München 01/2023

am
  • 21.01.2023
  • TSV 1860 München – FSV Zwickau 3:1
  • 3.Liga (III)
  • Stadion an der Grünwalder Straße (Att: 15.000)

Sieben Wochen nach dem Spielbesuch in Erfurt (FC Rot-Weiß Erfurt vs. FC Energie Cottbus), war am 21.Januar 2023 endlich wieder Fußball für mich angesagt. Solch eine lange Winterpause wurde natürlich nicht freiwillig eingelegt. Noch am 10.Dezember 2022 war ich mit 11 Gefährten zur traditionellen Weihnachtstour aufgebrochen, die uns diesmal nach Leipzig führen sollte. Aber nachdem das Wochenende am Samstag mit dem Gastspiel der Sportfreunde Söhre in der sächsischen Messestadt einen ersten sportlichen Höhepunkt hatte (Handball, 3.Liga), wurde das Fußballduell BSG Chemie Leipzig – FC Rot-Weiß Erfurt am Sonntagvormittag leider kurzfristig witterungsbedingt abgesagt. War trotzdem ein feiner Ausflug, bei dem viel Glühwein und Feuerzangenbowle auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt und noch viel mehr Schnaps und Bier in diversen Gastwirtschaften konsumiert wurde. Trotz des Spielausfalls ein sehr heiterer und anekdotenreicher Wochenendausflug.

Weihnachtsmarkt in Leipzig

Ich gedachte sogar noch einige der Ereignisse und Anekdoten der Weihnachtstour niederzuschreiben. Einen reinen Alkoholverherrlichungsbericht wollte ich zwar nicht verfassen, aber ich hatte am Wochenende darauf tatsächlich noch einen weiteren Trip nach Leipzig gebucht. Wäre 1.FC Lok vs. Babelsberg 03 am 17.Dezember nicht ebenfalls der Witterung zum Opfer gefallen, hätte ich wahrscheinlich beide Ausflüge in die sächsische Metropole in einem Bericht verwurstet. Stattdessen ging es am Wochenende vor Weihnachten zum Wandern in den verschneiten Harz und aus Leipzig möchte ich zur Erheiterung der damaligen Reisegruppe lediglich nochmal vier Stichpunkte aus meinen Notizen zitieren:

  • „Grün-weiße Scheiße!“
  • Sportnews Hildesheim
  • Petra
  • Lichterfahrt
Alkoholgenuss in den Leipziger Wenzelstuben

Das Fußball- und Reisejahr 2022 war für mich also kurz vor Weihnachten abgehakt und die ersten beiden Wochenenden des Jahres 2023 war ich als Umzugshelfer und als Tagungsteilnehmer eingespannt. Entsprechend konnte erst wieder ab dem 21.Januar ein Fußballausflug in Betracht gezogen werden. Erfreulicherweise war für diesen Tag bereits einige Wochen im Voraus ein Gruppenausflug geplant worden. Der TSV 1860 München sollte den FSV Zwickau empfangen und ICE-Tickets nach München und zurück kosteten im Gruppentarif für Early Birds wie uns gerade mal 18,80 € pro Person. Zu neunt traten wir am hannoverschen Hauptbahnhof um 6:26 Uhr die Reise an und im Zug wurde sogleich ein Tisch fein eingedeckt. Denn natürlich sollte niemand mit leerem Magen in den Tag starten. Alsbald standen Butter, Brötchen, Bergkäse, Bresaola und Serranoschinken auf dem Tisch. Dazu wurden erlesene Rotweine vom spanischen Weingut Bodegas Abadía de San Quirce verköstigt.

Deutlich besseres Frühstück als im Bord Bistro

Man muss sich auch mal gönnen. Erst recht wenn der Frühstückstisch am Folgetag höchstwahrscheinlich nur mit Erzeugnissen der Pharmaindustrie gedeckt sein dürfte. Denn etwaige Veganuaries und vor allem Dry Januaries waren nun definitiv eingesargt. Zu Ehren des neuen DFB-Nationalmannschaftsmanagers Rudi Völler sollte es heute einfach mal die ultimative Völlerei werden. Passenderweise hatte der spätere Weltmeister seine Bundesligakarriere 1980 beim TSV 1860 München begonnen und ebenfalls passenderweise sollte die Völlerei nach Ankunft in München mit einem Weißwurst- und Weißbierfrühstück fortgesetzt werden. Damit wir später alle wie ein Waldemar Hartmann schön locker auf unseren Stühlen sitzen…

Das zweite Frühstück des Tages

Am Münchner Hauptbahnhof sammelte uns der Lokalmatador Dom ein und weil in Giesing am Spieltag für so eine große Gruppe eher nichts ohne Reservierung geht, spazierten wir in die just öffnenden Münchner Stubn. Dort wurden ab 11 Uhr je zwei Würste und eine ofenfrische Brezen pro Kopf gereicht und besagte Weißbiere (oder wahlweise Helles) durften beim zweiten Frühstück des Tages natürlich ebenfalls nicht fehlen.

