Vorarlberg 08/2023

  • 25.08.2023
  • FC Dornbirn – Schwarz-Weiß Bregenz 0:5
  • 2.Liga (II)
  • Stadion Birkenwiese (3.600)

Heute konnte es regnen, stürmen oder schneien. Aber ich nicht nur ich strahlte an meinem Geburtstagsmorgen wie der Sonnenschein. Auch jener Stern G-Stern, um den unser Planet rotiert, lieferte richtig ab. Bis zu 33° C Lufttemperatur wurden es wieder. Zum Glück konnte der halbe Tag im klimatisierten Fernverkehrszug verbracht werden. Für 69 € sollte mich die ÖBB heute von Wien nach Dornbirn transportieren. Ich war zwar, wie im vorigen Bericht erläutert, in Linz statt in Wien gelandet. Doch mein gebuchter Zug sollte um 9:45 Uhr in Linz halten und so war nach einem zünftigen Leberkässemmelgeburtstagsfrühstück bei Pepi ein Zustieg möglich.

Heute Chili und Tomate-Mozzarella bei Pepi

Mein reservierter Platz im Ruheabteil war auch noch frei (der Anspruch auf meine Reservierung war 15 Minuten nach Abfahrt in Wien leider verfallen), so dass es gemütlich und vor allem tatsächlich ruhig nach Dornbirn ging. Ich hatte nun gute fünf Stunden Zeit mein jährlich am 25.August besonders hohes Aufkommen an Korrespondenz zu bearbeiten, wie auch weiter an meinen Reiseberichten zu schreiben. Zumindest den ersten Bericht aus Großbritannien wollte und sollte ich fertigstellen.

Bahnfahren in Österreich ist schön

Dornbirn erreichte ich leicht verspätet um 15:27 Uhr und hier war es tatsächlich just vorbei mit dem Sonnenschein. Die Straßen verrieten hohe Niederschlagsmengen in den vergangenen Stunden. Aber jetzt machte der Regen eine kleine Pause und ich konnte trockenen Fußes zum 1.312 Meter entfernten Hotel spazierten. Das Hotel Sonne 1806 (****) verlangte faire 100 € pro Nacht inklusive Frühstück und hatte ein kleines aber feines Einzelzimmer für mich vorbereitet.

Die klassizistische Dornbirner Stadtpfarrkirche von 1840

Allein schon, dass eine Karaffe Wasser im Zimmer stand, war ein positiver Kontrast zum Linzer Hotel der gleichen Kategorie. Obendrein stand allen Gästen eine Dachterrasse nebst gemütlicher Lounge und Minibar offen. Einziger Malus: Das Zimmer war nicht klimatisiert. Lediglich ein Ventilator stand neben dem Bett. Aber die Temperaturen befanden sich glücklicherweise im Sinkflug. Zwar einhergehend mit weiteren Niederschlägen ab 19 Uhr, wie das Regenradar verriet, aber gerne lieh man mir an der Rezeption einen Regenschirm.

Das Rote Haus

Mit dem Schirm unter’m Arm wollte ich am späten Nachmittag nochmal in Ruhe die mit ca. 49.000 Einwohnern größte Stadt des Bundeslandes Vorarlberg erkunden. Viel zu sehen gab es allerdings nicht. Dornbirn erhielt erst 1901 das Stadtrecht und war entsprechend lange dörflich geprägt. So ist auch im Stadtkern die überwältigende Mehrzahl der Gebäude aus dem 19. und vor allem 20.Jahrhundert. Am Marktplatz findet man allerdings das sehenswerte Rote Haus von 1639. Es wurde als so genanntes Rheintalhaus im traditionellen Baustil der Region errichtet und das ursprünglich mit Ochsenblut rot angepinselte Haus zieht damals wie heute viele Blicke auf sich.

Feuersteinhaus & Johann-Luger-Haus am Dornbirner Markt

Die klassizistische Stadtpfarrkirche St. Martin, welche 1840 die mittelalterliche Dorfkirche an diesem Platz beerbte, und das Ensemble aus Feuersteinhaus (1611) und Johann-Luger-Haus (1902) sind weitere hübsche Bauwerke am Marktplatz. Das Areal war am frühen Freitagabend derweil sehr belebt und die Gastwirte brauchten sich nicht über mangelnde Auslastung beklagen. Meinen abendlichen Appetit durfte hier gegen 18:30 Uhr das im Roten Haus untergebrachte gleichnamige Restaurant stillen. Ich ließ mir Schweineschnitzel Wiener Art mit hausgemachtem Kartoffelsalat (19,90 €) und einen halben Liter Pils der hiesigen Mohrenbrauerei (4,50 €) servieren. Wusste erfreulicherweise alles geschmacklich zu überzeugen.

