Łódź & Leipzig 10/2022

  • 30.10.2022
  • Łódzki KS – Arka Gdynia 3:1
  • I Liga (II)
  • Stadion Miejski w Łodzi (Att: 11.005)

Durch die Zeitumstellung war ich am Sonntagmorgen bereits um 7 Uhr putzmunter. Weil ich diesen “Zeitgewinn” bei der Reiseplanung nicht auf dem Schirm hatte und gerne ausschlafen wollte, hatte ich eigentlich ein Ticket für den Zug um 9:21 Uhr von Warszawa (Warschau) nach Łódź (Lodsch) für umgerechnet 8 € gebucht. Allerdings war mein Kumpel Jojo heute ebenfalls in Łódź und wenn ich einen Zug früher nehmen würde, könnten wir vor’m Spielbesuch noch zusammen frühstücken. Als geselliger Mensch habe ich also kurzfristig umdisponiert und versucht ein Ticket für den InterCity um 7:49 Uhr zu buchen. Ging online nicht, aber man kann in Polen meines Wissens problemlos im Zug nachlösen. Hatten gerade erst am Vortag mehrere Fahrgäste im InterCity von Lublin nach Warszawa gemacht und ich habe das zuvor auch schon zig mal beobachtet.

Kurwa!!!

Im heute von mir bestiegenen InterCity musste ich nun aber buchstäblich Lehrgeld zahlen. Denn wenn ein Fernverkehrszug ausgebucht ist, wird beim Nachlösen eine Strafgebühr von 150 Złoty (ca. 32 €) fällig. Man wird im Prinzip wie ein so genannter Schwarzfahrer behandelt. Jetzt wurden insgesamt 188 Złoty aufgerufen und aufgrund der horrenden Strafgebühr hätte es mir lediglich 26 Złoty eingespart nur bis zum nächsten Bahnhof zu lösen und dort auf jenen Zug zu warten, für den ich ein Ticket besaß. Ich habe mir natürlich vom Zugbegleiter den Passus in den Beförderungsbedingungen zeigen lassen und ebenso ausgelotet, ob auf dummer Touri stellen irgendwie hilft. Aber ich kann einfach schlecht schauspielern.

All Conductors are Bastards

Nun durfte ich also für einen Gesamtpreis von ziemlich genau 40 € neunzig Minuten stehen, ehe ich gegen 9:30 Uhr das Stadtzentrum von Łódź betrat. Jojo wartete bereits und freute sich als Erstbesucher der zentralpolnischen Metropole über eine kleine Stadtführung meinerseits. Beim Abklappern einiger Sehenswürdigkeiten spulte ich gewohnt einschläfernd meine Datei Łódź von der unter meinem Scheitel installierten Festplatte ab. Jetzt weiß Jojo auch, was Leser von Schneppe Tours schon lange wissen. Gründung erst vor 599 Jahren, kleines Nest bis ins frühe 19.Jahrhundert und dann kam die Industrialisierung, die Łódź zum Manchester of Poland machte. Anschließend zwei Weltkriege, 40 Jahre Sozialismus und gegenwärtig am sich neu erfinden als Kulturstadt im Herzen Polens. Wer es detaillierter haben möchte, liest am besten Łódź 05/2022 (I).

Hier erläuterte ich Jojo die Gründung und Geschichte der Textilfabrik von Izrael Poznański

Aber nicht nur ich hatte etwas zu erzählen. Jojo war Donnerstag bei Austria Wien – Lech Poznań, Freitag bei Górnik Zabrze – Widzew Łódź und Samstag bei Ruch Chorzów – GKS Katowice gewesen. Alles Begegnungen zum mit der Zunge schnalzen. Selbstredend mit Choreos, Pyroshows und weiteren berichtenswerten Momenten. Dazu passte nun auch thematisch, dass ich neben den Hauptsehenswürdigkeiten in der Śródmieście und der Stare Miasto noch ein paar Fußballgraffiti von ŁKS in Stare Polesie in die Tour einstreute.

