Osnabrück 11/2023

  • 24.11.2023
  • Hannover 96 – Hertha BSC 2:2
  • 2.Bundesliga (II)
  • Niedersachsenstadion (Att: 45.100)

Nach der Länderspielpause im November, in jener das erbärmliche Niveau der DFB-Elf gar noch durch Rudi Völlers Auftritt im neuen Schundmedium von Julian Reichelt unterboten wurde, stand erneut ein Wochenende ganz im Zeichen der besten 2.Liga aller Zeiten. Dabei begegneten mir auch wieder zwei der Protagonisten des vorigen Berichts. Die Hertha gastierte am Freitag in Hannover und der 1.FC Magdeburg kam mir am Samstag in Osnabrück abermals unter die Augen.

Vor über 45.000 Zuschauern empfing 96 die Hertha im Niedersachsenstadion

Am Freitagnachmittag wurde sich mit Freunden in der Markthalle ein wenig auf das 96-Spiel eingestimmt und man sollte anschließend durchaus mit Vorfreude zum Niedersachsenstadion spazieren. 96 hatte die letzten Wochen bekanntlich gut gepunktet und die Hertha konnte sich nach ihrem Fehlstart mittlerweile fangen. Der Alten Dame traue ich gar zu, dass sie in der Rückrunde noch in die Spitzengruppe der Liga vorstößt, während ich bei 96 ein Abrutschen ins Tabellenmittelfeld befürchte. Da war das heutige Duell vielleicht schon ein wenig richtungsweisend. Siegt 96, halten sie sich den ambitionierten Absteiger aus der Hauptstadt weiterhin auf Distanz und bleiben zugleich dran am Hamburger Spitzenduo. Gewinnt die Hertha, rückt das Tableau dagegen noch enger zusammen.

BTSV jetzt nur noch Feind Nr. 2

Die heutige Kulisse bot mit über 45.000 Zuschauern einen würdigen Rahmen und auf dieser großen Bühne ging die hannoversche Fanszene gleich nochmal auf die Gewaltorgie vor zwei Wochen am Millerntor ein. Ich hatte es bereits ebenfalls im vorigen Bericht angerissen (Vgl. Berlin & Magdeburg 11/2023): Die Polizei wollte angeblich eine gefährdete Person aus dem vollbesetzten Gästeblock retten, pflügte dafür einmal knüppelnd und Reizgas sprühend durch den Block und verließ diesen ohne irgendwen gerettet zu haben. Stattdessen hatte man dutzende Fans verletzt. Anstatt anschließend zu hinterfragen, ob man a) die Situation richtig eingeschätzt hat und b) die Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde, wird stattdessen in den Medien darüber schwadroniert, dass die Situation im Block so bedrohlich war, dass man kurz davor stand Schusswaffen gegen die Fans einzusetzen.

Schalparade im Gästesektor

Auch im Gästebereich sollte am heutigen Abend noch ein Banner mit der Aufschrift „Bullenhass“ entrollt werden und beide Fanlager sangen zwischenzeitlich „Alle Bullen sind Schweine“ zur Melodie der „Seven Nation Army“ der White Stripes. Da am vorangegangenen Spieltag neben den 96-Fans auch die Anhänger des VfB Stuttgart und des 1.FC Köln von problematischen Polizeieinsätzen zu berichten wussten und an jetzigen Spieltag nochmal ähnliche Bilder auf uns zukommen sollten, fällt es den Fans natürlich schwer an eine Verkettung von Zufällen zu glauben. Und selbst wenn es keine konzertierten Aktionen sind, bleibt trotzdem jeder eskalierte Polizeieinsatz mit Verletzten auch einzeln betrachtet in Sachen Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit kritisch zu hinterfragen.

Zu Beginn der 2.Halbzeit ging es in der Nordkurve nochmals um unverhältnismäßige Polizeieinsätze

Herthas aufgebotene Elf hinterfragte derweil Hannovers Aufstiegstauglichkeit auf dem Rasen. Zwar hatte Köhn die Roten in der 20.Minute vermeintlich in Führung geschossen, aber der Treffer wurde wegen einer Abseitsposition nicht gegeben. Stattdessen kam die Hertha mehr und mehr ins Spiel und Niederlechner (29.) sorgte für die im Gästeblock mit ein paar Leuchtfeuern gefeierte Führung des zweimaligen Deutschen Fußballmeisters (1930 & 1931). Da Pascal Clemens kurz vor dem Halbzeitpfiff (45.) obendrein auf 0:2 erhöhte, ging es für Herthas Kicker und Anhänger gut gelaunt in die Pause.

