auch in Katowice wurde ich nicht enttäuscht und labte mich an einer großen Auswahl von warmen und kalten Frühstücksspezialitäten mit teilweise regionaler Note.

  • 17.03.2024
  • GKS Katowice – TS Podbeskidzie Bielsko-Biała 5:0
  • I Liga (II)
  • Stadion GKS Katowice (Att: 4.556)

Während Jojo es heute vorzog via Tschechische Republik – mit den Spielen Baník Ostrava B – SK Uničov und AC Sparta Praha – FC Hradec Králové – in Richtung Bundesrepublik aufzubrechen, verblieb ich nach dem Frühstück noch über 24 Stunden in Oberschlesien. Hier sollte der Ball nachmittags um 15 Uhr bei GKS Katowice rollen, so dass mir zuvor genug Zeit für einen ausgedehnten Spaziergang durch die immerhin seit fünf Jahren nicht von mir mehr besuchte 300.000-Einwohner-Stadt blieb. Aber da geschichtsinteressierte Leser bereits in vorigen den Berichten aus Katowice auf ihre Kosten kommen konnten, erspare ich mir neuerliche Ausführungen und lasse lediglich ein paar Fotos sprechen.

Gegen 14 Uhr hatte ich genug Sightseeing betrieben und brach mit der Tram vom Stadtzentrum abermals in Richtung Park Śląski auf. Heute stieg ich bereits am Südostende der Parkanlage aus und musste von dort nochmal einen guten Kilometer durch den Stadtteil Dąb zum 1955 eröffneten Stadion GKS Katowice marschieren. Weil zur Zeit im Süden der Stadt eine moderne Arena entsteht und die Tage dieser altehrwürdigen Sportstätte somit bald gezählt sind (zumindest in Sachen Profifußball), ließ ich mich heute gerne zu einem zweiten und voraussichtlich letzten Stadionbesuch an dieser Adresse hinreißen (Bericht vom Erstbesuch: Górny Śląsk 03/2018).

Willkommen in Katowice-Dąb

Kaum durch’s Drehkreuz, lockte mich sofort der Grill magisch an. Frühstück war mittlerweile sechs Stunden her, so dass ich mir vor’m Anpfiff gerne noch eine krosse Kiełbasa vom Rost gönnte. Die Wurst war wirklich top, aber der Preis von 20 Złoty (ca. 4,60 €) wirkte doch sehr ambitioniert. Das waren schließlich sogar drei Złoty mehr, als am heutigen Nachmittag mein sehr guter Sitzplatz auf der Haupttribüne kostete. Aber ich erwähnte ja bereits das gestiegene Preisniveau in Polen…

War zwar teuer, aber wenigstens auch ungesund

Wie gut, dass der Fußball noch für breite Bevölkerungsschichten bezahlbar geblieben ist und sich immerhin über 4.500 Zuschauer (darunter 260 Gästefans) einen mäßig attraktiven Zweitligakick leisten konnten oder wollten. Die große Mehrheit der Stadionbesucher sollte die Investition auch nicht bereuen müssen. Denn der siebtplatzierte GKS Katowice durfte einen Kantersieg gegen den abstiegsbedrohten TS Podbeskidzie (17.Platz) aus dem 60 km entfernten Bielsko-Biała (Bielitz-Biala) feiern.

Die Maskottchen beider Clubs verstanden sich offenbar gut

Wobei die Verteidigung der Gäste den Angriffen der Hausherren zunächst tapfer stand hielt. Doch nach gut 25 Spielminuten wurde es wild und zugleich spielentscheidend im TSP-Strafraum. Matej Senić foulte Mateusz Marzec elfmeterreif und sah die Gelbe Karte. Zwar konnte Schlussmann Procek den folgenden Strafstoß von Arkadiusz Jędrych parieren, doch als ein Mitspieler des glücklosen GKS-Kapitäns zum Nachschuss ansetzte, senste Senić auch diesen um. Nun musste der kroatische Innenverteidiger vom Platz und Jędrych nutzte seine unerwartete zweite Chance vom Punkt zum 1:0.

