Sarajevo 03/2019

  • 03.03.2019
  • FK Željezničar Sarajevo – FK Mladost Doboj Kakanj 2:1
  • Premijer Liga (I)
  • Stadion Grbavica (Att: 5.000)

Nachdem der Abt, Ole und ich bereits zu Reisebeginn einstimmig beschlossen hatten, dass wir bis zum Derby in Belgrad bleiben (das wurde kurzfristig von Mittwoch auf Samstag verlegt), war unsere Ursprungsplanung mit einem langen Wochenende in Sarajevo und Mostar am Urlaubsende nicht mehr zu realisieren. Wenigstens eineinhalb Tage wollten wir allerdings noch in Sarajevo verbringen und deshalb ging es noch am Samstagabend, gute 90 Minuten nach Abpfiff des Večiti derbi, in die bosnische Metropole. Um 21:30 Uhr wurden von unserem Chauffeur am Hotel Rex eingesammelt (dort war den ganzen Samstag natürlich noch unser Gepäck gelagert) und fuhren von Belgrad über Šabac in Richtung Staatsgrenze.

Jelen Pivo gegen die Todesangst

Vor der Grenze erfuhren wir schließlich vom Fahrer, dass wir gar keinen offiziellen Transfer hatten, sondern behaupten sollen, dass er uns unentgeltlich mitnimmt. Wir hätten ihn heute in Belgrad in einem Café kennengelernt und spontan entschieden ihn auf seiner Heimfahrt nach Sarajevo begleiten. Wir taten, wie er uns auftrug und natürlich hielt kein Uniformierter die Geschichte für realistisch. Aber das Gegenteil konnten sie nun mal auch nicht beweisen und nachdem unser Gepäck intensiv gefilzt wurde, blieb den Grenzern nichts anderes mehr übrig, als uns eine gute Weiterfahrt zu wünschen. Wir hatten also erfolgreich die Republika Srbija gegen die Republika Srpska getauscht und waren somit in einer der zwei Entitäten von Bosnien und Herzegowina.

bih
Rot (vorwiegend serbisch) ist Republika Srpska eingezeichnet, Grün (vorw. muslimisch) und Blau (vorw. kroatisch) die Federacija Bosne i Hercegovine und Gelb ist der Sonderdistrikt Brčko (Quelle)

Vielleicht ist noch nicht jedem Leser geläufig, dass Bosnien und Herzegowina wahrscheinlich das komplizierteste Staatsgebilde der Welt ist. Der Gesamtstaat besteht aus den zwei Entitäten Federacija Bosne i Hercegovine (die bosniakisch-kroatische Föderation, die 50 % des Staatsgebietes ausmacht und in der rund 62,5 % der Bevölkerung leben) und Republika Srpska (die serbische Republik mit 49 % des Staatsgebietes und 35 % der Bevölkerung), sowie dem Sonderverwaltungsdistrikt Brčko (ein Kondominat der beiden Entitäten mit 1 % der Fläche und 2,5 % der Bevölkerung). Der Gesamtstaat Bosna i Hercegovina (Bosnien und Herzegowina), der irritierenderweise (fast) den gleichen Namen wie eine seiner Entitäten trägt, übernimmt nur wenige Aufgaben wie z. B. Außenpolitik und Verteidung, so dass die zwei Entitäten über ein hohes Maß an Autonomie verfügen. Der kleine Distrikt Brčko untersteht unterdessen de facto dem Gesamtstaat. Er teilt die Republika Srpska aus strategischen Gründen in zwei Teile. Um die Sache schließlich noch komplizierter zu machen, ist eine der beiden Entitäten, nämlich die Federacija Bosne i Hercegovine, nochmal in 10 Kantone aufgeteilt. Diese Kantone der Federacija genießen ebenfalls weitgehende Selbstverwaltung, mit eigenen Parlamenten und eigener Gesetzgebungskompetenz in vielen Bereichen. Konkret existieren rund 150 Ministerien in einem Staatsgebilde mit gerade mal 3,5 Millionen Einwohnern. Die ganze Staatsgliederung ist ein Ergebnis des blutigen Bürgerkriegs in den 1990er Jahren und dem Friedensabkommen von Dayton (1995). Doch dazu später mehr.

Winterliches Bosnien

Zwischen der Grenze bei Zvornik und Sarajevoist eigentlich nur noch Gebirge und ab ein paar hundert Höhenmetern lag noch richtig viel Schnee. Mitternacht war durch und wir kamen auf den zweispurigen Passstraßen nur langsam voran. Wir waren mittlerweile sehr müde und der Fahrer bildete blöderweise keine Ausnahme. Unser Trio begrüßte deshalb jede Kaffee- und Frischluftpause, egal wie spät es dann mit der Ankunft werden würde. Vor den Toren Sarajevos trat schließlich doch noch der schon lange befürchtete Sekundenschlaf bei unserem Fahrer ein. Wir wurden alle wieder wach, als sein Auto an der Felswand langschrammte. Immerhin war es die Seite mit der Felswand und nicht die mit der Schlucht und immerhin gab es keinen Gegenverkehr, so dass diese Nummer nochmal gut ging. Bis Sarajevo blieben nun alle vier Insassen hellwach und gegen 3 Uhr morgens erreichten wir unversehrt das Hotel Hecco Deluxe (***). Richtig starkes Hotel in den obersten Stockwerken des einzigen Hochhauses im Altstadtbezirk. Wir waren im 7.Stock untergebracht und hatten einen Wahnsinnsausblick, der natürlich am nächsten Morgen bei Tageslicht noch genialer war.

Sarajevo bei Nacht

Bis 9 Uhr hatten wir uns Schlaf gegönnt, doch dann wurden die Vorhänge aufgerissen. Draußen kam die Sonne langsam durch, so dass die Motivation auf einen Touri-Tag in Sarajevo gleich nochmal stieg. Da erst vor zwei Tagen in der Entität Federacija Bosne i Hercegovine (nicht jedoch in der Republika Srspka) der Unabhängigkeitstag gefeiert wurde (am 1.März 1992 wurde per Referendum die Unabhängigkeit von Jugoslawien beschlossen), waren die umliegenden Straßenzüge noch reich mit Staatsfahnen geschmückt. Direkt vor unserer Unterkunft befand sich außerdem die Vječna vatra (ewige Flamme), die an die Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnern soll, als Bosnien-Herzegowina vier Jahre lang von Nazi-Deutschland bzw. dessen faschistischem Verbündeten Kroatien okkupiert war. Es waren einige Kränze niedergelegt und ich gehe davon aus, dass die Bosniaken das Denkmal mittlerweile ebenso für das Gedenken an die Opfer des Bosnienkrieges nutzen.

Dobro jutro, Sarajevo

Zwei, drei (oder 23) Absätze muss ich natürlich zum Bosnienkrieg verlieren. Nachdem der siegreiche Partisanenführer Tito (bürgerlicher Name: Josip Broz) im Nachgang des Zweiten Weltkriegs die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ) schuf, gelang es ihm den Vielvölkerstaat bis zu seinem Ableben irgendwie zusammenzuhalten. Dazu wurde der Föderalismus geschickt gestaltet, Einigkeit und Brüderlichkeit beschworen und die nationalistischen Strömungen wurden rigoros bekämpft. Doch nach Titos Tod (1980) bahnte sich der nie wirklich überwundene Nationalismus seinen Weg. Fragen nach der Zukunft Jugoslawiens und der Gestaltung des politischen Systems ohne Führerfigur kamen auf. Neben den ökonomischen Problemen einer überschuldeten Volkswirtschaft mit großem wirtschaftlichen Gefälle zwsichen den Teilrepubliken, driftete die Bundesrepublik besonders am Gegensatz zwischen dem kroatischen Präsidenten Tudjman und dem serbischen Präsidenten Milošević (beide mit nationalistischer Agenda) auseinander.

