Blankenburg 09/2021

  • 12.09.2021
  • Blankenburger FV – SV Stahl Thale 5:2
  • Landesliga Sachsen-Anhalt Mitte (VII)
  • Sportforum Blankenburg (Att: 303)

Da ich auf Mallorca bekanntlich mehr Wellnessurlaub als andere gemacht habe, war ich kurz nach der Rückkehr von der Lieblingsinsel der Deutschen natürlich gut erholt und topfit. Entsprechend wollte ich am Sonntag noch etwas Schönes unternehmen, bevor ab Montag wieder mein bescheidener Beitrag für das BIP geleistet werden sollte. Die Wahl fiel auf einen Wander- und Fußballtrip nach Blankenburg, für den ich auch Max gewinnen konnte. Bevor 9:14 Uhr der Zug in Richtung Harz rollte, wurden noch schnell die fünf Wahlzettel der niedersächsischen Kommunalwahl im zugewiesenen Lokal nach bestem Gewissen ausgefüllt. Anschließend war zum Glück grüne Welle bei den Fußgängerampeln zwischen Wahlurne und Hauptbahnhof und ich erklomm die Stufen zum Bahnsteig um 9:13 Uhr. Also alles im grünen Bereich.

Mal wieder ins satte Grün des Harzes

Max und ich tauschten uns nun aus, wer auf den Tapeten was angekreuzt hatte und wenig überraschend gab es weitgehend Deckungsgleichheit. Dann erreichten wir die grünen Berghänge des Harzes und nach Umstiegen in Goslar und Halberstadt wurde Blankenburg um 11:27 Uhr betreten. Nun hatten wir zweieinhalb Stunden für eine 9,6 km lange Wanderstrecke, für deren alleinige Ausarbeitung Max mir im Vorfeld grünes Licht gegeben hatte. Da ich beim Wandern im Harz wahrlich nicht mehr grün hinter den Ohren bin, hatte ich natürlich eine nette Route mit drei Stempelstellen gebastelt. Wäre die Wahl nicht gewesen, hätten wir das Ganze schon zwei Stunden früher begonnen und eine noch größere Runde gedreht. Aber Blankenburg kann man ruhig noch ein zweites Mal bereisen.

Die Burgruine Regenstein

Unser erstes Ziel war die Burgruine Regenstein. Die war nur 2,5 Kilometer vom Blankenburger Bahnhof entfernt und entsprechend schnell erreicht. Wir lösten nun Tickets für die Burganlage à 3 € und kletterten dort mal eine halbe Stunde auf den begrünten Felsen rum. Die mittelalterliche Kernburg wurde im 12.Jahrhundert regelrecht in den Sandstein des 297 Meter hohen Berges Regenstein getrieben. Man wähnt sich eher in Wohnhöhlen, als in einer herrschaftlichen Burg. Allerdings verfügte die Burg im Mittelalter auch über einen gemauerten Bergfried, von dem noch Reste vorhanden sind, sowie über eine Umfassungsmauer.

Reste der mittelalterlichen Burganlage

Die Burg war im Mittelalter Stammsitz der Grafen von Regenstein, doch im 15.Jahrhundert zogen diese ins Blankenburger Schloss um. Die Anlage verfiel nun, wurde jedoch im späten 17.Jahrhundert – mittlerweile preußischer Besitz – zur Festung umgewidmet und entsprechend ausgebaut. Zwar wurde die Festung bereits 1758 aufgegeben, doch aus dieser Zeit sind immer noch Bastionen, Schanzen und Kasematten erhalten. Die Geschichte der Burg ist museal gut aufgearbeitet und einen kleinen Biergarten gibt es auch. Ideal für eine Vesper mit Ausblick, aber Max und ich hatten ein enges Zeitfenster. Also verließen wir den Regenstein, um einige interessante Eindrücke und einen Wanderstempel reicher, alsbald wieder.

Ausblick vom Regenstein

Das nächste Ziel war die nahe Regensteinmühle, welche nur ca. 15 Wanderminuten von der Burgruine entfernt ist. Dafür geht es ein paar Höhenmeter bergab in das Tal zwischen Regenstein und Papenberg. Die dann zu bestaunende Mühle wurde Ende des 12. Jahrhunderts erbaut und versorgte bis ins 15. Jahrhundert die Burgbewohner des Regensteins mit Mehl und Öl aus Saatgut. Das benötigte Aufschlagwasser für die Mühlräder wurde mittels eines knapp zwei Kilometer langen Grabens vom nahen Goldbach zur Regensteinmühle geleitet. Doch als die Burg Regenstein aufgegeben wurde, verfiel auch die Mühle.

