- 19.06.2022
- SV Motor Altenburg – SV Löbichau 1:1
- Kreisliga Ostthüringen, Staffel A (IX)
- Skatbank-Arena (Att: 115)
Am Sonntag läutete die Morgenglocke zur nächsten Runde der großen Sommerfrische mit dem 9-€-Ticket. Heute stand die alte Residenzstadt Altenburg auf der Agenda. 7:14 Uhr war Abfahrt in Hildesheim und exakt vier Stunden später betrat ich ostthüringischen Boden. Somit hatte ich noch 226 Minuten, bis im größten Stadion Thüringens das letzte Pflichtspiel der Saison 2021/22 angepfiffen werden sollte. Jenes Zeitfenster wusste Altenburg per Streifzug durch die historische Altstadt und einer Schlossvisite mühelos mit Leben zu füllen. Schließlich kann die Stadt auf über 1.000 Jahre bewegte Geschichte zurückblicken. Bereits 976 wurde Altenburg erstmals urkundlich erwähnt und schwang sich im Hochmittelalter zur Kaiserpfalz auf. Insbesondere Kaiser Friedrich I. (HRR), besser bekannt als Barbarossa, hielt sich im 12.Jahrhundert häufig in der Altenburger Pfalz auf. Der deutsche König und römische Kaiser aus dem Geschlecht der Staufer stiftete 1165 außerdem das Augustiner-Chorherrenstift Unserer lieben Frauen St. Marien, dessen Doppeltürme als so genannte Rote Spitzen bis heute das Wahrzeichen Altenburgs sind.

Nach der Schlacht bei Lucka (1307) verlor Altenburg die Reichsunmittelbarkeit und fiel den Wettinern zu. Markgraf Friedrich I. von Meißen – den wir im Dresdner Fürstenzug als Friedrich den Gebissenen kennengelernt haben (Vgl. Dresden 09/2019) – war mit seinem Heer in jener Schlacht siegreich gewesen und eroberte dadurch Altenburg nebst Umland für die Mark Meißen. In der Geschichte des Hauses Wettin sollte die Neuerwerbung bald eine tragende Rolle spielen. So wurden 1445 auf Betreiben des römisch-deutschen Königs Friedrich III. in Altenburg die wettinischen Lande geteilt, um einen Erbstreit der Brüder Kurfürst Friedrich II. und Herzog Wilhelm III. beizulegen. Beide haderten jedoch mit der Teilung, so dass es zum Sächsischen Bruderkrieg (1446 – 1451) kam. Ergebnis des mehrjährigen Gemetzels war letztlich, dass die Geschwister doch die Teilung von 1445 akzeptierten.

Außerdem war eine Nachwehe des Krieges der berühmte Altenburger Prinzenraub. Der Junker Kunz von Kauffungen hatte sich auf kursächsischer Seite am Sächsischen Bruderkrieg beteiligt und forderte Entschädigung von Kurfürst Friedrich II. für Zerstörungen und Enteignungen seiner Güter. Als ein Schiedsgericht die Klage des Junkers abwies, entführte Kunz von Kauffungen die beiden noch minderjährigen sächsischen Prinzen Ernst und Albrecht aus dem Altenburger Residenzschloss. Sein Plan auf erpresserische Weise an seine Entschädigung zu kommen ging jedoch nicht auf, da von Kauffungen auf dem Weg ins sichere Böhmen im Erzgebirge gestellt werden konnte. Bald rollte sein Kopf, während sein Mitverschwörer Hans Schwalbe (ein Koch auf Schloss Altenburg) mit glühenden Zangen bearbeitet und dann gevierteilt wurde. Kunz von Kauffungen genoss bei Tod und Folter also wenigstens ein Adelsprivileg.

Nachdem die geretteten Prinzen 1464 gemeinsam ihrem verblichenen Vater Friedrich II. auf dem Thron folgten, brachten sie nicht nur Erfurt und Quedlinburg unter kursächsischen Einfluss (Vgl. Quedlinburg 10/2020), sondern erbten 1482 obendrein die Besitzungen ihres ohne männlichen Erben verstorbenen Onkels Herzog Wilhelm III. (womit der Sächsische Bruderkrieg in der Retrospektive noch sinnloser wirkt). Doch wie schon beim Vater und Onkel kam es wieder zu Erbstreitigkeiten. In Konsequenz wurde am 26.August 1485 der Präliminärvertrag zu Leipzig geschlossen, welcher den Besitz der Wettiner langfristig teilte. Ernst hatte als Erstgeborener die Kurfürstenwürde geerbt und herrschte fortan über das Kurfürstentum Sachsen mit Städten wie Altenburg, Coburg, Eisenach, Gotha und Wittenberg. Er begründete nun die Ernestinische Linie des Hauses Wettin. Albrecht wiederum wurde Herzog von Sachsen und herrschte über ein Herzogtum mit u. a. den Städten Dresden, Meißen und Leipzig. Er begründete die Albertinische Linie der Wettiner.

