UK Road Trip 08/2023 (I)

  • 15.08.2023
  • Forest Green Rovers – Swindon Town 1:2
  • League Two (IV)
  • The New Lawn (Att: 3.265)

Mein Sommerurlaub 2023 führte weder in exotische Länder, noch wurde an gewohnten Reiseinhalten von Schneppe Tours großartig rumgedoktert. Trotzdem war diese Tour anders als alle meine bisherigen Reisen, da sie eng mit dem Tod meines Bruders verknüpft ist. Mein jüngerer und einziger Bruder war am Abend des 14.Juli 2020 ohne irgendwelche bösen Vorzeichen zu Bett gegangen und wenige Stunden später musste seine Freundin um sein Leben kämpften. Obwohl er bis dahin als kerngesund galt, sehr sportlich war und sich ziemlich bewusst ernährte, blieb sein Herz plötzlich im Schlaf stehen. Zwar schafften die herbeigerufenen Rettungssanitäter das Herz meines Bruders mittels Defibrillator nach langem Stillstand doch nochmal zum Schlagen zu bringen, aber es sah alles andere als gut aus.

Niemals geht man so ganz

Auf der Intensivstation versetzte man ihn in ein künstliches Koma und ich glaube falsche Hoffnungen hat man uns von medizinischer Seite am nächsten Morgen nicht gemacht. Aber wir waren eh zu paralysiert, um alles richtig zu verstehen oder zu interpretieren. Und als Angehörige hofften wir sowieso von Statistiken oder Wahrscheinlichkeiten unbeeindruckt auf ein gutes Ende, solange der Tod meines Bruders noch nicht zweifelsfrei medizinisch festgestellt war. Doch nach sieben Tagen des Bangens und des Hoffens an seinem Bett kam es leider zu einem schlechten Ende.

Mein Bruder 2015 an einem der von uns 2023 bereisten Orte

Ich finde auch nach drei Jahren immer noch nicht die richtigen Worte, die es vermögen diesen Verlust angemessen zu beschreiben. Mein Bruder und ich hatten ein sehr enges Verhältnis. Niemand stand mir näher als er. Wir hatten etliche kongruente Interessen, viele gemeinsame Freunde und noch einige gemeinsame Pläne. Eine Idee, die sehr konkret im Raum stand, war ein gemeinsamer Road Trip durch ein paar europäische Länder. Pablo, sein alter Fiesta (BJ 2005) hatte ausgedient und sollte noch vor Ablauf des Jahres ersetzt werden. Aber nicht ohne nochmal eine große Abschiedstour zu bekommen. Aus Sentimentalitätsgründen wurde Pablo nun nach dem Tod meines Bruders von der Erbengemeinschaft nicht verhökert oder verschrottet, sondern eingemottet.

Schlecht erkennbarer Spoiler der Tour

Mein Vater und ich fanden die Idee charmant, dass wir irgendwann mit Pablo auf Abschiedstour fahren. Nachdem eine Pandemie und andere Herausforderungen hinter uns lagen, passte es im Sommer 2023 endlich bei uns beiden. Im Frühjahr war Pablo mit ein paar kleinen Reparaturen nochmal durch den TÜV gekommen und wir sinnierten über eine schöne Route. Am liebsten an einen oder mehrere Orte, an denen mein Bruder auch schon war. Letztlich lief es auf England und Wales hinaus und im Juli wurden Fähren und Unterkünfte gebucht.

Unterwegs mit Pennermarie

Nur Pablo machte bei der Probefahrt plötzlich ein paar Zicken und mein Vater äußerte Bedenken. Da nun über 3.000 km vor uns lagen, davon rund 1.896 km im Linksverkehr und teilweise auf anspruchsvolleren Straßen, empfahl es sich diese, wenn möglich, in einem tadellosen Fahrzeug zu bestreiten. Es wäre schließlich keinem geholfen, blieben wir mit Pablo liegen oder würden gar einen Unfall bauen. Also beluden wir schweren Herzens kurzfristig doch meines Vaters Caddy mit unserem Gepäck. Mit an Bord war mit Pennermarie aber wenigstens eines der Lieblingskuscheltiere meines Bruders aus Kindertagen. Jener Plüschmarienkäfer sah schon vor 30 Jahren sehr mitgenommen aus, weshalb der Rest der Familie irgendwann nur noch von Pennermarie sprach. Sehr zum Missfallen meines Bruders, der damals dem Credo „Wer meine Kuscheltiere beleidigt, beleidigt auch mich“ folgte.