Auf dieser Reise wird sich fast ausschließlich von Schnitzeln und Leberkässemmeln ernährt

Die Mohrenbrauerei ist außerdem Hauptsponsor des hiesigen Zweitligisten FC Dornbirn, was mir beim letzten Schluck nochmal das heutige Fußballspiel in Erinnerung rief. 20:30 Uhr war dem FC Dornbirn und Schwarz-Weiß Bregenz im Stadion Birkenwiese die Eröffnung des großen Vorarlberger Derbywochenendes vergönnt. Weil heute eine Rekordkulisse absehbar war, machte ich mich auch besser schon eine Stunde vor Spielbeginn auf zur Birkenwiese. Dabei verpasste ich knapp die Ankunft des Bregenzer Mobs. Aus der Ferne sah ich gegen 19:45 Uhr auf Höhe des Bahnhofs Dornbirn-Schoren ein paar Bengalos aufleuchten und die Schlachtrufe der Seestädter ertönen.

Prall gefüllte Haupttribüne in der Birkenwiese

Am Stadion war tatsächlich mächtig Andrang und es dauerte ein wenig, bis ich mein Portemonnaie um 15 € erleichtern durfte. Mit dem Ticket hatte ich nun freie Platzwahl im Rund, aber die Sitze der überdachten Tribüne waren bereits allesamt besetzt. Die Region hatte offenbar Bock auf die 96.Auflage dieses Duells zweier Vorarlberger Traditionsvereine. Bilanz bisher aus Dornbirner Sicht: 37 Siege, 14 Unentschieden und 42 Niederlagen. Ich danke an dieser Stelle übrigens dem Gastverein für die detaillierte Spielvorschau mit vielen Zahlen und Daten, sowie einer historischen Pressemeldung von einem Entscheidungsderby um den Aufstieg in die Kreisliga im Jahre 1931:

„Die von Bregenz und Dornbirn mitgenommenen Anhänger beider Mannschaften ergriffen während des Spieles lebhaft Partei für ihre Mannschaft, so dass es einigemal zu Reibereien unter den Zuschauern kam. Allerdings hat der Schiedsrichter durch einen krassen Fehlentscheid die Anhänger der Dornbirner stark erregt. Es sollte aber doch nicht soweit kommen, dass sich die Leute dann gegenseitig Namen aus dem Tierreich zurufen und mit Tätlichkeiten drohen. Also mehr sportlicher Anstand ist hier vonnöten.“

Vorarlberger Tagblatt am 13.7.1931

Aber die Rivalität wich zwischenzeitlich auch mal dem Pragmatismus. 1979 schlossen sich Schwarz-Weiß Bregenz und der FC Dornbirn zur IG Bregenz/Dornbirn zusammen. Mit gemeinsamen Kräften strebte man den Aufstieg in die Bundesliga an, kam bis zur Auflösung der Interessengemeinschaft im Jahre 1987 allerdings nicht über den zweitklassigen Unterbau hinaus. 1999 schaffte Schwarz-Weiß Bregenz schließlich im Alleingang die Rückkehr in die Bundesliga, der man zuletzt in der Saison 1973/74 als FC Vorarlberg (Spielgemeinschaft mit dem FC Rätia Bludenz) angehört hatte. Bis zum Konkurs 2005 blieb man erstklassig, dann musste der Nachfolgeverein SC Bregenz das ideelle Erbe des 1919 gegründeten Traditionsvereins in der 5.Liga antreten. Der Weg des seit 2013 wieder als Schwarz-Weiß Bregenz firmierenden Clubs führte nur langsam wieder nach oben, aber diesen Sommer kehrte man mittels Aufstieg in die 2.Liga endlich wieder auf die bundesweite Fußballbühne zurück.

