Genève (Genf) 01/2023

  • 29.01.2022
  • Servette FC – FC Sion 2:2
  • Super League (I)
  • Stade de Genève (Att: 14.592)

Am zweiten Tag meiner ersten Reise im Jahr 2023 führte mich der Weg von Basel nach Genève (Genf). Um 8:30 Uhr ging es aus den Federn und nach der Körperpflege überwand ich die wenigen Meter vom Ibis zum Bahnhof. Dort traf ich auf Gleis 12 meinen alten Weggefährten Jojo. Der hatte am Vorabend noch das stimmungsvolle Duell Hannover 96 vs. 1.FC Kaiserslautern besucht (bei dem sich u. a. 8.000 Gästefans im Niedersachsenstadion eingefunden hatten) und setzte sich anschließend in einen Nachtzug gen Schweiz. Gemeinsam mit mir ging es um 9:03 Uhr weiter nach Genève und nach dem Spiel würde dieser Teufelskerl erneut eine Nacht in Zügen und an Bahnhöfen verbringen, um bereits am Montagmorgen wieder hannoverschen Boden zu betreten. Mächtig viel Aufwand für den heutigen Kick. Aber so ungefähr neun Monate nach seiner Eheschließung steht die nächste familiäre Veränderung ins Haus und es wird vorerst andere Prioritäten als Reisen und Groundhopping geben. Da kann ich vielleicht doch verstehen, dass er nochmal mit größter Mühe zur Muße strebt.

Eigentlich wollte ich im Beau-Rivage nächtigen, aber meine Preisvorstellungen wurden barsch zurückgewiesen

Nach kurzweiliger und landestypisch pünktlicher Bahnfahrt, erreichten wir um 11:47 Uhr Genève. Mit dem Ibis Styles Genève Carouge (***) hatte ich ein nettes Hotel in Stadionnähe gebucht (110 CHF für eine Übernachtung mit Frühstück) und ich gedachte dieses sogleich zur Gepäckabgabe aufzusuchen. Wie in eigentlich allen größeren Städten der Schweiz – mir bekannte Ausnahme ist nur Zürich – haben alle Übernachtungsgäste freie Fahrt im ÖPNV und das Ticket für Genève gab es nicht erst wie gewohnt beim Check-in, sondern schon vorab per Mail. Sehr praktisch, da man so auch den Transfer vom Bahnhof oder Flughafen zum Hotel kostenneutral bestreiten kann. Das tat ich nun mit der nächstbesten Tram und ließ auch gleich Jojos kleinen Rucksack sicher verwahren. Der machte unterdessen einen ersten Streifzug durch Genève und um 12:45 Uhr trafen wir uns erneut vor’m Bahnhof.

Für Raclette reichte das Geld nicht

Ich hatte mit der Tram schon einige nette Spots passiert, doch bevor diese auch fußläufig angesteuert werden konnten, musste zunächst einmal ein Mittagessen her. Vom letzten Trip in die Schweiz vor ziemlich genau 12 Monaten hatte ich noch 30 CHF in bar übrig. Die hatte ich gestern natürlich ins Portemonnaie gesteckt und einfach mal festgelegt, dass sie zugleich mein Maximalbudget für ein Mittagessen in Genève sind. Die Vorabrecherche ergab, dass man bei Parfums de Beyrouth was Ordentliches für nach hiesigen Maßstäben wenig Geld bekommt. Mit jenem Lokal war auch Jojo d’accord und während er sich für ein Chawarma poulet plus Cola entschied (12 CHF), ließ ich mir Assiette mixte libanaise mit ebenfalls einer Cola servieren (25 CHF). War eine gute Wahl. Unter lecker gewürzten Lamm- und Hähnchenfleisch vom Drehspiess verbarg sich auf diesem Teller auch noch ein gegrillter Lammhackspiess. Begleitet wurde das Fleisch von einem Falafelbällchen, Hummus, Salat, Knoblauchcreme und Brot.

Jet d’eau

Auch Jojo war zufrieden und nach dem Bezahlvorgang stand dem touristischen Teil des Tages nichts mehr im Wege. Die nach Zürich zweitgrößte Stadt der Schweiz (rund 200.000 Einwohner) hat diesbezüglich natürlich einiges zu bieten und wir fingen gleich mal mit der nahen Promenade am Lac Léman (Genfersee) an. Am Ufer reihen sich noble Hotels und gepflegte Parkanlagen aneinander, während im Hintergrund ein schönes Bergpanorama grüßt und sich im See selbst die wahrscheinlich meistfotografierte Sehenswürdigkeit der Stadt befindet. Dabei war die bis zu 140 Meter hohe Wasserfontäne Jet d’eau eigentlich gar nicht als Touristenattraktion gedacht. Ursprünglich war es lediglich ein Überdruckventil eines Wasserkraftwerks. 1891 hatten die Stadtväter jedoch das touristische Potential einer Fontäne erkannt und versetzten den Wasserstrahl, einhergehend mit einer massiven Druckerhöhung, in den See.

