Nürnberg 04/2023

  • 08.04.2023
  • 1.FC Nürnberg – Karlsruher SC 1:1
  • 2.Bundesliga (II)
  • Max-Morlock-Stadion (Att: 29.422)

Das Osterfest 2023 sollte touristisch natürlich nicht ungenutzt bleiben. Ursprünglich schwebte mir sogar ein internationaler Trip vor und im Spätsommer 2022 hatte ich bei Air Serbia ein entsprechendes Frühbucherschnäppchen gemacht. Hannover – Belgrad von Karfreitag bis Ostermontag für 96 € return. Leider wurde mein gebuchter Rückflug rund einen Monat vor Ostern von Montag auf Dienstag verlegt. Jetzt war die Reise für mich aus beruflichen Gründen obsolet geworden und ich schaute mich nach Alternativen um. Fündig wurde ich in Franken und in der Oberpfalz. Denn nach Abzug diverser Verspätungsgutscheine verlangte die DB für das Routing Hildesheim-Nürnberg-Regensburg-Hildesheim nur noch 57,55 € und eine Übernachtung von Ostersamstag auf Ostersonntag im Ibis Nürnberg Hauptbahnhof (***) sollte ebenfalls lediglich knapp 60 € kosten.

Der Handwerkerhof

Am Karsamstag ging es zu einer unchristlichen Zeit los, so dass ich bereits um kurz nach 10 Uhr in Nürnberg aufschlug. Nun hatte ich gute 2,5 Stunden bis zum Anpfiff der heutigen Fußballbegegnung. Das Zeitfenster wollte ich natürlich für Sightseeing nutzen und begann sogleich meinen auf der Anreise ausgearbeiteten stadthistorischen Rundgang. Durch das Frauentor, welches sich vis-à-vis zum 1844 eröffneten Hauptbahnhof befindet, betrat ich die historische Altstadt und fühlte mich sofort ins Mittelalter versetzt. Doch der Schein trügt. Zwar ist die Stadtbefestigung wahrhaft historisch, jedoch sind die kleinen Fachwerkhäuser hinter dem Frauentor gerade mal ein halbes Jahrhundert alt.

Die Mauthalle

Denn 1971 wäre Nürnbergs großer Sohn Albrecht Dürer 500 Jahre alt geworden und das sollte entsprechend gefeiert werden. Der extra für’s Dürerjahr errichtete Handwerkerhof sollte den zahlreichen Besuchern aus nah und fern dabei eine kleine Zeitreise ins Nürnberg des Jahres 1471 ermöglichen. Die Attraktion wurde so gut von den Touristen angenommen, dass man den für 1972 geplanten Abriss vorerst vertagte. Schnell gehörte der Handwerkerhof, in dessen Häuschen ganzjährig Kunsthandwerk und kulinarische Spezialitäten feilgeboten werden, so fest zum Stadtbild, dass ein Rückbau gänzlich vom Tisch war.

Das Nassauer Haus

Hinter dem Handwerkerhof erwartete mich die Nürnberger Königstraße, wo – typisch für eine bahnhofsnahe Meile einer deutschen Großstadt – die ersten Häuserzeilen vorwiegend Hotels oder Gastronomiebetriebe beherbergen. Auch kann Nürnberg zunächst nicht verhehlen, dass im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) viel der historischen Bausubstanz seiner berühmten Altstadt verloren ging. Mit der Mauthalle (einem zwischen 1498 und 1502 erbauten Kornspeicher), der 1477 vollendeten Lorenzkirche und dem Nassauer Haus (das seine heutige Gestalt ebenfalls im 15.Jahrhundert bekam) lassen die ersten bedeutenden Bauwerke des alten Nürnbergs jedoch nicht lange auf sich warten.

