Würzburg 08/2023

  • 05.08.2023
  • FC Würzburger Kickers – FC Bayern München II 2:0
  • Regionalliga Bayern (IV)
  • Stadion am Dallenberg (Att: 4.152)

Am Samstagmorgen ging es nach dem Frühstück um 8:34 Uhr mit dem Deutschlandticket per Main-Spessart-Express von Frankfurt nach Würzburg. Nette Bahnstrecke, die ab Lohr die letzten 50 km parallel zum Main verläuft. Knapp zwei Stunden nach der Abfahrt erreichte ich meinen Zielort und widmete mich nun gute drei Stunden den Sehenswürdigkeiten der siebtgrößten Stadt Bayerns (ca. 130.000 Einwohner). Ich war glaube ich schon dreimal in Würzburg, aber einen Bericht hat die Stadt bisher noch nicht auf Schneppe Tours bekommen. Das bedurfte endlich einer Änderung.

Dom St. Kilian

Würzburg ist eine sehr alte Stadt. Vermutlich schon um 1000 v. Chr. existierte eine keltische Fliehburg auf dem Marienberg. Im Frühmittelalter (7.Jahrhundert) war hier ein fränkischer Herzogssitz und bereits auf 704 n. Chr. datiert die älteste bisher entdeckte urkundliche Erwähnung. 742 wurde das Bistum Würzburg gegründet und im späten 8.Jahrhundert begann der Dombau. Jener Dom St. Kilian war nun mein erstes Ziel. Erhalten ist im Wesentlichen seine romanische Baugestalt aus dem 11.Jahrhundert. Allerdings lag der Dom 1945 wie weite Teile der Würzburger Altstadt in Trümmern und wurde bis 1967 wiederaufgebaut. Entsprechend steht er weitestgehend in der Nachbarschaft von zweckmäßiger Nachkriegsbebauung.

Altar und Apsis des Domes

Aber Würzburg hat sich trotz 90 % Zerstörung durch Weltkriegsbomben ein paar Traditionsinseln im Altstadtgebiet erhalten. So überstand mit dem Grafeneckart der älteste Teil des Rathauses den Zweiten Weltkrieg größtenteils unversehrt. Der Grafeneckart ist ein romanischer Geschlechterturm aus dem 12.Jahrhundert, den der Rat der Stadt Würzburg 1316 erwarb und fortan als Rathaus nutzte. Im Erdgeschoss des Baus befindet sich heute ein Dokumentationsraum über den verheerenden Luftangriff am 16.März 1945.

Der Grafeneckart

Dom und Rathaus sind mit der geschäftigen Domstraße verbunden und von dieser wiederum zweigen mehrere Gassen zum Marktplatz ab. Ich nahm mit der Schustergasse die schönste davon in Augenschein. Sie ist auf Initiative der ansässigen Gewerbetreibenden zu jeder Jahreszeit dekorativ geschmückt. Zuletzt war ich im November 2021 in Würzburg, da hing bereits der Weihnachtsschmuck. Nun in den Sommermonaten sind bunte Lampions ein Blickfang, der zahlreiche Flaneure ihr Smartphone zücken lässt. Ich bildete da keine Ausnahme.

Die Schustergasse

Der Marktplatz bietet ebenfalls einige fotogene Bauwerke. Dominiert wird dessen Silhouette von der Marienkapelle. Kapelle klingt niedlich, es handelt sich jedoch um eine imposante spätgotische Hallenkirche mit 72,96 Metern Turmhöhe. Keineswegs niedlich ist obendrein die Vorgeschichte der Marienkapelle. An Stelle des Marktplatzes befand sich hier nämlich im Hochmittelalter das Würzburger Judenviertel, welches man jedoch nach einer Pestepidemie im Jahre 1349 mit einem Pogrom überzog und dem Erdboden gleich machte. Dort wo die Synagoge stand, legte der damalige Bischof 1377 den Grundstein für die Marienkapelle, deren Bau rund 100 Jahre später abgeschlossen war.

Marienkapelle & Haus zum Falken

Direkt neben der Marienkapelle befindet sich mit dem Haus zum Falken ein weiteres herausragendes Baudenkmal der Stadt. Das Gebäude war im Mittelalter Wohnsitz des Dompfarrers und wurde ab 1629 als Gasthof genutzt. In den 1750er Jahren bekam es eine komplett neue Außenfassade im Stile des Rokoko mit wirklich wunderschönen Stuckarbeiten. Zwar fiel dieses Gebäude dem Bombenangriff vom 16.März 1945 nahezu komplett zum Opfer, aber eine Rekonstruktion schien den Stadtvätern ob des kulturhistorischen Wertes unausweichlich und diese wurde bereits 1952 abgeschlossen.

