Nürnberg 08/2023

  • 06.08.2023
  • 1.FC Nürnberg – Hannover 96 2:2
  • 2.Bundesliga (II)
  • Max-Morlock-Stadion (Att: 30.012)

Auf meinem hessisch-fränkischen Kurztrip erreichte ich am Vorabend des immer wieder erstklassigen Zweitligaduells zwischen dem 1.FCN und dem HSV von 1896 gegen 19:30 Uhr den Austragungsort Nürnberg. Der ideale Zeitpunkt für ein Abendessen. Deshalb freute ich mich, dass ich auf dem Weg zum gebuchten Ibis Nürnberg City am Plärrer (**) das Tucher-Bräu am Opernhaus passierte. In Nachbarschaft zum Kartäusertor der historischen Stadtmauer nahm ich nun im lauschigen Biergarten des Wirtshauses Platz. Nachdem mich eine hausgemachte Waldbeerenlimonade zunächst erfrischen durfte (4,90 €), ließ ich mir knuspriges Schäuferla in Dunkelbiersauce mit Kartoffelklößen und Apfelblaukraut (19,90 €), sowie ein Seidla mit vollmundigem Rotbier (4,70 €) servieren.

Abendessen bei Tucher-Bräu am Opernhaus

So ungefähr 21 Uhr war ich schließlich im Hotel und gut eine Stunde später dürften die Äuglein zugefallen sein. Da ich diesmal ohne Frühstück gebucht hatte (senkte den Hotelpreis von 75 € auf 63 €) und ich Sonntag auch kein großes touristisches Programm wie jüngst im April vom Zaun brechen wollte (siehe Nürnberg 04/2023), wurde am letztmöglichen Tag dieser Woche erstmals ausgeschlafen. Das bequeme Bett verließ ich erst gegen 9:30 Uhr und eine halbe Stunde später checkte ich aus.

Unterwegs in Nürnberg-Gostenhof

Vor’m unausweichlichen Spielbesuch musste natürlich trotzdem noch ein gescheites Frühstück her und ich hatte Bock, dass es sich dabei eigentlich schon um ein Mittagessen handelt. Um 11 Uhr sollte die Schanzenbräu Schankwirtschaft in der Nürnberger Weststadt ihre Pforten öffnen und warum nicht zum Vergleich auch dort nochmal das Schäuferla testen? Als ich nun bei eher uneinladener Witterung ein Stündchen durch den als Szeneviertel gebrandmarkten Stadtteil Gostenhof flanierte, knackte vor meinem geistigen Auge schon die krosse Schwarte der geschmorten Schweineschulter. Aber zu früh gefreut; Schanzenbräu sollte zwar tatsächlich um 11 Uhr öffnen, aber warme Küche würde erst ab 12 Uhr serviert werden.

Reginchens herzhafte Frühstücksplatte

Solange konnte mein Organismus nicht warten und ich checkte sogleich die Optionen in der Nachbarschaft. Der Salon Regina war wohl mal ein Friseursalon, ist nun allerdings eines dieser angesagten Lokale, deren Designkonzept einfach nur eine Ansammlung von Sperrmüll ist. Ich kann mich mit diesen für Szeneviertel typischen Gastrokonzepten immerhin aus Gründen der Nachhaltigkeit anfreunden und außerdem gibt der Erfolg den Betreibern des Salon Regina recht. Der Laden war proppenvoll und für mich blieb lediglich so’n altes Beistelltischchen direkt neben der Eingangstür. Zügig standen am zugigen Plätzchen eine bunte Frühstücksplatte (12,90 €) und ein großer Cappuccino (4,20 €). Nett angerichtet, aber wohl größtenteils Convenience und somit weder mit besonderer regionaler Note, noch qualitativ etwas besonderes.