Is this burning an eternal flame?

Das Ziel von Slobodan Milošević war zunächst eine Reform Jugoslawiens, die den Serben als größter Volksgruppe mehr Geltung verschafft hätte. Das war jedoch für die meisten anderen Volksgruppen und Teilrepubliken nicht hinnehmbar. Nachdem die Bundesrepublik am Ende der 1980er Jahre tatsächlich zu zerbrechen drohte, sollten die 8,5 Millionen Serben in Rest-Jugoslawien, welches dann eher ein Groß-Serbien gewesen wäre, territorial vereint bleiben. Die Sezessionen von Slowenien und Mazedonien waren diesbezüglich nicht relevant und verliefen weitgehend unblutig. In Kroatien lebten jedoch rund 600.000 und in Bosnien-Herzegowina circa 1,3 Millionen Serben. Als sich Kroatien 1991 für unabhängig erklärte, versuchten sich die vorwiegend serbisch besiedelten Gebiete Kroatiens abzuspalten und erhielten dabei Unterstützung von Serbien bzw. vom von Serbien dominierten Rest-Jugoslawien (->hier ein Link zu einer sehr guten Karte der Bevölkerungsverteilung vor den Jugoslawienkriegen<-).

Alles noch festlich geschmückt in Sarajevo

Die Ende 1991 ausgerufene Republika Srpska Krajina (Republik Serbische Krajina) machte 27 % des kroatischen Staatsgebiets aus und teilte das kroatische Territorium quasi in zwei Teile. Die Kroaten in den abtrünnigen Serbengebieten (immerhin 35 % der dortigen Bevölkerung) wurden von den Serben fast vollständig vertrieben. Gleichsam vertrieben die Kroaten die Serben aus den von ihnen kontrollierten Landesteilen. Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg wurden wach, als Kroatien ein Verbündeter von Nazi-Deutschland war und das kroatische Ustaša-Regime einen Genozid an den Serben beging, während serbische Tschetniks (Freischärler) andererseits etliche Kriegsverbrechen an den Kroaten verübten. Zumal die neuen nationalistischen Machthaber in Kroatien teilweise eine Kontinuität zum Ustaša-Regime vermittelten, anstatt eine kritische Distanz zu wahren. Dazu wurden die Serben in der neuen Verfassung vom Staatsvolk Kroatiens zur ethnischen Minderheit degradiert.

Die katholische Kathedrale von Sarajevo

Anfang 1992 kam es an den kroatischen Fronten vorläufig zum Waffenstillstand und sowohl in Belgrad, als auch in Zagreb, schielte man jetzt auf eine andere Teilrepublik, die de facto noch ein Teil von Jugoslawien war. Die Rede ist von Bosnien-Herzegowina, der ethnisch heterogensten Teilrepublik des Vielvölkerstaats. Hier lebten 1991 rund 2,1 jugoslawische Muslime (mittlerweile hat sich der Begriff Bosniaken durchgesetzt), 1,3 Millionen Serben und 0,8 Millionen Kroaten. Viele Regionen und erst recht die großen Städte wie Mostar oder Sarajevo waren ethnisch sehr durchmischt. Tudjman und Milošević wollten Bosnien-Herzegowina am liebsten aufteilen und die Bosniaken wurden dabei natürlich von den beiden großen Nachbarn nicht nach ihrer Meinung gefragt.

Sarajevos serbisch-orthodoxe Kathedrale

Als sich Bosnien-Herzegowina am 5.März 1992 – vier Tage nach dem von den serbischen Bosniern boykottierten Referendum – für unabhängig erklärte, begannen alsbald auch hier die Kampfhandlungen. Die bosnischen Serben (unterstützt von Serbien bzw. Rest-Jugoslawien) wollten in den überwiegend serbisch dominierten Gebieten im Norden und Osten eine serbische Republik erschaffen. Außerdem sollte eine Landverbindung zu den Landsleuten in Kroatien, also der Republik Serbische Krajina, hergestellt werden. Langfristig sollten diese Territorien dann mit dem Mutterland Serbien vereinigt werden. Die bosnischen Kroaten (unterstützt von Kroatien) hatten mit den mehrheitlich von ihnen besiedelten Gebieten Bosniens im Wesentlichen das Gleiche vor. Vorwiegend die Hergezowina im Südwesten und Posavien im Norden waren die Regionen, die als Kroatische Republik Herceg-Bosna zunächst unter seperatistische Kontrolle gebracht und später möglichst an die Republik Kroatien angegliedert werden sollten. Die bosnischen Muslime (Bosniaken) waren dadurch in die Defensive gedrängt und versuchten zumindest die von ihnen mehrheitlich bewohnten Gebiete im Landesinneren unter ihrer Kontrolle zu halten.

Sarajevos Gazi-Husrev-Beg-Moschee von 1530

Durch Sarajevo, Hauptstadt und Schmelztiegel der multietnischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina, verlief nun die Front der Kriegsparteien. Hier lebten die Volksgruppen seit Jahrhunderten in der Regel friedlich zusammen (Sarajevos Bevölkerungsstruktur 1991: 49,3 % Muslimisch, 29,8 % Serbisch, 6,7 % Kroatisch und 14,2 % Angabe Jugoslawisch oder Sonstige). Nirgendwo sonst in Jugoslawien gab es so viele ethnisch gemischte Familien. Wie in der gesamten Teilrepublik, wurden nun über Nacht aus Nachbarn Feinde und Familien gespalten. Die Serben übernahmen in Sarajevo die Kontrolle über die Außenbezirke und den internationalen Flughafen, während die Bosniaken im Stadtzentrum die Oberhand behielten. Am 5.April 1992 schloß sich der serbische Ring um die Stadt und die längste Belagerung des 20.Jahrhunderts begann. Sie dauerte bis zum 26.Februar 1996, also 1.425 Tage.

Sarajevos Lage im Talkessel

Dadurch, dass die Serben die strategischen Höhen kontrollierten und schweres Kriegsgerät von der jugoslawischen Volksarmee übernommen hatten, befanden sich die Muslime im Stadtzentrum in einer fast aussichtslosen Situation. Durch Mörser- und Artilleriebeschuss wurde ein Großteil der städtischen Bebauung zerstört und neben diesen Angriffen, forderten auch serbische Heckenschützen zahlreiche Menschenleben. Diese Sniper postierten sich vorwiegend in den oberen Geschossen der zerstörten Hochhäuser an der Hauptverkehrsstraße Zmaja od Bosne. Die Straße kam deshalb weltweit als Sniper Alley zu trauriger Berühmkeit.

Das ehemalige Holiday Inn an der „Sniper Alley“

Um die eingeschlossene Stadt mit Waffen, Munition, Medikamenten und Lebensmitteln zu versorgen, gruben die Bosniaken 1993 einen 800 Meter langen Tunnel, der unterhalb des Flughafens in von den Serben unbesetztes Gebiet führte. Heute ist der so genannte Sarajevo-Tunnel ein Museum. Wir hatten eigentlich auch eine Führung durch den Tunnel gebucht, mussten diese wegen unseres verkürzten Aufenthalts jedoch leider wieder stornieren. Aber das wird hoffentlich beim nächsten Sarajevo-Besuch nachgeholt.

