Ballenstedt, Magdeburg & Paderborn 12/2023

  • 02.12.2023
  • 1.FC Magdeburg – 1.FC Kaiserslautern 4:1
  • 2.Bundesliga (II)
  • Heinz-Krügel-Stadion (Att: 25.214)

Wenn jemand aus meiner 96-Bubble drei Pflichtspiele des 1.FC Magdeburg hintereinander besuchen würde, könnte ich mir ein wenig Banter nicht verkneifen. Das wird anderen nicht anders gehen und entsprechend freute ich mich schon morgens auf ein paar Sprüche in meine Richtung. Die Vorfreude war sogar schon so groß, dass ich meinem Spiegelbild im Badezimmer sogleich “Haste eigentlich mittlerweile ’ne Dauerkarte in Magdeburg?”, “Biste jetzt FCM-Allesfahrer?” und vieles mehr an den Kopf geworfen habe. Aber kurioserweise passten die drei Ansetzungen des FCM an den Spieltagen 13 bis 15 jedes Mal gut bis sehr gut in meine jeweilige Wochenendplanung. Diesmal war das heutige Aufeinandertreffen mit dem 1.FCK dank seiner abendlichen Anstoßzeit ideal mit einer Wandertour im Ostharz zu verbinden. Zugleich hatte mein Kumpel Joey aus Berlin diese Partie ebenfalls auf seiner Agenda und ein paar gemeinsame Drinks waren natürlich reizvoll.

Im Hintergrund das frühromanische Westwerk des früheren Klosters

Doch am Samstagmorgen lag der gemütliche Ausklang des Tages noch in weiter Ferne. 6:30 Uhr klingelte der Wecker und 7:14 Uhr saß ich im Zug gen Harz. Es sollte heute nach Ballenstedt gehen, wo ich kurz nach 10 Uhr eintraf und zunächst einmal das schöne Schloss besichtigen wollte (siehe Titelbild). Dieses geht auf eine mittelalterliche Höhenburg mit unklarem Errichtungszeitpunkt zurück. Verbrieft ist allerdings, dass Graf Esico von Ballenstedt im Jahr 1043 in der Burg das Kollegiatstift St. Pankratius und Abundus gründete. Zugleich ist Ballenstedt die Wiege der Askanier und Grablege des vielleicht bedeutendsten Fürsten aus diesem Geschlecht. Albrecht der Bär (* um 1100; † 1170) gilt als Begründer der Mark Brandenburg und des Fürstentums Anhalt. Sein Grabmal fand ich später im noch gut erhaltenen frühromanischen Westwerk der ehemaligen Klosterkirche. Zugleich hatte Albrecht in den 1140er Jahren als Graf von Ballenstedt und Herzog der Sachsen in der Ballenstedter Burg gelebt.

Albrecht der Bär ihm sein Grab

Abseits von den erhaltenen Resten der Klosterkirche, handelt es sich bei Schloss Ballenstedt allerdings um eine dreiflügelige barocke Schlossanlage aus dem frühen 18.Jahrhundert. Das Schloss diente den Fürsten von Anhalt-Bernburg damals zunächst als Jagd- und Sommerresidenz, ehe Friedrich Albrecht von Anhalt-Bernburg (* 1735; † 1796) ab 1765 ganzjährig in Ballenstedt am Harz anstatt in Bernburg an der Saale residierte. Im Zuge dieses dauerhaften Umzugs von Fürst und Hofstaat nach Ballenstedt, wurde der Südflügel des Schlosses ab 1765 zu einem prunkvollen Wohnflügel ausgebaut.