Graffito in Stare Polesie

Gegen 11:30 Uhr waren wir im Wesentlichen mit dem touristischen Programm durch und uns beide plagte ein Hungergefühl. Mein auf Zustimmung stoßender Plan A waren deftige Pfannkuchen im Manekin. Aber dort war jeder Platz besetzt und es hatte sich bereits eine Warteschlange am Eingang gebildet. Die meisten Restaurants in der näheren Umgebung sollten erst um 12 Uhr ihre Pforten öffnen, so dass wir wenig wählerisch die nächstbeste geöffnete Gastrotür durchschritten und somit in einem veganen Restaurant namens BOHO landeten. Für mich gab es Shakshuka ohne Ei und mit veganem Käseersatzprodukt, während Jojo so etwas wie veganen French Toast hatte. Beides schmackhaft und der Cappuccino mit Hafermilch mundete ebenfalls. Frühstücksgericht und Heißgetränk machten zusammen pro Person 30 Złoty (ca. 6,50 €).

Veganes Frühstück in der Milch-Fleischrepublik Polen

Nach dem Frühstück war es vor 12 Uhr und somit höchste Eisenbahn, um zum Stadion aufzubrechen. Gerade deshalb verschmähten wir den Schienenweg der Tram und griffen auf ein Uber für 18 Złoty (ca. 4 €) zurück. Nun waren wir bereits eine halbe Stunde vor Anpfiff am Stadion und da Jojo noch ein Ticket benötigte, war das auch besser so. Tageskasse dauert in Polen bei Profispielen bekanntlich immer ein wenig. Bei mir freute man sich dagegen, dass ich abermals dem Łódzki Klub Sportowy eine Plattform auf Schneppe Tours biete und entsprechend lag meine Arbeitskarte am Presseeingang bereit.

Die Haupttribüne präsentiert stolz die Fanschals

Jojo schaffte es letztlich zwei Minuten vor Anpfiff auf der Tribüne aufzutauchen und war einer der wenigen, die bei der Clubhymne keinen Schal in die Höhe reckten. Heimseitig waren die Ränge zu Spielbeginn schon ganz gut gefüllt, während der Gästeblock zunächst nur von zwölf Nordlichtern bevölkert war. Aber die Hooligans from Arka & Co sollten in der nächsten Viertelstunde kleckerweise im Block eintrudeln und beflaggten diesen ordentlich. Ungefähr 250 Gäste aus Gdynia und Umgebung dürften es am Ende gewesen sein. Ich hatte mir mehr erhofft, aber vielleicht macht der Piotr-Normal-Pole aus der Trójmiasto am Sonntag doch lieber was mit der Familie, als 700 km für Arka durch die Rzeczpospolita Polska zu gondeln.

Gut besuchte Ränge im Stadion Miejski im. Władysława Króla

Obwohl ihr Arka wie der heutige Gastgeber ŁKS in der Spitzengruppe der Liga mitmischt und das heute sozusagen ein Topspiel war. Nach dem Abstieg aus der Ekstraklasa im Sommer 2020 verpasste Arka als Vierter und Dritter zweimal knapp den Wiederaufstieg. Ich erinnere mich natürlich noch gut, wie Arka und ŁKS im Juni 2021 in der Aufstiegsrunde zur Ekstraklasa aufeinandertrafen (Vgl. Gdańsk, Sopot & Gdynia 06/2021). War schließlich im Rahmen meiner ersten richtigen Schneppe Tour nach der langen Pandemiepause von November 2020 bis Mai 2021. Damals verpassten am Ende allerdings beide Traditionsclubs die Rückkehr in die Beletage des polnischen Fußballs (Górnik Łęczna hieß der endgültige Sieger der Runde).

Der Gästeblock war allerdings nur leidlich gefüllt

Aktuell hat man den dritten Rang im Tableau inne, während ŁKS sogar Zweiter ist. Beide träumen sicher davon, am Ende der Saison einen der drei Aufstiegsplätze zu ergattern und beide Vereine stünden der Ekstraklasa gut zu Gesicht. Allein die über 11.000 Zuschauer heute waren ein gutes Argument für ŁKS (und Arka verzeichnet bei Heimspielen auch einen Zuschauerschnitt von rund 5.000). Beide haben außerdem ein paar Titel im Briefkopf stehen. Der 1905 gegründete Łódzki Klub Sportowy feierte 1958 und 1998 die polnische Fußballmeisterschaft und 1957 den Pokalsieg. Arka war der Meistertitel bisher noch nicht vergönnt, doch 1979 und 2017 triumphierte man im nationalen Pokalwettbewerb. In der Ewigen Tabelle der Ekstraklasa liegt ŁKS auf Rang 6 und Arka logiert immerhin auf dem 24.Platz.