Der Alte Kranen

Vom Marktplatz spazierte ich als nächstes zum Main. An dessen Ufer lässt es sich ebenfalls herrlich flanieren und mit dem Alten Kranen erwartete mich dort ein weiteres Wahrzeichen Würzburgs. Dieser barocke Hafenkran aus dem 18.Jahrhundert macht nochmal darauf aufmerksam, wie wichtig der Main als schiffbare Wasserstraße für die Prosperität der Stadt gewesen sein dürfte. Heute hat der Fluss vielleicht noch durch die touristische Fahrgastschifffahrt gewisse wirtschaftliche Relevanz für Würzburg, früher fand jedoch der Großteil des Warenverkehrs auf dem Main statt.

Die Alte Mainbrücke mit der Festung Marienberg im Hintergrund

Außerdem drängt sich spätestens am Mainufer der Verdacht auf, dass Wein in Würzburg eine wirtschaftliche und kulturhistorische Rolle spielen könnte. Man blickt beim Spaziergang am Wasser auf die vielen Weinberge und erreicht man die Alte Mainbrücke, deren Bau 1476 begonnen wurde und die bis 1886 Würzburgs einziger Flussübergang war, sieht man plötzlich etliche Menschen mit Weingläsern auf der Brücke lungern. Zumindest an sonnigen Tagen gehört der Brückenschoppen zum guten Ton in Frankens Weinhauptstadt. Ich berauschte mich zwar ausschließlich an den barocken Statuen aus dem 18.Jahrhundert, aber dutzende Brückenbesucher genossen stehend einen Schoppen aus dem Ausschank der anliegenden Gastronomiebetriebe. Dabei wurde ein Schwätzchen gehalten oder zusammen mit dem Wein einfach nur die Aussicht genossen.

Das von 1588 bis 1609 im Stile der Renaissance erbaute Bischöfliche Palais

Jene Aussicht bietet neben den erwähnten Weinbergen rechtsmainisch die Altstadt und linksmainisch die 100 Meter über der Stadt thronende Festung Marienberg. Die markante Festung, deren älteste erhaltene Bausubtanz aus dem 11.Jahrhundert stammt und die von 1253 bis 1719 Residenz der Würzburger Fürstbischöfe war, ist garantiert einen Besuch wert. Doch die spätere und zugleich letzte Residenz jener Fürstbischöfe zählt zum UNESCO Welterbe und bekam – trotz Revisit – letztlich den Vorzug von mir. Das blöde Fußballspiel zwang mich leider dazu mal wieder touristische Abstriche zu machen. Hoffentlich habe ich bald alle Stadien auf der Welt gesehen, damit ich endlich wieder mehr Zeit für anderes habe!

Ehrenhof der Würzburger Residenz

Zur Würzburger Residenz musste ich von der Alten Mainbrücke wieder quer durch die Altstadt und dann stand ich einmal mehr vor einer der ältesten deutschen und der ältesten bayrischen Welterbestätte. Die Eintragung erfolgte 1981, da in Würzburg mit der Residenz angeblich das „außergewöhnlichste und homogenste Barockschloss seiner Art“ steht. Weil ab 1720 unter der Leitung des Hofarchitekten Balthasar Neumann begabte Architekten, Bildhauer und Maler aus Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich und den Niederlanden zusammenwirkten, spricht die UNESCO von einer „Synthese des europäischen Barock“. Das Spiegelkabinett sei gar das „vollkommenste Raumkunstwerk des Rokoko“. Nimm das, Versailles!

Im Herzen der Residenz befindet sich der Kaisersaal mit seiner ovalen und von Tiepolo-Fresken gezierten Kuppel

Gerne entrichtete ich 9 €, um mich erneut von der Richtigkeit der UNESCO-Angaben zu überzeugen (der Hofgarten und die Hofkirche sind übrigens kostenlos zu besichtigen). Abermals war ich tief beeindruckt von den prunkvoll gestalteten Innenräumen. Neben dem Spiegelkabinett, verdienen sicher auch der Kaisersaal im Zentrum des Bauwerks und das Treppenhaus eine besondere Hervorhebung. Zumal beides vom 1752 eigens dafür aus Venedig berufenen Meister Giovanni Battista Tiepolo mit Fresken geschmückt wurde (Vgl. Vicenza 02/2023). Im Treppenhaus ist dabei mit rund 670 m² Fläche das größte einteilige Deckenfresko der Welt zu sehen.