Bereits auf dem Festland warfen wir die Grundsätze gesunder Ernährung über Bord

Am Morgen des 13.Augusts war es schließlich soweit. Alles war bestmöglich vorbereitet und wir fuhren um 6 Uhr in Hildesheim los. Weil das Verkehrsaufkommen an einem Sonntagmorgen erwartungsgemäß moderat ausfiel, kamen wir gut durch. So blieb nach einem Tankstopp in Belgien noch genug Zeit eine Frituur namens Frietpunt nahe Brugge (Brügge) für ein hochgradig ungesundes Mittagessen aufzusuchen. Wenig später war eine erste Brise Meerluft am Strand von Dunkerque (Dünkirchen) ebenso drin. Wir tranken Kaffee an der Promenade und informierten uns obendrein per Schautafeln über die Operation Dynamo im Frühjahr 1940. Damals hatte die Wehrmacht das Gros der British Expeditionary Force (BEF) und Teile der französischen Armee in Dunkerque eingeschlossen. Doch auf dem Seeweg konnten zwischen dem 26.Mai und dem 4.Juni 198.229 britische und 139.997 französische Soldaten nach England evakuiert werden.

Neben Schautafeln, erinnert am Strand von Dunkerque natürlich auch ein Monument an die Operation Dynamo

Um 16:15 Uhr kamen wir letztlich am Fährhafen in Calais an und so viel später hätte es gar nicht mal werden dürfen. Nach dem Check-in folgten noch die beiden Passkontrollen und letztlich fuhren wir erst gegen 17:35 Uhr auf die gebuchte Fähre. 15 Minuten später legte der Kahn ab und während der achtzigminütigen Überfahrt genossen wir hauptsächlich die herrliche Aussicht an Deck. Das hat schon was, wenn die weißen Klippen von Dover am Horizont auftauchen und man im letzten Drittel der Überfahrt auf sie zusteuert.

(Eng)Land in Sicht

Um 18:30 Uhr Ortszeit bekamen die Reifen nun endlich ihren Erstkontakt mit dem englischen Asphalt und wir steuerten unsere erste Unterkunft im rund 80 km entfernten Hastings an. Mein alter Herr meisterte den Linksverkehr auf Anhieb relativ gut und als mutmaßlich schlechtester Autofahrer in der ganzen Postleitregion 3, hielt ich mich mit Verbesserungsvorschlägen dezent zurück. Lediglich die Anmerkung, dass hier in ausgewiesenen 30er-Zonen knapp 50 km/h gefahren werden darf und in 50er-Zonen bis zu 80 km/h zulässig sind, erlaubte ich mir nach gewisser Zeit. Die Kolonne an Fahrzeugen hinter uns hatte doch recht schnell beträchtliche Ausmaße angenommen.

Das erste Pint

Letztlich checkten wir gegen 20:30 Uhr ins Premier Inn Hastings (***) ein, welches uns pro Zimmer inklusive Frühstück umgerechnet 75 € kostete. Ein Ausflug ins rund 5 km entfernte Stadtzentrum lohnte heute nicht mehr wirklich und daher wurden die ersten beiden mit Guinness bzw. Worthington’s Creamflow befüllten Pints des Urlaubs sogleich in der ans Hotel angeschlossenen Gastronomie genossen. Vom ersten Full English Breakfast der Reise trennte uns wiederum noch eine neunstündige Nachtruhe. Die tat nach dem langen Anreisetag richtig gut.

Mein erstes englisches Frühstück seit dem 01.01.2020

Sichtlich erholt wurde sich am ersten richtigen UK-Tag ab 7 Uhr der Wanst vollgeschlagen und gut gestärkt drehten wir danach mit dem Caddy eine Runde durch Hastings (ca. 90.000 Einwohner). Ganz netter Badeort an der englischen Südküste, der Touristen u. a. mit seinen Klippen, einer Burgruine, einem historischen Stadtkern, einer Strandpromenade und einer Seebrücke gewisse Urlaubsfreuden bereiten dürfte.

Strand & Pier in Hastings

Außerdem fand hier 1066 die Battle of Hastings statt. Es war eine vorentscheidende Schlacht im Zuge der normannischen Invasion, aus der das Invasionsheer des normannischen Herzogs Wilhelm siegreich hervorging. Letztlich sollte Wilhelm den angelsächsischen König Harald II. unterwerfen und als William the Conquerer (Wilhelm der Eroberer) in die englische Geschichte eingehen. Fortan wurde das mittelalterliche England von den Normannen beherrscht.

