Agadir & Essaouira 04/2018

  • 29.04.2018
  • Hassania US d’Agadir – Rapide Club de Oued-Zem 1:0
  • Botola Pro (I)
  • Stade d’Agadir (Att: 3.696)

Bei strahlendem Sonnenschein kamen wir am dritten Reisetag mit dem Bus aus Marrakesch in Agadir an. Sehnsüchtig erwartet von der Taxi-Mafia. Wir rechneten wieder mit Fantasiepreisen und lästigen Verhandlungen, doch der erstbeste Taxler rief 50 Dirham auf. 4,50 € für 5 km, da hätte man sich doch schämen müssen, wenn man noch handelt… Mit der Karre, die uns vor dem Busbahnhof erwartete, war allerdings auch kein Blumentopf zu gewinnen. So ein kleiner Peugeot von geschätzt 1980. Als ich die Tür schloss, dachte ich, die Karre fällt auseinander. Ich wollte mich nun anschnallen, doch das fasste der Fahrer als persönliche Beleidigung auf. Also lieber Finger weg vom Gurt und los ging die wilde Fahrt. Die Kiste hatte noch einige Tricks auf Lager, zum Beispiel den Turboboost beim Beschleunigen, der den gesamten Beifahrersitz um circa 30 Grad nach hinten kippen ließ. Deshalb versuchte der Fahrer auch das Bremsen und Beschleunigen zu vermeiden und sah Rote Ampeln nur als Empfehlung an.

Extra für uns

Zielsicher steuerte er das Hotel Tildi (****) an, wo wir landestypisch mit Pfefferminztee begrüßt wurden. Nach dem Check-In inspizierten wir noch kurz der Poolbereich und das Fitnesscenter des Hotels, doch dann ging es erstmal zum Atlantikstrand, welcher keine fünf Gehminuten entfernt war. Bei der Idee sich der T-Shirts zu entledigen, warf ich ein, dass in einem muslimischen Land auch die Männer nicht viel Haut zeigen. Einwand vorerst angenommen, jedoch mit dem Zusatz „Wenn hier doch welche oberkörperfrei rumlaufen, sind die T-Shirts sofort aus“ versehen. Wenig später sahen wir in der Tat ein paar Typen nur in Shorts, doch als ich auf dem zweiten Blick sah, dass es nur 10 bis 12jährige Kinder handelte, war es bereits zu spät. Fortan hatte ich die zwei einzigen oberkörperfreien erwachsenen Menschen auf Agadirs Strandpromenade an meiner Seite.

Agadir Beach

Wer sich hier übrigens sonnen oder in die Fluten des Atlantik stürzen will, wird beim Blick ans Nordende des Strands immer daran erinnert welche Werte in Marokko zählen. Am Hang des Hausberges von Agadir steht es riesig geschrieben: „Allah, el Watan, el Malik“. Gott, das Vaterland und der König thronen über allem. Im Schatten dieser Botschaft dominieren allerdings Vergnügen und Völlerei die nette Strandpromenade. Die großzügigen Sandstrände werden ergänzt von zahlreichen Bars, Restaurants und einem kleinen Vergnügungspark mit Riesenrad. Außerdem gibt es öffentliche Fitnessgeräte für die Ertüchtigung der Strandbesucher.

Der Kampfkoloss von Agadir

Nachdem wir dort ein wenig gepumpt hatten, fanden wir ein kühles Bier als Belohnung mehr als angebracht. Im La Brasserie gab es marokkanisches Flag (von uns liebevoll Flugabwehrgerstensaft getauft) für 40 Dirham pro 50 cl. Marrakesch war zumindest in der Medina auf den ersten Blick trocken wie die Sahara gewesen (vor den Toren der Altstadt ist Alkohol jedoch in Bars und Clubs verfügbar), doch in Agadir gab es eine flächendeckende Alkoholversorgung für Touristen. Ob an den Bars der Promenade oder in den Supermärkten (z. B. Uniprix und Carrefour), der westliche Tourist soll nicht auf seinen geliebten Alkohol verzichten müssen.

Marokkanischer Biergenuss

Nach dem Biergenuss kauften wir noch bei einem Kiosk Wasser, ehe wir uns in Richtung Stadion orientierten. Ich war eine Minute früher als der Abt am Kiosk und musste nur 8 Dirham für 1,5 l Wasser zahlen, während der Abt für 1,5 l Wasser und eine Tüte Chips 50 Dirham zahlen musste. Da die Chips wohl kaum umgerechnet 4 € gekostet haben, wird es vielleicht daran gelegen haben, dass ich auf Französisch eingekauft habe und er auf Englisch. Insgesamt bringt einen Französisch in Marokko ziemlich voran. Taxifahrer, Kellner, Kioskbetreiber etc. können nicht so tun, als würden sie dich nicht verstehen oder hätten etwas ganz anderes mit dir abgesprochen. Hätte Madame Pihet mir damals versprochen, dass ich mit Französisch mal viel Geld sparen kann, hätte ich mich bestimmt mehr angestrengt und neben Englisch noch eine weitere Fremdsprache mit Maximalpunktzahl im Abschlusszeugnis stehen gehabt.