Intro der Bregenzer

Dornbirn ist bereits seit 2019 (wieder) zweitklassig und durfte sich heute über 3.500 Besucher beim ersten Derby der Saison freuen. Wovon auch außerhalb des Gästeblocks viele zum Gastverein hielten. Dornbirn dagegen hat keine aktive Fanszene (mehr). Die 1994 gegründeten White Devils scheint es nicht mehr zu geben oder sie haben zumindest ihre Aktivität eingestellt. Daher fehlte es der von Ultras Bregenz (2000) und Bianco e Nero Supporters Bregenz (2005) geprägten Szene aus der Landeshauptstadt leider an einem Gegner auf den Rängen. Nichtsdestotrotz hatte man auf Bregenzer Seite ordentlich mobilisiert, schicke weiße Mottoshirts produziert und das vom Ska inspirierte Motiv jener Shirts (mit Nutty Dancer und Schachbrettmuster) auch auf eine den Gästeblock überspannende Folie gezaubert. Als das Machwerk zum Spielbeginn präsentiert wurde, leuchtete unter der Blockfahne außerdem noch etwas Pyrotechnik auf.

Auf der Gegengerade war es ebenfalls kuschlig

Auf dem Rasen dürften die Bregenzer ebenfalls einen echten Gegner vermisst haben. Jedenfalls spätestens nach dem Seitenwechsel. Doch zunächst gab es eine hitzige 1.Halbzeit zu bestaunen. Die von Andreas Heraf ins Feld geführte Truppe verbuchte eine frühe Führung durch Bruckler (10.), geriet aber noch vor dem Pausenpfiff in Unterzahl. Trainer Heraf war über den Platzverweis seines Schützlings Gabryel in der 40.Minute so erbost, dass der Schiedsrichter ihn ebenfalls des Feldes verwies. Von der Tribüne sah der Ex-96er nun, wie fünf Minuten später auch die Dornbirner dezimiert wurden. Eine Rote Karte für Andrade hatte die Überzahl rasch beendet.

Halbzeitsnack für 3,70 €

In der zweiten Hälfte spielten die Bregenzer nun groß auf. Zunächst besorgte Prirsch in der 54.Minute das 0:2, zwölf Minuten später erhöhte Bruckler mit seinem zweiten Treffer an diesem Abend auf 0:3. Spätestens jetzt machte sich Siegesgewissheit unter den Gästefans breit und dank der weiteren Tore von Wanner (84.) und João Luiz (90.) wurde das Ganze noch regelrecht episch für alle Bregenzer. Dass man als Aufsteiger gleich mal einen Kantersieg in Dornbirn einfährt, haben sich wohl vorher nur die kühnsten Optimisten im schwarz-weißen Fanlager ausgemalt.

Der harte Kern der Bregenzer Fanszene

Während die Seestädter nach Spielende noch ausgiebig ihre Mannschaft feierten, trat ich unverzüglich den Weg zurück zum Hotel an. 2,2 km durfte ich nun parallel zur Dornbirnerach bei Sturm und Regen spazieren und weil der Schirm den Böen kaum noch standhalten konnte, strahlte ich höchstwahrscheinlich nicht mehr wie der Sonnenschein. Nichtsdestotrotz war es ein schöner Geburtstag, der alsbald natürlich auch noch mit guten Freunden sehr gesellig gewürdigt werden wird.

  • 26.08.2023
  • SC Austria Lustenau – SC Rheindorf Altach 0:3
  • Bundesliga (I)
  • Reichshofstadion (Att: 4.592)

Am Samstagmorgen schlief ich für meine Verhältnisse aus und ließ mich erst gegen 8:30 Uhr am Frühstücksbuffet des Hotels blicken. Die Auswahl an Backwaren, Käse, Aufschnitt, Aufstrich, Müsli und Obst war reichlich. Obendrein konnte man sich frisch gebratene Eierspeisen und frisch gebrühte Kaffeespezialitäten an den Tisch bestellen. Den bei mir mitunter weiten Weg zur Sättigung bestritt ich sehr vielfältig, während anschließend ein Espresso und eine Praline das Frühstücksvergnügen krönen durften.