Ich staunte nicht schlecht über die Mitreisenden in meiner S-Bahn

Gegen 12 Uhr brach ich dann mit U- und S-Bahnen zum Max-Morlock-Stadion auf und nachdem mich ein fliegender Händler mit einem Rotbier von Schanzenbräu versorgt hatte, schaute ich mit der Nürnberger Bierspezialität auf der Faust mal am Gästeeingang vorbei. Kleiner Plausch mit alten Bekannten, ehe ich meinen unfassbar teuren Platz auf der Haupttribüne einnahm. 47 € knöpfte mir der 1.FC Nürnberg für einen Sitzplatz im Oberrang ab und ich meine das waren 5 € mehr als in der Vorsaison. Aber vielleicht wurde auch einfach nur ein Topspielzuschlag erhoben? Bei dieser Ansetzung mehr als nachvollziehbar.

Ohne Szene sah der Gästeblock sehr trostlos aus

Während die Nürnberger in ihrer Nordkurve bereits emsig ihre heutige Choreographie vorbereiteten, erreichte mich um ziemlich genau 13:12 Uhr die Kunde, dass es eine solche – entgegen der Planungen – im Gästebereich nicht zu bestaunen geben wird. Die Polizei hatte die eigentlich genehmigte Choreographie der Schlachtenbummler aus Hannover kurzfristig am Einlass verboten. Die Szene wollte nun geschlossen wieder abreisen, wurde jedoch zunächst gegen ihren Willen im Stadion festgehalten. Irgendwann verletzte aber wohl doch jemand in der Einsatzleitung seinen Berufsethos und dachte mal nach. Ist es vielleicht nicht nur unverschämt, sondern zwangsläufig auch noch eskalierend, wenn wir ein paar hundert Menschen, die sich bisher an diesem Tag tadellos verhalten haben, für zwei Stunden ihrer Freiheit berauben?

Gemeinsam mit Beppo ging es für die Clubfans in besseren Tagen durch halb Europa

Nachdem die Nürnberger zu Spielbeginn nun ihren langjährigen Fanbeauftragten Jürgen „Beppo“ Bergmann choreographisch geehrt hatten (siehe Titelbild), der sich am Ende der letzten Saison nach 28 Jahren im Amt in den Ruhestand verabschiedet hatte, solidarisierten sie sich mit der Szene aus Hannover. Spontan wurde die ersten zehn Minuten geschwiegen. Außerdem wurde auf einer Tapete „Choreoverbote aufheben! Sofort!“ gefordert. Denn bereits am Vortag war den mit den Ultras Nürnberg befreundeten Ultras Gelsenkirchen beim Heimspiel gegen Kaiserslautern ebenfalls eine Choreographie untersagt worden. Nicht, dass sich da ein neuer Trend bzw. die Renaissance eines alten Trends abzuzeichnen beginnt. Für das Reaktivieren von schon mehrfach gescheiterten repressiven Konzepten ist die Exekutive leider immer gut.

Grüße an ein hannoversches Gruseltrio

Insgesamt hatte die Nürnberger Szene mal wieder einen mitteilungsfreudigen Nachmittag und in Richtung Hannover wurde nochmal Martin Kinds jüngste, aber eigentlich auch steinalte und erneut zum Scheitern verurteilte Idee der Umlage von Verbandsstrafen auf die Eintrittspreise kritisiert. Die Banda di Amici äußerte darüberhinaus ihr Unverständnis über eine offenbar jüngst ziemlich martialische Hausdurchsuchung bei einem KSC-Anhänger („Hausdurchsuchungen mit gezogener Waffe – Ihr Bullenschweine habt ne Macke!“) und die Ultras Nürnberg haben anscheinend keinen Bock mehr auf den langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden des 1.FCN („Veränderungen jetzt – Keine vierte Amtszeit für Thomas Grethlein!“). Zu Beginn der 2.Halbzeit hing außerdem ein Banner mit den Forderungen „Missstände aufarbeiten – Werte schaffen – den Glubb leben“ vor der Nordkurve und altbekannte Dauerbrenner, wie Kritik am Videobeweis und der Wunsch den gegenwärtigen Stadionnamen auf ewig zu erhalten, durften ebenfalls nicht fehlen.

