Budapest 02/2020

  • 28.02.2020
  • Budapesti VSC – Budafoki MTE II 3:0
  • BLSZ I.Osztály (IV)
  • BVSC Stadion (Att: 103)

Meine erste große Tour im Jahre 2020 begann am Morgen des 28.Februars um 6:26 Uhr am hannoverschen Hauptbahnhof. 48,70 € rief die DB für ein Ticket von Hannover nach Budapest auf, welches ich preislich dank fünf Verspätungsgutscheinen à 5 € noch auf 23,70 € drücken konnte. Leider meine letzten fünf Exemplare, da mein kulanter Mobility Partner seit 1.Januar 2020 die Entschädigungen für seine Verfehlungen direkt auf mein Konto überweist.

Macht eine mangelhaft erbrachte Leistung der DB nicht ungeschehen, aber lindert das ertragene Leid

Bei meiner nun anbrechenden Tour sollte es binnen elf Tagen durch sechs europäische Länder gehen (vier davon mit urlaubsartigem Aufenthalt), wobei Pi mal Daumen 3.500 km auf Schiene und Asphalt zurückgelegt wurden. Das Flugzeug als Fortbewegungsmittel wurde diesmal wieder komplett ignoriert. Die Route lautete Hannover – Budapest – Beograd (Belgrad) – Budapest – Nitra (Neutra) – Brno (Brünn) – Jihlava (Iglau) – Olomouc (Olmütz) – Praha (Prag) – Hannover. Bis auf Budapest – Beograd – Budapest alles mit Zügen zu meistern (aktuell verkehren leider keine Züge zwischen der ungarischen und der serbischen Hauptstadt).

Winterliches Würzburg

Ich habe natürlich geguckt, ob endlich mal Interrail lohnen würde. Doch ein Pass für meine Reiseplanung hätte für einen Vollzahler 335 € gekostet (sieben Zugreisetage binnen eines Monats als Global Pass). In Nord- oder Westeuropa könnte der sich eventuell rechnen, gerade wenn man sich Zugbindungen ersparen will, aber nicht in Mitteleuropa. Stattdessen habe ich meine sieben Zugtickets bei der DB und der CD (das tschechische Pendant zur Deutschen Bahn) gebucht und insgesamt nur 106 € berappen müssen (inklusive Sitzplatzreservierungen in allen Fernverkehrszügen). Dazu kamen dann noch 25 € für einen Transfer von Budapest nach Beograd und 19 € für ein Busticket in umgekehrter Richtung.

Der Grafeneckart (romanischer Teil des Würzburger Rathauses)

Mein erster Reisetag hatte zwei Umstiege parat. Der erste war in Würzburg, wo ich ab 8:30 Uhr planmäßig über eine Stunde Aufenthalt hatte. Die DB war spontan so freundlich eine Happy Hour daraus zu machen, denn plötzlich wurden aus 61 Minuten stolze 122 Minuten. Sturmtief Bianca, welches am Vorabend in Süddeutschland für zahlreiche Zugausfälle sorgte, war unschuldig. Stattdessen war ein Zugteil von ICE 23 (Dortmund – Wien) defekt und nach verzögerter Abfahrt der intakten 50 % des Zugpaares, ging nochmal Zeit für das Ankoppeln eines Ersatzzugteils in Frankfurt drauf. Als Mann von Welt wusste ich die gewonnene Freizeit natürlich zu nutzen und spazierte zumindest 96 Minuten durch Würzburgs Innenstadt.

Die gotische Marienkapelle am Unteren Markt

Nach der Begutachtung diverser barocker Perlen der hiesigen Architekturlandschaft (Würzburg wäre auch mal eine Reise und einen Bericht wert), ging es um 10:33 Uhr weiter gen Wien. Die Verspätung war natürlich nicht mehr aufzuholen, aber ab Regensburg sorgte wenigstens eine JGA-Truppe für Belustigung und Beschallung. Dabei war es musikalisch vom Wendler zum Weidner nur ein schmaler Grat. Während die deutschen Zugbegleiter lediglich eine Reduzierung der Lautstärke durchsetzten, waren die Kollegen der ÖBB hinter der Grenze konsequenter. „Musik aus oder in Sankt Pölten raus“ wurde die Reisegruppe angeherrscht. Diese Rigidität kam ausgerechnet bei meinem Lieblingslied Bierkapitän zum Tragen, als ich bereits kurz davor war den Aufforderungen des Interpreten Folge zu leisten und meinen voluminösen Bierbauch kurzfristig aus seinem textilen Gefängnis befreien wollte.

Der Nordflügel des prächtigen Würzburger Juliusspitals (1714 eröffnet)

In Wien stellte ich dann fest, dass mein gebuchter Zug nach Budapest (ursprüngliche Abfahrtszeit 15:42 Uhr) ebenfalls stolze 64 Minuten Verspätung hatte. Diesmal auch wirklich wegen Unwetterschäden im Schienennetz (wurde jedenfalls so kommuniziert). Damit würde ich zwar logischerweise auch weiterhin ca. eine Stunde später als geplant in Budapest ankommen, aber im Gegensatz zum alternativen EuroCity um 16:42 Uhr, hatte ich für diesen Zug ja eine Sitzplatzreservierung. Schnell noch einen Burger beim Weltmarktführer der Systemgastronomie reingepeitscht (erste Mahlzeit des Tages) und alsbald ging es im gebuchten Zug auf dem reservierten Sitz ostwärts.