Klassische Architektur Agadirs

Auch beim Taxifahren wollte ich nicht über den Tisch gezogen werden. Der erstbeste Taxifahrer wollte 100 Dirham für die Fahrt zum Stadion haben. Ich log, dass die gleiche Strecke letztes Jahr nur 60 Dirham gekostet hat. Merke: Der Touri kann also Französisch und ist nicht zum ersten Mal hier. „Ah ja, 60 Dirham geht auch, aber mit einem anderen Taxi als mit meiner Limousine.“ Dazu müsse er nur den Fahrer vom Gebet wegholen. Gesagt, getan und ein kleiner Mann mit kleinem Taxi fuhr uns die 8 km zum Stadion. Der ließ zur Sicherheit das Taxameter laufen, weil er sich selbst nicht sicher war, ob man mit 60 Dirham hinkommt. Kurz vor’m Stadion war das Taxameter allerdings erst bei etwas über 30 Dirham und plötzlich ausgeschaltet. Uns egal, er bekam sogar 70 Dirham und sollte uns nach Abpfiff wieder am Eingang abholen.

Grand Stade d’Agadir

Wir schritten zum Eingang, wurden jedoch an Kassenhäuschen irgendwo außerhalb des Stadiongeländes verwiesen. Och nö, bevor wir die suchen, zücken wir lieber unsere Presseausweise. Ein junger Mann zauberte uns schnell personalisierte Akkreditierungen und mit dem Fahrstuhl der Haupttribüne ging es in den großzügigen Pressebereich. In Anbetracht der uns schon den ganzen Nachmittag über fleißig bräunenden bzw. rötenden Sonne, waren Plätze im Schatten des Tribünendaches gar nicht schlecht. Das Spiel lief allerdings bereits seit fünf Minuten und wir hatten ärgerlicherweise das 1:0 der Hausherren verpasst.

Akkreditierung in Agadir

Es handelte sich um ein weiteres topmodernes Stadion und wurde, wie das Pendant in Marrakesch, international bereits durch den FIFA Club World Cup 2013 und die CAF African Nations Championship 2018 erprobt. Leider war auch dieses Spiel schwach besucht. Nicht mal 10 % der 45.000 Zuschauerplätze waren besetzt, aber es existierten immerhin zwei Fanblöcke auf der Heimseite und ein paar Gästefans waren ebenfalls angereist. Agadirs Hauptgruppe heißt Imazighen und versammelt sich in der Kurve unter der Anzeigetafel. Imazighen ist die Eigenbezeichnung der Berber in ihrer Sprache und heißt so viel wie freier Mensch. Etliche blau-grün-gelbe Fahnen, die inoffizielle Fahne der Berber-Nation, untermalten das Bekenntnis zur Ethnie.

Weitgehende Leere

Die zweite, deutlich kleiner wirkende Gruppe namens Red Rebels hatte dagegen keine Insignien des Berbertums parat. Sie hatten sich hinter einem großen Banner mit der Aufschrift „Make Agadir Great Again“ auf der Gegengerade, Höhe Mittellinie, versammelt. Die Ultragruppe der Gästefans heißt Martyrs und war immerhin mit ein paar Dutzend Leuten und Trommeln angereist, so dass man gelegentlich auch sie wahrnehmen konnte. Bei 500 km Distanz zwischen den Städten, hatten wir übrigens mit 0 Gästen gerechnet.

Heimkurve

Viel zu lachen hatten Gästefans und -mannschaft dagegen nicht. Unter anderem bekamen sie einen klaren Strafstoß in der 1.Halbzeit nicht zugesprochen. Auch in der 2.Halbzeit waren sie vom Pech verfolgt. In der 50.Minute wurde ein Gästefreistoß aus 22 Metern vom Heimkeeper aus dem Torwinkel gefischt. Drei Minuten später wurde ein Tor für RCOZ nicht gegeben, weil der Ball vorher im Aus war. Und in der 54.Minute hätten sie beinahe ein Eigentor von HUSA provoziert, doch der Verteidiger setzte seinen unglücklichen Klärungsversuch Millimeter neben den eigenen Kasten.