Tour de l’Île

Durchflossen wird der Lac Léman übrigens von der Rhône (Rhone) und dort wo jene den See wieder verlässt, befinden sich mehrere Inseln im Fluss. Die erste davon heisst Île Rousseau und ihrem Namenspatron Jean-Jacques Rousseau wurde zugleich eine Statue auf jenem Eiland errichtet. Der große Philosoph der Aufklärung wurde am 28.Juni 1712 in Genève geboren und sein Geburtshaus steht in der Altstadt, die fast zwangsläufig unser nächstes Etappenziel war. Der Weg dorthin führte uns über eine weitere Flussinsel, die schlichtweg Île, also Insel genannt wird. Dort befindet sich seit über 2.000 Jahren ein Weg über die Rhône. Die Zerstörung einer antiken Brücke im Jahre 58 v. Chr. durch die Römer verschaffte Genève nebenbei die älteste überlieferte schriftliche Erwähnung.

Unterwegs in den Gassen der Altstadt

Bereits im 120 v. Chr. sollen die Römer hier eine noch ältere städtische Siedlung der Kelten (genauer der Allobroger) erobert haben und als sich Gaius Iulius Caesar gute 60 Jahre später im Krieg mit den Helvetiern befand, ließ er die Brücke über die Rhône zerstören und befestigte die bedrohte Grenzstadt mit einer ersten Mauer. In seinen Commentarii de bello Gallico legte Caesar dann besagtes erstes schriftliches Zeugnis von Genève (bzw. Geneva) ab und nach dem bellum Gallicum stieg jenes Genève zu einer wichtigen Handelsstadt zwischen den alten römischen Provinzen im Süden und den neu eroberten Provinzen im Norden auf.

Cathédrale Saint-Pierre von außen

In der Spätantike wurde Genève außerdem Bischofssitz (400 n. Chr.) und eine der Hauptstädte des Burgunderreichs (443 n. Chr.). Die erste Bischofskirche der Stadt thronte hoch oben auf dem Altstadthügel und wurde im 12.Jahrhundert durch die mittelalterliche Cathédrale Saint-Pierre (Kathedrale St. Peter) ersetzt. 1535 hielt der Reformator Guillaume Farel die erste protestantische Predigt in Genève, welche leider einen Bildersturm und damit die Zerstörung der kunstvollen Zier der Kathedrale zur Folge hatte. Im Folgejahr nahm die souveräne Stadtrepublik die Reformation an und die kommenden Jahrzehnte predigte der große Reformator Johannes Calvin in der nun protestantischen Kathedrale. 1559 gründeten Calvin und Farel außerdem die Académie de Genève (Hochschule für reformierte Geistliche), deren Absolventen die calvinistischen Lehren in etliche Länder trugen und aus der 1873 die Université de Genève hervorgegangen ist.

Cathédrale Saint-Pierre von innen (Decke der Makkabäerkapelle)

Genève wurde also ein bedeutendes theologisches Zentrum des Protestantismus und zugleich Zufluchtsort für Religionsflüchtlinge aus halb Europa. Es galt nun als das „protestantische Rom“ und das damals aufkommende internationale Flair blieb bis in die Gegenwart prägend für die Stadt, in welcher heute fast jeder zweite Einwohner keinen Schweizer Pass besitzt. Das begründet sich aber nur noch zum Teil in Zufluchtsuchenden. Zuvorderst liegt es daran, dass Genève der Haupt- oder Nebensitz zahlreicher internationaler Organisationen ist und deren Mitarbeiter und Delegierte aus aller Herren Länder an das Südwestufer des Lac Léman gekommen sind.

Tour du Molard (Uhrturm aus dem 16.Jahrhundert)

Dieser Ort wirkt auch durchaus lebenswert. Wenn das Salär dem hiesigen Preisniveau gerecht wird, könnte sogar ich mir ein Leben als Expat am Ufer des Lac Léman vorstellen. Mit meinem deutschen Durchschnittsgehalt kam ich mir in einer der teuersten Städte der Welt allerdings wie ein armer Schlucker vor. Immerhin ist Flanieren auch in Genève kostenlos und so hatten Jojo und ich zwischen Mittagessen und Fußball keine weiteren Ausgaben. Zum ca. 4 km von der Altstadt entfernten Stadion ging es dann ebenfalls per pedes. Das hatte den Vorteil, dass wir auch noch den netten Stadtteil Carouge fußläufig kennenlernen durften, der wiederum als das Bohème-Quartier von Genève gilt.