Die 1825 erbaute Pelham Arcade in Hastings

Gegen 9 Uhr saß mein Vater dann wieder am Steuer seines Fahrzeugs. Da ich vor dieser Reise mein Gelöbnis nie wieder selbst ein Kraftfahrzeuge zu steuern unmissverständlich erneuert hatte, lag die Last des Fahrens übrigens jeden Tag und jeden Kilometer auf seinen Schultern. Aber er kann das im Gegensatz zu mir wirklich gut und als fairer Sportsmann hatte ich die rund 340 km bis zum nächsten Hotel wenigstens in mehrere Etappen aufgeteilt.

Sherlock Holmes ihm sein Altersruhesitz in East Dean

Als erstes ging es von Hastings ins 42 km entfernte East Dean. Ein schnuckeliges Dorf mit etwas über 200 Einwohnern, dass Sir Artur Conan Doyle zum Altersruhesitz von Sherlock Holmes erklärt hat. Gute Wahl des Schriftstellers für seinen Romanhelden. Denn nicht nur das Dorf ist von außergewöhnlicher Schönheit. Einer der beeindruckendsten Küstenabschnitte England ist nur gut eine Meile entfernt und stellte das eigentliche Ziel unseres Abstechers dar.

Sattes Grün und blaues Meer

Ich hatte uns eine kleine Küstenwanderung gebastelt, die uns über das satte Grün der hiesigen Schafsweiden zu den Seven Sisters führen sollte. Jene sieben Schwestern sind eine Kette von besonders eindrucksvollen Kreidefelsen an der Küste von Sussex. Hier fällt die Hügelkette der South Downs sanft zum Meer ab, um an der Abbruchkante der Seven Sisters abrupt zu enden. Dort geht es dann über 100 Meter senkrecht hinunter zum Wasser bzw. Strand.

Die Seven Sisters von Birling Gap betrachtet

Östlich der Seven Sisters erreichten wir auf unserer Wanderung den Weiler Birling Gap, der mittlerweile stark von Erosion bedroht ist und dessen Häuser wohl irgendwann ein Stück landeinwärts versetzt werden oder andernfalls aufgegeben werden müssen. Wer weniger Wanderlust als wir hat, kann übrigens direkt Birling Gap mit dem Auto ansteuern und hier für £ 8 parken. Ebenfalls wird Birling Gap täglich von Busanbietern aus den umliegenden Seebädern und aus London angesteuert. Aber wahrscheinlich auch nicht gerade zum Schnäppchenpreis.

Strandabschnitt bei Birling Gap

In Birling Gap kann man übrigens nicht nur direkt zu den Klippen fahren, sondern über eine Treppe kommt man hier auch bequem zum Strand hinunter. Aber wir wollten unsere Wanderung lieber oben fortsetzen. Denn ein kleines Stück weiter östlich warteten noch zwei schöne Leuchttürme auf uns. Zunächst der aufgrund von permanenter Erosion bereits landeinwärts versetzte Leuchtturm Belle Tout und anschließend das vom Meer umspülte Beachy Head Lighthouse. Der Beachy Head ist wiederum Großbritanniens höchster Kreidefelsen (162 m) und somit nochmal eine besonders markante Landmarke an der wunderschönen Küste von Sussex (siehe Titelbild).

Der 1834 in Betrieb genommene Leuchtturm Belle Tout

Auf dem Beachy Head machten wir nun wieder kehrt und wanderten querfeldein über die Weidegründe der lokalen Viehwirte zurück nach East Dean. Das Dorf erreichten wir gegen 13 Uhr und hatten damit eine 11 km lange Wanderung mit 230 Höhenmetern in gut drei Stunden absolviert (reine Wanderzeit 2:46 h + 15 Minuten Pause). Als kleine Erfrischung genossen wir nun im urigen Dorflokal Tiger Inn ein Pint (Beifahrer) bzw. Halfpint (Fahrer) Helles Lager der Brauerei Longman.

Auch Rinder weiden rund um East Dean

Unser nächstes Ziel war das von East Dean gute drei Stunden Fahrzeit (ca. 230 km) entfernte Stonehenge. Wir hatten zwar schon vor der Reise entschieden, dass wir uns die mittlerweile £ 26 Eintrittspreis (ca. 30 €) sparen werden. Aber wenn diese Welterbestätte eh mehr oder weniger auf der Reiseroute liegt, kann man da ruhig mal halten. Zumal man auch ohne Eintritts- oder Parkgebühren sehr nah an die geschätzt 5.000 Jahre alte Megalithanlage herankommt. Man parkt einfach in der nächstgelegenen Ortschaft Larkhill und spaziert von dort – je nach Parkplatz – zwischen 1.312 und 1.896 m zu Fuß zum weltberühmten Steinkreis.

