Cardiff 08/2016

  • 27.08.2016
  • Barry Town FC – Monmouth Town FC 2:0
  • Welsh League Division 1 (II)
  • Jenner Park (Att: 110)

Meinen Geburtstag feiere ich in der Regel alternierend in Deutschland und im Ausland. Da 2016 wieder Feierlichkeiten on foreign soil anstanden, wurde bereits im Frühjahr der Flug nach Großbritannien gebucht und sich ebenso der Frühbucherrabatt in unserem Cardiffer Lieblingshotel gesichert. So wurden fünf Tage Urlaub mit unter 200 € Fixkosten möglich, was das Budget für die variablen Kosten enorm erhöhte. Die schnelle Entscheidung unseres Sextetts (Bene, Ole, Olbert, Pumba, InterCityBerger und ich) war wirklich Gold wert, denn mein Geburtstag lag wieder mal nah am Bank Holiday dran. Sprich der Waliser hatte montags frei und das lange Wochenende würde eine enorm hohe Binnennachfrage nach Betten in Cardiff kreieren. So war bereits im April, als noch ein paar Jungs nachbuchen wollten, der Hotelpreis um annähernd 100 % gestiegen. Die Jungs (Languste, Fat Lo und El Glatto) buchten trotzdem nach, suchten sich mit der ML Lodge in der St Mary Street ein halbwegs bezahlbares Hotel in Spuckweite des legendären „Milf Pubs“ (wobei nur das M Fakt ist und sich über das ilf vortrefflich streiten lässt).

Cardiff – Ort der Sehnsucht

Am 25.August, dem Jubiläumstag meiner Entbindung, ging es mitten in der Nacht in die Hansestadt Bremen, wo die Boeing 737-800 nach Stansted noch vor 7 Uhr abhob. Nach überpünktlicher Landung, gab es jedoch erstmal eine unangenehme Überraschung. Terravision, unser gebuchter Busanbieter, war nicht mehr aktiv. Citylink hatte den Bums übernommen und die Tickets hatten zwar ihre Gültigkeit behalten, aber sie fuhren nicht mehr nach Victoria, sondern nur noch nach King’s Cross. Blöd, wenn man einen Anschlussbus in Victoria hat. Folglich mussten wir ab King’s Cross mit der U-Bahn weiter, was Zeit und Geld kostete. An der Victoria Coach Station gab es nun noch einen kleinen Snack und dann ging die wilde Fahrt mit Megabus weiter.

Die St Mary Street

In Cardiff erwartete uns bereits Milano Pete, der von seinem temporären Wohnsitz aus Bournemouth anreiste und in der Sonne vor’m „Milf Pub“ sein erstes Pint genoss. Das von mir aufgetragene Touri-Programm hatte er schon absolviert und er schwärmte bereits jetzt von Cardiff. Zu neunt – El Glatto musste kurzfristig umdisponieren und sollte erst am Abend eintreffen – ging es nun in den Prince of Wales, wo der donnerstägliche Curry Club unbedingt zelebriert werden musste. Die weniger mit Currygerichten vertrauten Jungs machten mit Tikka Masala nichts falsch, ich gönnte mir Chicken Balti mit diversen Sides wie Onion Bhajis und zwei Mutige fragten mich, ob ich etwas richtig Scharfes empfehlen könnte. Da kam das in Wales exklusiv angebotene Y Ddraig Fflamllyd (The Flaming Dragon Curry) ins Spiel und es enttäuschte sie kein Stück.

Chicken Balti

Gut gestärkt entledigten wir uns des Reisegepäcks, machten uns nochmal frisch (bzw. drehten den Swag noch etwas weiter auf) und begannen den obligatorischen Pub Crawl. Als Geburtstagskind hatte ich natürlich noch ein kleines Extrabudget für diverse Runden auf meine Kosten eingeplant. Und ich bekam von den Jungs auch ein Präsent bzw. zunächst ein Foto davon. In Deutschland wartete dann eine Fritteuse auf mich, damit ich zuhause, O-Ton, weiter an meiner kontinuierlichen Gewichtszunahme arbeiten und mir daheim diverse Gulasch- und Käsekroketten im Fett brutzeln könne.