Make Agadir Great Again

Der Berberfanblock versuchte inzwischen die verunsicherte eigene Mannschaft mit etwas Pyrotechnik zu pushen, während die „Make Agadir Great Again“-Fraktion die Halbzeitpause um gute 20 Minuten erweiterte (der Pausentee schmeckte wohl zu gut). Denn es war ein wichtiges Spiel! HUSA war bisher eigentlich auf Meisterschaftskurs, doch blieb zuletzt sechs Spiele in Serie sieglos (eine Niederlage, fünf Remis). Nun war man auf Platz 3 abgerutscht und wollte mit einem Heimsieg wieder in die Spur finden und erneut die Spitze angreifen.

Pyro bei den Imazighen

Dafür, dass hier ein Spitzenteam vorspielte, waren wir vom Zuschauerzuspruch etwas enttäuscht. Aber nun gut, Bilder und Videos aus Casablanca, Rabat oder Tanger verklären den Blick auf die marokkanische Szene vielleicht etwas. Hier in Agadir kommen auch 30.000, wenn beispielsweise einer der Clubs aus Casablanca zu Gast ist und allein schon 15.000 Fans mobilisiert. Dann blühen ebenfalls die Heimszenen auf und machen Choreos in ihren gut gefüllten Kurven. Doch so unspektakuläre Kicks wie gestern in Marrakesch und heute in Agadir, locken nur überschaubare, wenn auch lautstarke und engagierte Fanmobs bei den kleinen Clubs an.

Die Gästefans aus Oued-Zem

Im letzten Drittel kam HUSA noch zu zwei guten Chancen (61.Minute wurde ein Flugkopfball von der Linie gekratzt und 69.Minute ging ein Kopfball nach Eckstoß knapp neben das Tor) und RCOZ prüfte in der 76.Minute ein letztes Mal die Hausherren mit einem gefährlich abgefälschten Schuss. Dann war auf beiden Seiten das Pulver verschossen und HUSA kam zu einem schmeichelhaften Sieg. Ein Unentschieden wäre dem Spielverlauf gerechter geworden. Wenn ich mir dieses eine Spiel und die Ergebnisse der letzten Wochen angucke, frage ich mich schon wie Agadir so weit oben stehen kann. Aber vielleicht fehlen ein paar Leistungsträger seit Wochen oder sie hatten einfach lange Zeit einen Lauf? So sehr, um das genauer zu ergründen, interessierte es uns jedoch nicht.

HUSA vs. RCOZ 1:0

Nach Spielschluss schenkten wir uns die Pressekonferenz und rechneten damit, dass der Taxifahrer wie vereinbart um 20 Uhr am Stadiontor steht. Entweder kam ihm Gebet Nr. 5 des Tages in die Quere oder der wollte sich tatsächlich ein lukratives Geschäft entgehen lassen. Vom Stadion marschierten wir nun die 1,7 km zum Stadtrand Agadirs und wollten uns dort ein Taxi stoppen. Kurz vor unserem Etappenziel kam der Kutscher der Hinfahrt doch noch an uns vorbeigerauscht. Der Marokkaner und seine akademische Viertelstunde…

Abschied vom Stadion in der Abendsonne

Wir ließen uns nun zum Restaurant Chiche Kebab ins Stadtzentrum bringen. Freund Taxler bekam 50 Dirham für seine Dienste, erdreistete sich aber mehr zu fordern. Wir hätten doch 60 Dirham vereinbart gehabt. „Du hast schon auf dem Hinweg 10 Taler mehr bekommen und wir sind eben ein Viertel der Strecke gelaufen. Wegen deiner Inschallah-Mentalität!“ Hat er eingesehen, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt, wird er zuvor gedacht haben.

Shawarma satt

Im Lokal gab es nun für weitere 50 Dirham einen sehr großen Shawarma-Teller mit Pommes, Salat, Brot und diversen Saucen. Und der ganze Kram war auch noch saulecker. Beste Empfehlung für diese anscheinend besonders bei Einheimischen beliebte Lokalität. Mit Getränken und etwas Trinkgeld waren wir am Ende jeder 60 Dirham (5,50 €) los. In Sachen Ambiente nichts zum Verweilen, aber um schmackhaft und preiswert den Hunger zu stillen, war der Laden ideal.

Gott, Vaterland & König

Nach dem Abendessen spazierten wir nochmal runter zum Strand. Der arabische Schriftzug auf dem Hausberg von Agadir war nun hell erleuchtet. Ebenso war das Riesenrad nett illuminiert. Hier und da gab es Live-Musik, aber auf eine Party mit französischen Touristen hatten wir nach dem langen Tag keine Lust. Ein Feierabendbier musste natürlich trotzdem her und dazu ließen wir uns in ein indisches Restaurant locken. Beim Anpreisen der köstlichen Speisen auf der Straße haben wir natürlich abgewunken, aber als der Marketing-Profi nun fassfrisches Bier als Alternative ins Spiel brachte, ließen wir uns von dem Werber an einen Tisch führen. Nach 50 cl Casablanca Beer für ungefähr 3,50 € ging es noch zum Strandkiosk, wo wir Milch für unseren Licor 43 (Sorte Orochata) erwarben (die letzte Pulle Schluck aus dem Flieger). Orochata ist die sicher dem einen oder anderen Valencia-Auswärtsfahrer bekannte valencianische Mandelmilch und dieser Likör war 50/50 mit Frischmilch gemischt ein sehr leckerer Longdrink. Schmeckte halt wie Orochata, nur mit Umdrehungen.