Unterwegs im Hofgarten der Residenz

Als ich nach meinem Schlossrundgang noch ein wenig im Hofgarten lustwandelte, erinnerte ich mich außerdem daran, dass Balthasar Neumann früher meine Lieblingsbanknote zierte. Zwar wusste ich als Grundschulknirps noch nicht, wer der lockige Dude auf dem braunen Schein überhaupt ist. Aber das Bundesdruckerzeugnis mit seinem Konterfei gab es zu Weihnachten und zum Geburtstag regelmäßig von Tanten, Patentanten und Omas überreicht und man konnte es im Handel gegen reichlich Spielwaren eintauschen. Außerdem erinnerte ich mich, wie mein Bruder und ich 2017 in Portugal mal eine halbe Nacht lang den Gestaltungsprozess der Banknoten recherchiert haben und dann in die Biographien der auf den Scheinen gewürdigten Persönlichkeiten abgetaucht sind. Wobei man natürlich wieder mal vom hundertsten ins tausendste kam.

Kleine Stärkung vor’m Spiel

Um 13:12 Uhr machte ich mich dann auf zum ca. 3.000 Meter von der Altstadt entfernten Stadion am Dallenberg. Erst wollte ich zu Fuß gehen, aber als auf der anderen Mainseite plötzlich ein Bus mit dem Stadion als Ziel hielt, disponierte ich doch nochmal um. Wozu hat man schließlich das Deutschlandticket? Außerdem blieb im Stadionumfeld so noch genügend Zeit, um mir beim Bäcker im Edeka einen Leberkässemmel zu kaufen (2 €), der gewiss das bessere Preis-Leistung-Verhältnis gegenüber einer Stadionwurst (4 €) gehabt haben dürfte.

Die Teams stellen sich vor der Haupttribüne auf

Eine gute Viertelstunde vor Anpfiff ging es schließlich hinein ins 1967 eröffnete Stadion am Dallenberg. 12 € kostet ein Stehplatzticket gegenwärtig beim 1907 gegründeten Fussball-Club Würzburger Kickers. Ich stellte mich nun auf die Stahlrohrtribüne auf der Gegengerade, um den neuen Fanblock der Würzburger Szene auf der Haupttribüne optimal im Blick zu haben. Die sangesfreudigsten Fans stehen fortan (wieder) überdacht am Rande der Haupttribüne und hoffen von dort eine bessere Stimmung als zuletzt kreieren zu können.

Die 90er Jahre haben angerufen, sie wollen ihre Choreo wieder haben

Die heutige Premiere am neuen Standort sollte obendrein nicht ohne eine Choreographie stattfinden. Allerdings waren drei rote Folienbahnen und dazwischen weiße Luftballons nur schwerlich für einen Kreativitätspreis nominierbar. Das dazu postulierte Leitmotiv „Für Stadt und Verein im Vormarsch“ klang ebenfalls äußerst banal und beliebig. Aber irgendwie ist es doch auch kultig und die Pionierleistung meiner Fangeneration gewissermaßen würdigend, wenn lauter nach 2000 Geborene die Choreographien der späten 1990er Jahre stilistisch nachahmen.

Heute pilgerten 4.152 Fußballfreunde auf den Dallenberg

Was das Liedgut anging, bediente man sich jedoch weitgehend bei den Trends der Gegenwart. Stattdessen waren die rund 400 anwesenden Unterstützer der FC Bayern „Amateure“ relativ Oldschool und hatten viele Klassiker im Repertoire. Aber das Hier und Jetzt hatte man auch im Blick und besang die in der Tat optisch sehr gewöhnungsbedürftige Spielkleidung der Mannschaft: „Wir war’n mal rot, wir war’n weiß. Wer trägt denn lila? So ein Scheiß!“ Ebenfalls monierten die Münchener per Spruchband die Preispolitik der Würzburger. Die Zweitvertretung des FC Bayern München war vor exakt drei Monaten zuletzt am Dallenberg zu Gast gewesen und heute wurde ihnen ein um 50 % erhöhter Ticketpreis gegenüber damals abgeknöpft, obwohl sich an der Liga nichts geändert hatte.

Spruchband beim FCB-Anhang

Aber die Aussicht auf viele anreisende FCB-Anhänger und der Topspielcharakter, ließen die Würzburger wahrscheinlich besonders forsch am Preisgefüge herumhantieren. Schließlich trafen heute die zwei von der Konkurrenz am meisten genannten Meisterschaftsfavoriten der Regionalliga Bayern aufeinander. Mindestens der Gast aus München blieb diesbezüglich jedoch einiges auf dem Rasen schuldig. Torchancen hatten die Schützlinge von Holger Seitz so gut wie keine und die Pausenführung der Würzburger durch Benjika Caciel (36.Minute) war verdient.