Einschusslücher in Grbavica

Während der Tunnel den Bosniaken in Sarajevo beim Durchhalten half, versuchte die internationale Gemeinschaft seit Kriegsausbruch (mit bescheidenem Erfolg) zu vermitteln und zu befrieden. Die UN schuf im Mai 1993 Schutzzonen (Bihać, Goražde, Sarajevo, Srebrenica, Tuzla und Žepa) und bereits im Oktober 1992 wurde Bosnien-Herzegowina zur militärischen Flugverbotszone erklärt (was ab 1.April 1993 mit NATO-Kampfflugzeugen auch aktiv durchgesetzt wurde). Außerdem legten sie den Vance-Owens-Plan zur Konfliktlösung vor. Darin waren die wesentlichen Elemente des heutigen Staatsgebildes bereits erarbeitet. Allerdings dämmten sich die Kampfhandlungen trotz Friedensverhandlungen kaum ein. Denn mit der normativen Kraft des Faktischen wollten die Kriegsparteien ihre jeweilige Verhandlungsposition für einen Friedensschluss verbessern.

34
Die Lage 1994 (ich hab da mal was mit Paint gebastelt…). Blau: Kroatisch; Rot: Serbisch; Grün: Muslimisch

Dabei spalteten sich die Kriegsparteien 1994 weiter auf. Bosniaken und Kroaten lieferten sich blutige Kämpfe in der Herzegowina. In Zentrum des Landes kämpften plötzlich bosnische Kroaten und bosnische Serben gemeinsam gegen die Bosniaken, während sich in und um Mostar alle drei Parteien gegenseitig beschossen. Im äußersten Westen sagte sich eine bosniakisch kontrollierte Region von der bosniakischen Zentralregierung unter Präsident Alija Izetbegović los (auf der Karte hellgrün markiert) und verbündete sich mit den Serben, so dass die Bosniaken selbst auch noch zu zersplitten drohten. All das Kriegstreiben ging mit ethnischen Säuberungen aller Parteien einher. Ebenso hatten alle drei Parteien Lager eingerichtet, in denen Kriegsgefangene und Zivilisten unter unmenschlichen Bedingungen interniert waren.

Gesprühtes Armeewappen der Bosniaken in Grbavica

Die UN-Ermittlungsergebnisse weisen übrigens eine deutliche Mehrheit der Massaker und Kriegsverbrechen (u. a. auch systematische Verwaltigungen muslimischer Frauen) der serbischen Seite zu. Die Berichte schwanken zwischen 80 und 90 % serbischer Urheberschaft aller Kriegsverbrechen und Srebrenica ist wohl jedem Leser ein Begriff (das dortige Massaker der Serben an den männlichen Muslimen klassifiziert die UN als Genozid). Gleichwohl darf das nicht die Gräueltaten von Kroaten oder Bosniaken relativieren. Bei den Bosniaken kann man viele der Verbrechen den Mudschaheddin zuordnen. Ca. 6.000 islamische Glaubenskrieger aus dem Ausland hatten sich dem Kommando von Präsident Izetbegović unterstellt. Überhaupt sorgte der Krieg bei allen Parteien, vor allem aber wohl bei den Bosniaken für eine religiöse Renaissance.

Graffito für einen Kriegshelden aus der Ultraszene von Zeljeznicar

Da optische Merkmale oder Sprache keine wirklichen Unterscheidungsmerkmale zwischen Bosniaken, Kroaten oder Serben waren, wurde die Religion entscheidend. Im sozialistischen Jugoslawien spielte der Glaube nur eine Nebenrolle. Es herrschte Religionsfreiheit, allerdings war sich Tito der Wechselwirkung von Religion und Nationalismus in seinem Machtbereich bewusst, so dass die Glaubensgemeinschaften unter staatlicher Repression litten. Der spätere Bosniaken-Präsident Izetbegović war Islamist und musste für sein politisch-religiöses Manifest Islamska deklaracija (die Islamische Deklaration) 1983 für mehrere Jahre ins Gefängnis. Seine politische Agenda, sowie die Unterstützung aus der islamischen Welt mit Waffen, Geld und Kämpfern, fanden bei den katholischen Kroaten und den christlich-orthodoxen Serben natürlich ihren Widerhall. Der Kampf um Bosnien wurde ihrerseits auch als Kampf gegen den Islamismus deklariert.

Selbsterklärende Streetart

Während das Morden und das ethnische Säubern weiterging, hoffte die r(w)estliche Welt immer noch auf eine Lösung am grünen Tisch und blieb militärisch weiterhin in der Beobachterrolle. Doch erst die Serben und später auch die Bosniaken, erteilten dem Vance-Owens-Plan eine Absage. Zwar hatte Rest-Jugoslawiens Präsident Slobodan Milošević, sozusagen der Schutzherr der bosnischen Serben, den Vertrag akzeptiert, jedoch kam es nun zum Bruch der bosnischen Serben mit Milošević. Radovan Karadžić (der Präsident der bosnischen Serben) und sein Oberbefehlshaber Ratko Mladić hatten 70 % des bosnischen Staatsgebiets unter ihrer Kontrolle. Davon hätten sie laut Friedensplan ungefähr 30 % wieder räumen müssen.

UN-Blauhelm-Graffito in Sarajevo

Die Kroaten waren nun das Zünglein an der Waage. Sie sollten sich nach westlichem Wunsch mit den Bosniaken gegen die Serben verbünden. Im Gegenzug würde man die Kroaten in ihrem Mutterland aufrüsten, so dass diese endlich in der Lage wären die abtrünnige Serbenrepublik (Republik Serbische Krajina) auf ihrem Staatsgebiet zu beseitigen. Kroatiens Präsident Tudjman ging den Deal ein und bekam dafür die ersehnte Unterstützung. Mit der Operation Oluja (zu deutsch: Sturm) begann am 5.August 1995 eine Großoffensive der kroatischen Armee und binnen weniger Tage waren die serbischen Freischärler geschlagen und ihre abtrünnige Republik auf kroatischem Staatsgebiet nach fast vier Jahren Geschichte. 200.000 Serben wurden nun von den Kroaten vertrieben und je nach Quelle wurde eine hohe dreistellige oder niedrige vierstellige Zahl von serbischen Zivilisten Opfer von Massakern der Kroaten.

Graffito im Stadtteil Grbavica

Auf Oluja folgte am 8.September 1995 Maestral (Operation Nordwestwind). Bei dieser Operation gingen Kroaten und Bosniaken in Bosnien-Herzegowina konzentriert gegen die bosnischen Serben vor. Auch diese Großoffensive (mehr oder weniger offen unter NATO-Schirmherrschaft) wurde ein militärischer Erfolg und das Gebiet der Serben in Bosnien schrumpfte von 70 % auf 49 %. Das zwang die bosnischen Serben dazu wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Am 21. November 1995 wurde nach drei Wochen Klausur (in einer US-Luftwaffenbasis im Bundesstaat Ohio) von allen Parteien das Abkommen von Dayton unterzeichnet, was die eingangs erwähnte heutige Staatsgliederung zur Folge hatte. Die Waffen schwiegen sofort und die Truppen zogen nach und nach ab, so dass der Belagerungszustand Sarajevos am 29.Februar 1996 endlich endete. Untersuchungen der UN kamen auf über 11.000 Todesopfer im Rahmen der Schlacht um Sarajevo (über 100.000 Todesopfer forderte der Bosnienkrieg insgesamt).