Der Gästesektor kurz vor’m Anpfiff

Mit einem Mann mehr und einer Führung im Rücken, wurde der Kick anschließend zum Selbstläufer für den dreifachen polnischen Pokalsieger (1986, 1991 & 1993). Noch vor der Pause sorgte Marzec mit einem Doppelpack (38. / 45.) für klare Verhältnisse. Unterdessen gab es nicht nur ob des Spielverlaufs lange Gesichter bei den mitgereisten Bielszczanie. Kurz nach Anpfiff hatte es Ärger mit der Polizei am Eingang gegeben, weil nicht alles an mitgebrachtem Material ins Stadion durfte. Kam wohl bei dem Konflikt zu ein, zwei Festnahmen und im Block entflaggte man den Zaun aus Protest wieder.

Blick auf die Gegengerade

Auf der Heimseite dagegen gute Laune und gute Stimmung. Aber auch kein Wunder nach zuletzt dreimal drei Punkten und dem sich anbahnenden nächsten Sieg. Zumal Sebastian Bergier (55.) und Adrian Błąd (62.) – beim mittlerweile dritten Strafstoß für GieKSa – in der 2.Halbzeit noch zweimal für Jubel auf Haupttribüne und Gegengerade sorgen durften. Kurioses am Rande: Błąd ist bereits seit 2017 bei GKS Katowice unter Vertrag und bei meinem Erstbesuch im März 2018 bereitete er ausgerechnet in der 62.Minute das einzige Tor des Abends vor. Adrian Błąd, ein Mann für gewisse Minuten…

Der schon wieder

Auch in der letzten halbe Stunde blieb es ein Spiel auf ein Tor. Aber der Gast aus dem Beskidenvorland hatte Glück, dass die GKS-Elf mittlerweile nur noch mit angezogener Handbremse agierte. Ein Debakel war es trotzdem und vom rettenden Ufer trennen TSP nun bereits sieben Punkte. Der heutige Sieger klettert dagegen auf den 6.Platz und darf sich noch leise Aufstiegshoffnungen machen. Vielleicht gelingt im Jubiläumsjahr des 1964 gegründeten Górniczy Klub Sportowy Katowice tatsächlich die ersehnte Rückkehr in die Ekstraklasa. Obendrein pünktlich zur geplanten Fertigstellung des neuen Stadions.

Die Anzeigetafel in der früheren Kurve

Nichtsdestotrotz wurde der Heimsieg von einigen Fans nur sehr kurz gefeiert. Denn beim Abpfiff saßen etliche Kibice bereits auf heißen Kohlen, da die Eishockeyabteilung von GieKSa in knapp einer Stunde zum ersten Match des Meisterschaftshalbfinales antreten sollte. Per PKW, Tram oder eigens vom Verein eingesetzten Sonderbussen machte sich der Mob auf zur Satelita (Nebenhalle vom Spodek). Leider war dieses Kufensportschmankerl bereits ausverkauft, aber die Eishalle lag eh auf dem Rückweg in die Innenstadt und als Journalist kommt man wahrscheinlich trotzdem hinein. Klappt es wider Erwarten nicht mit der spontanen Akkreditierung, geht es eben um 18 Uhr irgendwo etwas Essen und anschließend noch in die Hotelsauna. Wäre auch kein schlechter Ausklang des Trips.