20 Jahre Hauptstadt Mafia ’03

Die rund viertelstündige Unterbrechung nutzte die 2003 gegründete Hauptstadt Mafia, um ihre Geburtstagschoreographie im Gästebereich vorzubereiten. Ich vermute mal, dass die Präsentation eigentlich schon zu Spielbeginn geplant war. Aber eine Vollsperrung auf der A2 hatte für Anreisechaos gesorgt und viele der insgesamt rund 6.000 Berliner waren entsprechend spät ins Niedersachsenstadion gekommen. Nun wurde also erst bei Wiederanpfiff die schöne blaue Blockfahne zum 20jährigen Bestehen der Hauptstadt Mafia präsentiert. Dabei war die Ziffer 20 transparent gestaltet und darunter leuchtete und loderte es gewaltig.

Fackeln…

Zur 60.Minute brannte außerdem der gesamte Block lichterloh und auch ein paar Feuerwerksraketen schoss man in den hannoverschen Nachthimmel. Dem Anlass angemessen und schön anzusehen. Danach sollte es allerdings nichts mehr für die Berliner zu feiern geben. 96 fand zurück ins Spiel und nach einem schönen Solo von Neumann durfte Nielsen in der 67.Minute den Anschlusstreffer für den ebenfalls zweifachen Deutschen Fußballmeister (1938 & 1954) besorgen. 13 Minuten und 12 Sekunden später konnte der eingewechselte Voglsammer außerdem ein Zuspiel von Halstenberg zum mittlerweile verdienten Ausgleich verwerten (80.).

…und Raketen

Danach erlebten wir Zuschauer eine muntere Schlussphase, doch keinem der Altmeister sollte noch das entscheidende Tor vergönnt sein. Der Big City Club hatte damit wieder mal Big Points liegen gelassen und verbleibt vorerst in der zweiten Tabellenhälfte. Für 96 fühlte sich das 2:2 nach 0:2 Rückstand zwar ganz gut an, aber tabellarisch wirft die Punkteteilung die Leitl-Elf auch eher zurück, als sie voran zu bringen. Beim späteren Fachsimpeln in der Altstadt war unsere Runde dann tendenziell skeptisch, ob 96 bis Weihnachten noch so punktet, dass man im Windschatten der Tabellenspitze überwintern darf. Andererseits scheint die Moral zu stimmen und vielleicht wird der wichtige Teuchert auch bald mal wieder fit.

  • 25.11.2023
  • VfL Osnabrück – 1.FC Magdeburg 0:2
  • 2.Bundesliga (II)
  • Bremer Brücke (Att: 15.741)

Am Samstag konnte der Besuch eines halbwegs attraktiven Fußballspiels und das Wiedersehen mit einem guten Freund ideal verbunden werden. Meinen langjährigen Tablequiz-Teampartner Tobi hat es vor etwas über einem Jahr von Hildesheim ins Osnabrücker Land verschlagen. Seinen Erstbesuch an der Bremer Brücke wollte ich ihm nicht aufdrängen, aber dank der frühen Anstoßzeit war auch danach noch genug Zeit für Geselligkeit.

In Osnabrück scheint es auch wenig Liebe für die Polizei zu geben

Doch zunächst durfte ich heute die Gesellschaft von etlichen Magdeburger Szeneleuten genießen. Da wir aus der gleichen Himmelsrichtung auf der Schiene anreisten, ergab sich das zwangsläufig. Ich wurde exakt 96 Minuten gut unterhalten, ehe sich am Osnabrücker Bahnhof wieder die Wege trennen sollten. Denn für die Magdeburger war ein Bustransfer zum Stadion vorgesehen, während die Polizeikette für „normale“ Reisende wie mich durchlässig wurde.

Köfteteller bei Lezzet Antep Mezze

Da der Anstoß noch gute zwei Stunden in der Zukunft lag und ich heute nicht zum Frühstücken gekommen war, wollte ich natürlich gern zeitnah ein Mittagessen genießen. Um mir den Umweg in die Innenstadt zu sparen, hatte ich mir dafür eine vielversprechende Ocakbaşı in Schinkel rausgesucht. Aber der garstige Regen trieb mich schnell in das erstbeste Lokal namens Lezzet Antep Mezze. Auch dieser Imbiss verdiente sein Geld mit anatolischen Leckerbissen und das aktuelle Angebot eines Köftetellers für 8 € klang verlockend. War jetzt nicht unvergesslich gut, aber für den Preis konnte man wirklich nicht meckern.