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Meine Geburtstagsgesellschaft

Insgesamt wurden elf beliebte Pubs in Cardiffs Stadtzentrum beehrt und die Bandbreite der Bierstile reichte von Lager über Bitter bis hin zu American Pale Ale, India Pale Ale und Oyster Stout. Bereits in Pub Nr. 3 konnte El Glatto endlich dazustoßen und um das Ganze etwas brisanter zu machen, wurde im Laufe des Abends wieder das beliebte Trinkspiel Save The Queen eingeführt. War schon seltsam, dass wir mit unserem Pegel noch in eine Disco bzw. sogar in diverse Clubs kamen. Irgendwann hat sich der Mob im Laufe der Nacht auch noch gesplittet, aber am Ende trafen wir uns in der Caroline Street wieder, wo echt ekliger Fraß der Endgegner wurde. Ich stellte mir eine kleine Munchie Box mit Donner Meat (Dönerfleisch), Chicken Wings, Chips, Beans und Cheese zusammen, die mir am nächsten Morgen schwer im Magen lag und mit den alkoholbedingten Kopfschmerzen einen unseligen Körperzustand erzeugte.

Liebliches Wales

Nun war ich leider nicht in der Verfassung mit Languste, InterCityBerger, Fat Lo und Ole im Gebirge rumzuwandern. Ich verpasste zwar kein Neuland für mich, aber ärgerte mich schon arg. Spätestens als mich die ersten schönen Bilder aus den Brecon Beacons erreichten. Aber es muss ja weiter gehen und ich kontaktierte die bewussten Wanderverweigerer El Glatto, Olbert, Bene und Pumba (unser Expat Milano Pete war derweil bereits wieder auf dem Weg ins südenglische Bournemouth). Das Quartett saß im Pub Queens Vaults, wo von 10 Uhr bis 12:30 Uhr alle Biere für 1.49 £ serviert werden. Ein Schnapper, erst recht beim aktuellen Wechselkurs (1 £ = 1,15 €). Nichtsdestotrotz lief das Ale nach den Exzessen der vergangenen Nacht noch nicht so richtig gut die Kehle hinunter und ich überzeugte die Jungs stattdessen zeitnah eine hartnäckige Frage zu klären. Liegt Cardiff wirklich am Meer? El Glatto, Olbert und Pumba waren nun schließlich schon zum zweiten Mal in Cardiff (für Bene war es der Erstbesuch), aber haben immer noch nicht die Küste gesehen. Habe ich mir das mit dem Meer vielleicht nur ausgedacht?

The Packet

Für die Beweisführung war ein knapp halbstündiger Spaziergang nötig und dann konnte man auf Höhe des schicken Pubs The Packet schon erahnen, dass das Meer ganz in der Nähe sein muss. Aber noch näher war halt der Biergarten dieses urigen Lokals, wo zunächst einmal für das nächste Bier des Tages eingekehrt wurde. Wie immer kam man schnell mit der lokalen Bevölkerung ins Gespräch, aber nach einem Pint musste ich endlich meine Beweisführung abschließen und den Jungs wirklich das Meer zeigen. Es war nur noch ein Katzensprung zum Mermaid Quay und schon standen wir am Wasser.

Heisst nicht ohne Grund auch Tiger Bay

Doch die Diskussionen nahmen kein Ende. Durch den Damm der Cardiff Bay wurde behauptet, dass sei nur ein See an dessen Ufer wir stehen. Ich verwies auf die nicht übersehbare offene See auf der anderen Seite des Dammes. Doch die war wahlweise eine aus Marketinggründen auf Leinwand gepinselte Attrappe oder es handelte lediglich um einen Fluss anstatt das offene Meer. Denn schließlich war beim heutigen klaren Wetter sogar Englands Küste mit Hildesheims Partnerstadt Weston-super-Mare von Cardiff aus zu sehen. Die Debatte wurde angeregt auf der Dachterrasse des Gastropubs Mount Stuart fortgeführt, wo ich endlich mein Frühstück nachholen konnte.

Cardiff liegt am Meer?

Im Anschluss lockte das Riesenrad am Quay zu einer Fahrt, um noch bessere Ausblicke zu genießen. Die Gondeln sollten eigentlich für 6 Personen geeignet sein, aber nachdem ich, der Kugelblitz, zusammen mit dem legendär-schweren Innenverteidiger-Duo des SC Asel II (Bene und Pumba) in einer davon saß, war kein Platz mehr für Glatto und Olbert. Drei Umdrehungen später waren wir wieder vereint und prüften die Lage im nahen Pub Eli Jenkins. Dort genossen wir erfrischende Pimm’s Drinks, ehe es zurück ins Stadtzentrum ging.