Riesenrad bei Nacht

Am nächsten Morgen erwartete uns ein Top-Frühstücksbuffet mit Brot und Aufschnitt, süßem Gebäck, Salat- und Antipasti-Bar, Joghurt, Müsli, frisch gebrutzelten Omelettes und marokkanischem Pfannenbrot. Notiz an mich: In Kirschtomaten nur im geschlossenen Mund reinbeißen. War nicht so klug mit einem weißen Polo am Oberkörper. Der Spott der anderen war berechtigt, aber als um 10 Uhr das Buffet endete, bekam ich doch wieder zumindest gegenüber Ole etwas Oberwasser. Denn als ich kurz nach Toreschluss mit einem weiteren Omelette an den Tisch zurückkam, machte Ole große Augen. „Hä, die meinte gerade zu mir ‚Sorry, it’s finished‘!?“ Lag wohl bei mir am Bestellvorgang auf Französisch und einem Lächeln dabei.

Omelette und marokkanisches Pfannenbrot

Ole und Abto legten sich nun ein paar Minuten in die Sonne, während ich oben im Zimmer mein Poloshirt mühsam von den Kirschtomatenflecken befreite. Aufgrund minimaler Gepäckgrösse (Hipster-Turnbeutel) hatte ich nämlich keine Kleidungsreserven einkalkuliert. Mit Seife und einer Bürste bekam ich tatsächlich das Gröbste der Flecken aus meinem Shirt heraus. Also konnte es frohen Mutes zum zentralen Taxiplatz im Stadtteil Battoir gehen. Die 3 km wurden natürlich auch schon mittels Taxi absolviert und kosteten mit Taxameter 12 Dirham. Scheisse, und wir dachten gestern 50 Dirham für 5 km wären fair gewesen.

Loubnan-Moschee im neomaurischen Stil

Als drei Europäer den Platz betraten, weckte das natürlich das Interesse der bis dato gelangweilt lungernden Taximeute. 600 Dirham wurden nach Essaouira vom schnellsten Entdecker unserer Gruppe aufgerufen und die Verhandlungen begannen. Alte arabische Feilschregel; bei der Hälfte einsteigen und dann in der Mitte treffen. Auf dem Weg dorthin möglichst gestenreich agieren (abwinken, weggehen) und stichhaltige Argumente vorbringen. Er: „Super Auto, Klimaanlage, sehr schnell“. Wir: „CTM kostet nur 70 Dirham pro Mann. Dann müssen wir halt Bus fahren. Ne Stunde länger ist uns die Ersparnis wert“. Als wir auch bei 500 Dirham nicht einschlugen und wieder ein paar Schritte Richtung Ausfahrt machten, lenkte unser Verhandlungspartner ein. „Los, steigt ein, ich fahr‘ euch für 450!“

Unterwegs an Marokkos Atlantikküste

Für 180 km, für die aufgrund der Strecke (fast ausschließlich eine kurvenreiche zweispurige Nationalstraße im Gebirge) drei Stunden Fahrzeit gebraucht wurden, waren 40 € sicher äußerst angemessen. Zumal der Liter Benzin in Marokko rund einen Euro kostet und die Spritkosten für Hin- und Rückfahrt wohl Pi mal Daumen 30 € betragen haben. Uns war ziemlich klar, dass der Fahrer auf jeden Fall versuchen wird uns für die Rückfahrt zu gewinnen. Dann würde er doch noch eine anständige Marie erwirtschaften und sich die blöde Leerfahrt ersparen. Nach rund 50 Kilometern und einigen Fremdenführer-Beiträgen seinerseits, so wie einem Fotostopp auf einer Klippe, kam das erwartete Angebot. „Ich warte drei oder vier Stunden ohne Aufschlag auf euch und fahre euch dann für insgesamt 900 Dirham auch noch zurück.“ Mit „Wir überlegen es uns“ wurde er bis zur Ankunft in Essaouria vertröstet.

