Southampton 12/2018

  • 30.12.2018
  • Southampton FC – Manchester City 1:3
  • Premier League (I)
  • St Mary’s Stadium (Att: 31.381)

Teil 2 der Englandreise zum Jahreswechsel führte Ole, Max und mich nach Southampton. Schirm und Schlenn dagegen lebten an diesem Tag ihren ganz persönlichen Kuttentraum und besuchten das Halbfinale der PDC Darts World Championship im Londoner Alexandra Palace. Der Spaß war ihnen 150 £ je Ticket auf dem Zweitmarkt im Internet wert. Wenn Karneval auf Oktoberfest trifft, mussten sie einfach dabei sein. Koste es, was es wolle!

Schirm & Schlenn, die Dartsportkutten

Dann lieber für 27.65 £ pro Person mit dem InterCity nach Southampton, dachte sich der Rest. Dazu wurden im Vorverkauf Tickets à 40 £ für das Gastspiel von Manchester City beim Southampton FC erworben. Dass es am Vorabend extrem am Glas eskalieren würde, war dagegen nicht einkalkuliert. Sonst hätten wir einen späteren Zug als den um 8:30 Uhr ab Waterloo gebucht.

Eine ManCity-Kutte (von Schirm und Schlenn bei der Geburt getrennt?)

Am Bahnsteig schaute übrigens jemand skeptisch zu uns rüber und sprach plötzlich folgende Sätze: „Nee, oder? Ole? Was machen Sie denn hier?“ War das doch tatsächlich Oles ehemaliger Berufsschullehrer, der seit Jahren wie unsereins seine Reisen rund um die Welt mit Fußball kombiniert. Besagte Welt ist und bleibt ein Dorf.

London Waterloo

In Southampton widmeten wir uns, wie es bei Schneppe Tours gute Sitte ist, zunächst den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Ehrlich gesagt waren Pubs und Biere auch noch keine Option. Also sind wir erstmal vom Bahnhof Southampton Central zur Altstadt spaziert.

Ruine der Holyrood Church (1940 ausgebombt)

Unser heutiges Ausflugsziel kann auf eine reiche Geschichte zurückblicken, denn die Stadt wurde bereits 70 n. Chr. von den Römern als Clausentum gegründet. Sie liegt an einer Ria des Ärmelkanals, dem Southampton Water, und bot sich somit ideal zur Errichtung einer Hafenstadt an. Im Mittelalter blühte der Handelshafen von Southampton auf und verlor erst in der Neuzeit seine Stellung als wichtigster Hafen des Landes an Liverpool (u. a. weil Liverpool zum Drehkreuz des Sklavenhandels im Empire wurde). Doch als sich ab Mitte des 19.Jahrhundert große Reedereien in Southampton ansiedelten, gab es eine zweite Blüte für die Stadt. Unter anderem verlegte die White Star Line 1907 ihre Zentrale von Liverpool nach Southampton, so dass die Titanic ihre schicksalhafte Fahrt 1912 in Southampton startete.

The Titanic Pub

Uns interessierten zunächst allerdings die mittelalterlichen Spuren Southamptons. So empfing uns die Old Town mit den Western Walls, gut erhaltene Resten der Stadtmauer. Wobei Reste untertrieben klingt, immerhin sind rund 50 % der mittelalterlichen Befestigung stehen noch. Inklusive 13 Türmen und 6 Stadttoren. Diese Mauer bzw. ihren massiven Ausbau gab King Edward III of England 1339 in Auftrag, nachdem 1338 Franzosen und Genueser zusammen die Stadt geplündert hatten. Übrigens unter Führung eines gewissen Charles Grimaldi aus der genueser Kolonie Monaco. Raubgut aus Southampton soll den Grundstock des Vermögens gebildet haben, mit dem die Grimaldis sich von Genua unabhängig gemacht haben.

The Bargate

Wir betraten die Old Town nun durch das hervorragend erhaltene Bargate, welches bereits zur ersten Stadtbefestigung der Normannen aus dem 12.Jahrhundert gehörte. Dahinter erwartete uns allerdings mitnichten eine schnuckelige Altstadt mit geschlossener Bebauung aus dem Mittelalter, sondern ein Mix aus den Jahrhunderten. Bedingt durch die Bombardements im Zweiten Weltkrieg sogar hauptsächlich Nachkriegsbebauung. Inklusive einem grauen Wohnhochhaus, welches den historischen Stadtkern weithin sichtbar überragte.