Teuchert trifft vom Punkt

Sportlich war es wie zu erwarten kein Leckerbissen. Die Franken wollte nach ihrer Auftaktniederlage in Rostock natürlich gern einen Fehlstart abwenden und begannen etwas offensiver als die Niedersachsen. Zugleich agierte man defensiv mitunter unwirsch und ermöglichte 96 im ersten Durchgang zwei Strafstöße. Beide Male war der von 2009 bis 2017 im Dienste des 1.FC Nürnberg stehende Cedric Teuchert vom Punkt für die Gäste erfolgreich (8. und 23.Minute). Die sich anschließenden Torjubel waren dann auch so ziemlich die einzigen Momente, bei denen ein blinder Stadionbesucher die Anwesenheit von Gästefans bemerkt hätte.

Wenigstens der Preis für Drei im Weckla ist stabil bei 4 € geblieben

Ich hätte in der Halbzeitpause gerne für jedes hannoversches Tor eine Nürnberger Rostbratwurst verspeist. Doch weil Schaub kurz vor’m Pausenpfiff aus aussichtsreicher Position an FCN-Tormann Mathenia scheiterte und es Zwei im Weckla nun mal nicht gibt, kam es zu einem Wurst-Tor-Ungleichgewicht. Ein schlechtes Omen? Offensichtlich schon. Denn kurz nach der Pause verpasste abermals Schaub (53.Min) das vielleicht schon vorentscheidende 0:3. Aus spitzem Winkel bugsierte er das Leder an den Pfosten, statt ins leere Tor. Das Auslassen von derlei Gelegenheiten rächt sich bekanntlich häufig…

Auch in Sachen Clubpolitik zeigte sich die Kurve kritisch

…und der heutige Rächer hieß Can Uzun. In der 66.Minute konnte das erst siebzehnjährige Offensivtalent den Anschlusstreffer erzielen. Die Clubberer witterten jetzt nochmal Morgenluft und Kennern war zu zu 96 % klar, dass nun keine drei Punkte mehr mit in die alte Messestadt genommen werden. Per fragwürdigem Strafstoß, den nicht mal die eindeutigen VAR-Bilder zu verhindern vermochten, konnte Uzun in der 2.Minute der Nachspielzeit seinen Doppelpack schnüren. Wenig später zappelte der Ball gar nochmals hinter Ron-Robert Zieler im Netz. Aber Schütze Gyamerah stand im Abseits und zu einer weiteren krassen Fehlentscheidung kam es nicht.

Nürnberg gleicht spät per Strafstoß aus

Es blieb am Ende nach über 100 Minuten Spieldauer beim 2:2 und für mich sollte es jetzt natürlich unverzüglich nach Hause gehen. Ich überlegte den ganzen Weg zum Hauptbahnhof, ob ich noch spontan einen Gutschein für eine ICE-Heimfahrt einlöse oder wie geplant per Deutschlandticket zurückfahre. Eigentlich hatte ich keinen Bock auf überfüllte Nahverkehrszüge. Andererseits war klar, dass es im RE von Nürnberg nach Saalfeld so voll wird, dass ich mich problemlos in die 1.Klasse setzen kann. Es kam wie prognostiziert und so ging es erstklassig entspannt nach Thüringen. Die weiteren Anschlüsse klappten erstmal auch problemlos, doch ausgerechnet kurz vor Elze kam es zu einer unerwarteten Schererei. Mein Metronom aus Göttingen hatte einen Wildunfall und stand deshalb knapp 30 Minuten zwischen Banteln und Elze. Nun war der Anschluss nach Hildesheim verpasst und anstatt 23:30 Uhr, war ich erst um 1 Uhr daheim. Rundete diesen enttäuschungsreichen Tag perfekt ab.

Song of the Tour: Die beste Band aus dem Raum Nürnberg hat dieses Jahr erfreulicherweise ihr sechstes Album veröffentlicht