Aschaffenburg, Miltenberg & Kaiserslautern 09/2022

  • 30.09.2022
  • SV Viktoria Aschaffenburg – Türkgücü München 1:2
  • Regionalliga Bayern (IV)
  • Stadion am Schönbusch (Att: 901)

Für das erste Oktoberwochenende hatte ich eine Reise in die Region zwischen Main und Neckar ins Auge gefasst. Erstes Ziel war das Aschaffenburg im Nordwestzipfel des Freistaats Bayern, welches ich Freitag nach Feierabend bequem per ICE ansteuerte. Die Stadt am Main erreichte ich um 17:14 Uhr und begann sogleich bei Sonnenschein einen ersten Erkundungsspaziergang. Größter Höhepunkt des Stadtrundgangs war zweifelsohne das Schloss Johannisburg, welches ich am Folgetag auch noch besichtigen sollte. Doch vorerst blieb nur Zeit für eine Betrachtung von außen. Nichtsdestotrotz spazierte ich schon einmal 96 Minuten durch die Straßen und Gassen der unterfränkischen 70.000-Einwohner-Stadt, ehe ich um 18:50 Uhr ins Hotel Wilder Mann (***) eincheckte.

Groundhopping kann so romantisch sein…

Anschließend überquerte ich den Main, da am anderen Ufer um 19 Uhr die Regionalligabegegnung Viktoria Aschaffenburg vs. Türkgücü München angestoßen werden sollte. Ich drohte jedoch aufgrund meiner Bummelei die ersten Minuten zu verpassen. Aber kaum war das bis zu 9.000 Zuschauer fassende Stadion am Schönbusch in Sicht, vernahm ich eine Durchsage aus den Lautsprechern. Das Spiel würde erst 15 Minuten später angepfiffen werden, da der Gast aus München aufgrund eines Staus später als erwartet eintraf. War mir sehr recht. Zumal ich mangels Ortskenntnis zunächst zielstrebig die Gästekasse ansteuerte und nun nochmal fast das ganze Stadion umrunden musste.

Die Teams betreten das Rasenviereck

Um 19:10 Uhr hatte ich gegen ein Entgelt von 12 € das Stadiontor passiert und kurz darauf betraten die Mannschaften den Rasen. Nichtsdestotrotz blieb noch Zeit, um vor dem Anstoß den Akteur Clay Verkaj für 150 Pflichtspieleinsätze im Dress des SVA zu würdigen (Wir sagen Dankeschön, 150 Spiele der Verkaj…). Dann begann eine Partie auf Augenhöhe, in der beide Mannschaften zunächst wenig Torchancen zuließen. Nach 35 Spielminuten bekam der SVA jedoch einen Strafstoß zugesprochen, den Benjamin Baier souverän verwandelte. Nun intensivierte der Drittligaabsteiger aus München sein Offensivspiel und prüfte bis zur Pause ein paar Mal den SVA-Keeper. Doch Ricardo Döbert hielt seinen Kasten die ersten 45 Minuten sauber.

die treuesten Fans der Viktoria stehen auf der Gegengerade

In der Pause gönnte ich mir eine Rindswurst im Brötchen (3,50 €) und ein Helles (Schlappeseppel, 4 € für 0,5 l). Da die letzte Mahlzeit schon zwölf Stunden zurücklag, war die Wurst schnell verdrückt, während ich in der 2.Halbzeit noch ein wenig am Bier nippen konnte. Als SVA-Fan wäre ich nun Gefahr gelaufen mich am Gerstensaft zu verschlucken. Denn der 1975 von türkischen Migranten gegründete Gastverein markierte bereits in der 49.Minute durch Maximilian Berwein den Ausgleich. Zwölf Minuten später war die Partie gedreht. Man of the Match Berwein legte seinem Mitspieler Yannick Woudstra das 1:2 auf. Große Freude bei den ca. 50 mitgereisten Münchnern. Überhaupt sorgte der Türkgücü-Anhang während des Spiels zumindest sporadisch für ein paar Gesänge und Schlachtrufe.