Der Fanblock von ŁKS

Das erste Tor des Tages verpassten aufgrund der späten Ankunft gleich mal 96 % der mitgereisten Arkowcy. Bereits in der 2.Minute knipste Omran Haydary für die Śledzie (Heringe) von der Ostseeküste. Die Fans von ŁKS zauberten dagegen von Spielbeginn an eine formidable Stimmung auf die Ränge und oft stimmten auch Haupttribüne und Gegengerade in die Gesänge und Schlachtrufe der Kurve ein. Der Tifohöhepunkt des Tages sollte direkt folgen, nachdem Haydary in der 29.Minute einen Strafstoß für Arka verschoss und somit keinen Doppelpack schnürte. Denn der Fanblock zog nach einer halben Stunde Spieldauer die drei Blockfahnen seiner heutigen Choreographie hoch.

Dunkle Wolken ziehen auf…

Das Akronym des Łódzki Klub Sportowy war nun in reich verzierten Lettern zu lesen (siehe Titelbild). Dazu prangte am Zaun das Leitmotiv “Nigdy niech nie ustanie twoja chwała i poważanie” (Lass niemals deinen Ruhm und deine Ehre schwinden). Nach wenigen Minuten zählte der Mob von zehn auf eins runter und etliche schwarze Rauchfackeln nebelten die Kurve ein (siehe Video). Das war fein und sollte bestimmt an die große Vergangenheit von Łódź als Industriestadt erinnern (;-)). Ich redete mir außerdem ein, dass die Rauchschwaden immer noch die Sicht von Arkas Schlussmann störten, als der Spanier Nacho Monsalve in der 36.Minute den Ausgleich für ŁKS markierte.

Einmal Industriestadt, immer Industriestadt 😉

Die zweite Halbzeit gehörte dann vollends den Hausherren. Die Ełkaesiacy drehten die Partie durch Treffer der beiden eingewechselten Offensivakteure Bartosz Szeliga (65.Minute) und Stipe Jurić (90.) und auf den Rängen ging es entsprechend euphorisch zu. Mit diesem am Ende doch deutlichen Heimsieg verteidigt ŁKS den 2.Platz in der Tabelle und alle Heimfans hatten einen schönen Sonntag. Doch bevor daheim vom Stadionbesuch geschwärmt werden konnte, wurde die Mannschaft von allen drei besetzten Tribünen frenetisch verabschiedet.

Schalparade der Arkowcy

Nach Abpfiff hingen Jojo und ich noch ein wenig am Bahnhof Łódź Kaliska ab. Ich revanchierte mich mit einem Getränk und einem Prince Polo dafür, dass das Uber vor’m Spiel über seinen Account und somit seine Kreditkarte lief und wir stellten fest, dass wir höchstwahrscheinlich nach Darmstadt am kommenden Wochenende im gleichen ICE sitzen. So Gott will… Heute hatten wir dagegen unterschiedliche Abreisemittel, weshalb sich die Wege um 16 Uhr trennten. Ich fuhr via Kutno per Bahn nach Berlin (ca. 40 €), während Jojo noch Zeit für ein Abendessen in Łódź blieb, ehe er sich die Nacht in einem FlixBus gen Hannover um die Ohren schlagen sollte.

Abschied vom ŁKS-Stadion

Besagtes Berlin erreichte ich zwei Stunden vor Mitternacht und taktisch klug hatte ich das InterCityHotel (***) am Ostbahnhof gebucht. Die Nacht kostete mich 100 € und schenkte mir neben kurzen Wegen am heutigen Anreise- und morgigen Abreisetag obendrein 200 Extrapunkte bei BahnBonus. Es wird also demnächst wieder von so genannten Freifahrten in diesem Medium zu lesen sein. Doch meine montägliche Rückreise von diesem Trip wurde noch regulär bezahlt. Für das Routing Berlin-Leipzig-Hildesheim wurden 38,90 € fällig. War preislich kein signifikanter Unterschied zu einer direkten Fahrt in die Heimat und deshalb baute ich gerne einen Zwischenstopp in der sächsischen Messestadt ein.

  • 31.10.2022
  • SG Motor Gohlis-Nord – SpVgg 1899 Leipzig 1:1
  • Stadtliga Leipzig (VIII)
  • Stadion des Friedens (Att: 130)

Ab 11:15 Uhr hatten meine Sneakersohlen Kontakt mit Leipziger Asphalt und erst um 14 Uhr sollte im Norden der Stadt der Ball rollen. Entsprechend nahm ich mir zunächst mal 90 Minuten Zeit für einen Spaziergang durch die Innenstadt. Vom Bahnhof sind diverse Sehenswürdigkeiten schließlich nur einen Steinwurf entfernt. Ich flanierte fröhlich durch Leipzigs innerstädtische Passagen und Durchgangshöfe und erfuhr dabei allerhand über dieses besondere historische Erbe der Leipziger Messetradition. Denn wie es der Zufall so wollte, stand in jedem besuchten Innenhof eine geführte Touristengruppe und deren Guides geizten nicht mit Informationen.