Das Musikzimmer

Nachdem ich mich im ersten Ausstellungsteil mit der Geschichte Ballenstedts, der Askanier und des Schlosses beschäftigen durfte, konnte ich danach die schönen barocken Zimmer jenes repräsentativen Südflügels besichtigen. Acht Räume (u. a. Musikzimmer, Römisches Zimmer, Schlafzimmer und Festsaal) wurden in jüngerer Vergangenheit rekonstruiert und vermitteln einen Eindruck der früheren Wohnsituation der Adelsfamilie in ihrem Schloss. Anschließend führte mich der Rundgang außerdem zum bereits erwähnten Grab von Albrecht dem Bären und in die barocke Schlosskirche nebst der frühromanischen Krypta unter ihr.

Das so genannte Römische Zimmer bekam 1788 Leinwände mit antiken Motiven

Ab 11:45 Uhr sollten die nächsten knapp fünf Stunden des Tages dem Wandersport gehören. Wie zu erwarten war, hatte das Projekt Harzer Wanderkaiser nach dem Ende der pandemischen Einschränkungen unserer Freizeitgestaltung fast immer das Nachsehen gegenüber König Fußball. 2023 waren bisher nur mickrige 14 neue Wanderstempel zu den zwischen 2020 und 2022 erwanderten ersten 121 Stempeln hinzugekommen. Da wollte ich meine Jahresbilanz kurz vor Toresschluss unbedingt noch etwas aufpeppen und rund um Ballenstedt waren immerhin fünf Stempel auf einer Tour möglich.

Sachtlers Grab zwischen den Forstmeister Tannen

Nachdem ein Sonderstempel am Schloss eingeheimst war, erwartete mich einen Kilometer entfernt mein 136.Stempel der Harzer Wandernadel an den so genannten Forstmeister Tannen. Bei jenen Tannen handelt es sich um Arboretum, welches Oberforstmeister von Truff ab 1765 für den nun dauerhaft in Ballenstedt residierenden Fürsten Friedrich Albrecht von Anhalt-Bernburg anlegen ließ. Ferner war zwischen den Nadelbäumen aus aller Welt der Grabstein des einstigen anhaltinischen Oberforstrates Franz-Wilhelm Sachtler (* 1865; † 1924) zu erspähen.

Buttlars Grab

Es folgte ein sanfter Anstieg zur ebenfalls in diesem Waldstück angelegten letzten Ruhestätte der Ballenstedter Hofdame Wilhelmine von Buttlar (* 1767; † 1810). Da Wilhelmine bereits seit ihren gemeinsamen Jugendtagen die beste Freundin der Fürstin Maria Friederika von Anhalt-Bernburg (* 1768; † 1839) war, wurde ihr nach einer tödlichen Infektion mit Scharlach-Bakterien diese exponierte und mit einer Mauer eingefriedete Grablege im Wald gestiftet.

Von diesem Hang ging es hinunter zum Kleinen Siebersteinteich

Wenig später passierte ich die Bundesstraße 185 und anschließend führte mich ein steiler und aktuell vereister Trail hinunter zum Kleinen Siebersteinteich. Nachdem das technisch anspruchsvollste Teilstück der heutigen Tour unfallfrei gemeistert war, ging es vom Teich weiter zum zweiten Wandernadel-Stempel des Tages. Jener war auf meinem heutigen Wanderkilometer 4,4 am zwischen Ballenstedt und Gernrode liegenden Steinbruch Harzer Grauwacke Rieder zu entdecken. Dort wird seit 1935 hochwertige Grauwacke abgebaut und von einer Aussichtsplattform, an der sich auch der Stempelkasten der Harzer Wandernadel befindet, kann man den Steinbruch gut überblicken.

Harzer Grauwacke Rieder

Anschließend ging es weiter zum Großen Siebersteinteich, ehe nach insgesamt sieben Wanderkilometern abermals die Bundesstraße 185 überquert werden musste. Nach zwei weiteren Kilometern erwartete mich am so genannten Ballenstedter Schirm der nächste Stempelkasten. Mehrere Jagdbahnen (heute Forst- und Wanderwege), die Fürst Victor Friedrich von Anhalt-Bernburg (* 1700; † 1765) im Jahre 1728 für die seinerzeit beliebte Parforcejagd anlegen ließ, treffen an dieser Kreuzung aufeinander. Schon damals legten die Jagdgesellschaften hier eine Rast ein und entsprechend ist der Schirm bis heute ein guter Platz für eine Wanderpause.