Rindswurstsemmel

Die Fans des 74 Jahre älteren SVA hatten zwar auch mal einen Schlachtruf auf den Lippen und Szenenapplaus gab es ebenfalls, aber insgesamt doch weniger Support als ich bei einem ehemaligen Proficlub erwartet hätte. Aber gut, das Frankfurter Waldstadion ist nicht weit (40 km), das Stadion am Bieberer Berg noch näher und die Glanzzeiten der Viktoria liegen schon wieder über drei Jahrzehnte zurück. 1985/86, 86/87 und 88/89 waren die Unterfranken Mitglied der 2.Bundesliga. In der Saison 1986/87 duellierten sich die Aschaffenburger übrigens zweimal mit Hannover 96. In der Hinrunde vermerkt die Chronik einen ungefährdeten 96-Sieg im Niedersachsenstadion (3:1 vor 16.000 Zuschauern), während die Viktoria dem späteren Meister und Aufsteiger in der Rückrunde ein 1:1 am Schönbusch abtrotzen konnte. Nutzte den Mannen vom Main jedoch wenig und am Saisonende ging es als Drittletzter zurück in die Amateuroberliga Hessen.

Die Haupttribüne

Ja, Hessen! Ich befand mich zwar heute zweifelsfrei im Freistaat Bayern, doch aufgrund der geografischen Lage hatte man sich dem Hessischen Fußballverband (HFV) angeschlossen. Denn allein München ist 350 km von Aschaffenburg entfernt, während in Hessen höchstens mal 200 km bis Kassel drohten und Frankfurt, Fulda, Darmstadt und Co sowieso um die Ecke sind. Erst 2012 erfolgte der Wechsel zum Bayrischen Fußballverband (BFV). Denn Bayern bekam seinerzeit eine eigene Regionalliga und sicherte der Viktoria einen Startplatz zu, während Hessen der Regionalliga Südwest untergeordnet wurde und Aschaffenburgs 4.Platz in der Hessenliga 2011/12 nicht für die Teilnahme daran berechtigte. So umging man nun den Abstieg in die Fünftklassigkeit.

Am Ende hatte nur der Gästeblock etwas zu feiern

Auch wenn man zwischenzeitlich doch nochmal in die 5.Liga runter musste, hat sich der SV Viktoria Aschaffenburg gegenwärtig in der Eliteklasse des bayrischen Amateurfußballs etabliert. Die vergangene Saison schloss man als Achter ab und in der aktuellen Spielzeit scheint ein Platz in der oberen Tabellenhälfte ebenfalls möglich. Mit der heutigen Niederlage rutscht man vorerst vom 6.Platz auf den 8.Platz. Türkgücü feierte am Schönbusch wiederum den fünften Sieg in Serie und übernimmt Rang 6 von der Viktoria. Nach der turbulenten Vorsaison, in der man Insolvenz anmelden musste und im März den Spielbetrieb in der 3.Liga vorzeitig einstellte, scheint man sich tatsächlich in der Regionalliga zu stabilisieren und nicht ins Bodenlose zu fallen.

Brauereigaststätte Schlappeseppel

Für mich ging es nach Abpfiff schnurstracks zurück in die Altstadt und dort kehrte ich für ein spätes, aber dringend benötigtes Abendessen in die Brauereigaststätte Schlappeseppel ein. Schließlich hatte das Bier gleichen Namens im Stadion gemundet und eine warme Mahlzeit würde ich dort garantiert selbst gegen 22 Uhr noch bekommen. Allerdings musste ich zunächst einmal einen freien Platz ergattern. Zum Glück waren nach kurzer Wartezeit gleich mehrere Gäste in Aufbruchstimmung und alsbald hatte ich ein Bier und ein Bierschnitzel auf einem just abgeräumten Tisch stehen. Das Schnitzel war in Sachen Fleisch und Panade gut, jedoch hätte man durchaus großzügiger mit dem Bierkäse sein dürfen und die Bratkartoffeln waren ziemlich fad.