Der in den 1990er Jahre neugestaltete Specks Hof

Den ersten Leipziger Handelshof errichtete Heinrich Stromer von Auerbach zwischen 1530 und 1538. In Auerbachs Hof boten Händler ab Mitte des 16.Jahrhunderts zu Messezeiten insbesondere Luxusartikel feil. Im frühen 20.Jahrhundert musste dieser Hof jedoch einem fünfstöckigen Messehaus weichen, welches der Lederfabrikant Anton Mädler erbauen ließ. Heute ist die Mädler Passage die vielleicht exklusivste Adresse Leipzigs. Das Kellergewölbe blieb übrigens noch vom Vorgängerbau erhalten und beherbergt bis heute das berühmte Gasthaus Auerbachs Keller.

Der Typ auf dem Sockel machte Auerbachs Keller weltberühmt

Viele der Handelshöfe sind erst aus dem 20.Jahrhundert oder im vorigen Jahrhundert massiv baulich verändert worden. Auch wurden im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) etliche Handelshöfe zerstört und nicht alle davon sind zu DDR-Zeiten originalgetreu rekonstruiert worden. Mit Barthels Hof ist jedoch wenigstens ein barocker Handelshof erhalten geblieben, der heute zu den Touristenmagneten der Leipziger Altstadt zählt. Dessen Renaissance-Erker von 1523 im Innenhof ist nebenbei das älteste erhaltene Fragment einer Leipziger Bürgerhausfassade.

Renaissance-Erker von 1523 im Innenhof von Barthels Hof

Außer den Handelshöfen widmete ich mich auch kurz zwei berühmten Altstadtkirchen. Die Thomaskirche ist seit 1212 Heimat des ältesten Knabenchors Deutschlands. Den ersten Auftritt hatte jener Thomanerchor also noch in der romanischen Ursprungskirche aus dem 12.Jahrhundert. Diese wurde jedoch im späten 15.Jahrhundert spätgotisch umgestaltet. Den Thomanern entstammen in jüngerer Vergangenheit übrigens die Popmusiker der Band Die Prinzen (keine Angst, ich werde am Ende dieses Berichts dennoch nichts von denen als Song of the Tour einbinden). Außerdem findet man in der Thomaskirche die mutmaßliche Grabstätte des Komponisten Johann Sebastian Bach, der seines Zeichens ab 1723 Thomaskantor war.

Der klassizistische Innenraum der Nikolaikirche

Doch Bach hat in Leipzig nicht nur in der Thomaskirche gewirkt. Die Johannespassion und das Weihnachtsoratorium hat er beispielsweise zusammen mit dem Thomanerchor in der Nikolaikirche uraufgeführt. Das ist die zweite große Altstadtkirche Leipzigs, deren spätgotische Außengestalt (1525 vollendet) einen beeindruckenden klassizistischen Innenausbau aus dem späten 18.Jahrhundert verbirgt. Obendrein war die Nikolaikirche im Herbst 1989 der zentraler Ausgangspunkt der friedlichen Revolution in der DDR, die in den Mauerfall und die Deutsche Wiedervereinigung münden sollte.

Die Leipziger Communalgarde ist heute aufmarschiert

Aus den Montagsgebeten für den Frieden in der Nikolaikirche waren damals die großen Montagsdemonstrationen erwachsen. Deren geistiges Erbe reklamieren bekanntermaßen u. a. Rechtsradikale und Verschwörungsgläubige in unseren Tagen. Als ich im Anschluss an die Nikolaikirche den nahen Marktplatz aufsuchte, dachte ich deshalb auch zunächst, dass ein paar verwirrte Wut-Ossis sich für die heutige Montagsdemo was ganz besonderes ausgedacht haben. Da paradierten doch tatsächlich ein paar Rentner in historischen Uniformen und ballerten mit ihren Gewehren in die Luft. Aber es war zum Glück nur die Leipziger Communalgarde und nicht der Beginn einer abermals von Leipzig ausgehenden Revolution.