Bisschen Rummel am Hafen

Dort war die erste Anlaufstelle die Traders Tavern, die gut besucht von Feierabendbierkonsumenten aus den umliegenden Geschäftsgebäuden war. Anschließend verlagerten wir uns wieder in den Prince of Wales zum Abendessen. Dort traf auch alsbald die Wanderbande ein, die ihre fantastischen Eindrücke von der walisischen Natur schilderte. Aber wir anderen hatten auch halbwegs was Vernünftiges aus dem Tag gemacht und jetzt konnten wir alle zufrieden wieder zusammen Bier trinken.

Sie is’n Cardiff City Girl…

Nach kurzen Abstechern in den Bierkeller und zu Brewdog, ging eine Minorität allerdings frühzeitig ins Bett, während die Majorität des Mobs abermals diverse Discotheken der Stadt enterte. Ich gehörte zur Minorität und ließ mir am nächsten Morgen beim Frühstück von den Abenteuern im Missoula und im Tiger Tiger (und natürlich auch auf dem nächtlichen Trottoir) brühwarm berichten. Nach dem gewohnt deftigen Frühstück im Prince of Wales verlagerten wir uns ins Borough (der so genannte Milf Pub). Da heute Matchday war, hingen dort auch einige Lads von Cardiff City ab. Wir besprachen folglich wie es weiter gehen sollte (auch zu Cardiff City oder Alternativprogramm?) und splitteten uns in drei Trios. Olbert, Berger und Pumba verblieben im Stadtzentrum. Bene, Lo und Glatto gingen zu Cardiff City gegen Reading. Languste, Ole und ich fuhren raus nach Barry Island.

Power Nap auf der Straße

Barry Island ist eine vorgelagerte Insel vor der Hafenstadt Barry, unweit von Cardiff. Mit dem Vorortzug waren wir binnen 30 Minuten dort. Die Insel besticht den Besucher durch den besten walisischen Strand, der östlich der Halbinsel Gower zu finden ist. Außerdem hält sie noch einen kleinen Vergnügungspark mit Fahrgeschäften und Imbissen vor. Es ist folglich bei entsprechendem Wetter ein sehr beliebtes Ausflugsziel für die Menschen aus dem Ballungsraum Cardiff. Da sich im Gegensatz zum Vortag die Sonne heute sehr rar machte, war allerdings für einen Sonnabend nur wenig los.

The Beach of Barry Island

Aber es nützt ja alles nichts! Wenn man schon mal hier ist, muss man auch ins Meer springen. Die Badehose durfte einfach nicht umsonst mitgeschleppt worden sein. Und so schwammen bald Haifische und Killerwale aus ursprünglich deutschen Gewässern vor der Küste von Wales. Nach kurzer Akklimatisierung war es sogar ganz angenehm im Wasser. Denn soviel kühler als die 20° C Lufttemperatur, war das Wasser auch nicht. Ein Hoch auf den Golfstrom!

Baywatch-Schneppe geht jetzt Beachen

Nachdem der German Sharknado zu Ende gedreht war, ging es noch mal in einen Pub (öfter mal was Neues…), ehe das Stadion des Barry Town FC rief. Der lokale Fußballclub empfing dort um 14:30 Uhr Monmouth Town im Rahmen der zweiten walisischen Liga. Ideal für meinen Stadionbesuch Nr. 7 innerhalb der Landesgrenzen von Wales. Denn der Jenner Park ist ein kleines Schmuckstück und Barry Town war einst eine verhältnismäßig große Nummer in Wales. Gegründet 1912 als Barry AFC schloss man sich damals der boomenden englischen Southern League an, was im Prinzip der Toplevel unterhalb der professionellen Football League war (heutige Schwergewichte wie Tottenham Hotspur oder der Southampton FC mischten Anfang des 20.Jahrhunderts ebenfalls in der Southern League mit).

Whales in Wales

In der Southern League spielte Barry Town viele Dekaden und feierte in Liga und FA Cup etliche Achtungserfolge. Dazu unterhielt man parallel eine erfolgreiche Mannschaft im walisischen Fußballsystem, quasi als Reservemannschaft. 1992 bedeutete die Gründung der League of Wales (heute Welsh Premier League) einen großen Einschnitt für den Club. Die walisischen Teams der englischen Football League wie Cardiff City oder der Wrexham AFC verblieben im englischen System, aber die walisischen Non-League-Topclubs wie Barry Town sollten exklusiv in der neuen 1.Liga von Wales spielen. In Barry (und auch andernorts, u. a. in Newport und Merthyr Tydfil) rebellierte man gegen die neue Regelung und Barry Town ging zunächst einmal ins englische Exil und spielte seine Heimspiele als Barri AFC in Worcester.