Das Tiger Inn

Über einen Feldweg, an dem auffällig viele Hippies kampierten, pirschten wir uns von Norden an die prähistorische Anlage heran. Ich weiß zwar aus den Medien, dass hunderte Hippies und Esoteriker jedes Jahr zur Sommersonnenwende nach Stonehenge strömen. Doch dieses Ereignis war allerdings auch schon wieder acht Wochen her. Aber wahrscheinlich ist dieser mystische Ort ganzjährig ein Anziehungspunkt für dieses Klientel oder denen gefällt es dort so gut, dass sie gleich den ganzen Sommer ihre Lebensart und ihre Rituale im Schatten der Steinkreise pflegen?

Auf dem Weg zum Steinkreis half ich ein ausgebüxtes Schaf wieder einzufangen

Die Mystik und Romantik leidet allerdings an den unzähligen Touristen und an der vielbefahrenen A303, die lediglich 50 Meter neben Stonehenge verläuft. Doch zumindest die Tourimassen erledigen sich in den Abendstunden. Pünktlich zu unserer Ankunft um 17 Uhr wurde die Anlage geschlossen und die Security begann nach und nach alle zahlenden Besucher zum Ausgang zu bitten. Die durften bis dahin für ihre £ 26 auf bis zu 10 Meter an die Steine ran, während mein Vater und ich 30 Meter entfernt auf der anderen Seite des Zauns stehen mussten.

Ein Steinzeitsteinkreis in der Nähe von Salisbury

Gegen 18 Uhr nahmen wir schließlich die letzte Etappe des Tages in Angriff. Nochmals 66 km mussten die vier Räder rollen, ehe wir kurz nach 19 Uhr ins Wookey Hole Hotel (***) einchecken konnten. Das für uns pro Zimmer umgerechnet 89 € teure Hotel befindet sich direkt an einer großen Karsthöhle namens Wookey Hole im gleichnamigen Dorf. Aber wir waren nicht wegen der Höhle und dem ihr angeschlossenen Familienpark hier, sondern wegen der angrenzenden Stadt Wells und der nahen Schlucht Cheddar Gorge.

Ein Tetley’s im Wookey Hole Club

Doch jene Orte sollten erst am kommenden Vormittag Gegenstand unserer Freizeitgestaltung werden. Jetzt musste erst einmal ein Abendessen her und die Hotelgastronomie war uns dazu bei Ankunft etwas zu belebt. Zum Glück konnten zwei Lokale in unmittelbarer Nachbarschaft erspäht werden. Beim ersten verriet jedoch bereits der Name Wookey Hole Club, dass es sich um kein Public House handelte. Dieser Social Club war eigentlich nur Anwohnern vorbehalten, die wiederum eine jährliche Gebühr für die Clubmitgliedschaft entrichten. Doch die netten Leute von Wookey Hole luden uns mit den Worten „If you stay here in a hotel, it’s like you are residents“ ein zu bleiben.

Die beiden Neubürger von Wookey Hole speisen gutburgerlich

Da hier kein Essen serviert wird, wollten wir das eigentlich gar nicht mehr. Aber nun wäre auf dem Absatz umkehren unhöflich gewesen und wir blieben wenigstens auf ein Anstandsbier. Nachdem das mit Tetley’s befüllte Pint leer war, drängten die Mägen jedoch zum unverzüglichen Aufbruch. Zwei Türen weiter wurden uns im Wookey Hole Inn kurz vor Küchenschluss zwei Homemade Beef Burger mit Cheddarkäse, Parmaschinken, Pommes frites, Salatbeilage und Aioli serviert. Als Bierbegleitung ließen wir uns mit Gorge Best von Cheddar Ales außerdem ein regionales Bitter zapfen.

Das ging heute fast schon als Pub Crawl durch

Speis und Trank mundeten hervorragend, so dass wir für die zwei Burger und die zwei Biere gerne aufgerundete £ 40 entrichteten (inklusive knapp 10 % Trinkgeld*). Aber besonders hervorheben muss ich natürlich noch die Namensgebung des Bieres. Denn neben Käse ist Cheddar auch für seine Schlucht Cheddar Gorge bekannt und Gorge Best liest sich natürlich nicht zufällig (fast) wie die große Fußballlegende George Best.