Das Alte Rathaus

Für ihre Zeremonie, die mutmaßlich dem Jahrestag ihrer Gründung im Jahr 1830 galt, hatten sich die Schützenbrüder eine hübsche Kulisse ausgesucht. Denn das 1556/57 nach Plänen von Hieronymus Lotter errichtete Alte Rathaus zählt zweifelsohne zu den herausragendsten deutschen Beispielen der Architektur der Renaissance. Aber ist auch ein ziemlich exklusiver Schützenverein, der allein 1.500 € Aufnahmegebühr verlangt und dessen Mitglieder wahrscheinlich mehr als gut in der lokalen Politik und Wirtschaft vernetzt sind. Da muss die Etikette stimmen.

Das barocke Romanushaus

Während die alten Männer mit den noch älteren Uniformen nach dem Geballer für eine Vesper ins Augustiner am Markt einkehrten, trieb mich der Hunger um 12:45 Uhr zurück in den Hauptbahnhof. Ich sah mich schon bei einem der üblichen Verdächtigen aus dem Segment Fast Food sitzen, aber in Leipzig versucht sich mittlerweile der irische Burgerbrater Rocket’s auf dem deutschen Markt. Der dortige Cheeseburger mit doppelt Beef und doppelt Bacon schmeckte großartig und die Loaded Fries mit Chili con Carne waren ebenfalls lecker. Ist natürlich hochpreisiger als der Burger King & Co, aber das Geld wert (meine bestellte Combo kostete beispielsweise zusammen 14,20 €).

Gutburgerliche Küche im Leipziger Hauptbahnhof

Um 13:12 Uhr ging es dann mit einer S-Bahn zum wenige Minuten Fahrzeit entfernten Coppiplatz. Vom dortigen Bahnhaltepunkt waren es lediglich 1,312 km zum Stadion des Friedens. Ergo schritt ich deutlich vor Anpfiff durch das Stadiontor, für dessen Passage 3 € zu entrichten waren. Heute war ich tatsächlich mal wieder in einer so genannten Groundperle. Vor 99 Jahren wurde diese Sportstätte als Wackerpark eröffnet und diente dem 1895 gegründeten SC Wacker Leipzig von 1923 bis 1945 als sportliche Heimat. Wacker war 50 Jahre lang eine große Nummer im mitteldeutschen Fußball und stand 1908 sogar im Halbfinale der deutschen Meisterschaft (0:4 gegen den späteren Meister Berliner TuFC Viktoria 89).

MoGoNo vs. SpVgg 1899

Nach der Vereinsauflösung 1945 wurde die SG Leipzig Gohlis-Nord – später in SG Motor Gohlis-Nord (MoGoNo) umbenannt – der Nachfolgeverein vom SC Wacker in der sowjetischen Besatzungszone. Allerdings nutzte MoGoNo nach dem Krieg nicht den Wackerpark weiter. Das Anfang der 1950er Jahre nochmal auf bis zu 50.000 Zuschauerplätze erweiterte Großstadion wurde zu DDR-Zeiten u. a. vom Armeesportklub Vorwärts Leipzig, dem SC Lokomotive Leipzig und der SG Rotation Leipzig genutzt. Letztere war ab 1979 Hauptnutzer der Anlage, tauschte jedoch 1992 mit der SG MoGoNo die nur rund 1.000 Meter auseinander liegenden bisherigen Vereinsgelände im Leipziger Norden (die SG Motor war nach dem Krieg in der Delitzscher Straße untergekommen).

Stehränge zum Verlieben

Die SG Motor Gohlis-Nord konnte leider zu DDR-Zeiten nicht an die Erfolge des Vorgängervereins SC Wacker anknüpfen und war hauptsächlich auf Bezirksebene unterwegs. Lediglich zwischen 1958 und 1963 mischte man in der II. DDR-Liga einige Jahre auf nationaler Ebene mit (seinerzeit 3.Liga). Nach einer Ligareform 1963 war die Bezirksliga Leipzig die dritthöchste Spielklasse der DDR, allerdings gehörte man dieser letztmals in der Saison 1971/72 an. Auch seit der Wende muss man sich bei MoGoNo weiter mit Fußball in den Leipziger Stadtgrenzen zufrieden geben. Aber man spielt wenigstens immer noch in einem für Puristen fantastischen Stadion, anstatt auf einen der Nebenplätze auszuweichen. Obwohl ein Teil der Ränge schon mächtig überwuchert ist, sollen immer noch über 20.000 Zuschauer ins Stadion des Friedens passen.

