Düsseldorf 05/2019

  • 18.05.2019
  • Fortuna Düsseldorf – HSV von 1896 2:1
  • 1.Bundesliga (I)
  • Multifunktionsarena Düsseldorf (Att: 50.000)

Zum Saisonende wollte ich unbedingt nochmal den Balkan beehren. Zielsetzung war den letzten Spieltag in Serbien, ergo die Meisterfeier vom FK Crvena zvezda mitzunehmen (19.Mai), sowie das Pokalfinale in Serbien (23.Mai) und am Ende noch den letzten Spieltag in Kroatien in Form das Krachers Dinamo Zagreb – Hajduk Split zu besuchen. Außerdem war unter der Woche das Sofioter Derby Levski – CSKA und ebenso Relegation in Serbien angesetzt. Es würde also eine pickepackevolle Fußballwoche werden.

Arenatourist

Doch zunächst hatte sich die Bundesliga ins Reiseprogramm gedrängelt. 96 sollte am letzten Spieltag in Düsseldorf gastieren und ich organisierte schon im Dezember eine ICE-Gruppenreise zu dem prognostizierten Abstiegsendspiel. Dass 96 in der Rückrunde noch bescheidener als in der Hinrunde punkten würde und die Fortuna schon weit vor Saisonende den Klassenerhalt feiern darf, konnte man kurz vor Weihnachten nicht absehen. Da waren die Teams noch auf Augenhöhe, ehe die Düsseldorfer u. a. in Hannover gewannen und sich mit einer bemerkenswerten Serie im Frühjahr ein komfortables Polster zur Abstiegszone erarbeiteten. Nun war die Fortuna am 34.Spieltag bereits gerettet und die Roten aus Hannover standen seit einer Woche endgültig als Absteiger fest (gefühlt aber schon seit zwei Monaten).

Mal wieder feuchtfröhlich unterwegs

Vielleicht lag es an dieser Konstellation, dass fünf von zehn Mitreisenden mittel- bis kurzfristig absagten. Vier von ihnen konnten sich die 40 € Fahrpreis von Nachrückern erstatten lassen, so dass wir am Spieltag um 7:31 Uhr immerhin zu neunt einen ICE bestiegen (darunter die Stammgäste Bene, Max, Languste und Krake). Mit Bier, Cider und Unmengen von Hubertustropfen wurden die 2,5 Stunden Fahrzeit feuchtfröhlich überbrückt. Konspirativ verließen wir bereits am Düsseldorfer Flughafen den Fernzug und fuhren mit einer S-Bahn nach Düsseldorf-Wehrhahn weiter.

Unterwegs in Düsseldorfs Altstadt

Als wir dort in der Sonne auf eine Straßenbahn in die Altstadt warteten, radelten plötzlich Szenetypen der Fortuna an uns vorbei und grüßten freundlich. Die waren wohl auf dem Weg zum Szenetreffpunkt für die groß angekündigte Fahrradkolonne zum Stadion anläßlich des letzten Spieltags. Entweder hielten die uns auch für Fortunen oder interpretierten die heutige Radtour als Friedensfahrt (Hannovers Ultraszene war übrigens auch zunächst unbehelligt in dreistelliger Anzahl in Düsseldorfs Innenstadt unterwegs, ehe die Polizei sich ihrer annahm).

Altbier

Wenig später in der Altstadt fühlte man sich dann permanent von mutmaßlich gewaltgeneigten Lokalmatadoren gemustert, aber manchmal ist das vielleicht auch einfach nur Paranoia. Denn ohne angequatscht oder angelungert zu werden erreichten wir sowohl das Brauhaus Zum Schlüssel, wo neben ein paar Rutschen Altbier auch das Mittagessen serviert wurde (u. a. Currywurst, Schnitzel oder Erbseneintopf), als auch im Anschluss das Rheinufer. Dort wiederum hatte die Sonne passenderweise ihr heutiges Maximum an Strahlkraft erreicht, so dass die hier gereichten Biere (diesmal Pils und kein Alt) besonders erfrischten.