Medieval Merchant’s House

Nichtsdestotrotz gab es noch genügend historisch wertvolle Gebäude oder wenigstens Reste davon. Beispielsweise die Ruinen der normannischen Handelshäuser Canute’s Palace und King John’s Palace (beide aus dem 12.Jahrhundert) und das sehr gut erhaltene Medieval Merchant’s House aus dem späten 13.Jahrhundert. Das architektonische Highlight der Altstadt ist in meinen Augen allerdings das Tudor House von 1491. Zwischen 2002 und 2011 wurde es zuletzt restauriert und präsentiert sich somit in exzellentem Zustand.

Tudor House

In einigen alten Gemäuern gab es auch sehr einladend wirkende Pubs, die aber vormittags noch alle geschlossen hatten. Zum Beispiel den Duke of Wellington, Juniper Berry oder The Red Lion. Der Hunger trieb uns daher kurz vor 12 Uhr in den Wetherspoon’s namens The Standing Order. Hier waren auch schon etliche Fans der beiden Teams eingekehrt, die allerdings ganz gesittet frühstückten bzw. zu Mittag aßen. Kein Vergleich zu den sangesfreudigen Schneemännern aus Newcastle am Vortag in Watford.

Rumpsteak zum Lunch

Ich wollte heute mal kein deftiges Frühstück konsumieren, sondern gleich zum nicht minder deftigen Mittagessen greifen. Mir wurde ein 14oz Rumpsteak (angeblich rund 400 gr.) mit diversen Beilagen serviert (u. a. zwei Scheiben Black Pudding für ein Restgefühl von Frühstück). Leider nicht vergoldet wie in Dubai, aber dafür kostete es umgerechnet lediglich 12 € (inklusive einem Pint Guinness). Ich ließ noch etwas Salz über meinen beharrten Unterarm auf das Steak kullern und teilte den Genuss auf Instagram. Passend zum Essen überlegte ich mir schon beim Verzehr derbe Beleidigungen des Stammbaums meiner Hater, sollte ihr Neid sich in der Kommentarspalte entladen. Doch der Shitstorm blieb, anders als bei meinem französischen Kumpel Franck, komischerweise aus.

Juniper Berry

Nach dem Essen hatten mittlerweile weitere Pubs geöffnet, so dass wir nicht im The Standing Order versacken mussten. Wir steuerten nun den gemütlichen Pub Juniper Berry an. Wie erwähnt, ist das Trinklokal in einem alten Fachwerkhaus untergebracht. Wir gönnten uns in Sofas versunken jeder ein Pint weihnachtliches Ale namens Rocking Rudolph. Doch auch dieses Bier vermochte den Schalter nicht umzulegen. Anstatt eine weitere Runde zu ordern, zogen wir 90 Minuten vor Spielbeginn (Anstoßzeit war 14:15 Uhr) wieder von dannen. Wir wollten lieber unsere Sightseeing Tour fortsetzen, da uns doch noch mit ein paar Highlights der Augenkontakt fehlte.

Tudor Merchant’s Hall

Da das Juniper Berry direkt an der westlichen Stadtmauer liegt, spazierten wir diese Richtung Süden entlang und passierten dabei u. a. noch das Westgate mit der Westgate Hall bzw. Tudor Merchant’s Hall aus dem frühen 15.Jahrhundert. Im Spätmittelalter wurde im Erdgeschoss dieser Markthalle mit Fisch und im Obergeschoss Kleidung gehandelt. Das waren sicher sehr wohlriechende Klamotten.

Royal Southern Yacht Club & The Wool House

Vorläufiges Ziel unseres Spaziergangs war der Hafen, in dessen Nähe uns weitere Listed Buildings erwarteten. Beispielsweise das einstige Clubgebäude des Royal Southern Yacht Club. Eine viktorianische Villa (genauer gesagt im Italianate-Stil), die heute das Hauptquartier des Southampton University Air Squadron ist. Im SUAS können Studenten unter der Obhut der Royal Air Force fliegen lernen (Ab Initio Flying Training). Oder The Wool House. Eine einstige Lagerhalle aus dem 14.Jahrhundert, in der Wolle für den Export zwischengelagert wurde. Heute ist das Gebäude die urige Brauereischänke der Dancing Man Brewery.

The Royal Pier

Ebenfalls nett anzusehen sind in der Hafengegend der Royal Pier (mit seinem viktorianischen Pavillon von 1833) und das edwardinische Harbour House von 1925. Letzteres ist die alte Hafenmeisterei von Southampton und heutzutage Heimat eines Casinos mit angeschlossenem Restaurant.