Trainspotting in Vienna

Der erste Halt hieß Hegyeshalom, was namentlich auf eine weitere passierte Staatsgrenze hindeutete. Es folgten vier weitere Zwischenhalte und dann war endlich die ungarische Hauptstadt in Form ihres Bahnhofes Keleti (Ostbahnhof) um 19:25 Uhr erreicht. Zunächst checkte ich mich im gebuchten Baross City Hotel (***) ein, welches sich in Spuckweite vom Ostbahnhof befindet. Mit 11.900 HUF (bei Buchung tagesaktuell 35,57 €) wurde meine Kreditkarte im Voraus für ein Einzelzimmer inklusive Frühstück belastet. Fairer Deal für dieses Mittelklassehotel in verkehrstechnisch guter Lage.

Mein erstes Hotelzimmer der Reise

Kurz die Formalitäten erledigt, das Gepäck ins Zimmer geballert und dann ging es auch schnurstracks in eines der zahlreichen Stadien dieser Stadt. Bei der Reisebuchung war der ungarische Matchkalender zwar noch verwaist gewesen, aber ich hatte natürlich die Hoffnung, dass Freitagabend irgendwer irgendwo in Budapest ein Fußballspiel anstoßen würde. Die oberen drei Ligen enttäuschten mich leider, aber ab 4.Liga abwärts fanden ein paar Spiele statt. Das Gros davon wäre wohl nur was für Groundhopper gewesen (halt so Amateurkicks auf Kunstrasenplätzen ohne Ausbau), aber eine Perle für echte Connoisseure wie mich entdeckte ich irgendwann auch noch.

Der Bahnhof Keleti von meinem Hotelzimmer aus

Der Budapesti VSC empfing die Zweitvertretung des MTE Budafoki zum Rückrundenauftakt der 4.Liga. Sportlich gewiss auch von sehr zweifelhaftem Wert, aber ich mag bekanntlich abgestürzte Traditionsclubs und altehrwürdige Spielstätten. Der BVSC und sein Stadion passten da perfekt ins Schema. Blöd, dass ich nun erst zur 2.Halbzeit dort aufschlagen konnte (Anstoß war bereits um 19 Uhr), aber immerhin warteten mit Ole und Kim weitere Mitglieder unserer Reisegruppe Večiti derbi auf mich. Mit ihnen sollte es am kommenden Morgen gemeinsam weiter nach Beograd gehen.

Floodlight Friday

Um tatsächlich pünktlich zur 2.Halbzeit am Sehnsuchtsort einzutreffen, musste um 19:45 Uhr ein Bolt her (Taxi-Alternative à la Uber und bereits im Baltikum für gut befunden). Prompt kam eins um die Ecke und für umgerechnet 6 € wurde ich binnen acht Minuten die 4 km zum Stadion des BVSC in der Straße Szönyi ut kutschiert. Dort empfingen mich Kim und Ole in der warmen Lobby des Vereinskomplexes – der BVSC ist polysportiv und verfügt über mehrere Sportplätze und Schwimm- und Sporthallen – und berichteten mir von einer 2:0 Pausenführung der Hausherren. Sofort zerrte ich die beiden vom Sofa, um das Stadion selbst in Augenschein zu nehmen.

Die Eisenbahner haben ’ne schicke Anlage

Die Kampfbahn würde wohl auf Haupttribüne und Gegengerade noch immer rund 10.000 Zuschauer beherbergen können und entsprechend verloren wirkten die 99 mutmaßlichen Magyaren und der unübersehbare deutsche Groundhopper aus München-Giesing, mit denen Ole, Kim und ich uns die Zuschauerränge teilten. Die (ausgegliederte) Fußballabteilung des BVSC war 2001 nach Insolvenz aufgelöst worden und erst 2012 nahm man wieder unter dem Dach des Gesamtvereins Budapesti Vasutas Sport Club (zu deutsch: Budapester Eisenbahnsportverein) das Fußballspielen auf. Seitdem wird logischerweise ausschließlich auf Amateurniveau gekickt und wahrscheinlich hat man auch keine Ambitionen wieder an die alten Glanztage in den 1990er Jahren anzuknüpfen.