Frühstück im Hotel Sonne 1806

Um 9:30 Uhr machte ich mich an die Tagesplanung. Zehn Stunden hatte ich noch bis zum Anpfiff vom derzeit größtem Derby im Ländle. Leider hatte sich der Himmel über Dornbirn erneut zugezogen wie Technofreunde auf einer Busreise zur Nature One. Da reizte eine angedachte Fahrt mit der Bergbahn auf den nahen Hausberg Karren (971 m ü. NN) mit anschließender Wanderung durch die Rappenlochschlucht nicht mehr wirklich. Ich beschloss stattdessen eine Tageskarte für den Verkehrsverbund zu erstehen (16 €) und damit zunächst von Dornbirn nach Feldkirch zu fahren. Kaum aus dem Hotel, durfte ich schon den abermals geborgten Regenschirm aufspannen. Aber mit dem Ticket konnte ich wenigstens gleich einen Bus zum Dornbirner Bahnhof nehmen und von dort transportierte mich die nächstbeste S-Bahn um 10:30 Uhr binnen 30 Minuten nach Feldkirch. In der mit rund 35.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt des Bundeslandes schien tatsächlich (noch) die Sonne und ich machte mich sogleich an die Erkundung der historischen Altstadt. Vielfach als der schönste historische Stadtkern Vorarlbergs gerühmt.

Das Churer Tor in Feldkirch (1491 erbaut)

Über jener Altstadt thront die um 1200 errichtete Schattenburg (siehe Titelbild), die bis 1390 Stammsitz der Grafen von Montfort war. Deren Wappenschild mit der Montfortschen Kirchenfahne führt das Bundesland Vorarlberg übrigens bis heute heraldisch fort. Allerdings erwarben die Habsburger ab 1363 nach und nach die Herrschaftssprengel der Grafen von Montfort und weiterer Adliger auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Vorarlberg. Das ist auch der Grund, warum dieser alemannische Landstrich westlich des Arlbergs heute zu Österreich anstatt zur Schweizer Eidgenossenschaft oder zur Bundesrepublik Deutschland gehört. Denn Vorarlberg ist das einzige Bundesland Österreichs, in dem wie in der Deutschschweiz, Südbaden oder Oberschwaben alemannische Dialekte gesprochen werden. Im restlichen Österreich werden dagegen bairische Dialekte des Deutschen gesprochen.

Der Marktplatz von Feldkirch

Die erworbenen Herrschaften vor dem Arlberg gehörten unter den Habsburgern zum hinter dem Arlberg liegenden Tirol (Gefürstete Grafschaft Tirol mit dem Lande Vorarlberg) und wurden bis 1861 von Innsbruck aus verwaltet. Danach wurde das Land Vorarlberg eines der 17 Kronländer Österreichs mit eigenem Landtag und eigener Landesregierung. Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreichs am Ende des Ersten Weltkriegs stellte sich 1918 aber tatsächlich nochmal die Frage der Staatszugehörigkeit Vorarlbergs. Es war zunächst unklar, ob es eine Republik (Deutsch)Österreich geben wird und ob man dieser überhaupt angehören will. 1919 votierte bei einem Referendum eine deutliche Mehrheit für Verhandlungen mit der Schweiz über einen Beitritt Vorarlbergs zur Eidgenossenschaft.

Der 1482 erstmals schriftlich erwähnte Feldkircher Wasserturm mit dem österreichischen Wappen als Fresko

Die von den Siegermächten gewünschte europäische Nachkriegsarchitektur, gepaart mit einer zögerlichen Schweizer Reaktion auf die Avancen, sorgte am Ende jedoch für einen Verbleib Vorarlbergs bei Österreich. Dass die Schweizer ihrerseits bei einer Volksabstimmung mehrheitlich für die Aufnahme Vorarlbergs in die Eidgenossenschaft gestimmt hätten, bleibt aber auch fraglich. Die Kantone der Romandie und das Tessin hätten wahrscheinlich kein Interesse an einem weiteren deutschsprachigen Kanton gehabt, während große deutschsprachige Kantone wie Zürich, Bern und Basel protestantisch waren (sind) und sich möglicherweise an der Konfession der römisch-katholischen Vorarlberger gestoßen hätten.

Der barocke Turm der Laurentiuskirche und Schloss Gayenhofen

Um noch weitere Eindrücke vom alemannischen Sonderfall Österreichs zu bekommen, fuhr ich um 13:01 Uhr von Feldkirch weiter ins 20 Minuten entfernte Bludenz. Mit ca. 15.000 Einwohnern die sechstgrößte Gemeinde des Bundeslandes und wie Feldkirch mit einem historischen Stadtkern gesegnet. Hier hatten die Grafen von Werdenberg zwischen 1222 und 1245 eine Burganlage errichtet, von der sie über ihre gräflichen Sprengel herrschten. Die Herrschaft Bludenz kam 1420 an die Habsburger und die Burg der Werdenberger fiel 1491 einem Brand zum Opfer. In der exponierten Lage oberhalb der Altstadt ließ der mit Bludenz belehnte Freiherr Franz Andreas von Sternbach an Stelle der Burgruine in den 1740er Jahren schließlich das Schloss Gayenhofen bauen, welches als Bauensemble mit der Laurentiuskirche gewissermaßen die Stadtkrone von Bludenz ist.