Der Schirm

Meine Planung ließ allerdings keine wirkliche Rast zu. Es wurde lediglich kurz für einen Schluck Wasser und einen kleinen Imbiss pausiert. Denn bei Schnee und Eis war heute trotz nur wenigen Höhenmetern lediglich ein Wandertempo von ca. 4 km/h drin. Entsprechend würde ich für die 18 km lange Strecke mindestens 4,5 Stunden benötigen. Da ich in Ballenstedt-Opperode unbedingt den Bus um 16:35 Uhr nach Quedlinburg bekommen wollte, gab es für’s Rasten oder Trödeln somit kaum Spielraum.

Unterwegs im verschneiten Harz

Nach der kurzen Halbzeitpause am Schirm waren weitere sieben Kilometer bis zum nächsten Stempelkasten zu absolvieren. Dabei wurde es langsam echt ein Kampf gegen die Uhr. Ich wollte eigentlich spätestens 16 Uhr an der Stempelstelle Alter Kohlenschacht ankommen, aber letztlich wurde es aufgrund der wahlweise zugeschneiten oder vereisten Wege doch erst 16:12 Uhr. Dementsprechend wurde ganz hektisch gestempelt und dabei sogar das Knipsen eines Erinnerungsfotos vergessen. Für das Lesen der Infotafel an der Stempelstelle war natürlich ebenfalls keine Zeit (aber dem Namen nach wird’s wohl ein alter Kohlenschacht sein ;-)).

Nicht mal ’nen vernünftigen Stempel hab‘ ich hinbekommen

Jetzt blieben mir noch 22 Minuten für die letzten 1,896 km. Dabei wurde nach exakt einem Kilometer mit dem Bismarckturm die fünfte und letzte Wandernadel-Stempelstelle des Tages passiert. Diesmal dachte ich immerhin daran ein Foto des Ortes und ebenso von der Infotafel zu machen. Daher kann ich noch beitragen, dass die Grundsteinlegung des auf dem 270 m hohen Stahlsberg errichteten Turmes 1914 erfolgte, aber der Erste Weltkrieg (1914 – 1918) eine zeitnahe Vollendung des Bauwerks verhinderte. Nach dem Krieg fehlten zunächst die Gelder zum Weiterbau, aber 1931 nahm sich die Ballenstedter Zweigstelle des Harzklubs der Fertigstellung an.

Der Bismarckturm in Ballenstedt-Opperode

Vom Stahlsberg ging es nun full send den Nordabhang in den Ballenstedter Ortsteil Opperode hinunter, doch es passte zeitlich trotzdem nicht mehr. Erst 16:37 Uhr war ich an der Bushaltestelle. Ich spekulierte noch kurz auf eine Verspätung des Busses nach Quedlinburg, aber soviel Glück war mir nicht vergönnt. Der nächste Bus sollte erst um 18:35 Uhr fahren und der einzige Taxler im Ort versicherte mir am Telefon mindestens 30 Minuten Wartezeit auf seine Dienstleistung. Mein Zug um 17:33 Uhr von Quedlinburg nach Magdeburg war also definitiv nicht mehr zu bekommen. Wenigstens fand ich noch einen Alternativbus, der von einer Bushaltestelle in der Ballenstedter Kernstadt um 17:23 Uhr nach Quedlinburg fahren sollte. Taxikosten konnten so zwar eingespart werden, aber dennoch ging es extrem schlecht gelaunt weitere 1,5 Kilometer durch Ballenstedt.