Monument international de la Réformation mit den Reformatoren Farel, Calvin, Beza und Knox

Wobei Carouge nur wie ein Stadtteil von Genève wirkt (der Übergang ist fließend), aber administrativ eine eigene Stadt im Kanton ist und einst gar in Konkurrenz zur Stadtrepublik Genève stand. Das 1416 geschaffene Herzogtum Savoyen herrschte früher bis an die Stadtgrenzen heran und hatte immer wieder versucht die strategisch und wirtschaftliche bedeutende Stadt Genève zu unterwerfen. Insbesondere die 1602 gescheiterte Erstürmung der Stadt auf Geheiß von Herzog Karl Emanuel von Savoyen wirkt bis heute nach. In einer Dezembernacht schlichen sich ungefähr 3.000 savoyische Söldner an die Stadtmauer heran und wollten diese mit Leitern erstürmen. Doch sie wurden rechtzeitig bemerkt und der Handstreich misslang. Deshalb wird seit 1603 jedes Jahr am 12.Dezember mit der Fête de l’Escalade ein großes Stadtfest in Genève gefeiert.

Kanone vor dem alten Arsenal (heute Staatsarchiv)

Wenn sie die Stadtrepublik Genève schon nicht erobern können, wollten die Savoyer ihr wenigstens Konkurrenz machen und bauten im 18.Jahrhundert den nahen Weiler Carouge zur Stadt aus. 1780 wurde Carouge Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und 1787 wurde ein religiöses Toleranzedikt erlassen, welches in der Stadt ein Nebeneinander verschiedener Glaubensrichtungen ermöglichte und für rasches Bevölkerungswachstum durch den Zuzug von anderswo religiös Verfolgten sorgte. Doch wenig später wurden Carouge und Genève von den Franzosen besetzt und 1798 gemeinsam ins neugeschaffene Département Léman eingegliedert. Und auch als die Franzosenzeit 1813 wieder endete, blieben die beiden Städte territorial vereint. Die République de Genève wurde 1814 als 22.Kanton in die Schweizer Eidgenossenschaft aufgenommen und 1816 bekam der Kanton im Turiner Vertrag weite Teile seines savoyischen Umlandes mitsamt Carouge zugesprochen.

Ausblick von der Promenade de la Treille auf dem Altstadthügel

Hinter Carouge – wo sich übrigens auch mein Hotel befand – erwartete uns nun das Industriequartier La Praille. Hier wurde in den 1940er Jahren ein großer Güter- und Rangierbahnhof errichtet, wovon die im 19.Jahrhundert entstandenen Industriegebiete der Gemeinden Carouge und Lancy profitierten. Um dem Strukturwandel des ausgehenden 20.Jahrhunderts zu begegnen, wurde 2002 in La Praille eines der größten Einkaufszentren der Schweiz eröffnet und ein Jahr später war auch das nebenan errichtete Stade de Genève bezugsbereit. Dieses wurde zuvorderst für die Fußball-Europameisterschaft 2008 auf dem Gelände eines ehemaligen Schlachthofs gebaut und fasst bis heute die für das Turnier geforderten 30.000 Zuschauer. Bei den regelmäßigen Länderspielen der Schweizer Fußballnationalmannschaft im Stade de Genève ist die Auslastung auch gut bis sehr gut, Hauptnutzer Servette FC lockt jedoch selten fünfstellige Besucherzahlen an.

Die Musterstadt Carouge ist im 18.Jahrhundert streng symmetrisch angelegt worden

Aber heute war immerhin das Derby du Rhône und obwohl Lausanne und Genève sich geographisch näher liegen und somit ebenfalls prestigeträchtige Derbys austragen, gilt das Duell zwischen dem 1890 gegründeten Servette FC und dem 19 Jahre später entstandenen FC Sion als das größte und vielleicht auch einzig wahre Derby der Romandie. Immerhin treffen hier die beiden erfolgreichsten französischsprachigen Clubs der Schweiz aufeinander. Servette hat u. a. 17 Meistertitel und 7 Cupsiege im Briefkopf stehen, während der FC Sion zwar nur zweimal die Meisterschaft feiern durfte, aber stolze 13 Mal den Cup ins Wallis holte. Das 118.Derby der beiden Rivalen wollten nun wenigstens 14.592 Zuschauer sehen, darunter knapp 1.000 Gästefans.