Die Lorenzkirche

Die prächtige spätgotische Lorenzkirche vermittelt dabei eine erste Ahnung von Nürnbergs früherem Reichtum. Insbesondere das Interieur der Kirche mit seinen zahlreichen Altären, Gemälden und Skulpturen kommt einer großen Kunstsammlung gleich. Wobei das von Adam Kraft geschaffene Sakramentshäuschen (1496 vollendet) und der Engelsgruß von Veit Stoß (1518) besonders hervorzuheben sind. Was südlich der Alpen im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit an Meisterwerken sakraler Kunst geschaffen wurde, hatte ich mir erst vor wenigen Wochen auf einer Italienreise mal wieder vergegenwärtigt. Nürnbergs sakrale Kunstwerke geben jedoch ein Beispiel davon, dass seinerzeit auch nördlich der Alpen Herausragendes geschaffen wurde.

Der Engelsgruß

Aber nicht nur die Lorenzkirche rief die jüngste Italienreise wieder ins Gedächtnis. Auch das Nassauer Haus, seines Zeichens der letzte noch existierende Wohnturm der Altstadt, erinnerte unweigerlich an die mittelalterlichen Geschlechtertürme in beispielsweise Florenz oder Verona. Während die Türme in Oberitalien jedoch eine tatsächliche Wehrfunktion für die Patriziergeschlechter bei den nicht seltenen innerstädtischen Fehden hatten, waren Geschlechtertürme in den Reichsstädten nördlich der Alpen rein repräsentative Bauwerke der Patrizier, deren Gestalt man sich auf Handelsreisen in Italien abgeschaut hatte.

Das Heilig-Geist-Spital

Vom Nassauer Haus ging es weiter zur nahen Pegnitz, die Nürnbergs Altstadt ziemlich mittig in die zwei Hälften Lorenz und Sebald teilt (benannt nach den Hauptkirchen der jeweiligen Flussseite). Ich überquerte die Pegnitz nun über die Museumsbrücke und war damit an einem der beliebtesten Fotospots der Stadt. Denn hier man blickt in östliche Richtung auf das Heilig-Geist-Spital. Ein im frühen 14.Jahrhundert errichtetes Siechenhaus, welches ein reicher Bürger namens Konrad Groß seinerzeit gestiftet hatte. Das damalige Oberhaupt der angesehenen Patrizierfamilie Groß hatte zu seinen Lebzeiten einiges von seinem Vermögen für Wohltätigkeiten aufgewendet. Dem Zeitgeist entsprechend, glaubte Groß mit seinen Stiftungen einen Premiumplatz im Himmelsreich erkaufen zu können.

Frauenkirche und Schöner Brunnen auf dem Hauptmarkt

Kaum hatte ich die Pegnitz überquert, befand ich mich auf dem Hauptmarkt Nürnbergs. Der ist abgesehen von der Frauenkirche (1358 geweiht) und dem Schönen Brunnen (1396 erbaut) aber gar nicht so schön. Sehr hässlich ist außerdem seine Geschichte. Bis 1349 befand sich hier nämlich das Judenviertel Nürnbergs. Doch bei einem Pogrom in besagtem Jahr wurden hunderte Juden ermordet und ihr Viertel dem Erdboden gleichgemacht. Stattdessen entstand nun ein großer neuer Marktplatz, der die nächsten knapp 600 Jahre von zahlreichen repräsentativen Gebäuden gesäumt wurde. Bis in den 1940er Jahren ein von selbsternannten deutschen Herrenmenschen losgebrochener Eroberungs- und Vernichtungskrieg letztlich auch für eine großflächige Zerstörung deutscher Städte und insbesondere Nürnbergs sorgen sollte.

Der Henkerssteg

Der Hauptmarkt gehört zu den Teilen der Altstadt, die nach 1945 nur sehr vereinfacht und nicht nach historischem Vorbild wiederaufgebaut wurden. Das trifft ebenso auf die als nächstes von mir besuchte Trödelmarktinsel in der Pegnitz zu, wobei man sich hier Mühe gab zumindest die Grundgestalt der modernen Häuser den mittelalterlichen Vorbildern nachzuempfinden. Nachdem ich die Trödelmarktinsel über den hölzernen Henkersteg verlassen hatte, erwarteten mich mit dem Unschlittplatz südlich der Pegnitz und der Weißgerbergasse nördlich der Pegnitz jedoch zwei Orte, deren historische Bausubstanz vom Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs verschont geblieben war. Die dortigen Gebäudeensembles vermögen einen authentischen Eindruck des mittelalterlichen Nürnbergs zu vermitteln.