Eggs Benedict

Da ließe sich nun prima zur Gestaltung des nächsten Vormittags überleiten. Aber ich will nicht unterschlagen, dass wir im Hotel auch noch die dritte Zapfanlage des Ortes für ein Pint in Anspruch genommen, ehe die Nachtruhe eingeläutet wurde. Ebenso soll das Frühstück am kommenden Morgen nicht unter den Tisch fallen. Gab zwar Full English auf der Karte, aber unisono wollten wir schon am zweiten Morgen für Abwechslung auf dem Teller sorgen und orderten Eggs Benedict aus der Küche. Zwei pochierte Eier und Schinken auf einem halben Bagel machen ausgewachsene Männer zwar nicht satt, aber neben einer warmen Speise nach Wahl, war obendrein ein kleines Frühstücksbuffet im Übernachtungspreis inbegriffen. Buttertoast und Müsli sorgten daher für den Magenschluss.

Welcome to Wells

Anschließend checkten wir aus und widmeten uns ab 9 Uhr gute 1,5 Stunden der Stadt Wells. Lässt man den Sonderfall City of London mal außen vor, ist Wells mit ca. 10.500 Einwohnern Großbritanniens kleinste City. Dass Wells zu den insgesamt 76 Cities im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland gehört, verdankt es seiner ab 1180 erbauten Kathedrale. Denn im Mittelalter bekam grundsätzlich jede Stadt mit Kathedrale den Status einer City, während die Könige und Königinnen den Titel in der Neuzeit unabhängig vom Vorhandensein einer Kathedrale an verschiedene britische Städte verliehen haben.

Die Westfassade der Kathedrale von Wells mit über 300 gotischen Statuen

Wells, dass schon zu römischer Zeit eine Siedlung vorweisen konnte und bereits 909 Bischofssitz wurde, hat aber noch mehr als seine Kathedrale zu bieten. Insgesamt handelt es sich um einen schönen historischen Stadtkern, in dessen Herzen der Marktplatz unser erstes Ziel war. Von hier kann man durch das das prächtige Tor Bischop’s Eye zum ab 1210 erbauten Bishop’s Palace gelangen. Der Palast ist von einem Wassergraben und einer öffentlichen Parkanlage umgeben. Den eigentlichen Palast und die innerhalb der Umfassungsmauer befindlichen Gärten, kann man wiederum gegen Entgelt besuchen. Aber ich hatte uns heute schon wieder zu viel anderes Programm aufgebürdet…

Das Torhaus des Bischofspalasts

Durch das ebenfalls schöne Tor Penniless Porch gelangt man wiederum vom Marktplatz zur gotischen Kathedrale. Deren Eintritt ist frei, es wird jedoch um Spende gebeten (freundliche Empfehlung: £ 6). Die herausragenden Steinmetzarbeiten an der Außenfassade finden in Inneren natürlich ihre Fortsetzung. Ebenso sind die Glasfenster, die teilweise noch original aus dem 13.Jahrhundert erhalten sind, eine Pracht.

Penniless Porch & Bishop’s Eye

Ein weiteres Kleinod von Wells fanden wir nördlich an die Kathedrale angrenzend. Zwischen 1348 und 1363 wurde dort mit dem Vicar’s Close die erste und bekanntermaßen bei weitem nicht letzte Reihenhaussiedlung auf den Britischen Inseln errichtet. Die 42 Wohnhäuser dienten den Mitgliedern des Kirchenchores in den folgenden Jahrhunderten als Unterkunft. Teilweise leben noch heute Angestellte des Bistums in den schnuckligen Häusern.

Englands älteste Reihenhaussiedlung

Auf Wells folgte im heutigen Tagesplan der Nachbarort Cheddar (ca. 5.500 Einwohner). Wie bereits erwähnt, nicht nur eine Destination für Käseliebhaber, sondern auch für Naturfreunde. Ich hatte uns eine kurze, aber knackige Wanderung rund um die bis zu 113 Meter tiefe Schlucht Cheddar Gorge gebastelt. Da wir oben an den Klippen wandern wollten, ging es sofort mit einem Anstieg los. Auf den ersten 1,5 km mussten gleich mal 220 Höhenmeter gemeistert werden. Aber der bald gebotene Ausblick war die Mühen wert.