In den Bergen hatten die Serben ihre Stellungen

Gut ein Vierteljahrhundert nach dem Kriegsende liegt immer noch viel im Argen in Bosnien und Herzegowina. Die Wirtschaft entwickelt sich nur mühsam und die durch den Krieg entstandene Segregation hat sich nicht wirklich wieder aufgelöst. Die Serben wollen in ihrer Republika Srpska soviel Autonomie wie möglich, die Kroaten wollen gerne mehr Autonomie innerhalb der Föderation Bosnien und Herzegowina und die Bosniaken scheinen an mehr Zentralstaat als bisher interessiert zu sein. Die Interessen der drei größten Volksgruppen stehen sich also weiter triametral gegenüber. Dabei haben Serben und Kroaten ihre benachbarten Mutterländer und träumen mehrheitlich immer noch von einer Vereinigung mit jenen Staaten. Die muslimischen Bosniaken haben bekanntlich kein externes Mutterland und für sie bliebe dann ein wohl schwerlich überlebensfähiger Rumpfstaat Bosnien übrig.

Altes Kriegsgerät vor dem Café Tito

Bei der Betrachtung der gegenwärtigen Situation wurden in mir Erinnerungen an Nordirland wach. Die Waffen schweigen zum Glück schon viele Jahre, aber man lebt doch lieber nebeneinander, als miteinander und alles wirkt sehr fragil. Egal ob in Srpska, der Federacija BiH und ihren Kantonen oder im Gesamtstaat; bei den Wahlen bekommen die jeweiligen nationalistischen Parteien immer die meisten Stimmen. Es ist überhaupt keine Annäherung zu erkennen. Die Ethnie, respektive die Religion, steht immer im Vordergrund. Alle drei Volksgruppen haben ihre eigenen Lehrpläne im Schulwesen und alle offiziellen Dokumente sind dreisprachig, obwohl eigentlich alle die gleiche Sprache sprechen. Denn Bosnisch, Kroatisch und Serbisch unterscheiden sich nur marginal. Im Prinzip stehen da drei zu 99,9 % gleiche Texte, wovon allerdings zwei in lateinischen und einer in kyrillischen Lettern abgedruckt ist (obwohl jeder Serbe auch das lateinische Alphabet lesen kann).

Das Parlamentsgebäude des Gesamtstaats

Außerdem sind die wichtigsten politischen Ämter des Gesamtstaats dreifach besetzt oder wechseln nach strenger Reihenfolge, damit jedes der drei konstitutiven Völker sich ausreichend repräsentiert fühlt (eine Regelung die nebenbei die Rechte aller anderen Minderheiten wie z. B. Roma, Albaner und Juden einschränkt). Jede Volksgruppe hat bei Fragen des Gesamtstaates ein Vetorecht, aber über allen und allem steht immer noch der Hohe Repräsentant der Vereinten Nationen für Bosnien und Herzegowina (seit 2009 ist dies der österreichische Diplomat Valentin Inzko). Der UN-Repräsentant überwacht zusammen mit einer NATO/EU-Militärmission (zur Zeit ca. 630 Soldaten aus 18 Staaten) die Umsetzung des Dayton-Abkommens und hat das oberste Vetorecht, so dass wir immer noch nicht von einem souveränen Staat sprechen können.

Die Miljacka teilt das Zentrum Sarajevos

Doch nicht nur das komplizierte Staatswesen und die ethnischen Spannungen sind die Problemzonen des Landes. Auch die wirtschaftliche Situation ist sehr schlecht. Der Krieg zerstörte rund ein Drittel des hiesigen Wohnraums und die meisten Industrieanlagen. Der Wiederaufbau wurde somit zur Mammutaufgabe der vergangenen zwei Jahrzehnte. Die Arbeitslosigkeit liegt bei gigantischen 40 %, was traurige Spitze in Europa sein dürfte. Zwar geht man von letztlich nur 25 bis 30 % tatsächlicher Erwerbslosigkeit aus (die Schattenwirtschaft ist beachtlich), aber dennoch ist das eine erschreckende Kennzahl (zum Vergleich: Serbien hat aktuell eine Quote von 14,3 % und Kroatien von 7,6 %). Dazu blühen Korruption und Nepotismus. In Kombination mit den vorgenannten Faktoren schreckt das viele ausländische Investoren ab. Im aktuellen Doing Business Report 2019 der Weltbank rangiert Bosnien und Herzegowina auf Rang 89 (kein europäischer Staat ist schlechter bewertet). Die schlechten Perspektiven sorgen außerdem dafür, dass junge Akademiker und Facharbeiter das Land in Scharen verlassen. Alles in allem weist Bosnien und Herzegowina die meisten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Indikatoren eines Failed State auf.

Sonntags in der Altstadt

An diesem Sonntagnachmittag in Sarajevo kam es mir allerdings nicht vor, als spazierte ich durch die Hauptstadt eines Failed State. Die Stadt, die wirklich wunderschön ist, hat sich zumindest im Zentrum wieder mächtig herausgeputzt. Der langsam wieder wachsende Tourismus kann eine Chance für diese Stadt und vielleicht das ganze Land sein (rund eine Viertelmillion Touristen verzeichnet Sarajevo p. a., Tendenz steigend). Viele erkennbare Touristen begegneten uns zwar in der Nebensaison nicht, aber dennoch herrschte reges Treiben in der orientalisch anmutenden Altstadt. Die Cafés im Schatten der Moscheen waren so gut besucht, dass wir den ganzen Nachmittag vergeblich Ausschau nach einem freien Außenplatz hielten. Immerhin hatte es mittags mit einem Tisch beim besten Hackröllchengrillmeister der Altstadt geklappt. Sarajevo zu besuchen ohne Sarajevski cevapi zu verzehren, war für mich selbstredend unvorstellbar.

Cevapi

In der Ćevabdžinica Željo 2 sollen sie laut Bosnien-Veteran Abto am besten schmecken und sie waren wirklich köstlich. Für 5 Mark (2,50 €) gab es 10 Fleischröllchen mit Brot, Zwiebeln und Kajmak (5 St. hätten übrigens 3 und 15 St. 7 Mark gekostet). Ob sie hier wirklich besser als in der Ćevabdžinica Željo 1 schmecken, werde ich aber irgendwann nochmal prüfen. Die hiesige Währung KM (Konvertible Mark) wurde übrigens 1998 eingeführt und 1:1 an die Deutsche Mark gekoppelt. Jetzt gibt es dementsprechend einen festen Wechselkurs zum Euro, so dass 1 Mark bzw. 100 Pfeniga den Gegenwert von 0,51 € haben.

Sebilj

Vor und nach dem Mittagessen spazierten wir durch Baščaršija. Der orientalische Charme dieses Basarviertels hat es mir dabei sehr angetan. Sehenswürdigkeiten sind u. a. die Moscheen und Medresen, der osmanische Uhrturm, der Brunnen Sebilj und die alten Badehäuser. Das orientalische Flair wird von vielen Cafés und Teestuben und den Geschäften, die Teppiche und Kunsthandwerk anbieten, ebenso genährt. Eine Frage, die sich hier unweigerlich stellt, ist natürlich: Wann und warum hat sich der Islam hier verbreitet und wie ist es seinen Anhängern über die Jahrhunderte in dieser Region ergangen?

Osmanischer Uhrturm

Der Balkan gehörte ab dem Spätmittelalter zum Einflussgebiet des Osmanischen Reichs. Lange zuvor, um das Jahr 600, drangen slawische Stämme in die Region vor und nachdem Bosnien zunächst zu wechselnden Fürstentümern oder Königreichen gehörte (u. a. zu Kroatien, Serbien und Ungarn), wurde es im 14.Jahrhundert zu einem eigenen Königreich. Im 15.Jahrhundert eroberten die Osmanen Bosnien und brachten damit den Islam dauerhaft in die Region. Davor hatten die Bosnier eine eigene christliche Glaubensrichtung, die sich weder dem Katholizismus, noch dem orthodoxen Christentum zuordnen ließ. Möglicherweise begünstigte diese Sonderform nun die Konversion zum Islam.

