Basel 01/2023

  • 28.01.2023
  • FC Basel – FC Luzern 2:3
  • Super League (I)
  • St. Jakob Park (Att: 19.713)

2022 war gewiss kein schlechtes Reisejahr. Ich habe unheimlich viele Kurztrips und Tagesausflüge unternommen und kam am Ende auf 50 Reiseberichte aus zehn verschiedenen Ländern. Doch als ich das Jahr zur Weihnachtszeit nochmal Revue passieren ließ, fiel mir auf, dass lediglich die Balkantour vom 25.Februar bis zum 6.März 2022 so richtig als Urlaubsreise durchging. Alle anderen Trips dauerten nur maximal fünf Tage. Gut, grundsätzlich verteile ich meine Urlaubstage eh lieber auf viele verlängerte Wochenenden, als auf ganze Urlaubswochen, aber das Reisejahr 2023 wollte ich dennoch mit einer elftägigen Tour einläuten. Wenigstens einmal im Jahr kann ich ruhig mal Urlaub machen. Respektive das machen, was ich für Urlaub halte.

Am hannoverschen Hauptbahnhof nahm meine elftägige Reise ihren Anfang

Mit Zwischenstopps in Basel und Genève (Genf) sollte es nach Italien gehen und südlich der Alpen wollte ich per Interrailticket auf der Schiene durch die Gegend reisen. Da ich bei Interrail einen Ein-Länder-Pass für Italien gebucht hatte (180 € für sechs Reisetage binnen 30 Tagen), benötigte ich natürlich noch separate Tickets für die An- und Abreise. Hin hatte ich zunächst ein Ticket von Hannover nach Genève für 32,95 € erworben, welches mit 16 Stunden Aufenthalt in Basel versehen war (wo der FC Basel am Samstagabend den FC Luzern empfing). 11:41 Uhr war Abfahrt in der niedersächsischen Landeshauptstadt und gute fünf Stunden später betrat ich eidgenössischen Boden. Nachdem ins bahnhofsnahe Ibis (***) eingecheckt war (110 € für eine Übernachtung ohne Frühstück), hatte ich noch über drei Stunden bis Spielbeginn und spazierte ein wenig durch die Altstadt.

Mein Schlafgemach für eine Nacht

Neues zu entdecken gab es im schon oft von mir bereisten Basel am heutigen Abend nicht. Dafür war das Zeitfenster zu eng und die Tageszeit vielleicht auch bereits zu fortgeschritten. Doch Altbekanntes mal nach Einbruch der Dunkelheit in Augenschein zu nehmen und vor allem nach der langen Zugfahrt den Muskeln ein paar Aufgaben zu verschaffen, war auch sehr schön (wer mehr zur Stadtgeschichte und den Sehenswürdigkeiten erfahren will, möge einfach den Bericht Basel 12/2021 aufrufen).

Auf dem Münsterberg

Ich spazierte am heutigen Abend ein wenig am Rheinufer entlang, erklomm den Münsterberg und via Schlüsselberg ging’s hinab zum Marktplatz. Dort wollte ich gegen 19:15 Uhr die nächstbeste Tram zum Stadion nehmen. Beim Warten starrte ich allerdings auf die Werbung des Fast-Food-Giganten McDonald’s. Bekanntermaßen nicht meine bevorzugte gastronomische Wahl. Aber der angepriesene McRaclette machte neugierig und anstatt hochpreisig Junkfood im Stadion zu konsumieren (irgendwas musste so oder so noch in den Körper), könnte ich doch auch in der hiesigen Dependance von McDonald’s teuer und ungesund essen.

Das Basler Rathaus

Ich beschloss die Tür zum Goldenen M zu durchschreiten und sollte der Burger unter 10 CHF kosten, würde ich zuschlagen. 8,50 CHF einzeln und 13,90 CHF im Menü verriet nun das Display. Da die Pommes frites dieses Anbieters mir jedoch nicht mal 1,50 CHF wert sind, wurde es nur der Burger nebst Apfelschorle (0,33 l) für zusammen 12,40 CHF. Ich hatte die pikante der zwei angebotenen Varianten und was soll ich sagen? Der war wirklich delikat. Viel Käse (drei dicke Scheiben) und ein relativ leckeres Brötchen. Würde der deutsche Ableger den McRaclette anstatt den McRösti im Winterprogramm haben, würde ich wohl öfter mal schwach werden.