Das Bierschnitzel

Allerdings gab es bei Schlappeseppel irritierenderweise kein Schlappeseppel, sondern Bier aus der Miltenberger Brauerei Faust. Doch als Historiker und Journalist liegt mir Recherche natürlich im Blut und ich fand noch vor Mitternacht heraus, dass Schlappeseppel nur bis 1975 an dieser altehrwürdigen Braustätte produziert wurde. Seitdem wird die Marke von der Eder & Heylands Brauerei in Großostheim gebraut und vermarktet. Die Brauereigaststätte behielt in Aschaffenburg natürlich dennoch ihren Traditionsnamen und schenkte auch noch bis 2011 Schlappeseppel aus. Damals endete der Vertrag mit Eder & Heylands und trotz wütender Proteste der Aschaffenburger Biertrinker wechselte der Wirt nun zu Faust. Dem heutigen Andrang nach zu urteilen, scheinen sich die Wogen jedoch wieder geglättet zu haben.

Faust statt Schlappeseppel

Der kuriose Name Schlappeseppel geht übrigens auf die schwedische Besetzung Aschaffenburgs während des Dreißigjährigen Kriegs im Jahre 1631 zurück. Zu ihrem Ärger fanden die Schweden in der Stadt kein Bier vor und ein Soldat, der die Kunst des Bierbrauens beherrschte, wurde dazu verdonnert das Manko zu beheben. Soldat Lögler, wegen seines lahmen Fußes
von allen der Schlappe Seppel genannt, löste die Aufgabe mit Bravour und begründete somit das Brauhaus Schlappeseppel. Dessen Bier wurde nun fast 350 Jahre in Aschaffenburg gebraut und bis heute schenkt es auch weiterhin der Großteil der Gastwirtschaften aus. Übrigens behauptet Aschaffenburg, es hätte die höchste Kneipendichte Bayerns. Pro 400 Einwohner eine Schankwirtschaft.

Schönes Ensemble am Stiftsplatz

Ich beließ es vorerst bei einem Wirtshaus und schlenderte zur Geisterstunde zurück zum Hotel. Nach acht Stunden Nachtruhe wachte ich in einem verregneten Aschaffenburg auf und schlenderte sogleich zum Frühstücksbuffet. Außer Brötchen und Aufschnitt, schnappte ich mir auch einen Teller mit warmen Deftigkeiten. Wurst- und Käsesalat wollte ich ebenfalls nicht unprobiert lassen. Es gab insgesamt eine richtig große Auswahl von süß bis herzhaft und das Personal war emsig beim Wiederauffüllen. Aber da selbst mein Magenvolumen irgendwann an seine Grenzen stößt, konnte ich leider nicht alles probieren.

Frühstück beim Wilden Mann

Durch den prasselnden Regen marschierte ich anschließend zum Schloss und bei diesem Wetter war die Besichtigung des dortigen Museums natürlich optimal. Leider war aufgrund von Restaurationsarbeiten nur ein Teil der Räumlichkeiten zugänglich, aber dafür wurde auch lediglich ein Eintritt von 3,50 € verlangt. Nun konnte ich nochmal tiefer in die Stadtgeschichte abtauchen, die mutmaßlich im 5.Jahrhundert als Gründung der Alemannen ihren Anfang nahm. Im frühen 10.Jahrhundert wurde das Kollegiatstift St. Peter und Alexander gegründet und 982 fielen Stadt und Stift als Schenkung an das Erzbistum Mainz. In den folgenden Jahrhunderten profitierte Aschaffenburg von seiner verkehrsgünstigen Lage am schiffbaren Main und die mächtigen Mainzer Erzbischöfe, die zugleich weltliche Kurfürsten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (HRR) waren (Vgl. Mainz 06/2021), machten es zu ihrer Zweitresidenz.