Die rekonstruierte Regensteinmühle

Die Natur hatte nun mehrere Jahrhunderte Zeit sich das Areal zurück zu erobern. Erst im Jahre 1988 wurde die Mühle bei heimatkundlichen Grabungen von einem Blankenburger Bergbauingenieur im grünen Dickicht wiederentdeckt und in der Folgezeit erforscht und restauriert. Auch dies ist, wie schon die Burgruine Regenstein, eine absolut sehenswerte Stempelstelle im Kanon der Harzer Wandernadel. Ich will mich ja nicht über den grünen Klee loben, aber ich glaube ich habe uns da eine schöne Tour rausgesucht.

Die Sandhöhlen im Heers

Obendrein existierte ganz in der Nähe noch ein weiterer Stempelkasten. Im sandigen Kiefernwald rund um den Regenstein, den so genannten Heers, erwartet den Wanderer noch eine dritte Attraktion. Eine große sandige Lichtung hatten wir bereits im Ansatz von der Burgruine aus erspähen können, doch direkt vor Ort stand man nun vor hohen Felsenwänden. Der Mensch hat mehrere Höhlen in den Sandstein gegraben und angeblich soll dieser Ort schon bei den Germanen eine Kultstätte gewesen sein. Heute ist es in jeden Fall ein idealer Naturspielplatz für Kinder, die sich in der großen natürlichen „Sandkiste“ und den Sandhöhlen im Heers prima austoben können. Aber auch adulte Besucher wie Max und ich fanden den Ort imposant. Nur das Rumtoben verkniffen wir uns.

Ein toller Ort für kleine und große Höhlenforscher

Nachdem Stempel Nr. 3 des Tages ins berühmte grüne Sammelheft gedrückt war, wären wir gut beraten gewesen den gleichen Weg nach Blankenburg zurück zu gehen. Der war schön und anspruchsarm. Nur leider bin ich so ein richtiger Rundwegfetischist und hatte mir einen anderen Weg überlegt. Warum zweimal das Gleiche sehen, anstatt noch was Anderes? Der Alternativweg führte zwischen dem Regenstein und einem umzäunten Bundeswehrgelände steil bergauf und war durch den sandig-rutschigen Boden technisch herausfordernd. Zum Glück gaben die Trekkingstöcke und der Maschendrahtzaun der Bundeswehr etwas Halt an den schwierigen Stellen. Auf der anderen Seite des Zauns hatte die vielleicht bequemste Armee der Welt übrigens Stufen in den Hang gebaut. Also Gebirgsjäger sind da hoffentlich nicht stationiert.

Grüne Wipfel soweit das Auge reicht

Oben gab es wenigstens nochmal einen schönen Ausblick auf den immergrünen Heers, ehe es auf der anderen Seite wieder bergab gen Blankenburg ging. Schön von hohen Felswänden flankiert. Einerseits lief die Suppe wie ein Sturzbach von der Stirn und es war nun auch klar, warum die Begleitapplikation auf dem Smartphone für die letzten 3,6 km eine Dauer von 1:15 h kalkuliert hatte, aber andererseits war es auch schön nach den gut besuchten Stempelstellen nochmal eine Stunde keinem Menschen zu begegnen. So eine Fahrt ins Grüne ist für mich eben auch immer ein bisschen Stadtflucht. Ich habe als Berufspendler im ÖPNV, regelmäßiger Veranstaltungsbesucher (Fußball, Konzerte etc.) und generell geselliger Typ natürlich keine Menschenscheu, aber so ein bißchen Einsamkeit tut der Seele in unserer reizüberfluteten Lebenswelt als Ausgleich immer gut.