Für mich leider kein Block-U-Weihnachtsmarkt

Immerhin war der andere Bus problemlos zu bekommen und am Quedlinburger Bahnhof hatte ich anschließend eine gute halbe Stunde Wartezeit, bis 18:33 Uhr der nächste Zug nach Magdeburg einfahren sollte. Letztlich war ich noch pünktlich zum Anpfiff im Heinz-Krügel-Stadion, aber den geplanten Bummel über den heutigen Fan-Weihnachtsmarkt vom Block U hatte Joey durch meine um 60 Minuten verspätete Ankunft leider alleine absolvieren müssen. Er berichtete übrigens von Glühwein für faire 2,50 € und hatte außerdem beim Dosenwerfen ein paar Gewinne abgesahnt.

Schalparade in der Heimkurve

Ob der Glühwein nun hier oder anderswo genascht wurde; insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die heutige späte Anstoßzeit, gepaart mit Weihnachtsmärkten allerorten, für einen ungewöhnlichen hohen Alkoholisierungsgrad des Publikums gesorgt hatte. Selbst einer der Vorsänger schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können. Aber vielleicht war das auch nur Einbildung und die heute etwas andere Stimmung war zuvorderst mit dem Fehlen der leistungsstarken Beschallungsanlage begründet. Denn die hatte Block U kurzfristig dem Verein für’s Spieltagsprogramm zur Verfügung gestellt, weil die Lautsprecheranlage des Stadions defekt war.

Kleine choreographische Aktion der Pfälzer

Die Gesänge und Schlachtrufe waren ohne die Anlage schwerer zu koordinieren und erreichten nicht nicht immer die Mitmachquote, respektive Lautstärke, die ich von bisherigen Besuchen in diesem Stadion gewohnt war. Zugleich saß ich diesmal wieder sehr nah am Gästeblock. Möglicherweise lag es ausschließend an der geringeren Distanz, dass ich Generation Luzifer, Pfalz Inferno & Co lauter als Hansas Anhang vor zwei Wochen fand. Vielleicht aber auch daran, dass sich die Gästefans ganz auf die Unterstützung ihrer Mannschaft konzentrierten, anstatt irgendwelche Wohnträume zu verwirklichen. Mit ihrer Fähnchenchoreo zu Beginn und ihrem dargebotenen Liedgut, konnten die Pfälzer zwar keine Kreativpreise gewinnen. Aber in Sachen Ausdauer und Lautstärke war es ein guter Gesangsvortrag der Gäste. Insbesondere “1.FC Kaiserslautern, Du bist mein Verein…” zur Melodie von “Katherine, Katherine” blieb im Ohr.

Botschaften auf Tapete

Allerdings sollte der heutige Spielverlauf nach und nach für gesteigerte Stimmung bei den Anhängern des dreifachen Fußballmeisters der DDR sorgten. Nach einer Abtastphase saß gleich der erste Torschuss des Abends. Luc Castaignos besorgte die frühe Führung (17.) für den FCM und hinter der Zaunfahne der Blue Generation wurde nun ein wenig gefackelt. Zwar gelang Lauterns Sturmtank Terrence Boyd acht Minuten später das 1:1, aber in der 2.Halbzeit sollte der vierfache Fußballmeister der BRD noch richtig zerlegt werden.

Die frühe Führung wird gefeiert

Nach Wiederanpfiff waren gerade einmal fünf Minuten gespielt, da köpfte Herbert Bockhorn nach guter Vorarbeit von Baris Atik zur neuerlichen Führung der Elbestädter ein. Danach blieb eine passende Reaktion der Roten Teufel aus und der 1965 aus der Taufe gehobene 1.FC Magdeburg gewann die volle Spielkontrolle. Connor Krempicki aus dem Spiel heraus (75.) und Cristiano Piccini per Strafstoß (86.) erhöhten auf einen letztlich auch in der Höhe verdienten Heimsieg. Dafür ließ sich die Mannschaft nach Abpfiff vor der Kurve selbstverständlich gebührend feiern.