Marienkäfer haben zum Glück keine Höhenangst

Nach weiteren knapp 1,5 km Kammweg stiegen wir wieder steil in die Cheddar Gorge hinab, um nach der Überquerung der Straße noch steiler auf der anderen Seite der Schlucht die dortigen Karstfelsen hinaufzusteigen. Bei hochsommerlichen Temperaturen ziemlich schweißtreibend, aber oben wartete wieder eine Belohnung. Auf und an den Klippen fühlt sich eine Herde Ziegen wohl und genießt dort ihren mehr oder weniger natürlichen Lebensraum. Da Ziegen zu den Lieblingstieren meines Bruders gehörten und er u. a. die Patenschaft für eine Ziege im Hildesheimer Wildgatter übernommen hatte, freute uns diese tierische Überraschung besonders.

Ausblick von den Klippen der Cheddar Gorge

Nachdem genug Ziegenfotos geknipst waren, stiegen wir am Ortsende von Cheddar über die 274 Stufen der Jacob’s Ladder wieder hinab ins touristische Treiben. Dort hätte man beispielsweise noch eine kostenpflichtige Höhlentour oder eine Käseverkostung machen können. Doch uns trieb der Durst in den nächstbesten Pub namens Riverside Inn. Nach der 6,6 km langen Wanderung mit immerhin 320 Höhenmetern in 2:08 h Wanderzeit hatten wir uns natürlich wieder ein halbes bzw. ganzes Pint verdient. Diesmal wurde es mit Cider (Thatcher’s Gold) befüllt, was beim heutigen Sommerwetter besonders erfrischend war.

Betsy die Bergziege

Nach der fruchtig-prickelnden Wohltat machten wir gegen 14:00 Uhr einen kleinen Abstecher nach Axbridge. Gestern im Pub wurde uns der Ort von einem hervorragend deutsch sprechenden Familienvater am Nachbartisch empfohlen, über dessen Familie oder Heimat wir zuvor zum Glück kein schlechtes Wort verloren hatten. So war er nett zu uns und schwärmte von Axbridge als Hidden Gem der Region. Die nur 3 km von Cheddar entfernte Ortschaft (ca. 2.000 Einwohner) gab rund um ihren Marktplatz tatsächlich ein nettes Bild ab, aber mehr gab es dort es dort im Prinzip nicht zu sehen.

Erfrischungsgetränke

Da Axbridge sich nur 30 Minuten mit unserer Anwesenheit schmucken durfte, blieb spontan Zeit für das Gegenteil eines touristischen Geheimtipps. Es ging nochmal mit dem Auto durch die Cheddar Gorge und anschließend nordwärts nach Bath. In jener wunderschönen Stadt (UNESCO Welterbe) gönnten wir uns um 15:30 Uhr zunächst eine Kaffee- und Kuchenpause und danach musste ich meinem Vater wenigstens noch kurz die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen.

Kurze Visite in Axbridge

Als erstes wenigstens von außen die Abteikirche und die benachbarten römischen Bäder, denen die 85.000-Einwohner-Stadt ihren Namen verdankt. Die Abbey wäre bei mehr Zeit für £ 6.50 sicher einen Blick ins Innere wert gewesen, aber für die Roman Baths werden mittlerweile stolze £ 26 für ein paar Quadratmeter römisches Erbe verlangt (an Wochenend- und Feiertagen gar £ 28). Zum Vergleich: Das Kolosseum in Rom kostet die Hälfte und selbst in Pompeji werden nur rund zwei Drittel des in Bath aufgerufenen Eintrittspreises verlangt. Aber ein kostenloser Streifzug durch die Straßenzüge aus der georgianischen Epoche, allen voran The Circus und The Crescent, war auch was Feines. Mein Vater war beeindruckt vom geschlossenen Stadtbild, für welches sich neben dem georgianischen Architekturstil auch der einheitlich verwendete und aus den hiesigen Kalksteinvorkommen abgebaute Bath Stone als Werkstoff verantwortlich zeigt.

Die zwischen 1499 und 1611 errichtete Bath Abbey

Aber ich war mir ebenso sicher, dass ihn der Hexenkessel The New Lawn im Prestigeduell zwischen den Forest Green Rovers und Swindon Town beeindrucken wird und er den Länderpunkt England besser kaum einsacken kann. Ergo machten wir um 18 Uhr einen Cut in Bath und steuerten mit der Ortschaft Nailsworth (ca. 6.000 Einwohner) die Heimat der 1889 gegründeten Forest Green Rovers an. Vorteil dieses Kicks: Lag am heutigen Abend (Anpfiff 19:45 Uhr) nahezu optimal auf unsere Route. Nachteil: Es gibt im Prinzip keine Parkplätze am Stadion. Der Parkplatz der benachbarten Schule ist an Spieltagen Very Important Persons vorbehalten, während der Pöbel besser per Fahrrad oder zu Fuß anreist.