Barry Town FC

Nach nur einem Jahr im Exil kehrte man in den Jenner Park zurück und schloss sich doch der Liga des walisischen Fußballverbandes an. In Wales wurde man schnell zur dominierenden Fußballmannschaft und konnte in den 1990er und frühen 2000er Jahren viele Erfolge feiern (von 1996 bis 2003 holte man sieben Meistertitel und außerdem diverse Pokalsiege). Diese Erfolge berechtigten zur Teilnahme an den UEFA-Wettbewerben. Meistens war natürlich schon in der 1.Qualifikationsrunde Feierabend, doch es gab auch gewissermaßen Sternstunden im Europapokal. 1996 zum Beispiel schaltete man in der Qualifikation zum UEFA Cup erst den lettischen Vertreter FC Dinaburg und danach auch noch Budapesti VSC aus. Der Lohn war ein britisches Duell mit dem Aberdeen FC in der 1.Hauptrunde des Wettbewerbs. Im Hinspiel in Aberdeens Pittodrie Stadium musste man sich 1:3 geschlagen geben, aber daheim im Jenner Park gelang ein sehr achtbares 3:3 vor 6.500 Zuschauern. 2001 schaffte Barry Town außerdem erstmals und bisher einmalig den Einzug in die 2.Qualifikationsrunde der UEFA Champions League (in der 1.Runde wurde der FK Shamkir aus Aserbaidschan ausgeschaltet). Dort wartete niemand Geringeres als der FC Porto auf die Waliser. Zwar gewann Porto das Hinspiel vor 55.000 Zuschauern im heimischen Estádio do Dragão mit 8:0, aber im Rückspiel – gegen zugegeben eine B-Elf der Portugiesen – machten die Waliser das Spiel ihres Lebens und gewannen völlig überraschend mit 3:1.

No Fat Fans Aloud

Doch langsam zurück in die Gegenwart, welche im Zeichen eines behutsamen Wiederaufbaus des Clubs steht. Denn 2003, kurz nach einem 2:1 Sieg über Vardar Skopje in der Qualifikation zur UEFA Champions League, musste Barry Town Konkurs anmelden und wurde schließlich abgewickelt. Die Fans gründeten nun den Barry FC als Nachfolgeverein und starteten mit einer besseren Thekenmannschaft ganz unten. 2008 übernahmen jene Fans die Erbsubstanz des alten Clubs und mittlerweile spielt immerhin wieder in der 2.Liga. Perspektivisch träumt man sicher von einer Rückkehr in die Welsh Premier League, aber finanzielle Abenteuer sind absolut tabu. Man gibt eisern nur das aus, was man auch einnimmt. Um diese Politik zu unterstützen, zahlten wir gerne 5 £ Eintritt und zwängten unserere mitunter massiven Körper durch ein schmales, rostiges Drehkreuz.

Jenner Park

Nach kurzer Inspektion der der zwei überdachte Sitzplatztribünen auf den Längsseiten, lockte Languste, Ole und mich sofort das Clubhaus hinter dem Tor, wo auf breiter Fensterfront das Spiel gemütlich verfolgt werden konnte. Mangels besserer Biere on tap genossen wir diverse Fosters und irgendwann turnte jemand vor uns rum, der Deutscher sein musste (Adidas Torsions, schwarze Jacke von The North Face…). Der Mitbürger kam aus Osnabrück und holte alsbald seinen Reisebegleiter, ebenfalls Osnabrücker, hinzu.

Nettes Clubhaus

Mit einer Mischung aus Abscheu und Mitleid lauschten wir ihren Ausführungen. Ihr VfL hatte am Vorabend in Bremen gastiert und im Anschluss sind sie nach London geflogen. Dann ging es nach Cardiff, wo sie um 3 Uhr am heutigen Morgen ankamen. Natürlich hatten sie kein Hotel und lungerten etliche Stunden bei Mc Donald’s rum. Morgens ging es wenigstens zum Duschen in ein Schwimmbad und dann weiter nach Barry, um diesen Fußballkracher zu sehen und den Länderpunkt Wales einzusacken. Sonntagmorgen um 3 Uhr stand die Rückfahrt nach London an und irgendwann Sonntagabend würden sie wieder zuhause sein.