Der Besitz der Ernestiner wurde durch Erbteilung in der Folgezeit stark zersplittert, wohingegen die Albertiner sich für Primogenitur entschieden und somit ihr Territorium zusammen hielten. Der Grund warum auf dem Gebiet des heutigen Freistaats Thüringen etliche Duodezfürstentümer entstanden, während das albertinische Kurfürstentum Sachsen auf ewig ungeteilt blieb und territorial sogar wachsen konnte. Nein, ich habe gerade nichts durcheinander gebracht. Denn 1547 trotzten die Albertiner den Ernestinern im Schmalkaldischen Krieg auch noch die Kurfürstenwürde ab. Unter Kurfürst Moritz I. begann damals der machtpolitische Aufstieg der Albertiner, der im 18.Jahrhundert unter Friedrich August I. (August der Starke) wohl seinen Zenit erreichte (Vgl. Dresden 09/2019).

Auf Altenburg hatten unterdessen die ernestinischen Erbteilungen erhebliche Auswirkungen. Bei einer davon entstand im Jahre 1603 das Herzogtum Sachsen-Altenburg mit Altenburg als Residenzstadt. Entsprechend wurde das Schloss zeitgemäß ausgebaut und verlor langsam den Charakter einer mittelalterlichen Burganlage. Doch schon 1672 starb mit Friedrich Wilhelm III. die ältere Linie Sachsen-Altenburg aus und das Herzogtum Sachsen-Altenburg wurde zwischen Sachsen-Gotha und Sachsen-Weimar aufgeteilt. Die Stadt Altenburg fiel dabei an Sachsen-Gotha, das sich von nun an Sachsen-Gotha-Altenburg nannte. Residenzstadt blieb jedoch Gotha, so dass Altenburg etwas an Bedeutung einbüßte.

1826 erlosch mit dem Ableben von Friedrich IV. die seit 1672 herrschende Blutlinie und mit dem Teilungsvertrag zu Hildburghausen wurde Sachsen-Gotha-Altenburg nun wieder auf mehrere Erben aus anderen ernestinischen Herzogtümern aufgeteilt. Altenburg fiel an den Herzog von Sachsen-Hildburghausen, während Gotha an den Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld fiel, wodurch das neue Doppelherzogtum Sachsen-Coburg und Gotha entstand. Die Linie Sachsen-Coburg und Gotha schaffte es bald in mehrere europäische Königshäuser einzuheiraten und mit dieser geschickten Heiratspolitik aus der thüringischen Kleinstaaterei auszubrechen. Bis heute tragen Mitglieder des Hauses die Kronen Belgiens und Großbritanniens auf ihrem Haupt. Wobei sich die Ernestiner in Großbritannien aus politischen Motiven von Sachsen-Coburg und Gotha bzw. der bereits anglisierten Form Saxe-Coburg and Gotha im Jahre 1917 in Windsor umbenannten.

Aber weil der Aufstieg von Sachsen-Coburg und Gotha in die Champions League des Adels keine direkten Auswirkungen auf das heute von mir besuchte Altenburg hatte, widmen wir uns noch kurz Sachsen-Hildburghausen. Das bisherige winzige Herzogtum vervielfachte durch das Altenburger Erbe seine Größe. Der Herzog verlegte nun auch seine Residenz von Hildburghausen ins größere Altenburg und benannte sein Herzogtum in Sachsen-Altenburg um. Da es bekanntlich schon von 1603 bis 1672 ein Herzogtum Sachsen-Altenburg gab, spricht man jetzt von Sachsen-Altenburg jüngere Linie. Dieses Herzogtum existierte dann noch bis zum Ende der Monarchie(n) auf deutschem Boden im Jahre 1918.