Historische Uferbebauung an der Pegnitz

Um vom Unschlittplatz zur Weißgerbergasse zu gelangen, musste ich die Pegnitz außerdem über die Maxbrücke überqueren, wo mit dem Weinstadel (siehe Titelbild) ein weiteres ursprüngliches Siechenhaus des Mittelalters (15.Jahrhundert) nahezu jeden Passanten zum Zücken seiner Kamera bzw. seines Smartphones verleitet. Ich fragte mich, ob man hier dereinst das Leid der Siechenden mit Wein zu lindern versuchte. Doch den Namen Weinstadel bekam der Gebäudekomplex, weil sich hier ab 1571 das städtische Weinlager befand. Heute beherbergt der Weinstadel übrigens ein Studentenwohnheim. Wahrscheinlich studiert keiner der Bewohner Önologie, aber Rebensaft wird sicher dennoch weiterhin eine gewisse Rolle hinter den Mauern des nebenbei längsten Fachwerkgebäudes Deutschlands spielen.

Die Weißgerbergasse

Da die anschließend von mir durchquerte Weißgerbergasse in den Weinmarkt mündet, blieb auch ich dem vergorenen Traubensaft zunächst gewissermaßen verbunden. Entsprechend dachte ich bei der alsbald erreichten Sebalduskirche auch als erstes an Messwein. Aber die älteste Pfarrkirche Nürnbergs (zwischen 1225 und 1273 errichtet) ist bereits seit 1525 evangelisch-lutherisch und damit wäre eine Durchsuchung der Sakristei nach den hiesigen Weinvorräten sinnlos gewesen (die Lutheraner verwenden aus Rücksicht auf ihre alkoholkranken Gemeindemitglieder mittlerweile Traubensaft anstatt Wein bei ihren Abendmahlsgottesdiensten).

Die Sebalduskirche

Dafür profitierte St. Sebald wie auch St. Lorenz davon, dass die hiesigen Protestanten nicht wie andernorts zum Bildersturm und somit zur Zerstörung der vorreformatorischen Kunstschätze ansetzten. Das lag mutmaßlich daran, dass die Kunstschätze der Nürnberger Kirchen und Klöster größtenteils von den mächtigen Patrizierfamilien der Stadt gestiftet wurden und diese auch als Reformierte gewissermaßen ein Auge auf ihr Erbe bewahrten. Insbesondere St. Sebald galt als Kirche des Nürnberger Patriziats und es war im Mittelalter ausschließlich diesen noblen Familien vorbehalten Altäre, Skulpturen und Kirchenfenster für die Sebalduskirche zu stiften.

St. Sebaldus ihm sein Sarg

Dass St. Sebald dereinst die wichtigste Kirche Nürnbergs war, verrät auch ihre Lage. Sie befindet sich zwischen Nürnberger Burg und Hauptmarkt und ist zugleich direkter Nachbar des Nürnberger Rathauses, wo die Patriziergeschlechter die Geschicke der Stadt mehrere Jahrhunderte bestimmen durften. Taufen und Trauungen von Mitgliedern dieser einflussreichen Familien fanden immer in der Sebalduskirche statt. Zugleich werden in der Kirche die mutmaßlichen Gebeine des Stadtheiligen St. Sebaldus aufbewahrt, was in früheren Zeiten viele Wallfahrer nach Nürnberg lockte.

Albrecht-Dürer-Haus

Mich lockte dagegen so langsam die nahe Nürnberger Burg und die Burgstraße schien der richtige Weg dorthin zu sein. In jener Straße fiel mir unter anderem das Fembohaus von 1596 ins Auge (Nürnbergs einziges erhaltenes Kaufmannshaus der Spätrenaissance, heute Heimat des Nürnberger Stadtmuseums). Weil die unterhalb der Burg nach Westen abzweigende Obere Krämersgasse obendrein recht pittoresk wirkte, machte ich nochmal einen kleinen Umweg. Ich schritt nun eine der besser erhaltenen Gassen der Altstadt mit schmalen Fachwerkhäuschen und stattlichen Steinbauten ab und kam anschließend noch am Pilatushaus (spätgotisches Wohnhaus von 1489) und am Albrecht-Dürer-Haus (ebenfalls 15.Jahrhundert und des Künstlers Wohn- und Arbeitsstätte von 1509 bis 1528) vorbei.