Das Schloss mitsamt mittelalterlichem Bergfried

Das Aschaffenburger Stift bekam von Päpsten und Kaisern wiederum zahlreiche Privilegien verliehen. Ihm unterstanden 17 Pfarreien und zum direkten Besitz des Stiftes zählten etliche Landgüter, Weinberge und Mühlen am Main. Dieser Reichtum spiegelt sich bis heute in der Baugestalt der Stiftskirche St. Peter und Alexander wider. Der karolingische Ursprungsbau aus dem 10.Jahrhundert wurde spätromanisch und gotisch erweitert. Es folgten etliche An- und Umbauten in den kommenden Jahrhunderten, wovon eine barocke Freitreppe im 18.Jahrhundert und eine neogotische Giebelfassade im 19.Jahrhundert die markantesten sind. Berühmt ist das Stift jedoch insbesondere für seine Kunstschätze. Angefangen bei einem der ältesten erhaltenen Kruzifixe auf deutschem Boden (10.Jahrhundert), über das Gemälde Beweinung Christi von Matthias Grünewald (1525), bis hin zu einem barocken Hochaltar von 1775 (der an Berninis Baldachin-Ziborium im Petersdom angelehnt ist). Jene Kunstschätze, für die in der Kirche kein Platz mehr war, kann man wiederum nebenan im Stiftsmuseum bewundern.

Stiftskirche St. Peter und Alexander

Im Jahre 1552 wurde im Zweiten Markgräflerkrieg (1552 – 1554) die mittelalterliche Johannisburg zerstört. An dieser Stelle ließ Kurfürst und Erzbischof Johann Schweikhard von Cronberg nun zwischen 1605 und 1619 das heute von mir besichtigte Schloss Johannisburg im Stile der Renaissance errichten. Von der alten Burg blieb lediglich der gotische Bergfried erhalten, der in dem nahezu quadratischen Bauwerk (87,5 x 86 m Grundriss) die vier Ecktürme ergänzt. Die Symmetrie des Bauwerks ist bis heute beeindruckend und im Inneren warten neben der stadt- und schlossgeschichtlichen Ausstellung diverse Kunstschätze auf den Besucher. U. a. eine Cranach-Sammlung, Paramente der Mainzer Erzbischöfe oder auch die weltweit größte Sammlung von Modellbauten aus Kork (vorwiegend antike Bauwerke). Letztere ist dem Hofkonditor Carl Joseph May und dessen Sohn Georg zu verdanken, die ab 1792 diesem Hobby nachgingen. Am meisten fesselte mich jedoch der Hochaltar der Schlosskapelle. Dieser wurde zwischen 1609 und 1614 von Hans Juncker geschaffen. Der Altar aus Marmor ist von 150 detailreichen Figuren aus Alabaster geschmückt.

Der Altar der Schlosskapelle

Nach dem Reichsdeputationshauptschluss im Jahre 1803 wurden die bisherigen Kurmainzer Besitzungen am Untermain auf Initiative Napoleons zum Fürstentum Aschaffenburg, welches zwischenzeitlich dem Großherzogtum Frankfurt angegliedert wurde und 1814 an das Königreich Bayern fiel. Um den Landgewinn nicht nur aus dem fernen München zu regieren und ihn besser ins Königreich zu integrieren, residierten die bayrischen Könige Maximilian I. Joseph und Ludwig I. in den kommenden Jahrzehnten häufig in Aschaffenburg. Insbesondere Ludwig fand Gefallen an Aschaffenburg als Sommerresidenz und nannte es sein bayerisches Nizza. 1840 ließ sich Ludwig auf einer Anhöhe oberhalb des Mainufers das Pompejanum errichten. Eine Villa im Stil der alten Römer, die über Terrassen mit Weinreben thront.