Currywurst

Damit im Kasematten-Biergarten unterhalb der Pegeluhr keine Langeweile aufkommen konnte, machten wir ein paar Geschicklichkeitsspiele mit einer Geldmünze und einem Aschenbecher. Wer es bei einem rundenbasierten Wettkampf nicht schaffte die Münze von der Tischkante in den in der Tischmitte platzierten Aschenbecher zu schnipsen, durfte sein Portemonnaie für eine Runde Kurze zücken. Fazit: Diesen Killepitsch kann man auch ganz gut trinken.

Bier und Killepitsch

Außerdem bekamen wir noch Zuwachs durch einen Fan der Borussia aus Mönchengladbach aus unserer Heimat, der vor Dieter Heckings Abschiedsgala im Borussia-Park nochmal in Düsseldorf stoppte und uns bereitwillig eine Runde Killepitsch spendete. Ebenso lief uns noch die Harsumerin mit den mutmaßlich meisten Followern auf Instagram innerhalb der Gemeindegrenzen über den Weg. Die Welt ist eben ein (Düssel)Dorf!

Gevatter Rhein

Gegen 14 Uhr brachen wir schließlich gen Stadion auf. Sehr toll war dabei, dass offenbar irgend ein Spinner rund 4 km vor dem Ziel die Notbremse unserer Straßenbahn zog. Es ging gefühlt ewig nicht weiter und um die Reise zu Fuß fortzusetzen, war das Stadion noch zu weit entfernt. Nun erreichten wir nicht wie geplant 45 Minuten, sondern erst 15 Minuten vor Anpfiff die äußerlich unspektakuläre Arena am Messegelände. Versuchen wir es mal positiv zu formulieren; die Arena fügt sich gut in ihre Umgebung ein und könnte auch eine weitere Messehalle oder ein Parkhaus für die Messebesucher sein.

Die Arena von außen

Hier trennten sich jetzt auch die Wege von meinen mit Gästeblockkarten ausgestatteten Mitreisenden und mir. Denn ich finde in den Gästeblock gehören nur Leute, die die Mannschaft auch unterstützen wollen und nicht solche Picknickfans wie meiner einer. Ich gab fix noch mein Reisegepäck ab und flitzte anschließend so schnell es ging durch die Kontrolle. Lief immerhin so flüssig, dass ich 15:27 Uhr im Stadion war. Allerdings war mein Block zu weit entfernt, um dort pünktlich zum Pyrospektakel der hannoverschen Fanszene einzutrudeln. So ging ich also in den erstbesten Block der Heimkurve und schaute mir von dort schwarz-weiß-grüne Schwenfahnen, blinkende Pyrofackeln und Rauchschwaden in den Vereinsfarben an. Dazu war ein Banner gespannt, auf welchem „Egal wer kommt, egal wer geht, die Farben blüh’n, die Fahnen weh’n“ zu lesen war.

Temporär zu Gast in der Heimkurve

Kurz nach Spielbeginn wechselte ich in meinen etatmäßigen Eckblock 111 und versuchte von dort Spiel und Stimmung zu genießen. Die Gästefans hatten schon Bock heute, kann man nicht anders sagen. Die meisten Gesänge wurden recht geschlossen und laut vorgetragen. Große Pausen gab es auch nicht. Fortunas Fankurve servierte derweil über weite Strecken des Spiels nur Durchschnittskost.

Das Intro des 96-Anhangs

Ein paar Frotzeleien zwischen den Lagern gab es auch. Der Rheinländer an sich kann offenbar eine Tabelle lesen und brüllte den Gästen „Absteiger! Absteiger!“ entgegen. Der Empfänger dieser Botschaft suggerierte wiederum unterschwellig, dass in Düsseldorf ein dankbarer Markt für die Produkte eines Greises aus Großburgwedel herrschen könnte. Außer der Frage nach den Hintergründen der geringen Lautstärke der Fortuna-Fans, wurde außerdem opostuliert, dass man jene Fortunen totschlagen könnte, wenn man denn wollte.