Damit auch genug von diesen komplizierten Adelsgeschichten. Denn mein 8 € teurer Besuch des Schloss- und Spielkartenmuseums brachte mir nicht nur die ganzen Ernestiner und ihre unzähligen Linien und Herzogtümer näher, sondern widmete sich auch ausführlich Altenburgs größtem Geschenk an die Menschheit. Hier wurde ab 1810 nämlich das Skatspiel entwickelt. Als Erfinder des beliebten Kartenspiels gilt eine Runde von mehreren Altenburger Honoratioren, zu denen u. a. der Verleger Friedrich Arnold Brockhaus (Urheber der berühmten Brockhaus Enzyklopädie) gehörte. In einer Kladde der Spieler taucht erstmals 1813 der Begriff Scat auf. Das neuartige Kartenspiel – was aber natürlich von historischen Vorbildern wie Schafkopf und Tarock inspiriert wurde – verbreitete sich schnell in Thüringen und Sachsen und alsbald im gesamten deutschsprachigen Raum.

Skat blieb jedoch in besonderem Maße mit Altenburg verbunden. Im Jahre 1886 fand hier der erste deutsche Skatkongress mit über 1.000 Teilnehmern statt (der das Wirrwarr der zahlreichen regionalen Varianten des Skatspiels in ein einheitliches Regelwerk überführen sollte) und 1899 wurde in Altenburg der Deutsche Skatverband aus der Taufe gehoben. Außerdem konstituierte sich 2001 das Internationale Skatgericht in Altenburg, welches über strittige Fälle entscheiden soll. Im Stadtbild tauchen immer wieder Symbole aus dem Skat- oder Kartenspielen allgemein auf und ein berühmtes Wahrzeichen ist der Skatbrunnen am Brühl. Angeblich weltweit das einzige Denkmal für ein Kartenspiel. Er wurde 1903 errichtet und Skatspieler von nah und fern taufen im Brunnen ihre Spielkarten, wovon sie sich Spielglück erhoffen. Dabei macht Skat doch aus, dass das Strategische wichtiger als der Zufall ist, oder? Aber gut, Glück schadet trotzdem nicht.

Ein glückliches Händchen hatten 1832 auch die Brüder Bernhard und Otto Bechstein, die in Altenburg die Herzogliche Sächsische Altenburger Concessionierte Spielkartenfabrik gründeten. Heute als ASS Altenburger Marktführer bei Spielkarten in Deutschland. Ob Skat oder andere Kartenspiele wie Quartette oder Schwarzer Peter, wahrscheinlich liegt in fast jedem deutschen Haushalt mindestens ein Kartendeck aus Altenburg. Schwarzer Peter in seiner heute verbreiteten Form wurde übrigens 1919 vom Altenburger Künstler und Grafiker Otto Pech (Pix) im Auftrag der hiesigen Spielkartenfabrik gestaltet. Auch über die Geschichte dieses Kartenspiels wurde ich im Schloss- und Spielkartenmuseum aufgeklärt. Insgesamt wird die Geschichte der Spielkarten und Kartenspiele vom Mittelalter bis hin zu zeitgenössischen Schlagern wie Pokémon und Yu-Gi-Oh! dargestellt.

Gegen 14:30 Uhr hatte ich genug über Stadt- und Spielkartengeschichte gelernt und stieg am Fuße des Schlosses in einen Bus zum Stadion. Direkt an einem Torbogen mit der Aufschrift Skatbank-Arena hielt der Bus. Denn die Deutsche Skatbank, die zur VR-Bank Altenburger Land gehört, hat sich 2009 die Namensrechte der 1957 als Leninstadion eröffneten Sportstätte gesichert. Mal abgesehen davon, dass hier mehr um den Erhalt des Traditionsstadions, als um handfeste kommerzielle Interessen der Skatbank geht, passt natürlich selten ein Sponsorenname so gut zur lokalen Identität wie dieser. Und Waldstadion, wie man die Spielstätte von Motor Altenburg zuerst nannte, nachdem man sich Lenin überdrüssig fühlte, ist doch ein viel zu beliebiger Name gewesen.