Unterwegs in der Bludenzer Altstadt

Ich genoss von der Anhöhe des Schlosses den Ausblick auf die Stadt und das alpine Bergpanorama rund um Bludenz. Hier sind die Gipfel höher, als rund um Dornbirn oder Feldkirch. Der nahe Hohe Fraßen kommt auf 1.979 m. Etliche Gipfel im Umkreis von 9,6 km um Bludenz knacken wiederum gar die Marke von 2.000 m. Die meisten davon waren aber bereits in Regenwolken gehüllt und auch im Tal regneten die ersten Tropfen nieder. Deshalb ging’s um 15 Uhr weiter nach Lustenau. Bei meiner Ankunft um 15:58 Uhr ergoss es sich dort zwar auch wie aus Kübeln, aber ich hatte zur Überbrückung bis zum abendlichen Derby ein Fußballspiel in einem Stadion mit überdachter Tribüne auserkoren. In jenem Stadion an der Holzstraße sollte der FC Lustenau 07 um 16 Uhr den FC Alberschwende zu einem Pflichtspiel der viertklassigen Vorarlbergliga empfangen.

Der Regen naht

Per Bus kam ich vom Bahnhof immerhin trocken in die Nähe des Stadions. Dann wurde für die letzten 300 Meter wieder der Schirm aufgespannt. Am Ziel allerdings die böse Überraschung, die eigentlich gar nicht so überraschte. Das heutige Heimspiel des ältesten Fußballvereins Vorarlbergs war wegen Unbespielbarkeit des Platzes kurzfristig abgesagt worden. Nichtsdestotrotz tummelten sich gut 100 Leute im überdachten Biergartenbereich des Stadions und zechten dort eben ohne begleitendes Fußballspiel. Dabei hatten auch einige Fans des FCL 07 Gruppenklamotten der Fanatics und der Blue Freaks an. Denn das kleine Lustenau erlaubt sich tatsächlich zwei Fußballvereine mit Fanszene und beide Lager rivalisieren obendrein erbittert miteinander.

Der Mob am malerischen Lustenauer Kirchplatz

Die andere Szene der Kleinstadt (ca. 23.000 Einwohner) sollte ich wenige Minuten später am zentralen Kirchplatz erspähen. Die triste Laden- und Lokalzeile dort verfügt über ein großes Vordach, unter jenes man sich mit rund 200 jungen Männern drängte. Noch kuschliger wurde es, als ein paar Autobesatzungen Augsburger dazustießen, um die Vorarlberger Fanfreunde heute zu unterstützen. Dass der Mob selbstredend auch die Lokale am Kirchplatz in Beschlag genommen hatte, verhagelte mir allerdings die Option dort zu speisen. Der Zufall trieb mich nun eine Straßenecke weiter ins Freigeist. Die Tür stand einladend offen, aber Gäste saßen um 17:30 Uhr keine in diesem Restaurant. Die Maîtresse d’hôtel empfing mich allerdings freundlich und erörterte, dass eigentlich erst um 18 Uhr wieder geöffnet sei. Ich dürfe aber gerne schon Platz nehmen, etwas trinken und mich mit der Speisekarte vertraut machen. In Anbetracht des Wetters, klang das für mich äußerst attraktiv.