Die Ultras aus dem Wallis entern ihren Sektor

Die Gäste waren aus Sion (Sitten) mit dem Zug angereist und schon vor’m Stadion gefielen sie optisch. Fast alle trugen weiße Maleranzüge am Körper und rote Fischerhüte auf dem Kopf. Vermummungsutensilien schien auch jeder dabei zu haben und erste Pyrotechnik wurde natürlich schon bei der Ankunft am Stadionbahnhof entzündet. Das machte Jojo und mir Lust auf mehr. Vorfeudig nahmen wir gegen 16:00 Uhr unsere Plätze à 25 CHF auf der Gegengerade ein. Zumindest jene Gegengerade und die Heimkurve waren heute gut gefüllt. Da die 1988 gegründete Ultragruppe Section Grenat nun ein Jubiläumsjahr hat, war außerdem klar, dass der Heimsektor sich besonders viel für’s Derby vorgenommen haben dürfte.

35 Jahre Pro-Servette heißt für die Section Grenat auch 35 Jahre Anti-Wallis

Doch zunächst einmal begleiteten nur vereinzelte Fackeln eine Banderole, die verkündete, dass 35 Jahre Section Grenat gleichbedeutend mit 35 Jahren Anti-Sion bzw. Anti-Wallis sind. Die Gäste hatten ihre Antipathie gegenüber den Servettiens ebenfalls auf ein großes Banner gepinselt. Der Schriftzug „Anti Grenats“ und ein verfremdetes Gruppenlogo der Section Grenat waren zu sehen. Der erste verbale Austausch von Nettigkeiten verstummte erst, als der Stadionsprecher zur Schweigeminute für den jüngst mit 27 Jahren auf tragische Weise aus dem Leben geschiedenen Ex-Servette-Spieler Karim Gazzetta bat. Diesem hatten die Ultras von Servette außerdem ein Spruchband gewidmet: „RIP Karim Gazzetta. A jamais un enfant du Servette.“

Die Gäste gratulierten der Section Grenat auf ihre Art

Das anschließend um 16:30 Uhr angepfiffene Fußballspiel hatte der Servette FC zunächst maximal unter Kontrolle. Insbesondere der nach einem halben Jahr Verletzungspause auf den Platz zurückgekehrte Chris Bedia erwischte einen Sahnetag und seine jeweils sehenswerten Treffer in der 18. und 33.Minute untermauerten Servettes Ambitionen auf einen Startplatz im internationalen Geschäft (gegenwärtig steht man auf Platz 4, bei nur einem Punkt Rückstand auf Platz 2). Bei Sion waren dagegen vorerst nur die Fans auffällig. In der 35.Minute feuerten sie dutzende Raketen ab, die kreuz und quer in den Nachmittagshimmel flogen. Zwar bestand zu keiner Zeit ernsthafte Gefahr für die Spieler, aber Sions Mittelfeldspieler Wylan Cyprien zog es trotzdem vor zeitnah in die sicheren Katakomben zu entschwinden (Platzverweis in der 42.Minute).

Das erste Feuerwerk des Tages

Weil die Gastgeber etliche Chancen ungenutzt ließen, kamen Cyprien die verbliebenen 21 Akteure drei Minuten später „nur“ mit einem Pausenstand von 2:0 nach. Sions Trainer Fabio Celestini musste sich zwangsläufig was überlegen und brachte nun seinen Edeljoker Mario Balotelli auf’s Feld. Der 36fache italienische Nationalspieler, der bisher in neun Ligaspielen für den FC Sion aufgelaufen ist und dabei fünf Tore erzielte, war allerdings auch schon im ersten Durchgang irgendwie omnipräsent. Denn beide Fanlager hatten seinen Namen auf Spruchbänder gepinselt. Die Sédunois (Sittener) unterstellten, dass das Stadion heute nur so voll ist, weil die Genevois (Genfer) unbedingt Balotelli sehen wollen. Jene Genevois wiederum begrüßten den guten Mario als neuen Adoptivsohn in der größten Familie der Welt, was logischerweise auf den als etwas limitierter geltenden Genpool in den Bergdörfern des Wallis anspielte.

Stade de Genève

Nach Wiederanpfiff war es allerdings nicht Mario Balotelli, sondern ein anderer Stürmer im Karriereherbst, der den FC Sion zurück ins Spiel brachte. Giovanni Sio (früher u. a. VfL Wolfsburg) wurde wie Balotelli zur 46.Minute eingewechselt und vier Minuten später besorgte er den Anschlusstreffer. Das gab Mitspielern und mitgereistem Anhang neue Hoffnung, während die Servettiens irgendwie aus dem Konzept gerieten. Die Granatroten fanden trotz Überzahl nicht zu ihrer Dominanz aus dem ersten Durchgang zurück und das angestrebte dritte und wahrscheinlich vorentscheidende Tor blieb aus.