Gazi-Husrev-Beg-Moschee

Während die ebenfalls im 15.Jahrhundert unter osmanische Herrschaft gefallenen Serben kaum von ihrem Glauben abfielen, schien der bosnische Adel interessiert daran seine Privilegien zu bewahren. Nur durch Konversion zum Islam konnte man hohe Ämter bekleiden und Teil der Aristokratie des Osmanischen Reiches werden. Knapp die Hälfte der slawischen Bevölkerung Bosniens konvertierte, während etwas über 50 % Christen blieben und entweder der serbisch-orthodoxen oder der katholischen Kirche angehörten. Die bosnische Kirche starb dagegen aus. Viele konvertierte Bosnier machten nun Karriere am Hofe oder im Militär des Sultans. Die Stadt Sarajevo, vorher ziemlich unbedeutend, erlebte ihre erste Blütezeit und das Viertel Baščaršija zeugt eindrucksvoll von dieser Epoche.

Brunnen vor der Gazi-Husrev-Beg-Moschee

Trotz der ungefähren quantitativen Parität zwischen Christen und Muslimen, dominierten die Muslime als privilegierte Bevölkerungsgruppe die nächsten vier Jahrhunderte die Politik und Kultur des Landes nahezu vollständig. Spätestens im 19.Jahrhundert schien das alte System jedoch zu bröckeln. Das Osmanische Reich war innen- und außenpolitisch von Krisen geplagt und die orthodoxen (serbischen) Kleinbauern begehrten mehrmals gegen ihre muslimischen Grundgrundbesitzer auf. 1875 weitete sich schließlich ein Aufstand von Kroaten und Serben in Bosnien und der Herzegowina zum Serbisch-Osmanischen Krieg aus. Serbien und Montenegro erklärten dem Osmanischen Reich am 30.Juni 1876 den Krieg und bekamen Unterstützung vom Russischen Zarenreich.

Eine Gassen mit Kupferschmieden

Diese kriegerische Auseinandersetzung weitete sich zu einem Flächenbrand auf der Balkanhalbinsel aus und führte als so genannte Balkankrise zum Berliner Kongress im Jahre 1878. Die europäischen Großmächte versuchten hierbei einen Ausgleich zwischen den Interessen des Russischen Zarenreiches, Österreich-Ungarns und des Osmanischen Reichs auf dem Balkan zu finden. Im Ergebnis wurde einiges neu geordnet und Bosnien und die Herzegowina fielen an Österreich-Ungarn. Jedoch wurden die k.u.k.-Truppen nicht kampflos als neue Machthaber akzeptiert. Besonders die muslimische Ober- und Mittelschicht Bosniens griff zu den Waffen. Ebenso die bosnischen Serben, die einen Anschluss an Serbien erzwingen wollten.

Spaziergang durch Baščaršija

Zwar konnte die k.u.k.-Armee einen dreimonatigen Okkupationsfeldzug am 20.Oktober 1878 erfolgreich abschließen, dennoch blieb die neue Provinz, die zunächst de jure weiterhin Teil des Osmanischen Reichs war, ein permanenter Unruheherd. Nichtsdestotrotz entwickelten die neuen Herren Bosnien und Herzegowina in den nächsten Jahrzehnten wirtschaftlich und infrastrukturell enorm weiter (Spötter würden sagen, dass in Bosnien und der Herzegowina jetzt endlich die Neuzeit Einzug hielt). Als Österreich-Ungarn 1908 die Provinz allerdings endgültig annektierte, war das die Initialzündung der nächsten großen Balkankrise. Russland und Serbien waren brüskiert von diesem Handeln und der Erste Weltkrieg hätte beinahe schon 1908 begonnen.

Die Lateinerbrücke

Zynisch kann man sagen: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Denn 1914 kam es nahe der Latinska ćuprija (Lateinerbrücke) in Sarajevo zum Attentat auf den österreichischen Thronfolger und Erzherzog Franz Ferdinand. Täter war der bosnische Serbe Gavrilo Princip, welcher der serbisch-nationalistischen Bewegung Mlada Bosna (Junges Bosnien) angehörte. Geplant wurde dieser politische Mord allerdings nicht von Princip als Einzeltäter oder Mlada Bosna als Gruppe, sondern von einem Geheimbund serbischer Offiziere namens Ujedinjenje ili Smrt (Vereinigung oder Tod), dessen Name auch zugleich die Zielsetzung war (Serbien und Bosnien sollten zu Großserbien vereint werden). Diese Gruppe, die im deutschsprachigen Raum eher als Schwarze Hand bekannt ist, gewann Gavrilo Princip und weitere junge Aktivisten als Durchführerende ihres Mordkomplotts auf bosnischem Boden.

Das Siegel von Ujedinjenje ili Smrt

Der mörderische Anschlag (der Erzherzog und seine Gattin erlagen ihren Verletzungen) löste die so genannte Julikrise aus und Österreich-Ungarn setzte sich zum Ziel Serbien den Krieg zu erklären, wenngleich Verbindungen des Staates Serbien mit den Verschwörern nicht belegbar waren. Die Ausgangssituation war nun ähnlich wie 1908 und ein Angriff auf Serbien würde ein Eingreifen Russlands als Serbiens Schutzmacht nach sich ziehen, während Russland sich im Kriegsfall auf seine Verbündeten Frankreich und das Vereinigte Königreich (Großbritannien) stützen konnte. Österreich-Ungarn wurde wiederum vom Deutschen Reich eine bedingslose Unterstützung für den Kriegsfall zugesagt. Da Serbien nun unannehmbare Forderungen von Österreich-Ungarn gestellt wurden und anscheinend mehr Parteien der europäischen Bündnissysteme an Krieg, denn an Frieden interessiert waren (oder den Frieden zumindest leichtfertig auf’s Spiel setzten), war die Katastrophe diesmal nicht mehr diplomatisch abzuwenden. Am 28.Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg und die Bündnisfälle traten ein.

Das ehemalige Rathaus aus der k.u.k.-Zeit (1894)

Der vier Jahre andauernde Weltkrieg veränderte Europas Landkarte nachhaltig und ein Teil der Nachkriegsordnung war die Schaffung eines Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen. Die beiden letztgenannten Völker betrachteten diesen erstmaligen gemeinsamen Staat mit den Serben als das kleinere Übel gegenüber einer drohenden italienischen Annexion. Nichtsdestotrotz fremdelten die katholischen und von der Habsburgermonarchie sozialisierten Kroaten und Slowenen von Anfang an mit den Serben. Bosnien und die Herzegowina wurden Bestandteil dieser südslawischen Monarchie und befanden sich nicht nur geographisch zwischen Zagreb und Belgrad. Bezogen auf den Gesamtstaat waren die Muslime nur eine kleine Minderheit und wurden von den beiden großen Volksgruppen entweder als Serben muslimischen Glaubens oder als Kroaten muslimischen Glaubens betrachtet.