Quasi das dritte Frühstück

Nachdem die Weißwürste weggezuzelt waren, ging es kurz vor 12 Uhr weiter nach Giesing. Zunächst wurde sich mit Wegbieren bei einer Trinkhalle eingedeckt und dann lungerten wir ein wenig auf dem Hof von Giesinger Bräu. Mit einem weiteren Stopp am Dreispitz wagten wir uns langsam zum Stadion vor und trafen noch kurz ein paar weitere bekannte Giesinger Gesichter. Neben dem Plausch, wurden auch noch die letzten Tickets an uns überreicht. Bei den Löwen ist es bekanntlich immer ausverkauft und dass einem dennoch über ein halbes Dutzend Karten organisiert werden, verdient große Anerkennung. Mille Grazie!

Flutlicht an der Grünwalder Straße

Man hat natürlich dankbar alles genommen, was angeboten wurde und entsprechend verteilte sich unsere Gruppe ab 14 Uhr auf verschiedene Stadionbereiche. Meiner einer – der sich zur Sicherheit und zur Entlastung der Münchner Mühen anderweitig eingedeckt hatte – weilte allein auf der Haupttribüne, während die anderen entweder in der Stehhalle lungerten oder irgendwo am äußeren Rand der Westkurve standen. Dass die 90 Minuten Fußball bei mir nun auch mit ca. 120 Minuten Biermoratorium einhergingen, war vielleicht gar nicht das schlechteste. Zumindest um meiner journalistischen Pflicht nachzukommen.

Heutiger Gruß der Kurve an den Investor

Bei heftigen Schneefällen, die insbesondere dem klimawandelskeptischen Aiwanger Hubsi gefallen haben dürften, trafen heute zwei Mannschaften aufeinander, die beide einen Sieg gut gebrauchen konnten. Die Gäste aus Zwickau mussten die Winterpause auf einem Abstiegsplatz verbringen und haben voriges Wochenende den Jahresauftakt gegen den VfB Oldenburg vergeigt. Der TSV 1860 wiederum hat mit einer Serie von fünf sieglosen Spielen die Aufstiegsränge verlassen und die Medien schrieben bereits, dass Trainer Michael Köllner heute sein Endspiel hat. Sogar Investor Hasan Ismaik war unter der Woche das erste Mal seit November 2019 wieder in München gesehen worden und viele dachten der Jordanier hätte bereits den Daumen gesenkt. Aber mindestens das heutige Spiel sollte Köllner noch als Gnadenfrist bekommen.

Blick in die Gästekurve

Falls es heute gegen Zwickau nicht für drei Punkte reichen würde und die Medienspekulationen über das vermeintliche Endspiel tatsächlich Substanz hätten, könnte Köllner vielleicht über eine Umschulung zum Berufskraftfahrer nachdenken. Da scheint wie mittlerweile in vielen Branchen großer Bedarf zu herrschen. Denn kurz bevor der Ball im Schneegestöber rollen sollte, kamen die Mannschaften nicht mit Kindern, sondern mit gestandenen Männern im Schlepptau auf’s Feld gelaufen. Meine Theorie war zunächst, dass das ein Dankeschön an freiwillige Schneeräumer vom Vormittag war. Aber weit gefehlt. 1860-Sponsor MAN hatte Berufskraftfahrer eingeladen und diese als „Einlaufkinder“ eingesetzt, um auf den Fachkräftemangel in der Kraftfahrbranche aufmerksam zu machen.

Choreo der Blue Blood Fanatics

Doch die Aktion ging ein bißchen unter, weil parallel noch eindrucksvoller auf den 10.Geburtstag der Gruppe Blue Blood Fanatics aufmerksam gemacht wurde. Blau-weiße Folienfähnchen umrahmten eine große Blockfahne mit dem Gruppenlogo und einer 10 im Lorbeerkranz. Zu überzeugen wusste allerdings besonders die Detailliebe. So wurde die altehrwürdige Anzeigetafel der Westkurve mit ins Gesamtbild einbezogen und die Banner am Zaun glänzten mit zahlreichen kleinen Gimmicks. Die Schriftzüge If The Kids Are United und Blue Blood Fanatics waren alles andere als profan dargestellt und u. a. konnte man einen Bierkrug, eine Sprühdose, eine Leuchtfackel oder auch einen Kronkorken mit der kryptischen Zahl 1312 entdecken (ich glaube 1312 wurde Giesing erstmals urkundlich erwähnt, bin mir aber unsicher…). Lediglich das hinter der Kurve gezündete Höhenfeuerwerk entfaltete bei dem trüben Wetter nicht so richtig seine optische Wirkung.