Gästesupport

Schon vor der Pause bekamen die Kickers noch gute Gelegenheiten auf 2:0 zu erhöhen, aber letztlich sorgte erst Saliou Sané mit seinem Kopfballtor in der 69.Minute für gewissermaßen die Vorentscheidung. Auch in der Schlussphase blieben die Talente des deutschen Rekordmeisters ein harmloser Gegner und die Maschikuli Ultras & Co sangen, hüpften und pogten sich im Heimfanblock ausgelassen dem Abpfiff entgegen. Letztlich gab es den dritten Saisonsieg zu feiern und mit zehn Punkten aus vier Spielen wurden die Aufstiegsambitionen unterfüttert, während die Bayern mit bisher zwei Punkten erstmal den Tabellenkeller bezogen haben.

Maschikulis in Ekstase

Der für Ortsunkundige sonderbar klingende Name Maschikuli ist übrigens einem markanten Rundturm der Festungsanlagen auf dem Würzburger Marienberg zu verdanken. Jener Maschikuliturm hat seinen Namen wiederum aus der französischen Sprache gestiftet bekommen. Mâchicoulis sind diese Öffnungskränze an Wehrgängen, durch die man Wurfgeschosse oder siedende Flüssigkeiten auf direkt an der Außenmauer befindliche Angreifer niederregnen lassen konnte. Nie passten die Zeilen aus dem Titelsong der Zeichentrickserie Kickers besser als heute: „Jeden Tag ist ein anderes Spiel zu Ende und bevor man nach Haus geht, reicht man sich einander die Hände und hat was gelernt.“

  • 05.08.2023
  • SV Heidingsfeld vs. SG Oberpleichfeld/Dipbach 1:4
  • Kreisliga Würzburg (VIII)
  • Sportpark Herieden, Platz 2 (Att:70)

Trotz neuem Wissen im Gepäck, dachte ich nach Abpfiff am Dallenberg allerdings noch nicht an die Ab- bzw. Weiterreise. Denn da die Groundhoppingpolizei zur Zeit chronisch unterbesetzt ist, wagte ich mich in Würzburg noch zu einem zweiten Spiel, welches um 16 Uhr im 2,2 km entfernten Sportpark Herieden angepfiffen werden sollte. Immerhin zur 15.Minute war ich am Ziel und entrichtete für den Kreisligakick brav 3,50 €.

Das wäre der Hauptpreis im Sportpark Herieden gewesen

Doch mir wurde leider nicht das gewünschte Stadion des Sportparks mit seinen 5.000 Plätzen geboten, sondern der angrenzende triste Kunstrasenplatz ohne Ausbau. Wieder einmal hatte ich die so genannte Nebenplatzgefahr als zu abstrakt angesehen und wurde dafür bitterböse bestraft. Ein paar FCB-Anhänger, die genau wie ich diesen schmutzigen Doppler anvisiert hatten, moserten nun in meiner Gegenwart beim Grillmeister. Der entschuldigte die kurzfristige Verlegung mit den Niederschlägen der letzten Tage. Außerdem servierte er für 5 € sehr delikate Steaks mit Zwiebeln im Brötchen. Wenigstens ein kleiner Trost.

Der Trostpreis

Das hier überhaupt ein relativ großes Stadion steht, ist einem sportlichen Höhenflug der Heidingsfelder vor fast 40 Jahren zu verdanken. 1985 stieg man angeleitet von Spielertrainer Werner Lorant in die damals drittklassige Bayernliga auf und reüssierte dort immerhin 10 Jahre. In den letzten beiden Jahrzehnten war jedoch die Bezirksliga das höchste der Gefühle. Gegenwärtig ist man gar nur Kreisligist und lag bei meiner Ankunft bereits 0:1 hinten. Bis zur Pause sollten sich die Heidingsfelder noch weitere zwei Gegentore fangen.

Mit ACAB ist die Groundhoppingpolizei natürlich mitgemeint

Zur 60.Minute machte ich schließlich beim Stand von weiterhin 0:3 die Biege. Gern verpasste ich zwei weitere Tore, um stattdessen einen RE um 17:48 Uhr am Heidingsfelder Haltepunkt zu bekommen. Via Umstieg in Ansbach ging es jetzt binnen 100 Minuten nach Nürnberg, wo am nächsten Tag mit dem ewig jungen Klassiker 1.FC Nürnberg vs. Hannoverscher SV von 1896 noch der Höhepunkt des Wochenendes auf mich wartete. Das wird sicher so gut, dass sich dieses Kräftemessen einen eigenen Bericht verdient.

Song of the Tour: Kickers!