Der McRaclette

Nach dem letzten Abendmahl im deutschsprachigen Raum für die nächsten 10 Tage ging es aber wirklich per Tram zum Stadion und bereits 45 Minuten vor Anpfiff passierte ich die Drehkreuze. Der Stadion-DJ servierte drinnen einen netten Mix mit u. a. De La Soul, doch als gegen 20 Uhr die Muttenzerkurve ihr erstes Lied schmetterte, hat er seine Musik unverzüglich runter geregelt. Die Luzerner waren ebenfalls bereits in ihrem Sektor und starteten sogleich Schmähungen als Replik. Meine Vorfreude auf einen stimmungsvollen Fußballabend stieg nochmals und sollte nicht enttäuscht werden.

Heute war Hochrisikospiel

Teile der Basler Fanszene haben zwar echt keinen Geschmack bei der Auswahl ihrer Fanfreunde, aber die Stimmung im Joggeli ist schon meistens gut bis sehr gut. Insbesondere gibt es häufig aufwendige Kurvenshows zu bestaunen und für das erste Heimspiel nach der Winterpause ließen sich die Basler diesbezüglich natürlich abermals nicht lumpen. Als die Mannschaften kurz vor Anpfiff den Rasen betraten, qualmte und funkelte es am Zaun der Muttenzerkurve. Dazu gab es Wurfrollen in rot und blau. Durchaus schickes Gesamtkunstwerk (siehe Titelbild).

Schalparade der Muttenzerkurve vor Spielbeginn

Die Luzerner fackelten ebenfalls pünktlich zum Anpfiff in ihrem Block los und dann rollte der Ball beim nicht nur durch die Fanrivalität brisanten Duell Fünfter gegen Sechster der Super League. Ein heutiger Sieger würde auf Tuchfühlung zu Platz 4 und somit zu einem Startplatz im internationalen Wettbewerb bleiben. Die dortigen Einnahmen stünden beiden Vereinen gut zu Gesicht. Vielleicht sind sie sogar lebensnotwendig. In Basel ist man zwar 2021 den bisherigen Clubbesitzer Burgener mitsamt seinen auf wenig Gegenliebe gestoßenen Zukunftsvisionen losgeworden (dieses Medium berichtete), aber die Altlasten und die hohen laufenden Kosten sind weiterhin kritisch. Auch 2022 wurden erneut Verluste geschrieben und je geringer der sportliche Erfolg ausfällt, desto gravierender werden die finanziellen Einschnitte ausfallen müssen.

Erste Fackelei der Luzerner

Auch der FCL muss Millionenverlusten begegnen und gegenwärtig tobt ein schlagzeilenträchtiger Konflikt zwischen den Investoren, in dem die Anhänger klar Position gegen den Gesellschafter Bernhard Alpstäg bezogen haben und ihren Standpunkt heute mit einer Banderole und lautstarken Parolen deutlich machten. Die ganzen Hintergründe zur Causa Alpstäg würden jetzt den Rahmen sprengen, aber ich verlinke noch die Seite und einen Protestsong der Initiative Zäme meh als 52 (Zusammen mehr als 52 😉 ). In jedem Fall wurde dem 77jährigen Milliardär Alpstäg jüngst auf der Generalversammlung der FCL Holding AG sein Aktienpaket von 52 % auf 27 % gestutzt, weil er jene 25 % angeblich unrechtmäßig erworben hat. Damit ist der seit 2011 beim FCL engagierte Investor nun nicht mehr Mehrheitsgesellschafter.