Die Nürnberger Burg

Wenig später stand ich nun endlich am Fuße der Nürnberger Burg. Diese war im Mittelalter eine der bedeutendsten Kaiserpfalzen des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation (HRR). Zwischen 1050 bis 1571 residierten alle römisch-deutschen Kaiser zeitweise in dieser Kaiserpfalz und insbesondere unter den Saliern und Staufern war Nürnberg Schauplatz von zahlreichen Hoftagen und anderen bedeutenden reichspolitischen Ereignissen. 1313 ging die Burg mit ihren Bauten aus staufischer Zeit (Palas, Doppelkapelle) in die Obhut der Reichsstadt Nürnberg über. Die Reichsstadt erweiterte die Burganlage (u. a. mit der Kaiserstallung, die heute vielleicht Deutschlands schönste Jugendherberge darstellt) und bezog sie im 16. Jahrhundert in die modernisierte Stadtbefestigung ein.

Die Kaiserstallung

Jener Stadtbefestigung widmete ich mich nun als nächstes und spazierte ein Teilstück namens Maxtormauer ab. Bereits zur Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung Nürnbergs (1050) dürfte eine erste Stadtbefestigung existiert haben, die in den kommenden Jahrhunderten immer weiter ausgebaut wurde. Im Jahre 1452 hatte die Stadtmauer schließlich den bis heute im Wesentlichen erhaltenen Umfang von stolzen fünf Kilometern erreicht. Anschließend wurden die Befestigungsanlagen regelmäßig an die Neuerungen der Kriegsführung und der Waffentechnik angepasst. Das geschah so effizient, dass Nürnberg jahrhundertelang einen Nimbus als uneinnehmbare Stadt bewahren konnte.

Ein Stück der historischen Stadtbefestigung

Unweit der Maxtormauer nahm ich außerdem das Tucherschloss in Augenschein, welches zwischen 1533 und 1544 als Stadtschloss der bedeutenden Nürnberger Patrizierfamilie Tucher erbaut wurde. Es vermittelt einen guten Eindruck vom einstigen Reichtum und Standing dieses Clans. Die Tucher hatten sich ab dem 15.Jahrhundert europaweite Handelsverbindungen aufgebaut und zählen neben den Fuggern und Welsern wohl zu den einflussreichsten deutschen Patrizierfamilien des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit. Ich hätte das Thema gerne nach dem heutigen Fußballspiel im Museum des Tucherschlosses vertieft, aber dessen Pforten waren heute leider geschlossen.

Das Tucherschloss

Zum Glück gab es noch genug museale Alternativen für den späten Nachmittag und nun (12:00 Uhr) musste ich mich so langsam mal wieder in Richtung Hauptbahnhof orientieren. Dabei war mir noch ein Blick auf die evangelisch-lutherische Egidienkirche (Nürnbergs einzige Barockkirche) vergönnt und als ich zum vierten Mal bei meiner heutigen Exkursion die Pegnitz querte, durfte ich außerdem den Schuldturm (1323) und das bereits erwähnte Heilig-Geist-Spital nochmal aus nächster Nähe bewundern.

Der Schuldturm (früher wurden hier säumige Schuldner eingekerkert)

Um 12:22 Uhr nahm ich schließlich eine S-Bahn zum Max-Morlock-Stadion. Fünf Minuten später erreichte ich den Stadionbahnhof und auf den letzten Metern zur Spielstätte des 1.FC Nürnberg wird man nochmal unweigerlich an den unrühmlichsten Abschnitt der jüngeren Stadtgeschichte erinnert. Denn die zwischen 1925 und 1928 als Städtisches Stadion errichtete Sportstätte wurde in das Reichsparteitagsgelände der NSDAP eingebettet. Überreste der nationalsozialistischen Monumentalbauwerke des insgesamt rund 16 km² großen Areals sind bis heute die Nachbarn des Sportstadions und stehen als Mahnmale der Gewaltherrschaft unter Denkmalschutz.