Wohngebäude mit barocker Stuckfassade in der Strickergasse (ca. 1730)

Bayrisch sind Aschaffenburg und sein Umland bis heute geblieben. Jedoch musste die Stadt im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) schwerste Zerstörungen verkraften. Es gab über 20 Bombenangriffe auf Aschaffenburg und als US-Truppen den Untermain im März 1945 erreichten, wurde die Stadt nicht kampflos übergeben, sondern erbittert Widerstand geleistet. Schwerer Artilleriebeschuss und Häuserkämpfe folgten, so dass noch mehr Bausubstanz verloren ging. In den kommenden fünf Jahrzehnten sollten jedoch die zerstörten Kirchen, das Schloss und viele weitere historische Bauwerke wiederaufgebaut oder rekonstruiert werden. Ganz ohne die heute als Bausünden gebrandmarkte Nachkriegsbebauung kommt der historische Stadtkern nicht aus, aber viele Straßenzügen vermitteln heute wieder das Stadtbild vor den Zerstörungen.

Das am Vorabend fotografierte Pompejanum

Mit einem positiven Gesamteindruck ließ ich Aschaffenburg am frühen Nachmittag hinter mir und es ging ein paar Kilometer den Main aufwärts. Das malerische Miltenberg, wo der heutige Dauerregen sich auch kurz mal eine Pause gönnte, war mein nächstes Etappenziel. Im Schutz der Miltenburg entstand hier spätestens im 13.Jahrhundert eine städtische Siedlung, die 1237 erstmals schriftlich Erwähnung fand. Von den Hängen des Greinbergs und dem Main natürlich begrenzt, entwickelte sich eine lang gezogene mittelalterliche Stadt. Sie wurde in Ost und West von den bis heute erhaltenen Stadttoren Würzburger Tor und Mainzer Tor begrenzt (die ca. 2.000 Meter auseinander liegen).

Miltenberg am Main

Wie Aschaffenburg gehörte Miltenberg bis 1803 zu Kurmainz und dann ab 1814 bis in unsere Tage zu Bayern. Viele Bauwerke in Aschaffenburg wurden übrigens aus Miltenberger Sandstein errichtet (u. a. das Schloss Johannisburg). Durch den Exportschlager Sandstein (der vielerorts im Rhein-Main-Gebiet verbaut wurde) und die günstige Lage an der Handelsstraße zwischen Frankfurt und Nürnberg, konnte sich Miltenberg zu einer wohlhabenden Kleinstadt entwickeln. Zahlreiche größere und reich verzierte Fachwerkhäuser aus dem Spätmittelalter oder der Frühen Neuzeit künden davon.

Fachwerk am historischen Marktplatz von Miltenberg

Die Bayern meinten es mit Miltenberg allerdings zunächst nicht gut. Zum einen hatte die Stadt nun eine territoriale Randlage und zum anderen hob das Königreich Bayern 1818 das Zoll- und Marktrecht Miltenbergs auf. Die Stadt erlitt dadurch erhebliche finanzielle Einbußen. Allerdings konnte man ab Mitte des 19.Jahrhundert durch Dampfschifffahrt auf dem Main und einen Bahnanschluss nach Aschaffenburg seine Güter Holz und Sandstein wesentlich besser und in viel größerem Umfang vertreiben. Das brachte neue Blüte und alsbald keimte auch der Tourismus auf. Heute bringen die Mainschiffer oder die Eisenbahn zahlreiche Wochenend- oder Tagestouristen nach Miltenberg.

Das Gasthaus Zum Riesen

Am frühen Abend drängte es mich natürlich in eine Restauration. Wunschziel war das seit 1411 bezeugte Gasthaus Zum Riesen, wo u. a. das vom Brauhaus Faust eigens für dieses Gasthaus gebraute Riesen-Spezial im Ausschank ist. Aber nichts zu machen. Alle Tische bereits belegt oder reserviert. Auch in weiteren Lokalen wie dem Kalt-Loch Bräustüble oder dem Brezel Wirt hätte ich reservieren oder geduldig warten müssen. Mehr als genug Platz hatte dagegen die Goldene Krone. Das hatte natürlich Gründe und die Speisekarte gab ein erstes Indiz. Alles ein paar Euro teurer als bei der Konkurrenz. Aber gut, vielleicht sind hier die Portionen größer oder die Küche bereitet sie besonders raffiniert zu.