Der Basler St.-Jakob-Park

Alpstäg, dessen Unternehmen Swisspor nebenbei auch die Namensrechte an der Heimstätte der Luzerner hält, wehrt sich natürlich juristisch gegen die Maßnahme und die dahinter stehenden Vorwürfe. Investieren tut er dementsprechend vorerst nicht mehr und die nötigen Bankgarantien für die Lizenzerteilung der Saison 2023/24 will jetzt der andere mächtige Aktionär Josef Bieri zur Not alleine zur Verfügung stellen. Bieri hat dabei anscheinend die Unterstützung der Gremien des Clubs und der Fanszene, die wiederum besagtes Bündnis Zäme meh als 52 ins Leben gerufen haben und ggf. auch Aktionäre des Clubs werden wollen. Auf https://www.meh-als-52.ch finden Interessierte jene Hinter- und Beweggründe ihrer Initiative, die ich hier ausspare bzw. nur als Video einbinde.

Protestsong der Initiative Zäme meh als 52

Wie dieser Machtkampf am Vierwaldstättersee ausgeht, bleibt wohl noch länger ungewiss. Ob der FC Luzern oder FC Basel vorerst weiter vom internationalen Geschäft träumen dürfen, war dagegen nach 90 Minuten geklärt. Zunächst sah es gut für den Gastgeber aus. In der 17.Minute brachte Zeki Amdouni den 1893 gegründeten FCB in Führung und damit das Stadion zum Beben. Der zwanzigfache Schweizer Meister blieb nun bis zur Pause spielbestimmend, versäumte jedoch ein weiteres Tor nachzulegen. So ging es mit 1:0 in die Kabine und nach dem Seitenwechsel wurden die Luzerner zwingender. Die erste Topchance der 2.Halbzeit verwertete schließlich Pascal Schürpf in der 60.Minute zum Ausgleich.

Die Muttenzerkurve nach dem 1:0

Im Gästebereich brannten nun die Freudenfeuer und die Elf aus der Leuchtenstadt nutzte das Momentum. 14 Minuten später brachte Ardon Jashari die Luzerner in Führung. Wieder fackelten die mitgereisten Ultras und träumten vom Auswärtssieg im heute halb gefüllten St.-Jakob-Park (Gesamtkapazität: 38.512 Plätze). Doch die Basler benötigten nur vier Minuten, um durch Andi Zeqiri zumindest wieder auszugleichen. Beste Voraussetzungen für eine spannende Schlussphase und das Heimpublikum wollte natürlich die Mannschaft zu einem weiteren Torerfolg antreiben.

Freudenfeuer und Anti-Alpstäg-Plakat

Da hatten die Luzerner jedoch etwas dagegen und in der 89.Minute erzielte der erst 300 Sekunden zuvor eingewechselte Benji Kimpioka den Siegtreffer für den FCL. Die Fans müssen die ganze Zeit an drei Punkte und drei Tore geglaubt haben. Denn sie hatten immer noch Pyrotechnik zum Verfeuern und zelebrierten damit sowohl das letzte Tor des Tages, als auch den Moment, als die siegreiche Mannschaft nach Abpfiff in die Kurve kam. Sportlich schreibt der FCL also erstmal positive Schlagzeilen, während sich die Basler Krise verschärft. Der FCB bleibt nach 18 Spieltagen bei mickrigen fünf Saisonsiegen und insgesamt 22 Punkten stehen. Abgesehen vom allen Kontrahenten ziemlich weit enteilten Tabellenführer YB, ist das Tableau noch eng beieinander. Das heißt einerseits, dass man am Rhein Platz 2 bis 4 weiterhin nicht abschreiben muss. Andererseits kann der ehemalige Serienmeister auch ganz schnell in Abstiegsgefahr geraten.

Die Gästefans zelebrieren den Auswärtssieg

Die Saison könnte am Ende also ähnlich spannend wie das heutige Spiel werden. Ich hatte in jedem Fall gute Unterhaltung im Joggeli gehabt. Neben der ansprechenden Stadionatmosphäre, war es natürlich auch für neutrale Zuschauer ein packender Spielverlauf. Schöner Auftakt für die Komponente Fußball auf meiner Reise, dachte ich mir, als mich die Tram zurück zum Hotel brachte (ÖPNV in Basel übrigens für Übernachtungsgäste der Stadt kostenlos). Schnell noch den Wecker auf 8:30 Uhr gestellt, ehe es voller Vorfreude auf den Rest des Trips gegen Mitternacht in die Heier ging.

Song of the Tour: Ging zwar erstmal nur nach Basel, aber ich mache jetzt endlich wieder Urlaub in Italien!