Willkommen in Essaouira

Am Ziel erhielt er schließlich unsere Zusage für die Rückfahrt und entließ uns ohne 450 Dirham Anzahlung ins Getümmel der Medina von Essaouira (uns kann man schließlich vertrauen). Diese Altstadt ist seit 2001 UNESCO Welterbe und das völlig zurecht. Sie ist nämlich ein herausragendes und vor allem nahezu komplett erhaltenes Beispiel einer Festungsstadt in Nordafrika. In der Antike hatten Phönizier hier bereits einen Handelsposten errichtet und wurden von den Karthagern, Römern, Vandalen und Mauren als Herren über diesen Ort beerbt. Im 15.Jahrhundert eroberten schließlich die Portugiesen zahlreiche Hafenstädte an Marokkos Küste und errichteten im heutigen Essaouira die Festung Mogador.

Hafenfestung Mogador

Der Bau von Mogador wurde 1506 unter Dom Manuel I de Portugal abgeschlossen. Die manuelische Architektur (eine portugiesische Sonderform der Spätgotik, benannt nach Dom Manuel I) war bei der Festung klar erkennbar, wenn natürlich bei diesem strategischen Außenposten der funktionale Charakter Vorrang vor dem Repräsentativen hatte. Sprich, so schön wie beim Torre de Belém in Lissabon sah das hier selbstredend nicht aus. Aber es war mit den markanten Ecktürmen, den alten Kanonen und den zahlreichen blauen Fischerbooten, deren Bau bzw. Restauration man hier nebenbei auch beiwohnen konnte, ein toller Touri-Spot.

Festungskanonen auf’s Meer gerichtet

Hier in Marokko nahm Portugals große Kolonialgeschichte ihren Anfang. Doch was führte das kleine Königreich Portugal im 15.Jahrhundert an die Küste Nordafrikas? Die Angst, mit meinen kommenden Ausführungen zu weit in die Tiefe zu gehen, schreibt jetzt natürlich mit. Jedoch dürfte es aufmerksamen Lesern nicht entgangen sein, dass Portugals Geschichte zu meinen Steckenpferden gehört. Und ich kann nun mal nicht aus meiner Historikerhaut. Daher nun ein Blick zurück in die Zeit der großen Entdeckungen, als Portugal die Weltmeere beherrschte und sich das weitere Schicksal des Königreichs auf marokkanischem Boden entschied.

Blick von der Festung zur Altstadt

Mit der vollständigen Befreiung der Algarve von den Mauren (1251) hatte das 1139 ausgerufene Königreich Portugal im Wesentlichen seine noch heute bestehende territoriale Ausdehnung auf der iberischen Halbinsel erreicht. Die Reconquista war abgeschlossen. Allerdings konnte Portugal sich im folgenden Jahrhundert nicht ausreichend selbst versorgen und war auf Getreideimporte aus u. a. Marokko (der Kornkammer Nordafrikas) angewiesen. Auch Edelmetalle, Eisen, Textilien u. v. m. mussten importiert werden. Insgesamt wies die portugiesische Wirtschaft im 14. und frühen 15.Jahrhundert ein großes Defizit in der Handelsbilanz aus. Wirtschaftliche Zwänge trieben demnach Portugal raus auf die See.

Hinein in die Medina

1415 eroberte Portugal unter Dom João I die Stadt Ceuta in Nordmarokko, damals wichtigster Hafen des Landes. König Dom Joãos Sohn Infante Dom Henrique (besser bekannt als Heinrich der Seefahrer) entpuppte sich in den folgenden Jahren als großer Förderer der Seefahrt. Portugiesische Seefahrer (wieder)entdeckten Madeira (1419) und die Azoren (1427) und das Königreich nahm beide Inselgruppen in Besitz. Derweil drangen die Seefahrer an Afrikas Küste immer weiter nach Süden vor und schufen präzise Seekarten. Ziel war den Seeweg nach Indien zu entdecken und den Gewürzhandel nach Europa, an den Arabern vorbei (die ihn auf dem Landweg kontrollierten), unter portugiesische Kontrolle zu bringen.

Entlang der Stadtmauer

Mitte des 15.Jahrhunderts kam Dom Afonso V (Beiname: O Africano) auf den Thron und dieser trieb die Eroberungen in Marokko weiter voran. Mit Häfen wie Essaouira, oder auch Safi und Agadir, hatten die Entdecker Nachschubdepots an der afrikanischen Küste erhalten. 1488 umsegelten Portugiesen erstmals das Kap der Guten Hoffnung (Kapitän Bartolomeu Dias) und 10 Jahre später erreichte Vasco da Gama Indien über den Seeweg. Auch westwärts waren die Portugiesen nicht untätig. Bereits 1473 war ein dänisch-portugiesisches Joint Venture mit dem portugiesischen Kapitän João Vaz Corte-Real und dem in dänischen Diensten stehenden Kapitän und gebürtigen Hildesheimer Didrik Pining höchstwahrscheinlich bis an die nordamerikanische Küste vorgestoßen. Außerdem betrat 1500 mit Pedro Álvares Cabral erstmals ein Europäer brasilianischen Boden und nahm einen Küstenstreifen für Portugal in Besitz.