Fassfrisches Fosters

Wir wirkten vielleicht zunächst etwas arrogant gegenüber unseren Landsleuten, aber nahmen sie doch recht freundlich unter unsere Fittiche. Denn immerhin waren ihre Erzählungen unterhaltsamer als das müde Gekicke auf dem Rasen, welches fast schon zwangsläufig mit 0:0 in die Pause ging. Im zweiten Durchgang wurde es etwas besser, denn Barry begann Druck zu machen und kam zu einigen Chancen. Irgendwann fielen gar die ersehnten Tore. In der 70.Minute erreichte eine präzise Flanke von der Grundlinie einen Stürmer am zweiten Pfosten, der den Ball volley ins Toreck nagelte. Eine Viertelstunde später konnte der Gästetorwart, nach zunächst starkem Reflex, im Nachschuss außerdem ein zweites Mal überwunden werden.

Lauwarm für lau

Nach Abpfiff plünderten wir noch das lauwarme Buffet des bescheidenen Club Dinners („But a bronco received as a gift you don’t look in the mouth“, wie diverse Mitreisende jetzt sagen würden) und ein paar Fritten und Chiliportionen später brachen wir mit unserem Osnabrücker Appendix zum Bahnhof auf. Für die dreißigminütige Rückfahrt kauften wir hannovertypisch noch drei Bier pro Person am Kiosk und in Cardiff trafen wir unsere Mitreisenden im Milf Pub wieder. Wir tauschten die Erlebnisse des Tages aus und diskutierten angeregt, ob bei Cardiff City der Länderpunkt Wales gemacht wurde oder nur der bereits vorhandene LP England bestätigt wurde. Knifflige Frage, die wohl nur das Hoppertribunal klären kann. Also Thema vertagt und ab ins Walkabout, um dort wieder einmal neue kultivierte walisische Damen kennenzulernen. Tief in der Nacht verlagerte sich ein weiterer legendärer Abend auf Cardiffs Straßen, die gepflastert mit Love & Desperation sind.

Unterwäsche wird überbewertet

Dann war auch schon wieder Sonntag. Der so genannte und berüchtigte Pub Sunday. Doch mit viel Überredungskunst schaffte ich es alle geschlossen für einen Ausflug zu begeistern. Aus seriösen Quellen (Instagram) wusste ich, dass meine ehemalige Traumfrau Carley aus Caerphilly zur Zeit im Urlaub in Marbella ist. Daher konnte ich ganz unbeschwert ohne Liebeskasper einen Zug besteigen und den Jungs das wundervolle Caerphilly Castle zeigen. Sehr praktisch: Man kann es sich gemütlich von der sonnigen Terrasse des Pubs The Court House bei Pints, Pies & Peas anschauen. Da macht sogar Olbert das Sightseeing Spaß und die Hitze und der Alkohol sorgten dafür, dass die Gespräche nicht zu intellektuell wurden.

Caerphilly Castle

Insgesamt versuchten wir in Caerphilly so gut es ging nur Englisch zu reden und dabei kamen dann so Perlen wie „Tell me nothing from the horse“, „I think I spider“ oder „I’ve lightly one sittting“ bei heraus. Eigentlich waren diese stumpfen 1:1-Übersetzungen von unseren typischen deutschen Redewendungen sowieso der Running Gag auf dieser Reise und teilweise wurden sie an sinnvollen Stellen auch in Gesprächen mit den Waliserinnen eingebracht. Doch die interessierten sich hauptsächlich für unsere German Rockets anstatt unsere Sprachkenntnisse.

Walisische Raketenforscherin

Als es in Caerphilly irgendwann zu regnen begann, musste selbstredend nochmal das Innere des Pubs begutachtet werden. Und ein Pub allein, macht natürlich noch keinen Pub Sunday. Dementsprechend wurde in Caerphilly auch noch im King’s Arms und im The Malcolm Uphill auf ein Pint (oder auch zwei) eingekehrt, ehe Cardiff uns wieder für sein Nachtleben gewinnen sollte. Denn heute war Karaoke im Milf Pub und aufgrund des morgigen freien Tages (Bank Holiday) einiges an Stimmung zu erwarten.