Überreste des Reichsparteitagsgeländes

Jene Reichsparteitage, für die Nürnberg bereits 1927 von der NSDAP als dauerhafter Veranstaltungsort auserkoren wurde, fanden alljährlich im September statt und führten jeweils bis zu eine Million Menschen in die Stadt der Reichsparteitage. Alle bedeutenden Organisationen des NS-Staates marschierten auf und paradierten vor der Parteispitze. Höhepunkt der Inszenierung waren natürlich die Reden Adolf Hitlers vor den frenetischen Massen. Während des Reichsparteitags 1935 verkündeten die Nazis außerdem die antisemitischen Nürnberger Gesetze. Diese Rassengesetze verschärften die Ausgrenzung und Verfolgung der Juden in Deutschland.

Schautafeln arbeiten die Geschichte des Areals auf

Bekanntlich mündete die Verfolgung wenig später während des Zweiten Weltkriegs in eine regelrecht industriell betriebene Vernichtung der Menschen jüdischen Glaubens in Europa. Es war nun kein Zufall, dass die alliierten Sieger die abscheulichen Verbrechen der Besiegten ab Herbst 1945 in Nürnberg verhandeln sollten. Denn Nürnberg als bisherige Stadt der Reichsparteitage hatte als Prozessort eine große Symbolkraft. Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurden 24 Angeklagte für die Planung und Durchführung eines Angriffskriegs, sowie zahlreichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung gezogen. Zwölf weitere Nürnberger Prozesse sollten sich bis 1949 anschließen.

Das bis zu 50.000 Zuschauer fassende Max-Morlock-Stadion

Die Bomben des Zweiten Weltkriegs hatten auch das Vereinsgelände und Heimatstadion des 1.FC Nürnberg im Stadtteil Zerzabelshof völlig zerstört. Man machte sich jedoch 1945 sogleich an den Wiederaufbau und aufgeben sollte der Club die alte Heimat erst 1963, als man nach dem Verkauf des Geländes dauerhaft ins heutige Max-Morlock-Stadion umzog. Eigentlich wollte der damalige deutsche Rekordmeister – der acht seiner neun Meistertitel zwischen 1920 und 1961 errungen hatte – pünktlich zur Einführung der Bundesliga an neuer Wirkungsstätte eine neue Erfolgsära einleiten. Doch nach dem bis heute letzten Meistertitel 1968 beendete man die Folgesaison auf einem Abstiegsplatz und sollte sich vorerst neun Jahre mit der Zweitklassigkeit begnügen müssen.

Die Gästekurve am heutigen Nachmittag

Die letzten Jahrzehnte hat man viel dafür getan, um von den Fußballfans der Republik in die Kategorie Fahrstuhlmannschaft einsortiert zu werden. 2007 gelang mit dem Gewinn des DFB-Pokals zwar endlich mal wieder ein nationaler Erfolg, aber ein paar Auf- und Abstiege später begnügt man sich seit 2019 wieder ausschließlich mit Zweitligafußball in Nürnberg. Der Rekordabsteiger (insgesamt neunmal aus der 1.Bundesliga abgestiegen) braucht aktuell auch nicht vom Wiederaufstieg träumen, sondern benötigt dringend Punkte im Abstiegskampf der 2.Bundesliga. Mit drei Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz und vier auf einen direkten Abstiegsplatz ging der Club in die heutige Partie gegen den tabellarisch jenseits von Gut und Böse agierenden KSC (8.Platz).