Bunte Farben in engen Gassen

In Marokko wurde derweil die Präsenz Portugals ausgebaut. Die Algarve ultramar (Algarve jenseits des Meeres) wurde quasi eine Überseeprovinz des Mutterlandes. Dom João III (König von 1521 bis 1557) schuf mit der Inbesitznahme von ganz Brasilien, den meisten Küsten Afrikas, den Gewürzinseln der Molukken und Stützpunkten wie Mascat (Oman), Goa (Indien) und Macau (China) ein portugiesisches Weltreich. Doch in Marokko, also vor der eigenen Haustür, waren die portugiesischen Besitzungen durch die Mauren dauerhaft bedroht und die Algarve ultramar war bis Mitte des 16.Jahrhunderts wieder auf wenige Stützpunkte geschrumpft. Der nächste König wollte dies ändern.

Im Herzen der Medina

Dom Sebastião I folgte 1557 als Dreijähriger seinem Großvater Dom João III auf dem Thron. 1568 wurde er für mündig erklärt, übernahm die Regierungsgeschäfte und war versessen davon Portugals mittelalterlicher Reconquista ein neues Kapital hinzufügen. Schon unter João III gab es Kreuzzugsideen. Da man sich im Jemen und Oman festgesetzt hatte, überlegte man von dort aus Mekka zu erobern, um es gegen Jerusalem einzutauschen. Doch jene Stützpunkte waren mittlerweile, wie auch fast ganz Nordafrika, an die Osmanen gefallen. Sebastião träumte jetzt davon erst Marokko zu erobern und dann einen Kreuzzug durch ganz Nordafrika bis nach Jerusalem zu führen. Bis 1578 führte er mehrere kleinere erfolgreiche militärische Operationen an Marokkos Küste durch, die ihn ermutigten die neue dort herrschende Dynastie der Saadier herauszufordern.

Man wähnt sich architektonisch teilweise an der Algarve

Am 24.Juni 1578 segelte Sebastiãos Heer nach Arzila (im portugiesisch besetzen Teil Marokkos) und verbündete sich mit den marokkanischen Truppen eines Prätendenten des Sultansthron namens Abu Abdallah al-Mutawakkil. Dessen Onkel Abu Marwan war der amtierende Saadier-Sultan und dieser zeigte sich auf die Rebellion gut vorbereitet. Am 4.August 1578 kam es zur Schlacht bei Alcácer-Quibir und 17.000 Portugiesen, 2.000 europäische Söldner und 6.000 marokkanische Rebellen mussten sich 25.000 Marokkanern des Sultans und 15.000 osmanischen Janitscharen geschlagen gegeben. Sebastião starb in der Schlacht und fast das gesamte Angriffsheer fiel oder ging in Gefangenschaft.

Bunte Keramik im Souk

Diese Schlacht gilt als großer Wendepunkt in Portugals Geschichte, denn die Folgen waren verheerend. Die Besitzungen in Marokko schrumpften nach der Niederlage auf ein Minimum von Stützpunkten. Die Blüte des Adels war gefallen oder in marokkanischer Gefangenschaft. Das Freikaufen zahlreicher Adliger ruinierte die Staatsfinanzen. Der Verlust von 500 Schiffen in diesem Feldzug schwächte die Flotte nachhaltig und machte den weiteren Ausbau des Kolonialreichs unmöglich. Und zu allem Überfluss hatte Dom Sebastião (24jährig verstorben) noch keinen Thronfolger gezeugt. Sein Onkel Henrique, der bereits während Sebastiãos Kindheit Regent war, folgte auf dem Thron. Doch dieser König, der eigentlich katholischer Kardinal von Lissabon war, war auch ehe- und kinderlos geblieben. Die Linie Avis erlosch und der portugiesische Thron fiel nach Henriques Tod für 60 Jahre ausgerechnet an den kolonialen Konkurrenten Spanien. Nach Portugals Restauration behielt Spanien übrigens die portugiesischen Besitzungen in Marokko, weshalb Ceuta heute keine portugiesische, sondern eine spanische Exklave in Nordafrika ist.