Wenigstens die Leistung der FCK-Fans hat heute gestimmt

In Kaiserslautern scheint die Freistellung von Cheftrainer Dirk Schuster dagegen kurzfristig keine neuen Kräfte freigesetzt zu haben. Der Vizemeister von 1954 hat seit seinem Heimsieg gegen 96 am 9.Spieltag lediglich einen Punkt in den vergangenen sechs Ligaspielen geholt und rutscht auf den 13.Platz ab. Mit einem Plakat forderten die Fans nun wenigstens Kampf und Leidenschaft im anstehenden Pokalachtelfinale gegen den 1.FC Nürnberg am kommenden Dienstag. Der 1.FC Magdeburg (jetzt 12.Platz) steht ebenfalls im Achtelfinale des DFB-Pokals und empfängt Fortuna Düsseldorf an der Elbe. Aber diesmal garantiert ohne mich. Meine FCM-Serie wird reißen und in’s Heinz-Krügel-Stadion reise ich erst wieder, wenn der Deutsche Meister von 1954 dort in der Rückrunde gastiert.

Block U im Schneegestöber

Für Joey und mich ging es nach dem Spiel zügig in Richtung Hasselbachplatz. In Magdeburgs Amüsierviertel genossen wir in der Stern Bar noch ein paar Colbitzer Pils vom Faß, ehe der Berliner bereits um 0:20 Uhr zum Hauptbahnhof aufbrechen musste. Ich war erst eine Stunde später dran und so gönnte ich mir ein sehr spätes, aber nach den Strapazen des Tages mehr als verdientes Abendessen. Das Stern Grillhaus durfte mir kurz vor meiner Abreise einen Dönerteller mit Reis und Salat servieren (12 €).

Etwas gegen das Kaloriendefizit unternehmen

Anschließend ging es um 1:48 Uhr zum maximal möglichen Sparpreis mit einem ICE nach Hannover und gegen 4:30 Uhr war ich endlich daheim.

  • 03.12.2023
  • SC Paderborn 07 – Hannover 96 1:0
  • 2.Bundesliga (II)
  • *** Arena (Att: 11.950)

Am Sonntagmorgen klingelte der Wecker unbarmherzig um 8:30 Uhr. Denn Milano Petes Familienausflug nach Paderborn, zu dem ich als sozusagen Freund der Familie auch eingeladen war, sollte bereits um 9 Uhr starten. Am Ende wurde es wenigstens 9:30 Uhr, so dass mich beim Bäcker noch in Ruhe mit Frühstück und koffeinhaltigen Getränken für die Fahrt eindecken konnte. Dann manövrierte uns Milanos Bruder Wulle souverän auf der Bundesstraße 1 ins zwei Autostunden von Hildesheim entfernte Paderborn.

Willkommen an der wohl trostlosesten Sportstätte Deutschlands

Zwei Stunden vor Anpfiff kann man im Paderborner Gewerbegebiet Almeaue-Hoppenhof natürlich wenig Sinnvolles veranstalten. Aber einerseits war nach dem Wintereinbruch ein kalkulierter Zeitpuffer angebracht gewesen und andererseits hatte ich noch keine Karte für den Kick. Dadurch war es ganz okay, direkt zur Öffnung der Tageskassen vorstellig zu werden und noch etwas Auswahl zu haben. Ausverkauft war zwar nicht, aber die Paderpenner hatten diese Saison doch tatsächlich eine Postleitleitzahlsperre für das Gastspiel von Hannover 96 in ihren Onlineshop eingepflegt. Trotz Booking History bekam ich frecherweise keine Karte im virtuellen Vorverkauf.

Wo bitte ist denn dieses Hildesheim?