Streifzug durch Bath

Lediglich ein freundlicher Farmer, bzw. genau genommen eine raffgierige Rübennase, bot eine seiner angrenzenden Weiden zum Parken feil. Für stolze £ 10. Da kommt bei 23 Heimspielen in der League Two und diversen weiteren Pflicht- und Freundschaftsspielen einiges pro Saison zusammen. Erst recht, wenn die Anzahl der Boliden auf seinem Grund und Boden wie heute dreistellig ist. Aber wir haben hier nunmal eine Monopolstellung und arglos mit dem Auto anreisende Gästefans oder Groundhopper, die leider auf ca. 13,12 m² legale Stellfläche für ihre PKW angewiesen sind. Da wundert man sich eher, dass er nicht noch mehr Kohle verlangt.

Der zwischen 1767 und 1774 erbaute Royal Crescent

Dass mit dem PKW anreisen unattraktiv ist, passt allerdings zum grünen Leitbild der Forest Green Rovers. Der Club aus den landschaftlich reizvollen Cotswolds versucht seit der Übernahme durch Dale Vince im Jahre 2010 so nachhaltig wie nur möglich zu agieren. Der Strombedarf wird weitgehend durch eigene PV-Anlagen gedeckt und der Rest vom Ökostromanbieter Ecotricity hinzugekauft (deren Gründer und Eigentümer wiederum Dale Vince ist). Auswärts fährt man mit dem E-Bus durch’s Land und auch die sonstigen Fahrzeuge des Vereins haben das Zeitalter des Verbrennungsmotors natürlich bereits hinter sich gelassen. Regenwassernutzung oder Recycling gehören selbstverständlich ebenfalls zum grünen Konzept der Rovers.

Abendessen bei den Forest Green Rovers

Ein ganz wichtiger Baustein zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen auf diesem Planeten ist jedoch die Ernährung und dementsprechend war ich heute noch glücklicher als sonst, nicht der Sohn von Dieter Schatzschneider zu sein. Denn folgt man dessen jüngster Tirade gegen vegane Ernährung, hätte Schatto wohl keinen Fuß in das Stadion des ersten vollständig veganen Fußballclubs der Welt gesetzt. Mein Vater hatte dagegen kein Problem mit der klimabewussten Kost. Jedenfalls kamen vor’m Spiel keine Beschwerden über sein veganes Burgermenü (£ 10). Lediglich die Green Cola fanden wir beide geschmacklich kacke. Aber wir hätten natürlich auch Bierspezialitäten von Brew Dog anstatt einen Softdrink ins Menü nehmen können. Selbst Schuld!

Die 22 Hauptakteure des Abends betreten ihre Bühne

Kaum war das CO2-arme, aber kalorienreiche Abendessen verputzt, rollte auch schon der Ball bei den just aus der League One abgestiegenen Rovers. Der Einzug als Meister in jene dritthöchste Spielklasse einen Sommer zuvor markiert übrigens den bisher größten Erfolg der Vereinsgeschichte und war natürlich gelungene Publicity für Dale Vince. Noch nie war ein Club aus so einem kleinen Nest so hoch in der englischen Ligapyramide geklettert und das grüne Konzept der Forest Green Rovers war einmal mehr in aller Munde. Sportlich war der Ausflug in die League One allerdings ein Desaster. Am Ende betrug das Delta zum rettenden Ufer 19 Punkte.

Torraumszenen wie diese wurden erfreulicherweise einige geboten

Der Ehrgeiz des Eigentümers, den die Medien gerne als den reichsten Hippie der Welt labeln, dürfte allerdings ungebrochen sein. Unabhängig von der Spielklasse wurde gerade ein Stadionneubau im nahen Eastington angestoßen. Der dortige Eco Park soll komplett aus Holz entstehen und das umweltfreundlichste Stadion der Welt werden. An der Stelle des heute von uns besuchten Stadions The New Lawn sollen wiederum CO2-neutrale Eigenheime gebaut werden. Da konnte sich mein Vater richtig glücklich schätzen, den alten Ground noch vor dem Abriss gemacht zu haben. Doch Spaß beiseite, Groundhopping wird er wohl nicht mehr als neues Hobby für sich entdecken. Aber er ist fußballinteressiert und die Spielbesuche auf dieser Tour waren für ihn vielleicht kein must-have, aber immerhin ein nice-to-have.