Dieses Mural würdigt GKS-Fußballlegende Jan Furtok (209 Spiele / 85 Tore)

So schloss ich mich der gelben Karawane an und der Zutritt zur Halle war tatsächlich nur Formsache. Ergo blieb der Saunaofen aus und stattdessen wurde mir nochmal gut zwei Stunden von der GKS-Fanszene eingeheizt. Die träumt nach Platz 1 in der Regular Season nicht unbegründet vom insgesamt neunten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Im Viertelfinale der Play-offs hatte man Zagłębie aus der Nachbarstadt Sosnowiec (Sosnowitz) nach sechs Duellen mit 4:2 niedergerungen. Jetzt wartete im Halbfinale mit dem Jastrzębski Klub Hokejowy aus dem 60 km entfernten Jastrzębie-Zdrój (Bad Königsdorff-Jastrzemb) ein weiterer regionaler Rivale (fast alle Erstligisten kommen übrigens aus Schlesien oder der benachbarten Woiwodschaft Kleinpolen).

Anderer Sport, gleicher Support

Doch leider wurde die von 1.500 Kehlen lautstark angefeuerte Mannschaft ihrer Favoritenrolle vorerst nicht gerecht. Nachdem im ersten Drittel beide Teams einmal den Puck im gegnerischen Tor unterbringen konnten (Maciej Urbanowicz zum 0:1, Grzegorz Pasiut zum 1:1), blieben die zweiten 20 Minuten torlos. Im dritten Drittel erzielte Urbanowicz allerdings 10 Minuten vor Ultimo während eines Powerplays die erneute Führung für die Jastrzębier. Daraufhin probierte der Hausherr natürlich alles, um wenigstens noch auszugleichen. Doch als in letzter Konsequenz ohne Goalie angegriffen wurde, machte der Finne Tuukka Rajamäki 17 Sekunden vor Spielende alles für JKH klar. Unerwartete Auftaktniederlage, aber auch im Halbfinale heißt es Best-of-Seven. Also dürfte noch kein Fan oder Verantwortlicher in Panik verfallen sein.

In der Satelita fieberten 1.500 Katowicer Hockeyfreunde mit GieKSa

Ich wollte indes meinen Eishockey-Länderpunkt Polen mit einem zünftigen Abendmahl feiern. Aber Sonntagabend hatte leider viel Gastronomie geschlossen oder lediglich bis 20 / 21 Uhr geöffnet. Mit Tatiana und mir sollte es daher erneut nichts werden. Beim Schlendern durch die Innenstadt fiel mir dann ein Burgerladen namens Pasibus ins Auge. Scheint eine noch junge polnische Kette zu sein, die allerdings hochwertigere Burger als die internationalen Branchenriesen anbieten möchte und zugleich auf eine große Bar mir allerhand alkoholischen Getränken setzt.

Nochmal gutburgerlich speisen

Ich gab der Katowicer Niederlassung gerne eine Chance und wurde nicht enttäuscht. Ich hatte den Włoski Pastuch mit doppelt Beef, Bacon, Käse, Rucola, einer pikanten Pfeffercreme und einer fruchtig-würzigen Tomaten-Basilikum-Sauce. War sehr delikat und kostete im großen Menü mit Fritten, vier frittierten Käsebällchen, Chilimayo und Limonade faire 70 Złoty (ca. 16 €).

Deftiges beim Hotelfrühstück

Am Montagmorgen war nach dem Frühstück noch Zeit für einen kleinen Einkaufsbummel, ehe es 10:47 Uhr auf der Schiene wieder gen Heimat ging (1.Klasse, 59,90 €). Komfortabel wurde bereits ein Großteil der Berichte abgetippt und weil auf der Rückreise alles reibungslos lief, war ich kurz nach 20 Uhr daheim. Die nächsten Wochen(enden) widme ich wohl ausschließlich nationalen Sportereignissen, aber spätestens im Mai wird es wieder international. Mal sehen, vielleicht kommen irgendwo in Europa gute Pokalendspiele zustande.

Song of the Tour: So’n großes Derby hat natürlich seinen eigenen Song

*Dieser Spitzname geht auf die frühen 1950er Jahre zurück, als die damalige Erfolgself einen schnellen, überfallartigen Angriffsfußball zelebrierte

**Zabrze hat eine phonetische Nähe zum polnischen Wort für Frösche, weshalb die Bewohner der Stadt wie jene Amphibien genannt werden