Groningen 02/2016

  • 07.02.2016
  • FC Groningen – SC Cambuur 2:0
  • Eredivisie (I)
  • Euroborg (Att: 20.743)

Ich bin Norddeutscher. Ich hasse Karneval. Dass Hannover 96 nun ausgerechnet den Sonnabend vor Rosenmontag gegen den FSV 05 aus der Frohsinnshochburg Mainz spielen musste, bedeutete, dass wir in unserer karnevalsfreien Zone viele kostümierte Mainzer Fans bewundern durften. Das beste Kostüm hatten sich allerdings unsere 96-Akteure überlegt. Die haben sich doch tatsächlich als Bundesligaprofis verkleidet. Logisch, dass die drei Punkte in die rheinhessische Heimat von Ernst Neger entführt wurden und alle 96-Fans entsprechend frustriert waren. Da kam es uns mehr als gelegen, dass das Barfuß in der Altstadt Cocktails für 3,50 € feilbot und auch noch geeignete Partner für heitere Trinkspiele anwesend waren. Warum ich dann plötzlich im niederländischen Groningen war, wird wohl immer im Nebel der Geschichte bleiben. Aber mit dem Drie Gezusters hatte die lebhafte Studentenstadt jedenfalls schon mal eine größere Bar als das Barfuß zu bieten. Und Frühstück in einer Frituur ist natürlich auch unschlagbar, wenn man leicht verkatert ist.

Zu Gast im Barfuß

Erschreckend allerdings wie sehr sich der Norden vom Süden der Niederlande sprachlich abhob. Meinen Südlimburger Dialekt verstand der Fritiermeister jedenfalls nicht und ich bekam Saus Speciaal anstand der gewünschten Fritessaus zu meinen Fritten und den hervorragenden Rundvleeskrokets. Danach gab es noch Kaassoufflé to go und mit jenen wohlschmeckenden Käsekroketten auf der Hand wurde die Innenstadt Groningens erkundet.

Frittierte Fressalien

Die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz (auch wenn das für mich alles Friesland ist) gehört zu den netten kleinen Städten unseres Nachbarlandes. Zum Meer sind es zwar noch ein paar Kilometer, aber landestypisch geizt auch Groningen nicht mit Wasser. Und wenn Edam für Käse steht und Amsterdam für Grachten, dann steht Groningen für Studenten. Über 50.000 Studenten sind an den Hochschulen der Stadt eingeschrieben und davon stammen nicht wenige aus Deutschland. Bei insgesamt nur 195.000 Einwohnern liegt es auf der Hand, dass angehende Akademiker das Stadtbild prägen.

Drie Gezusters

Der gemeine Groninger kann einem da schon manchmal leid tun. Unter der Woche gehört die Stadt den Moffen und anderen auswärtigen Studenten und am Wochenende strömen die ganzen Bauern aus dem Umland in die Stadt, denen der Groninger mit historischer Abneigung verbunden ist. Man haut sich zwar heute nicht mehr wegen des spätmittelalterlichen Stapelrechts (welches die Stadt gegenüber dem Umland übervorteilte) die Köpfe ein, aber die Groninger gelten im Umland nach wie vor als arrogant und die Landbewohner in der Stadt als dumme Bauern. Gleichwohl profitieren natürlich alle davon, dass es viele Studenten gibt und die Stadt ein großes Umland hat. Groningen muss dem schließlich in Sachen Handel, Gastronomie und Infrastruktur gerecht werden.

Martinitoren

Und apropos Infrastruktur, Hauptverkehrsmittel des Groningers ist das Fahrrad. Das merkten wir schon bei unserem Stadtspaziergang, der immer wieder vom Gebimmel der Fahrradklingeln begleitet wurde. Nichtsdestotrotz kamen wir unfallfrei voran und sahen eine interessante Symbiose aus alt und neu. Kurz vor Kriegsende tobte leider ein heftiger Kampf um die Stadt zwischen alliierten Truppen und den deutschen und niederländischen Verteidigern. Der Wiederaufbau folgte dabei zunächst mehr unter pragmatischen, denn ästhetischen Gesichtspunkten (siehe Ostseite Grote Markt), aber auch einiges an alter Bausubstanz konnte erhalten bzw. restauriert werden (siehe Südseite Grote Markt oder das herausragende Renaissance-Kaufmannsgebäude Goudkantoor in der Waagstraat).

Goudkantoor

Interessante zeitgenössische Architektur stellt dagegen das Groninger Museum dar und natürlich der neue Stadtteil Europapark, in dem auch Groningens Stadion, das Euroborg, steht. Seit Januar 2006 ist es die 22.500 Zuschauer fassende Heimspielstätte des FC Groningen. Ein Stadionkomplex der neueren Prägung mit Büroräumen, einem Supermarkt, 180 Appartements, Kino, Casino, Gastronomie und einer weiterführenden Schule. Und seit der FCG dort kickt, läuft es auch sportlich ganz gut. Regelmäßige Europapokal-Teilnahmen sind zu verzeichnen und 2015 wurde man Pokalsieger der Niederlande (Groningens erster nationaler Titel).