Bei der Clubhymne recken alle ein Stück VfL Osnabrück in die Höhe

Als der Regen etwas nachließ, absolvierte ich kurz nach 12 Uhr die letzten 1,5 km zur ebenfalls in Schinkel zu findenden Spielstätte des VfL Osnabrück. Zwar zwang mir die Polizei mit ihren Sperren nochmal Umwege auf, aber gegen 12:30 Uhr saß ich auf meinem Haupttribünenplatz (Block R) des 1933 als Kampfbahn Bremer Brücke eröffneten Stadions. Trotz der teilweise wirklich erbärmlichen Darbietungen der lila-weißen Lizenzfußballer in dieser Saison – u. a. 0:7 in Hannover – war die Bremer Brücke auch heute ausverkauft. Unter dem Motto „Alles für Verein und Hasestadt!“ hatte die Szene um Violet Crew & Co außerdem eine schöne Choreographie vorbereitet. Auf Fähnchen in den Vereinsfarben folgten Rauchsäulen in der gleichen Kolorierung und ein paar blinkende Fackeln (siehe auch Titelbild).

Die Kurve performte mal wieder besser als die Mannschaft

Wahrscheinlich hofften alle Osnabrücker, dass es nach der Niederlage im Kellerduell gegen den BTSV und der anschließenden Entlassung des Cheftrainers Tobias Schweinsteiger nicht schlimmer werden kann. Dass Interimstrainer Martin Heck vielleicht in den letzten Tagen die richtigen Knöpfe bei der Mannschaft gedrückt hat und man gegen die ebenfalls in den letzten Wochen ziemlich erfolglosen Magdeburger vor heimischer Kulisse endlich mal wieder was reißen kann. Doch schon im ersten Durchgang stand die Defensive der Hausherren häufig unter Druck und es gelangen kaum gescheite Entlastungsangriffe.

Die Fangruppe Magdeburg Sued ist 15 Jahre alt geworden

Zwar konnte der Verein für Leibesübungen von 1899 ein 0:0 in die Pause retten, aber in der 2.Halbzeit bewies der überlegene Fußballclub aus Magdeburg endlich Abschlussstärke. Der heute einmal mehr groß aufspielende Baris Atik schloss knapp sieben Minuten nach Wiederanpfiff einen schönen Angriff zur verdienten Gästeführung ab (52.). Fortan bölkten die 1.400 mitgereisten Mitteldeutschen ihre altbekannten Gassenhauer noch lauter. Aber aus journalistischer Sorgfaltspflicht möchte ich nicht unterschlagen, dass es zwischenzeitlich sogar mal melodisch wurde. Ein, zwei echte Fangesänge hat man schließlich auch im Repertoire. Beispielsweise „Whooo oh, wir sind der FCM. Whooo oh, du bist unser Leben. Blau und weiß, schon seit Kindheitstagen. Whooo oh, kämpft für unsere Farben…“ zur Melodie des Songs „Livin‘ On A Prayer“ von Bon Jovi.

Die Gäste feiern das 0:1

Während aus den in Bomberjacken gewandeten Fußballrockern plötzlich Kuschelrocker geworden waren, erwiderte der kurz zuvor eingewechselte Luca Schuler die Zuneigung mit dem 0:2 in der 72.Minute. Danach schalteten die Titz-Schützlinge wieder einen Gang runter, aber die Hasestädter wussten weiterhin wenig mit dem Ball und den sich nun bietenden Räumen anzufangen. Zumindest Zählbares sollte bei ihren Angriffsbemühungen immer noch nicht herausspringen. Entsprechend endete das Debüt von Martin Heck auf dem Chefsessel punkt- und torlos.

Hier erzielt Schuler das 0:2

Letzter Strohhalm der Lila-Weißen kann nur sein, dass bald ein neuer Cheftrainer präsentiert wird und dieser plötzlich viel mehr aus dem Kader herausholt. Ferner müssen im Winter nochmal Volltreffer auf dem Transfermarkt gelandet werden. Beides halte ich für unwahrscheinlich und so dürfte neben dem BTSV auch der VfL Osnabrück zu 96 % ab Sommer wieder drittklassig unterwegs sein. Ich weiß, gewagte Prognose nach 14 von 34 Spielen. Allerdings waren die von mir verfolgten Auftritte von OS und BS in dieser Saison bisher so unterirdisch, dass da wirklich zu viel zusammen kommen muss für den Turnaround.

Die Osnabrücker Ostkurve

Wenn die zwei direkten Absteiger schon feststehen, geht es für den Rest im unteren Tabellendrittel natürlich nur noch darum den Relegationsplatz zu vermeiden. Dementsprechend waren das heute drei wichtige Punkte für die Ottostädter, die nun auf den 13.Platz klettern und aktuell drei Punkte mehr als die gegenwärtig auf Rang 16 logierenden Schalker auf ihrem Konto haben. Während der FCM-Anhang nach Abpfiff mit der Mannschaft diese freudigen Umstände feierte, verließ ich hingegen zügig die Bremer Brücke. Schließlich war ich bereits um 15:30 Uhr in Melle verabredet.