In Englands 4.Liga gibt es teilweise noch ausreichend Stehplätze

Vom Zuschauerzuspruch und von der Stadioninfrastruktur bei den Forest Green Rovers war er sogar regelrecht angetan. Er konnte kaum glauben, dass das „nur“ 4.Liga war. Da könne sich der hin und wieder vom ihm besuchte VfV Hildesheim als deutscher Viert- bzw. mittlerweile wieder Fünftligist eine Scheibe von abschneiden. Aber gut, zwischen 4.Liga in Deutschland (fünfgleisig) und England (eingleisig) lassen sich schwer Vergleiche ziehen und vereinzelte deutsche Viertligisten sind wiederum nochmal ganz andere Kaliber als der VfV oder eben auch die Forest Green Rovers. Nichtsdestotrotz freute mich die Freude meines Vaters und meinem Bruder – seines Zeichens Parteimitglied bei den Grünen gewesen – hätte es bei diesem klima- und umweltbewussten Verein sicher ebenfalls gefallen.

Die Gegengerade gehörte heute komplett den Swindonians

Das Spiel war obendrein auch ganz ansehnlich. Die Hausherren hatten die ersten Chancen des Abends und nach einer Viertelstunde ging FGR durch Matty Stevens in Führung. Zwar hätte Swindons George McEachran eine Minute später beinahe für den einstigen Erstligisten ausgeglichen (Swindon Town durfte 1993/94 einmalig in der Premier League reüssieren), doch sein Fernschuss streifte nur die Torlatte. Danach hatten die Veganer die Partie relativ gut im Griff, versäumten jedoch bis zur Pause ein zweites Tor gegen die Robins (Rotkehlchen) nachzulegen. Nichtsdestotrotz war ihr Anhang im ersten Durchgang nach der Führung gut drauf und zumindest die Singing Area hinter dem Tor intonierte immer wieder Fangesänge.

Torjubel bei den grünen Herumstreichern

Nach dem Seitenwechsel wurden die Rovers kalt vom Ausgleich durch Dan Kemp erwischt (47.Minute) und endlich sorgten auch mal die über 1.000 aus dem rund 45 km entfernten Swindon mitgereisten Fans für Stimmung in der Bude. Deren Laune steigerte sich noch, als Harvey Bunker nach 61 Spielminuten die Ampelkarte sah und The Green nur noch zu zehnt auf dem Feld stand. Ein zweites Tor für den 1879 gegründeten Swindon Town Football Club war allerdings kein Selbstläufer und die Rovers kamen trotz Unterzahl hin und wieder zu guten Konterchancen. Es schien spannend bis zum Abpfiff zu bleiben, nur erlebten wir diesen nicht mehr im Stadion. Mein Vater hatte verständlicherweise keinen Bock auf den Stau nach Spielende und wir machten in der 85.Minute die Biege.

Schlummertrunk von John Smith

Leider verpassten wir so Swindons Siegtor in der vierten Minuten der Nachspielzeit. Aber keine Sorge, der Familiensegen hing nicht schief. Muss er selbst mit sich ausmachen, ob er meint sich den LP jetzt eintragen zu dürfen. Ich war auch ganz froh, dass wir uns die geschätzt 30 Minuten Stop & Go durch Nailsworth sparen konnten. So hatte der Caddy die engen und nun auch dunklen Straßen der Cotswolds weitgehend für sich allein und wurde geschwind zur Travelodge (**) am Stadtrand von Cheltenham manövriert. Dort verbrachten wir nach einem Feierabendbier die vorerst letzte Nacht auf englischem Boden (69 € pro Zimmer). Was wir in Wales erlebten, lest ihr dann im folgenden Bericht.

Song of the Tour: Eine Band von der englischen Südküste mit einem Song, der auf der Tauerfeier meines Bruders gespielt wurde

*Grundsätzlich ist Trinkgeld in britischen Pubs weiterhin eher unüblich. Hier waren allerdings für speisende Gäste extra Tische eingedeckt und die Bestellungen wurden nicht an der Theke, sondern am Tisch aufgenommen. Es war also wie in einem Restaurant und in solchen sind auch in Großbritannien ca. 10 % Tip für’s Gedeck und den Service üblich.