Salat geht auch delikat

Die Speisekarte las sich ebenfalls vielversprechend und ließ mich bei einem ersten Radler (4,90 €) einen Verdacht schöpfen. Eine kurze Recherche mit dem Smartphone bestätigte diesen: „Der Freigeist in Lustenau bietet Sterneküche ohne Schnickschnack. Bei Hausherr und Zwei-Haubenkoch Bernd Moosmann gibt es alles Gute aus nachhaltiger und regionaler Landwirtschaft.“ Bei so einer guten Adresse hatte ich sogleich den Impuls etwas möglichst Besonderes auszuwählen. Wegen des großen Fußballleckerbissens um 19:30 Uhr, wollte ich jedoch weder bei der Vorspeise, noch beim Hauptgang eine zeitintensive Zubereitung riskieren. Nachdem zunächst einmal der Gruß aus der Küche genossen wurde (frische Butter mit Meersalz und Walnussbrot), durfte man mir deshalb einen gemischten Salat mit Wachteleiern und Kernöl (9,90 €) servieren und anschließend kam ein Wiener Schnitzel vom Milchkalb mit Petersilienkartoffeln und Preiselbeeren (29,90 €) an den Tisch.

Es bleibt der große Schnitzelurlaub

Jener Hauptgang passte wenigstens auch ins bisherige kulinarische Programm dieser Reise und war gegen 18:45 Uhr vollständig verzehrt. Nun wäre zeitlich sogar noch ein Dessert drin gewesen, aber ich war tatsächlich pappsatt. Es waren nämlich nicht nur besonders delikate Gaumenfreuden, sondern auch die Portionsgröße war in keinster Weise zu bemängeln. An den Preisen hatte ich ebenfalls nichts zu granteln. In Sachen Gesamtrechnung wäre ich anderswo bei ähnlicher Auswahl vielleicht sechs oder sieben Euro günstiger gewesen. Verschlägt’s mich nochmals nach Vorarlberg, kehre ich gerne wieder beim Freigeist ein (und bringe ausreichend Zeit für freie Auswahl auf der Speisekarte mit).

Choreo der Altacher

Der Regen hatte erfreulicherweise aufgehört und gegen 19:00 Uhr konnte ich mich am Eingang des 1951 eröffneten Reichshofstadion einreihen. Ein Ticket à 20 € für’s letztlich ausverkaufte Spiel hatte ich mir bereits im Vorverkauf gesichert und nach 13,12 Minuten Wartezeit war ich drin. In den Fansektoren des gegenwärtig 4.592 Zuschauer fassenden Stadions herrschte eine Viertelstunde vor Anpfiff natürlich hektische Betriebsamkeit. Lustenauer und Altacher bereiteten ihre jeweiligen Choreographien vor, während sich vereinzelte Ultras im Schutze ihrer Fahnen für den Einsatz von Pyrotechnik präparierten.

Auch Pyrotechnik durfte zu Spielbeginn nicht fehlen

Wenig später sollten die Altacher schwarze und weiße Papptafeln im Block präsentieren, während ’ne vermummte Gestalt mit feuerroten Augen am Zaun prangte. Dazu war rechts und links vom Vermummten in großen Lettern „Voller Fokus“ und „Voller Kampf“ zu lesen, während der Untertitel „Vo da ersta bis zur allerletzta Sekunda alles für an SCR Altach“ lautete (wie erörtert, man spricht hier einen alemannischen Dialekt, der dem Schweizerdeutsch ähnelt). Es folgten aus den Reihen der Altacher Jungs Fontänen in weiß und Rauchsäulen in schwarz.

Auch die Lustenauer bereiteten den Kampfmannschaften einen zünftigen Empfang

Die als Nordtribüne Lustenau zusammengeschlossene Heimszene zog unterdessen riesige Lettern vor der den Dachgruppennamen stiftenden Tribüne hoch. „Grün und Weiss“ war zu lesen und in eben jenen Farben wurden ebenfalls Fontänen abfeuert. Ferner rauchte und leuchtete es auf der Tribüne hinter dem Wortbild. Doch kaum war der Rauch verzogen, stand es nicht mehr 0:0. Bereits nach 66 Sekunden unterlief dem Austria-Torhüter Domenik Schier nach dem ersten Eckstoß der Partie ein Eigentor. Man gut, dass noch ausreichend Altacher vermummt waren. So konnten sie die frühe Führung wie auf Knopfdruck mit etlichen Fackeln feiern.