Der erste Torjubel des Tages

Anders das Feuerwerk der Löwen auf dem Platz. Mit deutlich mehr Power als Anthony starteten der Deutsche Fußballmeister von 1966 in die Partie und bereits nach wenigen Sekunden durfte dessen Anhang auf Giesings Höhen jubeln. Fynn Lakenmacher bediente beim ersten Angriff des Tages Raphael Holzhauser und der Österreicher köpfte aus kurzer Distanz zum 1:0 in die Maschen (1.Min). Lakenmacher, dessen Vater übrigens der Erfolgstrainer der eingangs erwähnten Handballmannschaft der Sportfreunde Söhre ist, war außerdem keine sieben Minuten später auf dem Posten, als eine Flanke von einem Zwickauer Verteidiger direkt vor seine Füße abgefälscht wurde. Mit 2:0 im Rücken ließ es sich befreit aufspielen und kurz vor der Pause machte Kobylanski mit dem 3:0 im Prinzip schon den Sack zu (42.Min). Köllner konnte den ADAC-Straßenatlas also erstmal wieder beiseite legen 😉

Die 2.Halbzeit auf rutschigem Geläuf läuteten dann abermals die Blue Blood Fanatics mit einer Kurvenaktion ein. In der Pause wurden sich die stets verheißungsvollen und heute mal ausnahmsweise zur Witterung passenden Skimasken aufgezogen, damit um 15:05 Uhr diverse Geburtstagskerzen im Fanblock lodern konnten (siehe Titelbild). Joar, diese aktiven Fans verstanden es ihr Jubiläum zünftig zu zelebrieren. Obendrein gab es während des Spiels noch etliche Spruchbänder von oder für die Blue Blood Fanatics. Dabei wurde sich textlich teilweise an einem Kultsong der Schlagerlegenden Die Flippers orientiert.

Eines der Spruchbänder im Gästeblock

Spruchbänder hatten die Zwickauer ebenfalls im Gepäck. Allerdings keine Glückwünsche, sondern mahnende Worte. „Wenigstens bei den Ticketpreisen die Nummer 1 in München!“ und „Fussball findet am Spieltag statt! Tageskassen öffnen!“ war zu lesen. Ansonsten boten die von Freunden aus Dresden und Székesfehérvár unterstützten Westsachsen keine besonderen Aktionen dar. Lediglich ein paar Schwenkfahnen hatte man im Einsatz und begleitete damit hin und wieder die Gesänge, die sogar einmal von einem Torjubel unterbrochen wurden. Der zur Pause eingewechselte Dominic Baumann hatte mit seinem Anschlusstreffer in der 56.Minute etwas Hoffnung im rot-weißen Fanlager verbreitet. Aber die weiteren Angriffswellen nach dem Torerfolg verpufften und Sechzig hatte im Sechzger keine sonderlichen Mühen den Heimsieg einzutüten.

Brotzeit bei Giesinger Bräu

In der 85.Minute hatte ich genug gesehen und vor allem genug gefroren und machte mich schon mal auf zu Giesinger Bräu. Dabei lief ich auf der Grünwalder Straße sogleich Max und Fat Lo in die Arme. Wir hatten die vage Hoffnung, dass vielleicht doch noch ein Tisch in der Brauereigaststätte frei ist, wenn man dort vor der ersten Welle der Stadionbesucher aufschlägt. Und siehe da; im Gastraum war zwar alles belegt oder reserviert, aber eine der an Spieltagen extra im Sudhaus aufgestellten Bierzeltgarnituren war noch zu haben. Schnell den Rest in besagtes Sudhaus gelotst und gemeinsam deftig Abend zu gespeist. Neben den hausgebrauten Bierspezialitäten standen alsbald Klassiker wie Ente, Schnitzel und Kasspätzle vor meinen Freunden auf dem Tisch, während ich mir ’ne kalte, aber feine Brotzeitplatte gönnte.

Abendliches Giesing

Gegen 17:30 Uhr machten wir uns schließlich wieder auf zum Hauptbahnhof und deckten uns unterwegs noch mit flüssigem Proviant für die Rückfahrt ein. Zusammen mit den nach der Ankunft am Bahnhof eingeschlossenen restlichen Bier- und Weinflaschen, war das eigentlich schon wieder zu viel des Guten. Aber ich erwähnte es bekanntlich zu Beginn, es sollte heute eine ultimative Völlerei werden. Dabei waren unsere Gesprächsthemen wahrscheinlich kreativer als Auswahlprozesse in einer Task Force des DFB. Aber ich müsste lügen, wenn behaupten ich würde, dass ich den Restabend noch detailliert beschreiben könnte. Gegen 22:30 Uhr war der Mob schließlich wieder in Hildesheim und wer klug war, ging nun ins Bett. Der Rest halt nicht 🙂

Song of the Tour: Auch ich möchte an dieser Stelle für die Berufskraftfahrer werben