Fünf Hardcore Fans versammelten sich hinter dem Banner der „Blue Boys“

Denn ab 1991 spielte der BVSC acht aufeinanderfolgende Spielzeiten in Ungarns Eliteklasse und konnte 1996 sogar als Vizemeister die Saison beenden. Im selben Jahr wurde man ebenfalls Vizepokalsieger. Im Europapokal (UEFA Cup) scheiterte man allerdings im Sommer ’96 in der 1.Runde am walisischen Vertreter Barry Town (aufmerksame Leser erinnern sich jetzt vielleicht an meinen Besuchsbericht bei Barry Town im Jahre 2016, als ich bereits über dieses Duell berichtete). 1997 wurde man nochmals ungarischer Vizepokalsieger und startete erneut im Europapokal. Diesmal im Europapokal der Pokalsieger, weil der Pokalsieger MTK Budapest auch Meister wurde und an der Qualifikation zur Champions League teilnahm. Der BVSC packte den Erstrundengegner Balzers FC aus Liechtenstein noch souverän, musste aber in der 2.Runde gegen Real Betis aus Sevilla die Segel streichen.

Die Gegengerade

1999 stieg man wieder in die 2.Liga ab und zwei Jahre später gingen wie erwähnt die Lichter aus. Bekanntester Ex-Kicker ist wahrscheinlich Pál Dardai, der sich 1996 im BVSC-Dress für Hertha BSC empfahl. Aber auch die große ungarische Fußballlegende Lajos Détári schnürte 1999 (36jährig) zum Karriereausklang nochmal ein halbes Jahr für die Eisenbahner die Stollenschuhe. Der Vollständigkeit halber möchte ich außerdem erwähnen, dass der BVSC bereits 1958 bis 1960 erstklassig war und somit auf runde zehn Spielzeiten 1.Liga in der Vereinsgeschichte kommt.

Die Haupttribüne

Zum Spiel am heutigen Abend brauche ich dagegen keine großen Worte verlieren. Immerhin durfte ich auch noch ein BVSC-Tor sehen, so dass der Tabellenführer seine Spitzenposition mit einem klaren Heimsieg verteidigen konnte und sich an der Spitze weiterhin einen Dreikampf mit dem Csepel FC (übrigens vierfacher ungarischer Meister) und Újpest II um die Meisterschaft liefert. Vielleicht sieht das schicke Stadion hier ab Sommer immerhin wieder Drittligafußball? Ich würde es ihnen trotz der unschönen Vereinsfarben gönnen.

BVSC 3, Budafoki 0

Nach dem Spiel war der Hunger natürlich groß und das bei Touristen relativ beliebte Restaurant Paprika vendéglö war nicht weit entfernt. Leider waren um 21 Uhr alle Tische belegt, aber wir sollten 30 Minuten später einfach nochmal wiederkommen und wurden schon mal auf der Reservierungsliste vermerkt. Also einmal zum 1.000 Meter entfernten Hősök tere (Heldenplatz) spaziert, diesen begutachtet (siehe Titelbild) und wieder zurück zum Restaurant gegangen. Schließlich mussten wir noch ein paar Minuten dem Personal im Wege stehen, ehe der für uns angedachte Tisch frei wurde.

Knoblauchsuppe

Nach einem Palinka (Sorte Aprikose) als Aperitif, ließen wir uns zunächst Fokhagymakrém leves (Knoblauchcremesuppe) servieren. Als anschließender Hauptgang kamen wiederum Erdélyi fatányéros (Fleischbretter mit Steaks von Schwein und Rind und gegrillter Schweineschwarte) an den Tisch. Das Fleisch war großzügig mit weiterem Knoblauch mariniert und hatte auf jedem Brett auch eine Salat- und Kartoffelbeilage. Die Getränkebegleitung übernahm unterdessen das erste Bier des Urlaubs (0,5 l Dreher vom Fass).

Die erste richtige Mahlzeit des Tages

Eine Stunde vor Mitternacht ließen wir uns die Rechnung bringen (für ein Dessert war wahrlich kein Platz mehr) und kamen zu dritt auf 17.400 HUF, also ca. 50 €. Da wurde Ole mit Trinkgeld prima seine letzten 20.000 HUF los und ich gelobte meinen Anteil am Folgetag in Serbischen Dinar zu begleichen. Dann machten wir einen Verdauungsspaziergang zu unseren Hotels (das Ibis Styles von Kim und Ole war in der selben Straße wie meine Bude) und 23:30 Uhr trat ich die verdienten Nachtruhe an. Die erste (und vor allem längste) Etappe dieser Tour war geschafft. Ab jetzt würde der Trip mehr in Richtung Urlaub gehen.

Frühstück für Frühaufsteher

Erst um 8 Uhr klingelte mich der Wecker am Samstagmorgen aus wirklich sanften Träumen und ich hatte nun noch eine gute Stunde für Hygiene und Hunger stillen. Das Frühstücksbuffet war standesgemäß für ein mitteleuropäisches Mittelklassehotel und ich war wie immer auf die Warmtheke fixiert. Doch neben Rührei und warmen Würstchen, durfte auch ein Brötchen mit ungarischer Salami nicht fehlen. Kurz nach 9 Uhr checkte ich schließlich aus und spazierte die 700 Meter zum Hotel von Kim und Ole, um gemeinsam mit ihnen Beograd anzusteuern. Also dann bis Dienstag, Budapest…

Song of the Tour: Das kennt ihr!!!