Die Altacher feiern das erste Tor des Abends

Der von seinen Fans nun trotzig nach vorn gepeitschte SC Austria von 1914 wollte natürlich schnellstmöglich ausgleichen. Aber die Lustenauer Offensivbemühungen liefen ins Leere und in der 25.Minute erhöhte Christian Gebauer für den an Weihnachten 1929 gegründeten Sportclub Rheindorf Altach auf 0:2. Gern bedienten sich junge Männer mit schwarz-weißen und blau-weißen Sturmhauben erneut am in den Gästesektor eingebrachten Fackelvorrat. Letztgenannte Farbkombination war, neben einem Banner am Zaun, übrigens die Bestätigung dafür, dass die Abordnung der befreundeten GCZ-Szene es diesmal ins Reichshofstadion geschafft hatte. Beim Derby im April hatte die österreichische Polizei dagegen einen Bus mit 70 Zürchern aus dem Verkehr gezogen und wieder zurück in die Eidgenossenschaft geschickt.

Der Austria-Anhang steckte nicht auf

Die seit fast 10 Jahren im Derby sieglosen Altacher hatten die Partie von fortan gut unter Kontrolle und Chancen auf ein drittes Tor gab es bereits vor dem Seitenwechsel. Es dauerte allerdings noch bis zur 56.Minute, ehe Paul Koller im Strafraum der Lustenauer frei zum Abschluss kam und auf 0:3 erhöhte. Ja, natürlich folgte wieder Pyrotechnik im Gästeblock. Aber vor allem machte sich bei den im Ländle-Derby so leidgeprüften Altachern endgültig Siegeseuphorie breit. Hier konnte und sollte nichts mehr anbrennen. Jedenfalls im übertragenen Sinne…

Tor Nr. 3 wird gefeiert

Denn ungefähr in der 80.Spielminute, als wirklich keine Hoffnung mehr Heimseite bestehen konnte, wurde auf Nordtribüne noch ein Feuerwerk der Spitzenklasse abgefeuert. Derbydebakel hin oder her, die Brüderschaft mit den Augsburgern sollte heute so gefeiert werden, wie sonst nur die Glockenschläge eines neuen Jahres. Dutzende Feuerwerksraketen wurden in den Lustenauer Nachthimmel geschossen. Während oben am Firmament nun diverse Nitratsalze für buntes Leuchten sorgten, loderten unten im Block die Bengalischen Lichter hinter einem SCA-FCA-Freundschaftsbanner.

Guten Freunden schenkt man schon mal ein Feuerwerk

Obwohl die Spieler dank des Höhenfeuerwerks nochmal kurz durchatmen durften, passierte in den letzten zehn Minuten nichts mehr auf dem Rasen. Auf den Rängen fieberten die Altacher derweil ekstatisch dem Abpfiff entgegen, während die Lustenauer obstinat an der Unterstützung ihrer untergehenden Mannschaft festhielten. Diese geschlagene Mannschaft hatte daher nach Spielende auch keine Scheu sich in die Kurve zu begeben und für die Unterstützung zu bedanken. Mit aufmunterndem Klatschen und trotzigen Schlachtrufen wurde die Elf verabschiedet.

Der Frust wurde mit trotzigen Gesängen kanalisiert

In der Gästekurve fiel das Tête-à-Tête von Anhang und Mannschaft natürlich etwas aus. Hier wurde der erste Derbysieg gegen Lustenau nach 9,6 Jahren Durststrecke – zugleich der erste Sieg gegen den Rivalen auf Bundesligaebene – natürlich lustvoll ausgekostet. Für den bereits von 2006 bis 2009 erstklassigen SCRA läuft’s in der zehnten Bundesligaspielzeit seit dem Wiederaufstieg (2014) bisher ganz gut. Man klettert zumindest vorläufig auf den 4.Rang. Die Lustenauer, die erst seit 2022 wieder Teil der Bundesliga sind (davor 1997 -2000), sollten den ersten Saisonsieg dagegen nicht mehr zu lange aufschieben. Weil steckt man erstmal unten drin…

Altach darf endlich wieder spüren, wie sich ein Derbysieg anfühlt

Noch weit bevor im Reichshofstadion die Stecker vom Flutlicht gezogen wurden, war ich dagegen auf dem Rückweg nach Dornbirn. Über etwaige Aufeinandertreffen von finsteren Gestalten in dunklen Dorfgassen, weiß ich daher nichts zu berichten. Im guten Glauben einem ausnahmslos friedlichen Fußballfest beigewohnt zu haben, schlief ich daher gegen 23 Uhr ebenfalls friedlich ein.