Section Grenat in der 75.Minute

Die Schlussviertelstunde des spannenden Spiels läuteten schließlich die Fankurven mit mächtig viel Feuerwerk ein. Nach Einbruch der Dunkelheit sollte es an beiden Enden des Stade de Genève nochmal lichterloh brennen. Fast zeitgleich um die 75.Minute herum entfachten die Ultras hüben wie drüben ein Lichtermeer. Wobei die Gäste mit einem minutenlangen Höhenfeuerwerk noch einen draufsetzten. Das war wirklich très spectaculaire und zur Belohnung gab es in der 85.Minute überraschend den Ausgleich zu bejubeln, wofür man nochmal ein paar Fackeln und Raketen hervorzauberte. Ein Eigentor von Servettes Douline sorgte heute für einen schmeichelhaften, aber um so mehr von den Fans genossenen Punktgewinn beim Erzrivalen.

Sions Pyroshow in der 75.Minute

Die Section Grenat hatte sich den Nachmittag sicher anders ausgemalt. Nichtsdestotrotz lieferten sie in der 88.Minute, in Anlehnung an ihr Gründungsjahr, noch eine weitere umfangreiche Pyroshow (siehe Titelbild). Für so genannte Pyro- oder Atmohopper waren das heute schöne Festspiele und als die Les Rouge et Blancs als gefühlte Sieger nach Anpfiff in die Gästekurve schritten, hatten die „Malergesellen aus Sitten“ übrigens immer noch was zu verfeuern. Die müssen das Zeug säckeweise ins Stadion geschleppt haben. Am Ende ein wichtiger Punkt für den FC Sion im Abstiegskampf, während Servette den Sprung auf Tabellenplatz 2 verpasst (aber dank St. Gallens Niederlage beim FCZ im Parallelspiel trotzdem zumindest auf Rang 3 klettert).

Der Himmel über dem Stadiondach

Die aus Deutschland angereisten Besucher Jojo und Saša fühlten sich ebenfalls wie Sieger und schritten gegen 18:30 Uhr gut gelaunt aus dem Stadion. Bei meiner nahen Unterkunft händigte ich Jojo schließlich noch seinen Rucksack aus und verabschiedete ihn mit einem mitleidigen Blick in seine nächtliche Strapazentour. Auf mich wartete dagegen ein bequemes Bett und um exakt 20:15 Uhr machte die Matratze Bekanntschaft mit meinem zierlichen Körper. Hm, zum Einschlafen könnte ich doch Tatort gucken… Kaum hatte ich zum richtigen Kanal gezappt, flimmerte schon eine Hooliganschlacht über den Bildschirm, in der u. a. eine mit toxischer Weiblichkeit gesegnete blauhaarige Frau mitmischte. Am Ende der Drittortauseinandersetzung war einer der Erlebnisorientierten tot und die Saarbrücker Mordkommission kam ins Spiel. Von denen hatte ich bisher noch keinen Tatort gesehen und fühlte mich gleich überfordert. Irgendwelche Erzählstränge aus den vorigen Episoden wurden fortgesetzt und anscheinend waren sowohl die beiden weiblichen, als auch die beiden männlichen Kommissare jeweils einander homoerotisch zugeneigt.

Mein Zimmer für eine Nacht

Dazu wurden die Fußballfans möglichst divers dargestellt und ein multiethnisches gleichgeschlechtliches Ehepaar wollte die kleine Tochter der Prügelprinzessin mit den blau gefärbten Haaren adoptieren. Korrekt gegendert wurde natürlich ebenfalls (“In der GewalttäterInnen-Sport-Datei steht er allerdings nicht.”). Das war so überladen mit Diversität, dass ich es beinahe für eine die Wokeness verhöhnende Persiflage hielt, die sich Ulf Poschardt und Anna Schneider beim Betriebsausflug des Axel-Springer-Verlags ausgedacht haben. In den Dialogen durften Fans, Sozialarbeiter und Polizisten ebenfalls nur ihre Klischees übereinander austauschen und was den sonstigen Plot dieses Krimis angeht, will ich natürlich nicht spoilern, aber es war in meinen Augen auch von der Story her alles ziemlich dünn. Am Ende kann ich leider nur eine von fünf Pyrofackeln vergeben (die eine gibt es für ein paar Schmunzler).

Song of the Tour: Ich schreibe über Genève, andere rappen über Genève