Offenbar biologisch abbaubare Sitzschalen

Auch der heutige Gast SpVgg 1899 hatte seine besten Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Spielvereinigung aus Leipzig-Lindenau stand gar zweimal im Halbfinale der deutschen Meisterschaft (1912 und 1924). Aber deren Nachfolger SG Lindenau-Hafen, welcher sich 1951 in die zwei Clubs BSG Fortschritt West und BSG Motor Lindenau aufteilte, war im DDR-Fußball ebenfalls keine nationale Geltung vergönnt. Fortschritt West und Motor Lindenau kamen auch nie über die Bezirksliga Leipzig, ergo 3.Liga hinaus und schlossen sich 1990 wieder zur SpVgg 1899 zusammen. Doch selbst mit vereinten Kräften sollte es im gesamtdeutschen Fußball maximal für die Bezirksebene reichen. In den letzten 10 Jahren war man sogar nur auf Kreisebene aktiv und ist diesen Sommer erst wieder in die Stadtliga zurückgekehrt.

Der Fanblock von MoGoNo

In jener Stadtliga stehen sowohl MoGoNo, als auch die SpVgg 1899 zur Zeit im Tabellenkeller und entsprechend grausam war das Aufeinandertreffen anzusehen. Aber der Feiertag sorgte wenigstens für eine dreistellige Zuschauerzahl und bei den Hausherren machten sogar ein paar Jugendliche Lärm. Sie sangen die Melodien, die man heutzutage so aufschnappt und hatten sie mit eigenen Texten versehen (Hm, doch „Alles nur geklaut“ von den Prinzen als Song of the Tour einbetten?). Zaun- und Schwenkfahnen hatten die kleinen Racker natürlich auch gepinselt. Fand ich ganz nett und lieber so, als wenn eine Jugendmannschaft bei der 1.Herren mit Tröten oder Getrommel auf den Werbebanden für Stimmung sorgen will.

Dank der Zeitumstellung stand die Sonne schon am frühen Nachmittag tief

Nun noch ein Absatz zum Spiel; Martin Bienioschek hatte die SpVgg bereits in der 12.Minute in Führung gebracht, doch danach stellte der Aufsteiger nahezu alle Offensivbemühungen ein. Die Blau-Weißen wollten nun natürlich gerne ausgleichen, aber es fehlte, wohlwollend formuliert, lange an Ideen oder dem Quentchen Glück, um Torgefahr auszustrahlen. Nachdem Thomas Stieding nach dem Seitenwechsel für MoNoGo ausglich (57.Minute), wurde es nicht besser und ein Spiel, welches wahrscheinlich auch keinen Sieger verdient hatte, endete mit 1:1. Also wenigstens kein 0:0…

Abschied vom Stadion des Friedens

Nachdem der Unparteiische den Grottenkick abgepfiffen hatte, ging es zurück zum Coppiplatz. Dort fuhr 16:13 Uhr die nächste S-Bahn zum Hauptbahnhof und via Halle und Goslar sollte es nun mit Nahverkehrszügen zurück in die Hildesheimat gehen. Leider kam es zu einer Verspätung und der beschissene Erixx konnte oder wollte in Goslar nicht mal eine Minute auf Anschlussreisende warten. Der fuhr pünktlich um 20:03 Uhr nach Hildesheim, während ich um 20:04 Uhr in Goslar einrollte. Also durfte ich 59 Minuten in Goslar verbringen. Dabei habe ich immerhin festgestellt, dass Fehmi’s Gemüse Kebab ein leckeres Lahmacun mit Dönerfleisch und Grillgemüse serviert. Mit 6 € war das Dargereichte außerdem fair bepreist. Immer noch etwas angefressen, aber nun auch vollgefressen, ging es schließlich 21:03 Uhr weiter nach Hildesheim.

Late Night Lahmacun

Keine 60 Minuten später drückte der Urheber dieser Zeilen seinen Kopf ins Kissen und blickte zufrieden auf seine 3,5 Reisetage zurück. Ein paar Wochenendtrips stehen für’s Restjahr noch auf der Agenda. Aber das Fazit, dass 2022 ein gutes Reisejahr war, kann ich schon jetzt ziehen. Die Erinnerungen daran werden in der dunklen und kalten Jahreszeit immer wieder für Lichtblicke sorgen.

Song of the Tour: Diese verdammte Zeitumstellung