Altstadtbummel

Doch nun zurück in die Gegenwart. Auch wenn sich Portugals Herrschaft über Essaouira nur über wenige Jahrzehnte erstreckte, wirkt die Altstadt irgendwie stark portugiesisch. Nicht nur die Festung Mogador, sondern auch die weißen Häuser könnten problemlos auch an der Algarve stehen. Dazu sind die Straßen in der Medina symmetrisch angeordnet. Auch total untypisch für Marokko. Essaouira war wirklich ein starker Kontrast zu Marrakesch. Beide Städte sind wunderschön, doch Marrakesch wirkt wie aus 1001 Nacht, während Essaouira wie angedeutet sehr mediterran ausschaut. Natürlich bummelten wir ein wenig durch den Souk, ließen uns von Möwen vollscheissen und von Krämern volllabern.

Tajine mit Tomate, Hack und Ei

Um den aufgekeimenden Appetit nach einer warmen Mahlzeit zu stillen und unsere Kleidung nicht nur grob vom Möwenkot zu befreien (wenigstens fiel weiße Scheisse auf weißem Untergrund nicht so auf), hielten wir fortan Ausschau nach einer gastronomischen Einkehrmöglichkeit. Allerdings war uns das Preisniveau in der Medina zu hoch (Hauptgerichte knapp 10 €, Vorspeisen circa 4 €, Getränke um die 2 €). Deshalb verließen wir die Altstadt durch das nördliche Tor Bab Doukkala und schlenderten die tourifreie Avenue Al Massira Al Khadra entlang. Am Ende tauchten mehrere Imbisse auf und der höchstfrequentierte bekam den Zuschlag. Pizzeria Adam schien der Name zu sein. Wir gönnten uns frischgepressten Orangensaft und Tajine mit Tomate, Ei und Hackbällchen als ersten Gang. Darauf folgten Shawarma bzw. alternativ kleine Fleischspieße. Außerdem gab es zuvor eine große Schüssel Fritten als „Gruß aus der Fritteuse“ gratis und zum Essen natürlich Brot ohne Ende.

Kleine Fleischplatte

125 Dirham war der Gesamtpreis für unsere je zwei Gänge und die Getränke. Also gerade mal so ungefähr 3,96 € pro Person. Marokko halt wieder abseits von den Touri-Konditionen und stattdessen der lokalen Kaufkraft angepasst. Jedoch obacht, man kann sich bei solchen Buden als Europäer auch schnell mal Durchfall holen. Ist uns aber, wie bisher immer, erspart geblieben. Wir heißen schließlich nicht Schirm oder Gulle.

Marokkanische Beach Boys

Nach dem Essen setzten wir unseren Spaziergang nochmal fort und erschlossen uns den fehlenden Rest der Medina. Am Ende blieb noch eine halbe Stunde bis zur vereinbarten Abfahrtszeit. Wir beschlossen noch einen Minztee in einer Strandbar zu trinken (ja, Essaouira hat auch einen tollen und ausgedehnten Sandstrand zu bieten). Eine Kanne a. k. a. drei Gläser Tee kostete 1 € und die aufmarschierenden Musiker gaben sich mit einem Dirham Trinkgeld für ihre Darbietung zufrieden.

Unterwegs zwischen Essaouira und Agadir

Dann war Abfahrt und unser Taxifahrer freute sich mit uns, dass uns der Ausflug so gut gefallen hat. Mit Tempo bretterten wir nun wieder durch das Küstengebirge. Eine zeitlang erinnerte mich die Gegend landschaftlich an das portugiesische Alentejo. Nur bergiger und anstatt Korkeichen stehen hier überall Argan-Bäume rum. Beim Surfer-Ort Imsouane stoppten wir schließlich nochmal für Fotos. Die Sonne stand mittlerweile tief über dem Atlantik und es sah ganz gut aus, dass wir zum Sonnenuntergang wieder in Agadir sein würden. Wir hatten nämlich mit dem Taxifahrer vereinbart, dass er uns ohne Aufpreis zu den Ruinen von Agadirs Kasbah hochfährt. Von dort wollten wir in exponierter Lage den Sonnenuntergang verfolgen.

Aussichtspunkt bei Imsouane

In der Tat erreichten wir pünktlich die Ruinen der Kasbah. Agadir war eine portugiesische Stadtgründung (1505 als Santa Cruz do Cabo de Aguer), die allerdings bereits 1541 an die Saadier fiel. Diese bauten auf einem 240 Meter hohen Berg (jenem an dem „Allah, el Watan, el Malik“ geschrieben steht) die Kasbah, deren massive Mauern das schreckliche Erdbeben von 1960 überstanden, welches über 10.000 Menschenleben forderte und 96 % der Bausubstanz Agadirs zerstörte.

Agadirs Kasbah

Vom Berg schaute man nun auf eine moderne Stadt, deren Wiederaufbau in den 1960er Jahren von vielen Nationen unterstützt wurde. Unser Hotel Tildi befand sich zum Beispiel im Schweizer Viertel, welches von Schweizer Archtitekten entworfen und mit Schweizer Kapital und Know How gebaut wurde. Diese weiße Stadt zu unseren Füßen, in der über 400.000 Menschen leben sollen, erinnerte mich optisch ein wenig an Tel Aviv. Nur ohne Wolkenkratzer und ohne historische Altstadt (diesbezüglich hat das moderne Tel Aviv bekanntlich Jaffa zu bieten).