Magerquark-Max

Vielleicht stellten Max und ich uns deshalb im Sportforum des Blankenburger FV als einzige Besucher in die begrünte Kurve, anstatt uns auf der Haupttribüne unter’s Volk zu mischen? Auf jeden Fall konnte Max dort in Ruhe seinen Magerquark mit Nüssen naschen. Für mich natürlich keine Option, aber da mir die hiesige Bratwurst auf den ersten Blick auch nicht so zusagte, hungerte ich zunächst einmal. Obendrein hatten wir durch unsere rund zwanzigminütige Verpätung den ersten Torhunger der Blankenburger verpasst. Die führten bereits mit 3:0. Ach du grüne Neune! Entsprechend war das Thalenser Tor in der 22.Minute auch nicht die Gästeführung, wie erst von uns unterstellt, sondern lediglich der Anschlußtreffer.

Das Sportforum zu Blankenburg

Noch vor der Pause erzielten die beiden Nordharzer Rivalen jeweils ein Tor, so dass es mit 4:2 in die Pause ging. Ich organisierte Max und mir ein Pils vom Fass (regionstypisch Hasseröder) und dann schlichen wir mal ein wenig durch die Sportanlage. Insgesamt dürften die Traversen des Sportforums bis zu 8.000 Besuchern Platz bieten. Der Zuschauerrekord datiert aus dem Jahr 1978, als beim Derby gegen Einheit Wernigerode 7.300 Menschen das Stadiontor passierten. Seinerzeit erlebten die Blankenburger als BSG Stahl ihre sportlich erfolgreichste Zeit. Von 1974 bis 1983 spielte man in der zweitklassigen DDR-Liga. Dabei profitierte man ein Stück weit davon, dass der große Nachbar aus Magdeburg, der 1.FCM, in den 1970er Jahren zum nationalen und internationalen Höhenflug angesetzt hatte.

Die Haupttribüne nebst Sporthotel und angeschlossener Turnhalle

Einige Stars des 1.FCM, teilweise sogar ehemalige Nationalspieler der DDR, ließen ihre Karriere in Blankenburg ausklingen. Zugleich war Blankenburg für junge Talente aus der Region interessant, die sich beim Europapokalsieger der Pokalsieger von 1974 nicht durchsetzen konnten. Gerade Ende der 1970er Jahre kratzten die Harzer jede Saison am Aufstieg zur erstklassigen DDR-Oberliga. Doch 1983 war der Zenit überschritten und es ging für die kommenden acht Jahre zurück in die drittklassige Bezirksliga Magdeburg. Nach der Wende fusionierte Stahl mit dem VFV 67 zum Blankenburger FV von 1921 e. V. (welcher das Erbe des von 1921 bis 1945 existierenden Traditionsvereins VfB Blankenburg antrat) und man etablierte sich zunächst in der fünftklassigen Landesliga Sachsen-Anhalt. Landesliga spielt man aktuell auch, allerdings ist das gegenwärtig nur noch die siebte Ligastufe.

Die Gegengerade des Sportforums

Immerhin reichte es heute zu einem ungefährdeten Heimsieg – in der 90.Minute fiel noch das 5:2 durch einen achtzehnjährigen Grünschnabel – und man spielt mit drei Siegen aus den ersten vier Saisonspielen vorerst oben mit. Der SV Stahl Thale musste dagegen seine vierte Niederlage einstecken und ziert zur Zeit ohne Punktgewinn das Tabellenende. Dafür haben die Grün-Weißen aus der Stadt an der Roßtrappe eine noch ruhmreichere Vergangenheit als die Blankenburger. Doch das arbeiten wir auf, wenn ich demnächst mal über ein Heimspiel des SV Stahl schreibe. Vielleicht bietet sich dafür die Neuauflage des heutigen Derbys in der Rückrunde an. Dann können wir auch gleich prüfen, ob die Thalenser in dieser Saison tabellarisch noch auf einen grünen Zweig kommen können.

Zum Abschluss noch eine anatolische Vesper mit viel Grünzeug

Nach dem Kick blieben Max und mir noch 40 Minuten bis zur Rückfahrt. Ich drängte noch schnell auf den Besuch einer nahen Dönerbude und konnte dort mit Fleisch und Grünzeug in einen Teigfladen eingerollt endlich meinen Hunger stillen. Dann war Abfahrt und wir blickten zufrieden auf einen schönen Wander- und Fußballsonntag zurück. Ach, und ein schöner Wahlsonntag war es auch, wie wir daheim feststellen durften. Wir hatten echte Gewinner angekreuzt. Wenn man doch beim Lotto auch so einfach die Kreuze an der richtigen Stelle setzen könnte.

Song of the Tour: Ist Cordula eigentlich auch eine Grüne?