Ein Meer von Spruchbändern

Statt der Sorge um den Ligaverblieb, umtrieb die Fankurve jedoch zunächst der geplante Teilverkauf von Medienrechten an Finanzinvestoren durch die Deutsche Fußball Liga (DFL). Auf etlichen Tapeten wurde das thematisiert und auch die Karlsruher hatten dazu eine kritische Banderole im Gepäck. Es war nämlich bundesweiter Protestspieltag und es fällt leicht die Kritikpunkte der Fankurven zu teilen. Denn im Grunde genommen handelt sich der angedachte Einstieg eines Investors nur um ein milliardenschweres Darlehen, das Erträge der Zukunft als hohe Einmalzahlung vorwegnimmt. Der DFL muss man zwar jede Information zu ihren Plänen aus der Nase ziehen, aber im Raum steht wohl eine Beteiligungssumme von 2,5 bis 3 Milliarden Euro und dafür soll der Investor durch seine Anteile 25 bis 30 Jahre lang 12,5 % der Medienerlöse der DFL erhalten.

Auch die KSC-Fans positionieren sich gegen einen möglichen Investoreneinstieg bei der DFL

Gegenwärtig erlöst die DFL ungefähr 1,312 Milliarden Euro pro Saison mit ihren Medienrechten und diese Rechte sollen nun in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert werden, in welche wiederum der Investor mit 12,5 % einsteigen kann. Gemeinsam werden die DFL (die natürlich die restlichen 87,5 % der Tochtergesellschaft halten wird) und der strategische Partner sicher versuchen die Ertragssituation weiter zu optimieren. Aber selbst wenn diese Summe wider Erwarten nicht weiter steigen sollte, winkt dem Investor eine Toprendite. Kein Wunder also, dass schon diverse Riesen der Private-Equity-Branche ihr Interesse angemeldet haben. Zwar schwafelt die DFL von wichtigen Zukunftsprojekten wie der Digitalisierung, die mit der Einmalzahlung finanziert werden sollen, aber abseits der üblichen Buzzwords wird sicher ein beträchtlicher Teil des Geldes direkt an die Gesellschafter der DFL, ergo die 36 Bundesligaclubs zur freien Verfügung fließen. So wird mehr Geld im System in gewohnter Weise die Ablösesummen, Spielergehälter und Beraterhonorare weiter in die Höhe treiben. Neuer Treibstoff für’s Rattenrennen.

Die Nordkurve hatte heute per Fetzen kenntlich gemachte Gäste aus Gelsenkirchen, Wien, Brescia und Larisa

Während ein Rattenrennen am Ende keine Sieger kennt, sieht das beim Rennen um den Klassenerhalt anders aus. Dort wird es am 34.Spieltag zwangsläufig Gewinner und Verlierer geben. Um am Ende nicht zu Absteigern zu gehören, hilft dem am 4.Mai 1900 gegründeten 1.FC Nürnberg aktuell jeder Punkt. Die Clubberer hätten sich heute am liebsten gleich drei davon geschnappt und waren von Beginn an das engagiertere Team. Bereits nach 10 Minuten schienen die Mühen belohnt zu werden. Doch Duahs Treffer wurde wegen einer Abseitsposition abgepfiffen. Stattdessen musste der 1.FCN in der 26.Minute aus heiterem Himmel den Rückstand hinnehmen. Mikkel Kaufmann verwertete Karlsruhes erste Torchance des Tages und ließ die rund 2.500 mitgereisten Badener jubeln.

In der 1.Halbzeit durften nur die Karlsruher jubeln

Die etwas schmeichelhafte Führung brachte der KSC mit einer guten Defensivleistung in die Pause. Während Nürnbergs Trainer Dieter Hecking nun eine hoffentlich motivierende Halbzeitansprache hielt, prüfte ich das gastronomische Angebot. Drei Nürnberger im Weckla (4 €) und ein Nackensteak im Weckla (4,50 €) sollten in einem Rutsch mein Frühstück und mein Mittagessen nachholen. Kaum war der letzten Bissen vertilgt, rollte der Ball auch schon wieder. Die Nürnberger hatten weiterhin mehr vom Spiel, aber die Karlsruher verstanden es die Hausherren möglichst fern vom Gästestrafraum zu halten.