Party im Milf Pub

Der letzte freie Tisch wartete doch tatsächlich wie reserviert auf uns und nachdem wir diversen Oldies but Goldies gelauscht hatten, griff der Männerchor Asel und Umgebung ins Geschehen ein. Größtes Highlight sicher unsere Performance bei „Delilah“ von Tom Jones. „I saw the light on the night that passed by her window… I saw the flickering shadows of love on her blind… […] My, my, my, Delilah. Why, why, why, Delilah…“ Es ist immer noch in meinen Ohren. Der Saal tobte und alle wollten Selfies mit uns. Als ich dann begann Walisisch zu sprechen, wollten die jüngsten Damen mutmaßlich einen neuen Ehemann und die ältesten einen neuen Lieblingsenkel.

Missoula

Doch so gegen Mitternacht schließt auch der beste Pub und wir konnten auf keinen Fall schon ins Bett. Letzter Abend und so… Also nochmal Großangriff im Missoula, einem wirklich stilvollen Club mit maßvoll Alkohol genießenden Menschen. Ich gehe stark davon aus, dass ich mich dort schon wieder unsterblich verliebt habe und im Liebeswahn meinen deutschen Personalausweis weggeworfen habe. Weil wozu braucht man den, wenn man sowieso nie wieder ausreisen will und eh neue Papiere beantragen muss?

Cardiff Cats

Auf jeden Fall war das Dokument am Montag weg. Ziemlich blöd am Abreisetag keine Papiere mehr zu haben. Der Honorarkonsul in Cardiff war am Bank Holiday natürlich nicht zu erreichen und bei der Deutschen Botschaft in London ging leider auch niemand ran. Selbst bei der Notfall-Hotline unserer Diplomatischen Vertretung tat sich nichts. Als wäre der Anschluss tot. Also das Auswärtige Amt in Berlin angerufen und eine sehr hilfsbereite Mitarbeiterin an den Apparat bekommen, die meinte sie könne garantiert jemanden für mich erreichen in London, auch wenn die Botschaft offiziell nicht besetzt ist. Nach einer sehr langen Verbringung in der mit der „Ode an die Freude“ untermalten Warteschleife musste sie mich aber leider enttäuschen. Ich sagte ihr: „Ach wissen Sie, vielleicht ist das auch ein Zeichen. Dann beginne ich halt ein neues Leben in Großbritannien“ Sie meinte amüsiert, dass da ja auch nicht alles schlecht sei und wünschte mir auf jeden Fall meinen Humor nicht zu verlieren. Welchen Humor?

Bis bald, Queens Vaults Pub!

Ich muss sicher nicht extra erwähnen, dass alle relevanten Verlustorte abgeklappert und meine Sachen 96mal durchsucht wurden. Also blieb einem nichts weiter übrig als erstmal nach London zu fahren. Unterwegs habe ich mit meiner Gemeinde telefoniert, mit der Bundespolizei am Bremer Flughafen und immer wieder vergeblich versucht jemanden von der Botschaft zu erreichen. Denn im Prinzip sagten alle das Identische: Ab zur Polizei, danach mit der Verlustmeldung zur Botschaft und dann mit einem ausgestellten Reiseausweis aus Passersatz (RAP) nach Deutschland reisen. Doch das mit der Botschaft würde definitiv erst Dienstag was werden.

Es gab nun nur noch zwei Optionen:
1. Flug nicht antreten, Arbeitgeber über Abwesenheit am morgigen Tag informieren, Hotelzimmer nehmen, am nächsten Morgen in London die Behördengänge erledigen und dann einen neuen Flug buchen.
2. Irgendwie versuchen ohne Papiere in dieses verdammte Flugzeug zu kommen.

Da Variante 1 nach dem Scheitern von Variante 2 unverändert gegriffen hätte, war klar, dass Variante 2 wenigstens probiert werden muss. Also ab zum Flughafen und am Schalter von Ryanair war die Aussage, dass sie mich nicht befördern werden und ich erstmal zur Polizei und dann zu meiner Botschaft gehen soll. Da halfen auch meine Krankenkassenkarte mit Foto und meine acht mitreisenden Identitätszeugen nicht. Genauso wenig wie der Hinweis auf einen ergoogelten Artikel, wo Ryanair einen pensionierten Lehrer mit seiner ÖPNV-Monatskarte von Spanien nach England zurückfliegen ließ.