Ausblick auf Agadir

Die Sonne verschwand dann alsbald hinter dem Horizont und wir stellten fest, dass die Kasbah auch ein beliebter Platz für junge Liebespaare ist. Nicht nur ist so ein Sonnenuntergang dort oben ganz romantisch, sondern in einer konservativ-islamisch geprägten Gesellschaft kann man hier Zärtlichkeiten vor der Hochzeit austauschen. Klar, Marokko ist nicht Saudi-Arabien, aber als unverheirates Paar Küssen, Ausgehen oder öffentlich Händchen halten ist gesellschaftlich nicht sonderlich akzeptiert. Da düst man eben mit dem Roller zur Festung rauf und knutscht in einer Nische der Mauer. Halbwegs geschützt vor neugierigen Blicken und in sicherer Distanz zu den Elternhäusern.

Sonnenuntergang über Agadir

Nach dem Sonnenuntergang ließen wir uns vom Taxifahrer zum Hotel bringen, entrichteten die vereinbarten 900 Dirham und buchten auch gleich den morgigen Flughafentransfer für 200 Dirham bei ihm. Dann machten wir uns etwas frisch und wollten mal schauen wie man in Agadir so in den Mai tanzt.

Pizza Portofino

Im Restaurant gab Le Nil Bleu an der Strandpromenade gab es fassfrisches Flag und Popmusik in der Muttersprache aller anderen Restaurantgäste (Französisch) von einer Live-Cover-Band. Außerdem wurde der Hunger dort für umgerechnet 5 € mit Pizza Portofino (mit Ei und Lammhack) gestillt. Leckere Nummer. So richtig Feierstimmung wollte bei der Franzosen-Musik allerdings nicht bei uns aufkommen. Daher ging es noch am 30.April zurück ins Hotel.

Pool-Chiller

Vorteil war, dass wir nochmal ausschlafen konnten, bevor wir uns ein zweites Mal über das Frühstücksbuffet des Hotels hermachten. Danach war Sonne tanken auf den Liegen am Pool angesagt, ehe es ab 11 Uhr noch für ein paar Bahnen ins Wasser ging. Um 12 Uhr folgte der Check-Out, doch wir beließen das Gepäck noch für zwei Stunden im Hotel. Jenes Zeitfenster nutzten wir für einen weiteren Strandbesuch, bis unser Taxifahrer ganz ohne Inschallah fünf Minuten vor der vereinbarten Abfahrtszeit parat stand.

Der Atlantik

Taxis zum Flughafen haben in Agadir einen Fixpreis von 200 Dirham, so dass wir gestern oder heute nichts verhandeln brauchten. Bei über 20 km vom Stadtzentrum zum Airport, war das für Marokko zwar teuer, aber prinzipiell okay (erst recht geteilt durch drei). Schlimmer war da schon die Preisgestaltung der Flughafengastronomie. Gab nur ein Bistro und das verlangte so 6 bis 7 € für Burger oder Shawarma. Letzteres war noch halbwegs okay, aber der Homemade Burger war ’ne Frechheit. Mit Homemade war wohl gemeint, dass das eh schon dünne Tiefkühlhackfleischrundstück vom Küchenpersonal horizontal halbiert wurde und man einfach mal nur ein halbes Stück Fleisch hatte.

Abschiedsmenü

Der pünktlich startende Flieger war komplett voll und es handelte sich zu 96 % um Pauschis. Man fragt sich auf so einem Flug mit TUIfly schon, wo denn die Unterschiede zu Ryanair sind? Okay, es gibt es keine Rubbellose und die Getränke und das Essen sind etwas preiswerter. Aber sonst? Minimale Sitzabstände, kein Freigetränk, kein Entertainment, nicht mal ausgeklappte Bildschirme auf denen der Flugverlauf angezeigt wird. Traurige Nummer, genau wie der Empfang in Hannover durch zwei Bundespolizisten für 189 Passagiere. Das bedeutete für die hinteren Plätze in der Schlange (u. a. mich) über eine halbe Stunde Wartezeit. Ich zitiere nun Bekannte aus Osteuropa: „Deutschland kaputt!“ Marokko war dagegen ein schöner Trip und sicher kein einmaliges Ereignis. Irgendwann geht es da nochmal hin. Dann mal zu einem fußballerischen Highlight wie einem Derby oder entscheidenden Meisterschaftsspiel.

Song of the Tour: Wir haben die Kasbah so gut es ging gerockt.