Die Arena von innen

Das war eine Replik auf ein provokatives Banner in der Heimkurve. Jenes war im Stile der UH-Heimzaunfahne gehalten, doch anstatt „HANN *UH-Logo* OVER“ war dort „GAME *Mittelfinger* OVER“ zu erspähen. Der gemeine Düsseldorfer, der die Aktion nicht mitbekam oder nicht einordnen konnte, fragte sich nun, warum die Gäste aus Niedersachsen hier so eine Schärfe reinbringen mussten und freute sich über die Führung der F95-Equipe in der 56.Minute umso mehr. Rouwen Hennings hatte für seine Farben genetzt.

Ultras Düsseldorf

Ich fragte mich immer noch, wer eigentlich für Hennings in der 96-Defensive zuständig sein soll (er kam beim 1:0 völlig unbedrängt zum Schuss), als dieser Spieler in der 60.Minute gefährlich auf das Gästetor köpfen durfte. Samuel Sahin-Radlinger, dem die etatmäßige Nr. 1 Michael Esser heute aus Dank und Respekt den Vortritt ließ, konnte zwar parieren, jedoch landete der Ball nun auf dem Fuß von Ex-96er Kenan Karaman, der nur noch zum 2:0 einschieben musste. Dieser Doppelschlag wirkte wie eine Vorentscheidung.

Fahnenmeer im Gästeblock

Zum Glück stand ein weiterer Ex-96er (Hoffmann) bei seinem vermeintlichen Treffer in der 64.Minute im Abseits, so dass die Roten nochmal Morgenluft witterten und durch Nicolai Müller sogar noch zum Anschlusstreffer kamen (78.Minute). Es war, wie auch schon in den letzten Spielen, ein gewisses Bemühen der Doll-Elf zu erkennen. Doch Mühe allein, genügt halt leider nicht. Im Großen und Ganzen reciht es qualitativ einfach nicht für die 1.Bundesliga. Deshalb steigt man verdient ab. Vor der Saison hatte ich noch getippt, dass 96 mit seiner Trümmertruppe immerhin Nürnberg und Düsseldorf hinter sich lassen sollte, womit wenigstens der Relegationsplatz gesichert gewesen wäre. Und vielleicht hätte man sogar im Optimalfall ein, zwei weitere Teams hinter sich lassen können und somit die direkte Rettung geschafft.

Die Hintertortribüne im Norden

Doch der Optimalfall trat nicht ein. Stattdessen fielen wichtige Leistungsträger langfristig aus und der zweite Anzug war definitiv nicht bundesligatauglich. Martin Kinds Serie von Fehlentscheidungen hat 96 nun binnen kurzer Zeit zum zweiten Mal in die 2.Bundesliga geführt. Diesmal dürfte der Wiederaufstieg jedoch schwerer fallen, da eine komplett neue Mannschaft aufgebaut werden muss, es durch Kinds Misswirtschaft an finanziellen Mitteln dafür fehlt und außerdem noch ein neuer Trainer und ein neuer Sportdirektor gefunden werden müssen. Als entemotionalisierter 96-Hangaround freue ich mich allerdings auf ein paar nette Touren in der 2.Liga. Wären doch nur die Anstoßzeiten nicht so kacke…

Eine Abstiegself verabschiedet sich

Am heutigen Nachmittag schloss 96 das aktuelle Bundesligakapitel mit einer 2:1 Niederlage und die Spielzeit, welche man als Siebzehnter beendet, endet somit ohne Auswärtssieg. 21 Punkte in 34 Spielen und ein Torverhältnis von -40 lautet die abstiegswürdige Saisonbilanz. Doch stimmungstechnisch gelang zumindest nochmal ein Punktgewinn in Düsseldorf. Man könnte zwar bei ein paar Punkten Stilkritik äußern, aber um heute die lahme Düsseldorfer Kurve in den Schatten zu stellen, reichte das Gebotene des zahlreich angereisten Gästeanhangs.