Stadtpfarrkirche St. Jakobus

Empfohlen wurde mir das Schäuferla mit Kartoffelklößen und Begleitblattsalat für 20,80 €. Außer dass es mindestens 5 € zu teuer erschien und die beiden Klöße mutmaßlich nicht hausgemacht waren, konnte ich nicht meckern. Das Fleisch war zart und die Kruste schön knusprig. Das Kellerbier von Schlappeseppel (0,5 l für 4,90 €) mundete natürlich auch und mittlerweile hat man sich inflationsbedingt an bis zu 5 € für den Halben gewöhnt. Neugierig schaute im Anschluss meines Besuchs dennoch in die Bewertungen der Goldenen Krone bei Google und war äußerst amüsiert. Natürlich wurde von vielen das Preis-Leistungs-Verhältnis bemängelt und auch das in die Jahre gekommene Interieur kam nicht gut weg. Oft fiel der Begriff Touri-Falle. Die Krönung des Ganzen sind allerdings die langen und derben Repliken des Wirtes. Unbedingter Lesetipp! Das ist zwar auch alles andere als Werbung für das Gasthaus, aber ganz großes Kino. Toppt meines Erachtens sogar Hardy Diemel vom Bobhaus Winterberg (mein bisheriger Lieblingsakteur in Sachen Rezensionsrepliken auf Google).

Schäuferla in der Goldenen Krone

Von Miltenberg ging es am Abend weiter nach Michelstadt. Ich erreichte die romantische Fachwerkstadt im Odenwald erst nach Einbruch der Dunkelheit, so dass ich das Touristische auf den Sonntagvormittag vertagte. Dabei war heute durch das Weinbrunnen- und Kirchweihfest sogar richtig was los im sonst eher beschaulichen Michelstadt. Rund um das historische Rathaus waren Fressbuden, Fahrgeschäfte und ein französischer Viktualienmarkt aufgebaut. Aus den verschiedenen Brunnen der Innenstadt wurde wiederum Wein ausgeschenkt und auf den weitläufigeren Arealen wurde Livemusik dargeboten. Als ich bereits im Hotelbett lag, vernahm ich gegen 21:30 Uhr außerdem ein Höhenfeuerwerk. Doch mein Zimmerbalkon war leider abseitig der Pyroshow.

Kackwetter den ganzen Tag

Am Sonntagmorgen kam es schließlich zum Wendepunkt auf meiner Reise. Ich hatte nun neben Michelstadt noch Hirschhorn am Neckar und Mosbach auf meinem Tourplan stehen. Doch heute sollte es in der ganzen Region den ganzen Tag noch heftiger als am Vortag schütten. Bereits bei meinem morgendlichen Spaziergang durch die Altstadt von Michelstadt hatte ich die Schnauze voll. Zumal nicht nur die Nässe so langsam die Kleidung bis auf die Haut durchdrang, sondern die Buden und Bühnen des Weinbrunnen- und Kirchweihfest obendrein die Sichtachsen für meine obligatorischen Architekturfotos störten.

Ich beschloss meinen Rundgang frühzeitig abzubrechen und meine Unterkunft für die nächste Nacht zu stornieren. Michelstadt und seine weiteren Sehenswürdigkeiten wie die Einhardsbasilika werden dann eben ein anderes Mal begutachtet. Findet das Derby VfL Michelstadt gegen die TSG Steinbach heute leider ohne mich statt. Und Hirschhorn und Mosbach versinken hoffentlich auch nicht so schnell in den Fluten des Neckars, so dass die Visite irgendwann ebenfalls nachgeholt wird.