Groningen – Am Wasser gebaut

Wir steuerten den Wettkampfort nicht wie das Gros der Fans mit dem Fahrrad oder den Öffis an und hatten kein Problem den Pkw am Stadion zu parken. Dort waren Karten ohne lästige Clubkaart zu erstehen und auf eine intensive Eingangskontrolle verzichteten die Ordner der Gegengerade auch. Leeuwarden und Groningen trennen zwar nur 70 km und Lokalrivalen sind im Norden der Niederlande rar gesät, aber mangels sportlicher Berührungspunkte in der Vergangenheit sind Gastspiele des SC Cambuur in Groningen keine Risikospiele. Als Derbygegner für beide geht dagegen der dritte Erstligist im Norden, der SC Heerenveen, durch.

Euroborg von außen

Drinnen sah der Komplex im Gegensatz zu draußen wie ein richtiges Stadion aus, mit kompletter Bestuhlung in den Vereinsfarben und stimmungsfreundlicher Architektur. Nicht so eine Halle wie exemplarisch in Arnheim oder Gelsenkirchen, eher so wie beispielsweise die Duisburger oder Aachener Stadionneubauten. Gästefans waren auch ein paar Hundert da und saßen oder standen im zweirangigen Stadion über unseren Plätzen in einem landestypischen Gästekäfig. Aber genau wie die Heimfans hinter dem Tor (der harte Kern um die Groningen Fanatics steht im Randblock der Hintertortribüne), rissen sie in Sachen Stimmung keine Bäume aus.

Euroborg von innen

Die erste große Chance des Spiels hatte der Gast aus Leeuwarden nach rund 10 Minuten und viele sollten bis Spielende nicht hinzu kommen. Der SC Cambuur spielte wie man es vom einen Tabellensiebzehnten erwartet, der bei einem EL-Aspiranten gastiert und Groningens Torjäger vom Dienst, Michael de Leeuw, brachte den FC bereits in der 12.Minute mit 1:0 in Front. Gelegenheiten zum Ausbau der Führung gab es bis zur Pause mehrere, aber ein tolles Fußballspiel wurde es nicht. Parallelen zu H96 (heute vom SC Cambuur imitiert) versus Mainz 05 (heute von Groningen dargestellt) waren offensichtlich. Zwei mäßige Fußballspiele binnen 24 Stunden, was mache ich hier eigentlich in Groningen, fragte ich mich nochmals? Eine Antwort blieb aus. Dafür gab es in der Halbzeit Kirmestechno auf die Ohren. Wenigstens etwas.

Ein paar Strafraumszenen gab es zum Glück

In der 2.Hälfte wurde der Kick leider nicht viel besser. Es gab hier und da ein paar Halbchancen, in erster Linie für Groningen, aber ein Schützenfest deutete sich trotz Überlegenheit der Grün-Weißen nicht an. Ein bisschen Pep kam in der 63.Minute mit dem jungen Stürmer Oussama Idrissi. Der 19jährige knipst in der Reserveliga wie er will und wollte sich heute endlich in der 1.Mannschaft beweisen. In der 73.Minute tauchte Idrissi im Strafraum allein vor’m Torwart auf, aber der Keeper des SC Cambuur konnte glänzend parieren. Zwei Minuten später machte es der Stürmer besser und zog aus 22 Metern von außerhalb des Strafraums ab. Der pfeilschnelle Ball schlug linksunten im Tor ein und besiegelte die Auswärtsniederlage für den Gast aus Friesland endgültig. Es überraschte dann auch nicht, dass der junge Niederländer mit marokkanischen Wurzeln einen Tag später als demokratisch gewählter Man of the Match auf der FCG-Website verkündet wurde. Vielleicht bleibt neben Kroketten und Konterbieren auch die Initialzündung einer großen Fußballkarriere von diesem Tag hängen. Wir werden sehen.

Blick hinauf zum Gästefan-Gehege

Der ersehnte Abpfiff stand bei uns Synonym für Aufbruch und dank freier Fahrt für freie Bürger auf den Autobahnen der norddeutschen Tiefebene lag ich um 20 Uhr im heimischen Bett. Genug Zeit, um ausgeschlafen am Montag in die letzte Arbeitswoche vor dem verdienten Auslandsurlaub zu starten. Der Trip an den Bosporus näherte sich mit großen Schritten und wird hoffentlich legendärer als dieser kleine Kroketten-Kurztrip. Auch wenn ich meinen Mitstreitern mittlerweile zustimmen muss, besser als einen ganzen Sonntag zuhause zu gammeln war dieser Tagestrip schon. Man kann schließlich nie genug unterwegs sein und außerdem hatten wir ja Musik. „Weisst du was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn’s so richtig scheisse ist, dann ist wenigstens noch die Musik da.“

Song of the Tour: Ja, sie sind tolle Nachbarn. Und doch trennen uns Welten.