An der Tageskasse staunte ich aber ebenfalls nicht schlecht, als mich die junge Dame auf der anderen Seite der Scheibe plötzlich nach meinem Ausweis fragte. Dort warf sie einen Blick auf meinen Wohnort und suchte auf einem ausgedruckten Kartenausschnitt von Paderborn und Umgebung nach diesem Hildesheim. Geistesgegenwärtig erkannte ich mangelhafte Geographiekenntnisse und warf ein, dass Hildesheim so ein kleines Dorf bei Bielefeld sei. Leider viel zu klein für diesen Kartenmaßstab… Sekunden später hielt ich mein Ticket für den I-Block auf der Gegengerade in den Händen.

Der kleine Fanblock der Paderborner

In Reihe 13 auf Platz 12 hatte ich beste Sicht auf das Spielgeschehen und die beiden Fanblöcke. Selbstredend, dass der Gästeblock qualitativ und quantitativ die größere Hausnummer an diesem Nachmittag war. Aber das soll jetzt natürlich kein Paderborn-Bashing werden. Zum einen wissen wir doch alle, dass es auch in Paderborn richtig treue Fans gibt. Sogar welche, die selbst ihre PlayStation für den SCP verkaufen würden, um ihren Herzensclub in der seelenlosen Arena an der Autobahnanschlussstelle Paderborn-Elsen zu unterstützen. Zum anderen kann man den Fans wahrscheinlich auch nur bedingt die durchweg fürchterliche Musikauswahl des Stadionprogramms ankreiden. Ob die SCP-Vereinslieder, den “Halbzeithit” von den Puhdys oder die Torhymne. Hier ist wirklich alles grauenhaft, was aus den Boxen ertönt!

Der Gästesektor am heutigen Nachmittag

Das ausgeschenkte Bier ist ebenfalls räudig. Zwar kein Paderborner, aber soviel verlockender ist Warsteiner wahrlich auch nicht. Nur für die hiesige Bratwurst, insbesondere klein geschnippelt und unter pikanter Sauce mit Röstzwiebeln serviert (4 €), kann ich doch noch eine Lanze brechen. Beim Verzehr des Fleischerzeugnisses ergründete ich nebenbei die auf den Banden vor der Haupttribüne aufbereite Vereinschronik. 1907 Gründung Arminia Neuhaus (ab 1919 SV 07 Neuhaus), 1908 Gründung FC Preußen Paderborn (ab 1968 1.FC Paderborn), 1910 Gründung TuS Sennelager, 1957 Eröffnung Hermann-Löns-Stadion, [Ergänzung von mir: 1973 Fusion TuS Sennelager und SV 07 Neuhaus zum TuS Schloß Neuhaus], 1985 Fusion TuS Schloß Neuhaus und 1.FC Paderborn zum TuS Paderborn-Neuhaus, 1997 Umbenennung in SC Paderborn 07, 2005 Aufstieg in die 2.Bundesliga, 2008 Eröffnung der Arena, 2014 Aufstieg 1.Bundesliga, 2019 Aufstieg 1.Bundesliga… Für’s Studium der Sternstunden dieses Konstrukts reicht tatsächlich locker eine Wurstlänge.

Feuriger als die hiesige Fanszene

Doch genug von Beschallungskonzept, Catering und Clubchronik. Ein schlechtes Fußballspiel fand schließlich ab 13:30 Uhr auch noch statt. Der SCP sollte dank Schaub – oder meinetwegen auch dank einer harten, aber vertretbaren Schiedsrichterentscheidung – leider früh im Vorteil sein. Denn jener Schaub kassierte nach 18 Minuten und 96 Sekunden nach einem Foulspiel einen Platzverweis. Ich hatte nun berechtigte Ängste, dass die Heide wie in der Vorsaison viermal brennen wird (Vgl. Paderborn 08/2022). Aber Leitls verbliebene zehn Lieblingsspieler machten ihren Job in Unterzahl zunächst gar nicht schlecht und retteten erstmal ein 0:0 in die Pause.