  • 02.10.2022
  • 1.FC Kaiserslautern – Eintracht Braunschweig 1:1
  • 2.Bundesliga (II)
  • Fritz-Walter-Stadion (Att: 36.332)

Nun wollte ich eigentlich zeitnah via Mannheim nach Hause, doch am Bahnhof Eberbach erblickte ich beim Umstieg diverse Fußballfans. Es waren odenwaldsche Anhänger der Roten Teufel. Kurz recherchiert und gesehen, dass ihre Herzensmannschaft heute eine ganz und gar aBScheuliche Truppe zum Pflichtspielduell der 2.Bundesliga empfing. Eigentlich ein Grund nicht auf den Betze zu fahren. Andererseits erinnerte ich mich an die Allianz der Blau-Gelben aus Ostniedersachsen mit dem SV Waldhof aus Mannheim. Seines Zeichens wiederum der Erzrivale des 1.FC Kaiserslautern. Da war also mutmaßlich Brisanz drin. Spontan orderte ich im Onlineshop des 1.FCK ein digitales Ticket für ein gepolstertes Plätzchen auf der Haupttribüne des Fritz-Walter-Stadions.

Willkommen in der Fußballstadt Kaiserslautern

Die S-Bahn, die mich von Eberbach nach Mannheim führen sollte, fuhr passenderweise direkt weiter nach Kaiserslautern und die erstandene Eintrittskarte fungierte zugleich als Fahrschein für die zusätzliche Strecke. Gegen 12:45 Uhr erreichte ich die Stadt am Fuße des Betzenbergs und dementsprechend war es sinnvoll sogleich die Treppen hinauf zum Stadion zu steigen. In der Haupttribüne ging es dann erfreulicherweise per Fahrstuhl in den Oberrang. Bei bester Sicht genoss ich nun wie sich die Westkurve auf das Spiel einstimmte.

Schalparade in der Westkurve

Der Gästeblock füllte sich dagegen erst kurz vor Spielbeginn und optisch wahrnehmbare Unterstützung aus Mannheim schien man nicht im Schlepptau zu haben. Beim Beflaggen war außer blau-gelbes Fahnenmaterial lediglich ein fremder Fetzen aus der Fanszene des FC Basel auszumachen. Da Waldhof bereits am Vortag gespielt hatte, irritierte mich das schon. Aber vielleicht ist die Freundschaft auch etwas eingeschlafen. Also wenn meine Freunde vor meiner Haustür bei meinem Feind antreten und mein Verein nicht parallel spielt, laufe ich da doch eigentlich auf, oder?

Die Hüter der Zaunfahnen

Dazu fällt mir passenderweise ein, dass vor exakt 21 Jahren bei einem Testspiel des Hamburger SV im Städtischen Stadion an der Hamburger Straße eine Zaunfahne von BS, die wiederum die damals guten Freunde aus Hannover kurz zuvor abgezogen hatten, von eben jenen Hannoveranern im Gästeblock den Flammen übergeben wurde. Mit der gesammelten Asche von verbrannten BS-Fahnen könnte man wahrscheinlich schon ein paar Urnen füllen. Heute saßen zur Sicherheit auch extra ein paar Sauerstoffunterversorgte aus Ostniedersachsen permanent auf dem Zaun. Nicht dass irgendwer als Ordner, Sanitäter oder Auswechselspieler verkleidet eine davon stibitzen kann.

Requiem für den verstorbenen Fan Karsten

Auf der Heimseite weckte man bei mir derweil noch sehr frische Erinnerungen. Genau wie beim Gastspiel von 96 im Juli, wurden heute Banner gegen den FIFA World Cup Qatar 2022 („Boycott Qartar!“) und gegen den Investor Pacific Media Group („FUCK PMG!“) gezeigt (Vgl. Kaiserlautern 07/2022). Die PMG hält 10 % der Anteile der ausgegliederten Profifußballgesellschaft des 1.FCK und ist bei insgesamt acht europäischen Proficlubs engagiert (u. a. FC Barnsley, KV Oostende und AS Nancy). Man scheint ein europaweites Netz mit Clubs aus der zweiten oder dritten Reihe der jeweiligen Länder aufzubauen. Bei so einem Investor ist Skepsis ob der Motive sicher angebracht. Zur Ablehnung der WM in Katar muss ich dagegen wohl nichts erläutern. Macht es wie alle Fußballfans mit Anstand, boykottiert den Scheiß!