Die Fortuna-Elf bedankt sich bei ihren Fans

Nach Abpfiff wäre nun eigentlich die Wiedervereinigung mit meinen Freunden angesagt gewesen. Doch wie es der Zufall so wollte, saß ich mit ein paar Ruch- bzw. Widzew-Leuten im Block. Die Jungs hatten gut getankt und grölten polnische Parolen durch den Block. Während die Fortunen um uns herum recht genervt davon waren, ständig Schlachtrufe von Ruch und Widzew ins Gesicht geschmettert zu bekommen, entglitt mir bei einer der Direktansprachen ein „Jebać ŁKS“. Da war er wieder, der Schleimer Snepanovic, der sich unbedingt anbiedern musste. Ich schiebe meinen Leichtsinn auf den eigenen Alkoholpegel, denn ich hatte nun natürlich die Büchse der Pandora geöffnet. Ich musste fortan mitsaufen und Rede und Antwort stehen. Da ich mit diversen Spielbesuchen bei Ruch und Widzew glänzen konnte, verziehen sie mir sogar meine Herkunft. Denn sie schienen zwar nicht wirklich mit Fortuna im Bunde zu sein, aber weil Ruch genau wie Teile der Fortunaszene mit der Ultraszene von Atlético de Madrid uniert ist, war 96 für sie heute eigentlich der Feind.

Unterwegs in Neuss

Nach dem Spiel sollte es für die Jungs nach Neuss gehen. Einen von der Truppe hatte es beruflich dorthin verschlagen und die anderen waren wohl aus Polen zu Besuch. Ich sollte nun unbedingt mit und wurde ins Taxi gebeten. Wenig später fand ich mich auf dem Marktplatz von Neuss wieder und schraubte mir Bier und Schnaps mit den sportlichen polnischen Jungs rein, die mir derweil Privatvideos zeigten, in welchen sie ihre Sportlichkeit u. a. gegen den Erzrivalen Górnik Zabrze unter Beweis stellten. Außerdem erfuhr ich aus erster Hand Details über die Revierkämpfe in Oberschlesiens Industrierevier. Zum Beispiel über die früheren Kämpfe im Katowicer Stadtteil Nikiszowiec, den ich jüngst besucht hatte und der heute fest in der Hand von Ruch ist. Ebenso ging es um Kämpfe in Bytom, Świętochłowice und Ruda Śląska.

Mein Bett für eine Nacht

Als es nach zwei Stunden Kneipenbummel in Neuss – wo übrigens bei polnischen Verhältnissen Fortuna Düsseldorf und Borussia Mönchengladbach um die Stadt kämpfen würden, denn deren Trikots dominierten gefühlt 50/50 das heutige Stadtbild (hatten beide Heimspiele heute) – zum Wodkakonsum in die Wohnung des Wahl-Neussers gehen sollte, schaffte ich zum Glück den Absprung und nahm gegen 20 Uhr einen Regionalzug nach Holzwickede. Erfreulicherweise galt die Fortuna-Eintrittskarte dabei als Fahrschein (der ganze riesige VRR wird damit an Spieltagen abgedeckt) und 21:38 Uhr war ich am Etappenziel. Dadurch hatte ich noch ausreichend Bettruhe im gebuchten Ibis Budget, ehe am nächsten Morgen vom Dortmunder Flughafen auf den Balkan gehen sollte.

Song of the Tour: Hätte ich mir Dorthes Worte zu Herzen genommen, wäre mir eine fantastische Balkantour entgangen.