Klare Positionierung zu den Investorenplänen der DFL

In jener Halbzeitpause stellte ich fest, dass der heutige Gammel für mindestens zwei Fanbiografien historisch war. Nicht nur handelte es sich um das erste Auswärtsspiel für Milanos Neffen, auch war es ausgerechnet mein Spielbesuch Nr. 1.100. Verriet mir beim Rumdaddeln auf dem Smartphone jedenfalls eine beliebte Dokumentationsapplikation für Spielbesuche. Doch da ich dort wahrscheinlich nur 80 bis 90 % meiner bisher im Leben besuchten Fußballspiele eingetragen habe, eigentlich eine wertlose Information.

Das perfekte Bilderbuchstadion für besondere Fanjubiläen

Nach dem Seitenwechsel konnte der SCP seine Überzahl immer noch nicht in Zählbares ummünzen. Als 96 obendrein ein paar halbwegs vernünftige Konter fuhr, begann ich sogar noch ganz zaghaft von einem Auswärtssieg zu träumen. Aber 96 kann einfach nicht gegen den SCP gewinnen. Irgendwelche Stoppelkamps oder Muslijas haben jedes Mal etwas dagegen. So war es heute natürlich letzterer Ex-96er, der in der 1.Minute der Nachspielzeit das späte 1:0 für die Hausherren besorgte. Nun brannte leider doch die Heide, was nicht nur mein Herz, sondern auch meine Ohren bluten ließ.

Das KH-Banner in leicht modifzierter Form

Als die Stadionregie die Regler wieder runter fuhr, hatte 96 zwar noch eine Doppelchance zum Ausgleich. Aber sowohl Nielsen, als auch Tresoldi konnten die Kugel nicht dort unterbringen, wo sie hingehörte. Es blieb bedauerlicherweise beim 1:0 und der SC Paderborn 07 weiß nach wie vor nicht, wie sich eine Pflichtspielniederlage gegen den Hannoverschen SV von 1896 anfühlt. Sieben Siege und zwei Punkteteilungen sprangen bei den bisher neun Aufeinandertreffen für die Schwarz-Blauen heraus.

Schalparade kurz vor Spielende

Ferner markiert die heutige Niederlage auch das dritte sieglose Zweitligaspiel der Roten Riesen in Serie. Was hat der dicke, aber durchaus kompetente Autor von Schneppe Tours doch gleich im vorigen Bericht prognostiziert? Er befürchtet bis Weihnachten ein Abrutschen von 96 aus der Spitzengruppe ins Mittelfeld der Liga (oder so ähnlich). Ich denke es wird nun tatsächlich mit hochgradig mittelmäßigen 23 bis 26 Punkten in die Winterpause gehen. Das wären sogar zwei bis fünf Punkte weniger als in der Vorsaison. Aber diesmal überwintert man immerhin als Derbysieger, was auch die mitgereisten 96-Fans nach Abpfiff gegenüber der Mannschaft nochmal lautstark goutierten.

Paderborn feiert den Sieg

Kurz nach Spielende ging es dann die gleiche Route in der gleichen Zeit heim, so dass ich wenigstens frühzeitig im Bett lag und mehr als fit in die Arbeitswoche starten konnte. Im DFB-Pokal ist 96 zwar leider nicht mehr vertreten, aber dennoch dauert es keine Woche bis ich die Roten wieder reüssieren sehe. Bereits am Freitag kommt der Karlsruher SC ins Niedersachsenstadion. Ein Heimsieg wäre nett.

Song of the Tour: „1.FC Kaiserslautern, Du bist mein Verein, Wir sind viermal Deutscher Meister, Und werden’s immer sein! Ihr seht die Fahnen in der Kurve, Rot-weiße Schals in der Hand, Kaiserslautern 1900, Wir sind Dein zwölfter Mann!
Allez, allez, allez, allez… Lautern allez!“