Sarajevos Markthalle (ebenfalls von 1894)

Der Zweite Weltkrieg ließ schließlich alle schwelenden Konflikte des Balkans eskalieren. Deutschland und Italien besetzten die Region und lösten das Königreich auf. Die Kroaten bekamen einen eigenen faschistischen Staat, dem auch Bosnien und die Herzegowina zugeschlagen wurden. Serbien wurde ebenfalls zu einem Satellitenstaat der Achsenmächte und bekam eine Kollaborationsregierung installiert. Auf dem kroatischen Gebiet begannen die Kroaten nun einen Völkermord an den dort lebenden Serben. Widerstand gegen die Kroaten und die Achsenmächte gab es von den serbischen königstreuen Tschetniks und den kommunistischen Partisanen unter Tito. Beide Widerstandsgruppen bekriegten sich jedoch auch untereinander. Es kam in den Kriegsjahren nun zu ständig wechselnden Konstellationen, wobei auch die Tschetniks oder die Partisanen gelegentlich mit den Nazis kollaborierten, um die andere Widerstandspartei zu schwächen. Der Balkan war der wohl unübersichtlichste Schauplatz des Zweiten Weltkriegs.

Nochmal altes Kriegsgerät vor dem Café Tito

Weiterhin zwischen Stühlen befanden sich die bosnischen Muslime. Nur wenige kämpften für die kroatischen Faschisten (in den Ustaša-Milizen) oder die Tschetniks, da beide Lager den Bosniaken keinen eigenen Staat einräumen wollten. Die politischen und religiösen Führer der Bosniaken suchten nun die Nähe zum deutschen Besatzer und dienten sich den Nazis als Verbündeter an. In einem Memorandum an Hitler im November 1942 arbeiteten sie eine vermeintliche ideologische Verwandschaft zwischen Islam und Nationalsozialismus heraus. Trotz der Vorbehalte des kroatischen Ustaša-Regimes, kamen die Nazis den Bosniaken nun politisch entgegen und erhielten 1943 im Gegenzug über 20.000 muslimische Freiwillige für ihre Waffen-SS. Daraus wurde die 13. Waffen-SS-Gebirgs-Division Handschar gebildet (der Handschar ist ein arabischer Krummsäbel), die fortan auf Balkan brutal gegen kommunistische Partisanen und serbische Tschetniks vorging.

Tito-Statue (in Belgrad)

Doch die vierte Partei neben Ustaša, Tschetniks und Nazis bekam ebenfalls muslimischen Zulauf. Titos Partisanen hatten in Bosniens Bergen ihr ideales Rückzugsgebiet gefunden und rekrutierten dort auch unter der vorwiegend muslimischen Bevölkerung zahlreiche Kämpfer. Am Ende des blutigen Krieges, der über eine Million Todesopfer in den jugoslawischen Völkern forderte, standen die Partisanen auf der Siegerseite und Tito konnte die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien in den Grenzen des Vorkriegskönigreiches Jugoslawien gründen. Dabei wurde Bosnien-Herzegowina eine der sechs Teilrepubliken. Wie schon erwähnt, die ethnisch heterogenste Teilrepublik Jugoslawiens. Wobei die Muslime Bosniens zunächst nicht als Volksgruppe galten, sondern als noch zwischen kroatischer und serbischer Nation unentschiedene Staatsbürger geführt wurden.

In friedlicheren Zeiten fanden 1984 Olympische Winterspiele in Sarajevo statt

Das Ende Jugoslawiens und den Bosnienkrieg wiederholen wir an dieser Stelle natürlich nicht wieder, jedoch gehe ich nochmal kurz auf die gegenwärtige Rolle des Islams in Bosnien und Herzegowina ein. Der Bosnienkrieg hat zur erwähnten religiösen Renaissance bei den Muslimen geführt. Denn zum Einen wurden die weitgehend verweltlichten Bosniaken von ihren Gegnern auf ihren Glauben reduziert und zum Anderen hat die Religion in Zeiten der Not meistens Konjunktur. Dazu war die Solidarität und die materielle Unterstützung aus der islamischen Welt am größten. Vom christlichen Abendland fühlte man sich dagegen im Stich gelassen. „Solange wir beim Vergraben der Leichen nicht auf Öl stoßen, wird die westliche Welt hier nicht eingreifen“, habe ich mal irgendwo so oder so ähnlich als Zitat gelesen.

Eine Medrese (Koranschule) in Sarajevo

Auch wenn die USA und ihre NATO-Partner am Ende doch ihren Beitrag zum Kriegsende leisteten und Bosnien und Herzegowina bis heute gewissermaßen ein Protektorat der NATO/EU ist, hat sich die neue Nähe der Bosniaken zu ihren Glaubensbrüdern in der islamanischen Welt verfestigt. Da es den Bosniaken, im Gegensatz zu den bosnischen Kroaten und bosnischen Serben, an einem schützenden und unterstützenden Mutterland fehlte, drängte sich vor allem die Türkei für diese Rolle auf. Alija Izetbegović und Recep Tayyip Erdoğan wurden befreundete Partner und die gemeinsame Geschichte der Völker schweißt zusammen. Dazu kommt, dass in der Türkei geschätzt eine halbe Million Menschen bosnische Wurzeln hat (viele bosnische Muslime waren nach der Okkupation durch Österreich-Ungarn ab 1878 dorthin ausgewandert).

Die Kaisermoschee

Besonders radikal in ihrer Islamauslegung sind natürlich die ausländischen Mudschaheddin, von denen nach Kriegsende viele in Bosnien geblieben sind und Familien gründeten. In den Bergen Bosniens gibt es ganze Wahabiten-Dörfer. Von dort, aber nicht nur von dort, haben sich geschätzt 250 Bosniaken dem so genannten Islamischen Staat in Syrien und dem Irak angeschlossen. Aber um das mal einzuordnen; sowohl in absoluten Zahlen, als auch in Relation zum islamischen Bevölkerungsanteil haben sich mehr Menschen aus Deutschland, Frankreich oder Belgien dem IS angeschlossen, als aus Bosnien und Herzegowina. In Sarajevo leben, durch die ethnischen Säuberungen des Krieges bedingt, mittlerweile 80 % Muslime (vor dem Krieg waren es knapp 50 %), doch insgesamt wirken die Menschen im Stadtzentrum zumindest oberflächlich nicht sonderlich religiös. Hier und da eine vollverschleierte Frau oder ein bärtiger Mann mit Takke (Gebetskappe), aber in westdeutschen Großstädten sieht man sicher nicht weniger solcher Menschen. Wie es in den Plattenbausiedlungen in Sarajevos Peripherie aussieht, vermag ich aber nicht zu beurteilen. Auch hier sollen radikale Prediger erfolgreich für den IS rekrutiert haben.

Bier: Nicht überall in Sarajevo verfügbar

Neben der Türkei, haben sich auch die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, im Krieg und danach für die Bosniaken eingesetzt. Sie bauten viele neue Moscheen (auch Sarajevos größte Moschee) und entsendeten wahabitische Imane zur Verbreitung ihrer Islamauffassung. Ebenso haben die Saudis weltliche Bauwerke wie eine Shopping Mall in Sarajevo gebaut. Während in der Gastronomie der Altstadt hauptsächlich aus Tradition (und aus Rücksicht vor Touristen aus der islamischen Welt) kein Alkohol ausgeschenkt wird, ist Alkohol in der saudischen Mall per se verboten. Dafür, dass Bosnien nun aber der europäische Brückenkopf für den radikalen Islam wird oder bereits ist, wie es auch schon in den deutschen Medien Thema war, sind das aber sicher keine belastbaren Indikatoren. Auch in Bosnien und Herzegowina müssen wir anscheinend nur von einer radikalen Minderheit sprechen. Die Frage wird wohl letzten Endes sein, wer der muslimischen Bevölkerung die attraktivere Perspektive bietet. Poltischer bis radikaler Islam aus der Türkei und den Golfstaaten oder die Verheißungen des säkularen Westens.