Schalparade bei den Ossis in der Westkurve

Der erstbeste Zug nach Spielschluss erreichte Melle um 15:27 Uhr und passenderweise hatte der mich bereits erwartende Tobi den Bayrischen Hof am Bahnhof für uns herausgesucht. Die warben auf ihrer Homepage vollmundig mit ihrer SKY Sportsbar, überraschten uns am heutigen Nachmittag allerdings mit verschlossenen Türen. Eine am Eingang baumelnde Holztafel wies darauf hin, dass man erst um 16 Uhr öffnen würde.

Melle befindet sich offenbar immer noch im Lockdown

Unerwartet kam es nun doch zu einem kleinen Stadtbummel, denn 30 Minuten in der Kälte stehen war natürlich keine Option. Stattdessen wollten wir uns im nur bedingt pittoresk wirkenden Stadtkern nach Alternativen umsehen und würden wir keine finden, wären wir pünktlich um 16 Uhr zurück. Da uns in der total ausgestorbenen Innenstadt nur weitere verrammelte Gastrotüren erwarteten, ging es auch tatsächlich nochmal zum Bayrischen Hof. Das Schild war mittlerweile entfernt, die Tür ließ sich öffnen und bereits im Vorraum drang der Sound einer Fußballübertragung in unsere Ohren. Aber dennoch wurden wir enttäuscht. Das Restaurant sei jetzt für Gäste geöffnet, aber im Clubraum, wo sich offenbar der einzige Fernseher befand, wäre heute eine geschlossene Gesellschaft… Kurwa! Kurwa mac!

Licht brannte, aber geöffnet wurde diese Pinte erst um 18 Uhr

Also ging es zum zweiten Mal in Richtung Markt und Fußgängerzone. Tobis im hiesigen Grönegau verwurzelte Partnerin hatte uns fernmündlich noch einen Tipp namens Bistro Royal gegeben. Aber auch diese Gastwirtschaft hatte die Stühle auf den Tischen und die Türen verschlossen. Eine Fußballübertragung war uns mittlerweile egal, aber überhaupt irgendwo einkehren und sitzen wäre jetzt schon toll gewesen. Doch nicht mal ein verdammtes Café hatte hier am Samstagnachmittag geöffnet. Bäckerei & Café Schmidt: Dicht! Café Beinker: Dicht! Wie trostlos kann eine mittelgroße Stadt – immerhin hat Melle fast 50.000 Einwohner – bitte sein?

Auf die Kälte folgten Köstlichkeiten

Während wir rund um die Stadtkirchen St. Matthäus und St. Petri weitere Runden drehten, malte sich Tobi völlig zurecht aus, wie ich Melle und ihn in meinem Bericht diffamieren werde. Aber noch war Schadensbegrenzung möglich. Denn ab 17 Uhr sollten wenigstens die bisher noch verschlossenen Restaurants der Stadt öffnen. Unsere erste Wahl war das griechische Restaurant Zeus, welches immerhin bis ca. 19 Uhr noch einen Tisch für uns frei hatte. Es gab sogleich einen Begrüßungs-Ouzo auf’s Haus und nach der Wahl der Grillgerichte kam prompt ein kleiner gemischter Salat an den Tisch. Wenig später wurde uns dann sehr gutes Gyros und fast schon unbeschreiblich gutes Bifteki serviert. Auch die krossen Knoblauchkartoffeln als Beilage waren himmlisch.

Herrliches Herforder durfte den gelungenen Tag abrunden

Melle hat also wenigstens einen göttlichen Griechen zu bieten* und meine Miene war fortan nicht mehr so finster wie Osnabrücks Aussichten auf den Klassenerhalt. Als Tobi obendrein unbedingt alleine für die Rechnung aufkommen wollte, strahlte ich gar wie die Eltern und die Ältesten von Blue Generation und Commando East Side im Spätherbst ’89. So erkauft man sich erfolgreich wohlwollende Berichterstattung bei Schneppe Tours! Da mein Zug erst 19:27 Uhr fahren sollte, revanchierte ich mich wenigstens noch mit einer Runde Bier in der mittlerweile ebenfalls geöffneten Kneipe Kaffeemühle schräg gegenüber. Wir stießen nochmal auf einen netten späten Nachmittag und frühen Abend an, deren unerwarteter Verlauf wahrscheinlich sogar besser als die Ursprungsplanung war. So schön geflucht und gepöbelt wie heute, habe ich jedenfalls schon lange nicht mehr.

*Leider schließt das Zeus in Melle zum 17.12.2023 dauerhaft