Torjubel im Gästeblock

Ferner gedachte die Westkurve dem vor mittlerweile sechs Jahren verstorbenen FCK-Fan Karsten per Banner, wie auch per Schwenkfahne mit dessen Konterfei. Bei der Gelegenheit wurde ebenfalls mittels Schwenkfahne an den erst im Frühjahr verstorbenen Vorsänger Hasemann erinnert. Der Himmel rief einem unterdessen die Vereinslegende Fritz Walter ins Gedächtnis, indem er es weiterhin aus Kübeln schütten ließ (da nahmen sich Odenwald und Pfälzer Wald heute nichts). Doch das so genannte Fritz-Walter-Wetter braucht eben auch einen Fritz Walter, um dem 1.FCK zum Vorteil zu gereichen. Am ehesten hätte heute wohl der immer schwer zu verteidigende Terrence Boyd als Walter-Erbe getaugt. Der Angreifer hatte schon im ersten Durchgang ein paar gute Strafraumszenen, blieb jedoch torlos.

Fritz-Walter-Stadion

Es ging mit 0:0 in die Pause und sieben Minuten nach Wiederanpfiff hatte sich die Verteidigung der Roten Teufel leider kurz eine Kunstpause gegönnt. Lauberbach war erfolgreich und der 1.FCK musste plötzlich einem Rückstand hinterherrennen. Zum Glück traf Tomiak bereits drei Minuten später zum Ausgleich und der zwischenzeitlich euphorisierte Gästeblock hielt vorerst wieder die Klappe. Erst in der 67.Minute waren sie erneut zu vernehmen, als sie ihren einzigen großen Titel der Vereinsgeschichte gewohnt zelebrierten. Die Westkurve war dagegen fast durchgängig lautstark und hatte in der Nachspielzeit einer ausgeglichenen Partie einen weiteren Torschrei schon förmlich auf den Lippen. Doch auch bei einer letzten Riesenchance von Lobinger war der verdammte Fejzic leider auf seinem Posten.

War irgendwie ähnlich wie das Derby im Niedersachsenstadion vor ein paar Wochen. Der Hausherr reüssierte einen Tick besser und hatte mehr Chancen, doch ein paar gute Momente nach dem Seitenwechsel und konsequentes und konzentriertes Verteidigen über 90 Minuten genügen der Gastmannschaft für eine Punkteteilung. Der Turn- und Sportverein vom Ostrand eines sonst eigentlich ganz schönen norddeutschen Bundeslandes sammelt mittlerweile echt fleißig Punkte und bleibt der Liga möglicherweise doch länger als eine Saison erhalten. Schön ist was anderes (was ebenfalls auf die am Zaun mit der Mannschaft feiernden Gästefans zutraf). Von den Mitgereisten wurden nun noch paar Häßlichkeiten mit pöbelnden Lautern-Fans ausgetauscht, was mich arg amüsierte. Insbesondere der BS-Mokel, der zeigte was für ein toller Schattenboxer er ist.

Dönerteller von KATIK

Ich fuhr kurz darauf mit der nächsten S-Bahn nach Mannheim und hatte dort noch Zeit für ein Abendessen beim Dönergrill KATIK. Es gab das würzige Fleisch vom Drehspieß zusammen mit Salat, Sauce, Brot und Pommes für 12 € als Tellergericht. Für die Heimfahrt hatte ich anschließend den ICE um 18:32 Uhr auserkoren. Ein paar mit Weißweinflaschen bewaffnete Blau-Gelbe waren leider im selben Zug. Aber im Ruheabteil hatte man in der Tat seine Ruhe vor denen und gute drei Stunden später war ich zurück im schönen Hildesheim.

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