Saudisch finanzierte Shopping Mall

Nach unseren Erkundungen des Stadtzentrums, zog es uns anschließend in die Berge. Unweit von Lateinerbrücke und Altem Rathaus verbindet seit April 2018 wieder eine Seilbahn das Tal mit dem Vidikovac (auf 1.164 Höhenmetern ein Vorgipfel des 1.629 Meter hohen Trebević). Als Sarajevo 1984 die Olymischen Winterspiele ausrichten durfte, fanden an den Hängen des Trebević viele Wettkämpfe statt, u. a. ist hier noch die Bobbahn zu finden. Die ursprüngliche Seilbahn war von 1959, wurde aber leider im Bosnienkrieg zerstört. Der Seilbahn-Arbeiter Ramo Biber war hier übrigens am 2.März 1992 das erste offizielle Todesopfer der Schlacht um Sarajevo. Die Bergstation der neuen Seilbahn ist heute nach ihm benannt und eine Gedenktafel weist auf sein Schicksal hin.

Trebević-Seilbahn auf den Vidikovac

Der Wiederaufbau des Wahrzeichens hat natürlich einen hohen Symbolwert für die Bewohner Sarajevos und zugleich bringt er ihnen die Berge als Ausflugsziel wieder näher und hilft möglicherweise auch den Wintersporttourismus anzukurbeln. Schnee lag hier Anfang März passenderweise noch einiger. Wir spazierten ein wenig durch die Winterlandschaft und genossen den Ausblick über die Stadt und den Anblick der bosnischen Berge. Am späten Nachmittag traten wir die Rückfahrt an und orientierten uns langsam Richtung Stadion Grbavica, wo um 18 Uhr der FK Željezničar Sarajevo den FK Mladost Doboj Kakanj empfangen sollte. Fußball musste schließlich auch sein!

Spaziergang an den Hängen des Trebevic

Von der Altstadt ging es nun die bereits erwähnte Sniper Alley entlang zum Stadtteil Grbavica. Wir passierten dabei das ehemalige Hotel Holiday Inn, die saudische Shopping Mall, das Parlamentsgebäude und die eindrucksvoll große US-Botschaft. Auf dem Weg fanden wir zahlreiche so genannte Sarajevske ruže (Rosen von Sarajevo). Die Bewohner der Stadt haben die ganzen Granatkrater aus der Belagerungszeit mit rotem Harz markiert, um an den Krieg und seine Opfer zu erinnern.

Eine der „Rosen“ von Sarajevo

Nach einer Bierpause auf halber Strecke, im Jugoslawien-Nostalgie versprühenden Café Tito, überquerten wir die Miljacka und befanden uns im Heimatviertel des Fußballclubs Željezničar (Kurz- und Koseform: Željo). In Grbavica herrscht architektonisch eindeutig Plattenbauromantik. Allerdings unterscheidet sich das Erscheinungsbild doch deutlich von anderen bisher besuchten Ostblocksiedlungen dieser Art. Denn die Häuser weisen immer noch unzählige Einschusslöcher auf. Sah nicht so aus, als wäre der Krieg schon ein Vierteljahrhundert her.

Fußballgraffitis in Grbavica

Grbavica war im Bosnienkrieg zwischen Serben und Muslimen hart umkämpft und ist heute fast nur noch von Bosniaken bewohnt. Vor dem Krieg war die Bevölkerung ethnisch heterogener und auch der hier 1921 gegründete Fußballverein Željezničar war als Eisenbahnerclub multiethnisch orientiert, während der große Stadtrivale FK Sarajevo schon immer etwas mehr die Muslime anzog. Die Rivalität der Fanszenen ist groß (wird aber bemerkenswerterweise relativ gewaltfrei ausgelebt) und die Graffiti in Grbavica ließen keinen Zweifel daran, dass in diesem Viertel nur ein Club und dessen Fanszene regiert.

Stadion Grbavica

Das Stadion des jugoslawischen Meisters von 1971 und UEFA-Pokal-Halbfinalisten von 1985 (in Summe musste man sich Videoton FC 3:4 geschlagen geben und verpasste somit das Finale gegen Real Madrid) fasst zur Zeit 16.100 Zuschauer und erhielt jüngst eine Teilrenovierung. Die von uns als Standort erwählte Osttribüne (10 KM Eintritt) wurde in den letzten Jahren neugebaut und weist nun 4.650 Sitzschalen und ein elektronisches Einlasssystem auf. Dank der Modernisierungen, die allein durch Fanspenden und private Sponsoren finanziert wurden, finden seit 2017 auch Länderspiele im Stadion Grbavica statt.

Eine Lokomotive auf dem Stadiongelände

Ein paar neuerliche Europapokalspiele stünden dem Stadion sicher auch gut. Nur davon ist der Rekordmeister des jungen Staates (sechs Meisterschaften seit 1998) zur Zeit ein kleines Stückchen entfernt. Man ist nach 20 Spieltagen nur Fünfter und muss am Ende mindestens Dritter sein, um wenigstens an der Qualifikation zur UEFA Europa League teilnehmen zu dürfen (Meister scheint diese Saison ganz souverän der FK Sarajevo zu werden). Ein Sieg im ersten Heimspiel des neuen Jahres wäre also wichtig. Die Fans waren sich dessen auch bewusst und bevölkerten die Ränge zahlreich. 5.000 sollen es offiziell gewesen sein, das Stadion sah allerdings ungefähr halbvoll aus.

Blick zur Nordtribüne

Aus sicherer Quelle wussten wir vorab, dass Željos Szene rund um die 1987 gegründete Gruppe Manijaci (The Maniacs / die Wahnsinnigen) für heute „was am Planen dran war“. Das bewahrheitete sich nun im Stadion, wo eine gute vierstellige Zahl von Supportwilligen die Kurve bevölkerte. Sie hatten rund 50 Schwenkfahnen im Gepäck und richtig Bock heute, so dass sich bereits vor Spielbeginn lautstark eingesungen wurde.

Die Fankurve

Pünktlich zum Anpfiff wurden die lautstarken Gesänge mit Bengalos und Böllern untermalt. Auf einem großen Banner stand an den Gegner adressiert „Južnu stranu kad pogledaš znaj da moraš da se predaš“ geschrieben (sinngemäß übersetzt: Im Angesicht dieser Südkurve gibst du besser gleich auf). Kein schlechter Auftakt und nach bereits 10 Minuten folgte die erste konzentrierte Pyroaktion mit etlichen roten Leuchtfeuern.

Lodernde Leidenschaft in der 10.Minute

Auf dem Rasen mussten die Blau-Weißen jedoch zunächst einen Dämpfer hinnehmen. Trotz optischem Übergewicht der Heimelf, gelang den Gästen das erste Tor des Tages. In der 29.Minute war Gedeon Guzina für den FK Mladost erfolgreich. Der Unterstützung tat das allerdings keinen Abbruch. Es gab weiterhin viel Bewegung in der Kurve, sowie Abwechslung und ordentlich Dezibel beim Liedgut. Teilweise wurde z. B. der Block mittig geteilt, um im Kanon zu singen und zu hüpfen. Fackeln gab es auch alle paar Minuten. Da war nur noch wenig Luft nach oben, befand die Schneppe-Tours-Kommission für Fußballfankultur. Nichtsdestotrotz ging es mit 0:1 in die Pause.