Ein Nürnberger Nackenweckla

Als ich die Partie schon als äußerst mittelmäßig abtun wollte und lediglich die solide Stimmung der beiden Fanlager den Spielbesuch gerechtfertigt hatte, sollte man uns 29.422 Stadionbesuchern allerdings noch eine äußerst turbulente Schlussphase servieren. In den letzten 15 Minuten stemmte sich der Club mit neuer Vehemenz gegen die Niederlage und in der 86.Minute zappelte der Ball im Netz der Karlsruher. Jedoch kassierte der Video Assistant Referee Duahs vermeintlichen Ausgleichstreffer abermals wegen Abseitspostion. Während die Fanlager nochmal ihre gemeinsame Ablehnung des Videobeweises verbalisierten, sollte der Kölner Keller auch in der letzten und spielentscheidenden Szene im Mittelpunkt stehen. Ex-96er Marcel Franke hatte Nürnbergs Daferner im KSC-Strafraum umgegrätscht und Schiedsrichter Haslberger wollte weiter laufen lassen. Doch der VAR korrigierte ihn. Franke bekam Gelb-Rot und den Duah verwandelte den fälligen Strafstoß in der 4.Minute der Nachspielzeit zum umjubelten und verdienten 1:1.

Mit dem Videobeweis hadert auch jede Fankurve

Nach Abpfiff holten sich die Mannschaften ihren Applaus in den Kurven ab und ich nahm die nächstbeste Bahn zurück zum Hauptbahnhof. In dessen unmittelbarer Nachbarschaft widmete ich mich ab 15:30 Uhr dem DB Museum. Für gute Kunden der Deutschen Bahn ist der Eintritt frei, doch die regulären 9 € wäre es mir durchaus auch wert gewesen. Ich will jetzt nicht nerdig in die Tiefe gehen, aber Bahnfreunden wird dort einiges geboten. An dem Ort, an dem am 7.Dezember 1835 mit der Ludwigseisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth die deutsche Eisenbahngeschichte begann, erfährt man fast alles zur Geschichte dieses Fortbewegungsmittels.

Nachbau der ersten deutschen Lokomotive von 1835

Neben vielen Modellen in verschiedensten Maßstäben, warten in zwei Hallen und auf dem Freigelände außerdem etliche historischen Waggons und Lokomotiven auf den Besucher. So darf man u. a. den Salonwagen König Ludwigs II. von Bayern, den Salonwagen Otto von Bismarcks, Wagen Nr. 8 der Bayerischen Ludwigsbahn (von 1835 und somit ältestes erhaltenes Eisenbahnfahrzeug Deutschlands) und mit der Nordgau die älteste erhaltene Dampflokomotive Deutschlands (Baujahr 1853) bestaunen. Ferner gibt es ständig wechselnde Sonderausstellungen. Mir wurde Futurails -Wege und Irrwege auf Schienen geboten. Dort konnte ich in die Welt der Monorails, Transrapids und Hyperloops abtauchen.

Die Bahn als Kunstfläche darf im DB Museum natürlich auch nicht fehlen

Um 18 Uhr schloss das Museum und das war natürlich der ideale Zeitpunkt, um sich dem Abendessen zu widmen. Bei einer spontaner Umkreissuche entschied ich mich für’s 900 Meter vom Museum entfernte bosnische Restaurant Stari Most. Die Hausplatte für eine Person war aufgrund der am heutigen Tage bisher bescheidenen Kalorienzufuhr genau die richtige Wahl. Für 21,50 € wurden Ćevapčići, Gurmanska Pljeskavica, Hähnchenbrust, Lammkotelett, Rindswurst und Lammwurst vom Grill serviert. Dazu eine buntes Potpourri an Saucen und Beilagen. Ein großes Glas Cedevita (3,50 €) zum Essen und ein Kaffee (2,50 €) im Anschluss, rundeten die Sache ab.

Das üppige Abendessen

Die 1,5 km bis zum Hotel taugten anschließend prima für einen Verdauungsspaziergang. Nach dem Check-in wurde fix noch der Voucher für den Welcome Drink gegen eine Flasche Lederer Pils eingelöst und als das Bier leer war, schritt ich umgehend zur Nachtruhe. Insgesamt 21,8 km Fußmarsch am heutigen Tag forderten wenig überraschend ihren Tribut und in Regensburg würde es am kommenden Tag sicher nicht weniger Bewegung werden.

Song of the Tour: Dieser Tag stand im Zeichen der DB-Geschichte