Kulinarischer Abschiedsgruss

Nun überlegte ich mich von meinen Freunden zu verabschieden und googelte nach einem günstigen Hotel (und natürlich nach Fußballspielen im Großraum London an diesem Abend). Aber andererseits, warum jetzt schon aufgeben? Noch war das Flugzeug nicht ohne mich abgehoben. Folglich sind wir zusammen durch die Sicherheitskontrolle und ich überlegte mir eine Strategie. Wichtig war auf jeden Fall der Support meiner Freunde. Klar, einen Aufstand am Flugsteig zu proben, hätte nichts gebracht. Aber selbstbewusst als Teil einer größeren Reisegruppe auftreten, könnte meiner zurechtgelegten Strategie zuträglich sein. Doch leichter gesagt als getan, denn je näher das Boarding rückte, desto nervöser wurde ich.

Beim Boarding legte ich dann meine Krankenkassenkarte vor und erntete nur ein ungläubiges „What’s this?“ von der Schalterdame. Ich erklärte ihr was es ist und dass ich gedenke mich damit auszuweisen, da ich gerade meinen Personalausweis (der BRD GmbH ;-)) verloren habe. Sie entgegnete: „We need a passport or an ID. Or otherwise a driving license.“ „Yes, i know, i’ve talked to the airline. But in this case, it’s okay, the’ve said. The German Embassy is closed today. So i’ve spoken to the German Authorities in Bremen and they’ve confirmed me, that in this case a driving license or a healthy service card is okay because of the picture and the official issuer. And Ryanair told me the same.“ Noch kurz auf das EU-Logo der Krankenkassenkarte gezeigt und schon hat sie ihren Vorgesetzten geholt. Dem hab ich das gleiche nochmal erzählt, plus dass wir in der Gruppe unterwegs sind und acht Leute meine Identität bestätigen können. Nun hat er auch nochmal telefoniert, mit wem auch immer, und nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, wünschte er mir einen guten Flug.

Spitzenreisedokument

Der Adrenalinspiegel senkte sich nun wieder rapide und wir waren alle ungläubig, dass das tatsächlich geklappt hat. Am meisten vielleicht sogar ich. Aber nun stand noch die Einreise in bremen bevor und bei der Passkontrolle folgte in etwa folgender Dialog nach Vorlage der Krankenkassenkarte: „Das ist kein Ausweis“ „Ja, den hab ich verloren.“ „Dann sehen sie zu, dass sie ihn finden. Er kann ja nicht weit gekommen sein“ „Nein, der ist definitiv in Großbritannien. Ich habe ihn da schon verloren.“ „Wie sind sie dann ausgereist?“ „Mit der Krankenkassenkarte.“ „Das ist nicht ihr Ernst!?“
Ich musste nun warten, bis die Passkontrolle insgesamt abgeschlossen war und wurde dann auf die Wache zur Identitätsfeststellung gebracht. Dort wurde ich über meinen Verstoß gegen die Einreisebestimmungen der Bundesrepublik Deutschland aufgeklärt, musste alle notwendigen Angaben zu meiner Person machen und Fingerabdrücke abgeben. Die Bundesrepublik achtet eben sehr genau darauf wer hier einreist. Zumindest auf bestimmten Routen.

Na ja, ohne Bürokratie geht es eben nicht (Danke Merkel!!!) und die Beamten waren wirklich sehr freundlich und bemüht das Thema so schnell wie möglich abzuschließen. Mein persönliches Highlight war, als ich meine Mobilfunknummer diktieren musste, die auf 1312 endet. „Oh, das ist aber leicht zu merken. Haben sie sich die selbst ausgesucht.“ „Nein, die hat mein Anbieter mir zugewiesen.“

Nach einer Stunde konnten sie mir endlich eine gute Weiterreise wünschen und zwei Stunden später lag ich tatsächlich im eigenen Bett und freute mich auf die Lauferei der nächsten Tage. Wirklich! Denn die ist ein Witz dagegen, was ich für einen Stress bei einer missglückten Ausreise gehabt hätte. Und der Bürokratiekram in der Heimat wäre trotzdem weiterhin auf mich zugekommen. Stattdessen wieder einmal unverschämtes Glück gehabt und die neuen Papiere halte ich hoffentlich rechtzeitig zum nächsten UK-Trip in den Händen.

Song of the Tour: Walisischer Karaoke-Klassiker.