Blick zur kleinen Haupttribüne

Als Intro zur 2.Halbzeit bot die Kurve eine Schalparade und eine kleine Blockfahne mit dem Wappen der Bosniaken. Als alles an seiner richtigen Stelle war, inklusive textlastigem Banner vor’m Block, wurde die Aktion mit etlichen Blinkbengalos untermalt. Auf dem Banner war die 1.Strophe des Liedes „Da sam ptica“ zu lesen (die Strophe sinngemäß übersetzt: Wär‘ ich ein Vogel, so hätt‘ ich Flügel und mit diesen Flügeln würd‘ ich über Bosnien fliegen und die Schönheit Bosniens bestaunen). In diesem von Nationalismus zerfressenen Land eine ziemlich harmlose Aktion zum Nationalfeiertag. Nichts Martialisches oder richtig Provokatives, sondern Textzeilen eines alten jugoslawischen Schlagers, der unverfänglich die Schönheit Bosniens besingt und deshalb ein bißchen zur inoffiziellen Hymne der Bosniaken geworden ist. Man hätte schließlich auch Kriegsverbrecher als Helden feiern oder ein ethnisch reines Bosnien propagieren können… (nur so als Beispiel)

Intro 2.Halbzeit

Sportlich lief der zweite Durchgang zur Freude der Fans erfolgreicher. Gegen den 2015 erstmals in die Premijer Liga aufgestiegenen Provinzclub (Gästefans gab es natürlich keine) wurde in der in der 57.Minute ausgeglichen. Mittelfeldspieler Mladen Veselinović brachte die Kurve zum Lodern und nach diesem Kopfballtor wurde sogar in unserer Nachbarschaft auf der Gegengerade gezündet. Schon geil; da sitzt jemand quasi allein, fiebert fleißig mit und beim Tor seiner Mannschaft springt er auf, holt seine Fackel aus der Jackentasche und entzündet sein Freudenfeuer. Das ist Fußball!

Pyro auf der Gegengerade

Nach dem Ausgleich blieb der FK Željezničar am Drücker und schon in der 69.Minute sorgte der kurz zuvor eingewechselte Ermin Zec für das 2:1. Die Eisenbahner waren nun für die Schlußphase euphorisiert und ließen nichts mehr anbrennen. Es gab sogar noch zahlreiche Gelegenheiten die Führung auszubauen, nur wurden die alle liegen gelassen. Dennoch stand am Ende ein wichtiger Heimsieg, der Željo einen Platz in der Tabelle klettern lässt. Weil der Kroatenclub NK Široki Brijeg dieses Wochenende patzte, ist es sogar nur noch ein Punkt Rückstand auf den ersehnten 3.Rang.

Immer mal Pyro

Nach dem Spiel schnappten wir uns eine Straßenbahn ins Stadtzentrum und kehrten, unweit von Lateinerbrücke und Kaisermoschee, in die Brauereigaststätte Sarajevska Pivara ein. Äußeres und Inneres der Brauerei (und ihres Restaurants) versprühten den Charme des ausgehenden 19.Jahrhunderts. Die Donaumonarchie hat schon ein paar schöne Bauwerke nach Sarajevo gebracht. Nur das Bierbrauen haben sie den Bosniern wohl unzureichend beigebracht. Das Sarajevsko Pivo schmeckte nicht wirklich (wahrscheinlich dürfen sie deshalb auch Oettinger in Lizenz brauen).

Sarajevska Pivara

Dafür war das Essen ganz gut. Am letzten Abend der Reise wollten wir es uns nochmal gut gehen lassen und es mussten drei Gänge her. Erst gab es Sucuk und Brot zum Einstieg und danach einen ordentlichen Fleischspieß. Das Sarajevski mač (Schwert von Sarajevo) feierte die Vielfalt der Tierwelt an einem Spieß aufgereiht (die armen Schweine wurden allerdings erwartungsgemäß ausgegrenzt) und wir feierten mit. Zum krönenden Abschluss hatte uns das osmanische Erbe noch die Zuckerschocker Hurmašica und Tulumba hinterlassen und alle waren satt und glücklich.

Das Schwert von Sarajevo

Nach dem Abendmahl, für das jeder rund 30 KM auf den Tisch legen musste, machten wir noch einen netten Nachtspaziergang durch Baščaršija und die banachbarte Neustadt aus der k.u.k.-Epoche (wo die Markthalle und die katholische, ebenso wie die christlich-orthodoxe Kathedrale zu finden sind). Sarajevos Innenstadt machte auch bei Dunkelheit eine gute Figur. Weil das Nachtleben dort allerdings nicht gerade pulsiert, kamen wir gar nicht erst in Versuchung die Schlafphase zu verkürzen und lagen gegen Mitternacht im Bett.

Hurmašica und Tulumba

Am nächsten Morgen konnten wir bis 8:00 Uhr schlafen und nach der Körperpflege ließen wir uns für ein paar Mark zum Flughafen chauffieren. Wir hatten den gleichen Anbieter wie für den Belgrad-Sarajevo-Transfer gebucht, aber leider gab es kein Widersehen mit dem Sekundenschläfer und seiner Schrottkarre. Stattdessen empfing uns ein anderer Typ mit gepflegtem SUV. Allerdings mussten wir ihn nochmal warten lassen, weil die Rezeptionistin einen Zahlendreher bei der Belastung der Kreditkarte hatte. Aus 237 KM wurden plötzlich 273 KM.

Nachts in Baščaršija

Das war schnell geklärt und Zeit, um beim Bäcker nebenan Burek zum Frühstück zu kaufen, war auch noch. Alles „Nema problema“! Wir waren trotzdem fast zwei Stunden vor Abflug am geschichtsträchtigen Flughafen von Sarajevo (Stichwort Belagerung, wir erinnern uns), der leider mangelhaft an Deutschland angebunden ist. Daher hatten wir eine Verbindung via Budapest nach Frankfurt (FRA) gebucht. Beide Flüge mit der ungarischen WizzAir und beide zusammen mit Priority Boarding und großem Handgepäckstück für 65 € p. P. (bei denen ist im Basic-Tarif nämlich nur ein kleines Täschen inklusive).

Burek for Breakfast

Pünktlich um 11:15 Uhr verloren wir schließlich den Boden unter den Füßen und schon eine Stunde später waren wir in Budapest. Unser über zweistündiges Polster bis zum Weiterflug wurde noch verklönt und ständig darauf gehofft, dass einem Thomas Doll im Trainingsanzug von Ferencváros über den Weg läuft. Nicht, dass ich ihm groß Vorwürfe für den besiegelten Abstieg von 96 machen will, aber schneller hat sich wohl in Hannover auch noch kein Trainer abgenutzt. Okay, Thomas Schaaf und Thomas Doll könnten ihren Tempomat identisch eingestellt haben. Allerdings ist es ziemlich schäbig, was Doll mittlerweile für eine rhetorische Distanz zur Mannschaft aufgebaut hat und in Sachen Außendarstellung ist der Typ für 96 beinahe ähnlich schrecklich wie Martin Kind.

Kraftwerk Staudinger bei Hanau am Main

Für den zweiten Flug des Tages hatte WizzAir dann noch 45 Minuten Verspätung parat. Aber kein Grund zur Aufregung, denn unser gebuchter ICE fiel eh aufgrund von Sturmchaos aus und wir mussten ’ne Stunde später fahren. Auf der letzten Etappe einer fantastischen Reise entdeckten wir schließlich noch, dass Arte gerade eine Serie über die Metropolen des Balkans ausstrahlt und Sarajevo und Belgrad dabei natürlich nicht fehlen durften (LINK, noch bis 02.04.2019 abrufbar). Hach, der Balkan… Er wird mich schon bald wiedersehen.

Song of the Tour: Ja, ich habe natürlich auch eine bosnische Lieblingsband.