Aber unpassend war auch jener Name nicht gewesen. Entsprechend spendeten etliche Bäume an diesem bis zu 38° C heißen Nachmittag Schatten für die insgesamt 115 Spielbesucher. 3 € hatte ich für mein schattiges Plätzchen im theoretisch 25.000 Zuschauern fassenden Rund zu investieren und mehrfach machte ich 1,50 € für 0,4 l Vita Cola locker (als wenn irgendwo in Thüringen Coke oder Pepsi angeboten wird…). Da Frühstück auch schon wieder ein paar Stündchen her war, musste im Laufe der 1.Halbzeit außerdem noch ein Thüringer Roster im Brötchen her (2,50 €). Kross gegrillt und mit wohlfeiner Kümmelnote, ergo sehr zu empfehlen.

Am Grillstand erspähte ich obendrein Butcha aus Hamburg, mit dem ich nun gemeinsam eine Stadionrunde drehte und anschließend die Stadion- und Vereinsgeschichte recherchierte. Denn der SV Motor Altenburg hat natürlich schon mal höher als Kreisliga gespielt. 1949 qualifizierte man sich als thüringischer Vizemeister als eines von insgesamt 14 Gründungsmitgliedern für die neu geschaffene DDR-Oberliga. Im Fußballoberhaus der DDR mischte man drei Jahre mit, ehe 1952 der Abstieg in die zweitklassige DDR-Liga erfolgte. In den kommenden 28 Jahren war man 14 Spielzeiten zweitklassig und 14 Spielzeiten drittklassig (Bezirksliga). Die Bezirksliga Leipzig schloss man übrigens fünfmal als Meister ab, was nochmal verdeutlicht, dass die BSG Motor Altenburg lange Zeit eine Fahrstuhlmannschaft zwischen DDR-Liga und Bezirksliga war.

Nach der Deutschen Wiedervereinigung wurde die in SV 1990 Altenburg umbenannte BSG Motor in die fünftklassige Landesliga Sachsen eingruppiert, wechselte jedoch 1991 in die ebenfalls fünftklassige Landesliga Thüringen. Da müssen wir nochmal kurz in die Stadtgeschichte zurückkehren. Denn in der DDR gehörte Altenburg zum Bezirk Leipzig und somit zu Sachsen. Nach der Deutschen Wiedervereinigung kehrte Altenburg jedoch zum Freistaat Thüringen zurück. Gut so, sonst wäre ich heute im drittgrößten Stadion Sachsens anstatt im größten Stadion Thüringens gewesen.

1999 änderte man den Vereinsnamen in SV Motor Altenburg, um sich wieder deutlich zur Vergangenheit des Vereins zu bekennen. Zwar beruft man sich historisch auch auf die 1908 gegründete und 1945 aufgelöste Eintracht 08, aber so richtig begann Geschichte des Clubs erst 1946 und als BSG Motor ist man eben lange erfolgreich gewesen. Nur so recht anknüpfen an jene Erfolge konnte man bisher nicht. Stattdessen ging es nach der Rückkehr zum Traditionsnamen bis in die Kreisklasse runter. Von diesem Tiefpunkt im Jahre 2018 erholt man sich gerade und feierte heute die schon lange feststehende Meisterschaft der Kreisliga, womit man in die achtklassige Kreisoberliga aufsteigt. Der SV Motor ist sogar die kompletten 24 Ligaspiele der Saison ungeschlagen geblieben. Mit dem heutigen 1:1 gesellte sich das dritte Unentschieden zu den 21 errungenen Siegen.

Nach Abpfiff bot mir Butcha freundlicherweise einen Lift in die Innenstadt an. Denn er wollte natürlich auch noch im historischen Stadtkern rumbutchan, während ich gedachte vom Bahnhof mit dem nächstbesten Zug die Heimreise anzutreten. Laut DB App und digitaler Anzeige am Bahnsteig sollte die von mir angedachte S-Bahn eigentlich pünktlich um 17:42 Uhr nach Halle / Saale fahren. Nur 17:55 Uhr standen immer noch alle potentiell in Altenburg zusteigenden Fahrgäste auf einem unüberdachten Bahnsteig in der sengender Hitze. Da mein Anschluss in Halle nun eh Makulatur war, ging ich in die Bahnhofshalle und zog mir dort Kaltgetränke aus dem Automaten. Ich nahm anschließend die nächste S-Bahn um 18:04 Uhr und weil man aus Halle logischerweise nur stündlich nach Goslar kommt, war ich am Ende auch eine Stunde später als geplant in Hildesheim (22:42 Uhr statt 21:42 Uhr). Dafür ist der Bericht aus Sangerhausen noch auf der Rückfahrt fertig geworden, warum also meckern?