  • 27.08.2023
  • Schwarz-Weiß Bregenz Amateure – FC Viktoria 62 Bregenz 1:4
  • Landesliga Vorarlberg (VI)
  • Bodenseestadion (Att: 155)

Am Sonntag sollte es laut Wetterbericht nahezu den ganzen Tag im Vorarlberg schütten. Dass das kurzfristig immer recht zuverlässige Regenradar allerdings eine Niederschlagspause zwischen 9 und 10 Uhr prognostizierte, stimmte mich optimistisch wenigstens trockenen Fußes zum Bahnhof zu kommen. Nachdem nochmal vorzüglich gefrühstückt wurde, machte der Regen um 9 Uhr tatsächlich wie auf Knopfdruck eine Pause. Es ging fix zum Dornbirner Bahnhof und von dort ins wenige Bahnminuten entfernte Bregenz.

Morgens am Bodensee

In der Landeshauptstadt Vorarlbergs (knapp 30.000 Einwohner) sollte heute um 10:30 Uhr noch ein drittes Derby an diesem Wochenende stattfinden. Im großen Bodenseestadion (ca. 10.000 Plätze) empfingen die Schwarz-Weiß Bregenz Amateure die 1.Mannschaft vom FC Viktoria 62 zum Hauptstadtduell. Gerade in Anbetracht des Wetters fiel mir wirklich nichts Besseres zur Vormittagsgestaltung ein und mit rund 150 weiteren Fußballfreunden fand ich unter dem Dach der Haupttribüne für zwei Stunden Schutz vor den Niederschlägen.

Die Haupttribüne des Bodenseestadions

Außer trocken war es auch noch torreich. Bereits in der 5.Minute durfte die Gäste erstmals jubeln und in der 30.Minute bauten sie ihre Führung auf 0:2 aus. Nach dem Seitenwechsel konnten die SWB Amateure in der 50.Minute immerhin den Anschluss herstellen. Doch es sollte sich als der Ehrentreffer herausstellen, da die bisher deutlich überlegen auftretende Viktoria postwendend das 1:3 erzielte (51.) und ein verwandelter Strafstoß in der 70.Minute endgültig alles klar machte. Aber immerhin kam wenigstens einmal die Bregrenzer Tormusik auf den Plattenteller. Passend zur Choreographie und den Mottoshirts in Dornbirn am Freitag, handelt es sich dabei um „One Step Beyond“ von Madness. Auf einer Geschmacks-Ska-la von 1 bis 10 ’ne glatte 9,6!

Freunde der Viktoria freuen sich über das 0:2

Die Schiedsrichterin beendete die Regenschlacht von Bregenz bereits in der 89.Spielminute und weil bei dem Wetter ein anschließender Stadtspaziergang nicht reizte, stieg ich nach Abpfiff in den nächstbesten Zug nach Lindau. Von dort konnte ich nun schon eine frühere Verbindung nach Ulm nehmen und hatte dadurch vor der Abfahrt des gebuchten ICE nach Hannover theoretisch noch genügend Zeit für ein Mittagessen in der Münsterstadt.

Kurzer Zwischenstopp in Lindau am Bodensee

Allerdings lachte mich bereits beim Bahnhofsbäcker ein knuspriger Leberkäslaib an und abgesehen von einem Schnitzel, hätte diese Reise kulinarisch nicht besser abgerundet werden können. Entsprechend wanderten schnell 5,40 € für zwei Leberkässemmel über die Theke. Pünktlich um 16:01 Uhr war schließlich Abfahrt in Ulm und rund 5,5 produktive Stunden später erreichte ich Hannover. Für den Fernverkehrsteil meiner Rückreise hatte ich übrigens mal wieder eine sinnvolle Verwendung meiner Bonuspunkte gefunden. Aufgrund der kurzfristigen Buchung wäre nichts mehr unter 100 € gegangen, so dass ich meinen Kontostand bei BahnBonus mit Freude um 1.000 Punkte reduzierte.

Mein liebstes Streetfood

Die letzten Kilometer nach Hildesheim deckte dann wieder das Deutschlandticket ab und exakt 22:00 Uhr wurde die heimische Haustür aufgeschlossen. Zwei großartige, besondere und abwechslungsreiche Urlaubswochen lagen hinter mir, während eine nachträgliche Geburtstagstour mit Freunden im September und der nächste Urlaub im Oktober bereits deutlich hörbar anklopfen. Aber wie heißt es so schon; bei einem rollenden Stein setzt kein Moos an.

Song of the Tour: Die Steilvorlage der Bregenzer durfte nicht ungenutzt bleiben