Harbour House

Vorbei an den Ruinen des einstigen Watergate, stießen wir nach unserem Hafenrundgang wieder in die Altstadt vor. Durch deren Ostteil ging es so langsam Richtung Stadion. Dort gab es u. a. noch die Grade I gelistete St Julien’s Church und die Ruinen eines Franziskanerklosters zu begutachten. Arm an Sehenswürdigkeiten war Southampton wirklich nicht. Zumal bei einem längeren Aufenthalt auch Zeit für eines der vielen Museen gewesen wäre. Kunstinteressierte kämen in der Southampton City Art Gallery sicher auf ihre Kosten, Luftfahrtfans im Solent Sky Museum und Freunde der Nautik im SeaCity Museum. Außerdem beherbergt das Tudor House ein Museum zur Stadt- und Alltagsgeschichte der letzten 800 Jahre.

Watergate Tower

Und mit mehr Zeit (und Durst) im Gepäck, würde ich auch die ganzen interessanten Pubs nicht noch einmal links liegen lassen. Plan war nun eigentlich auf dem Weg zum Stadion noch einmal irgendwo auf ein Pre-match Pint einzukehren. Doch zwischen Altstadt und Stadion (rund 2.000 Meter auseinander) fanden wir keinen Pub mehr am Wegesrand. Wir haben uns entweder für die falsche Route entschieden (immer den Fans nach) oder das ist ’ne ganz trockene Gegend.

Duke of Wellington Pub

Daher hielten wir bereits 30 Minuten vor Anpfiff unsere Tickets in der Hand und weil es im Stadion nur Carlsberg aus Plastikflaschen für 5 £ pro Stück gab, wurde es hinter dem Drehkreuz ebenfalls nichts mit dem angepeilten Bierchen. Stattdessen nahmen wir frühzeitig unsere Sitzplätze im 2001 eingeweihten St Mary’s Stadium ein. Ein modernes Stadion ohne wirklichen Charakter. Kein Vergleich zum Vorgänger The Dell. Allerdings hätte man mit dem alten Stadion in Sachen Kapazität und Komfort seine liebe Mühe gehabt, sich in der Premier League zu etablieren.

St. Julien’s Church

Diesbezüglich scheint man die letzten Jahre auf einem ganz guten Weg zu sein, denn seit 2012 ist der FA-Cup-Sieger von 1976 (einziger großer Titel der Vereinshistorie) wieder ununterbrochen im Oberhaus, nachdem man ab 2005 sieben Jahre in der Zweit- und Drittklassigkeit antreten musste. Allerdings musste man vorige Saison bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt zittern 2018/19 sieht es bisher eher schlechter, denn besser aus. Immerhin konnten unter Neu-Trainer Ralph Hasenhüttl sechs Punkte in den letzten vier Ligaspielen errungen werden, so dass der 1885 als St Mary’s Y.M.A gegründete Club (deshalb The Saints) vorerst wieder über’m Strich steht (aktuell 16.Platz).

Ruinen des Franziskanerklosters

Der Abschwung begann interessanterweise zeitgleich mit dem Einstieg chinesischer Investoren im Sommer 2017. Die Familie Gao kaufte 80 % des Clubs für geschätzt eine Viertelmilliarde Euro von der bisher alleinigen Besitzerin Katharina Liebherr. Die Schweizerin hatte den Club 2010 von ihrem verstorbenen Vater Markus Liebherr geerbt, der wiederum den Club erst 2009 für rund 16 Millionen Euro erworben hatte. Guter Deal für seine Erbin, würde ich mal sagen, die zuvor personell bei den Saints viel richtig machte. Sie hielt sich aus dem operativen Geschäft heraus und bestellte dafür zunächst Nicola Cortese und später Ralph Krueger, die ihrererseits stets gute Manager mit einem Auge für Talente verpflichteten.

Clublegende Ted Bates

Doch die Erfolge bei der Kaderplanung in den vergangenen Jahren fanden in die letzten 18 Monate keine Fortsetzung. Zur Erinnerung: Southampton hat sich in den vergangenen Jahren u. a. die Verpflichtungen von Luke Shaw, Adam Lallana, Dejan Lovren, Morgan Schneiderlin, Sadio Mané und zuletzt Virgil van Dijk durch hohe Verkaufssummen veredelt. Geschätzte Transfererlöse der letzten fünf Jahre: 360 Mio €.

Feuershow zu Spielbeginn

Wie gut, dass der heutige Gegner Manchester City wenigstens während seiner bisher größten Schwächephase der Saison an Englands Südküste vorbeischaut. Pep Guardiolas Weltauswahl verlor doch tatsächlich gerade zwei Ligaspiele am Stück (gegen Crystal Palace und Leicester City) und musste den Liverpool FC erstmal an der Tabellenspitze davonziehen lassen. Und wir erinnern uns; am Vortag schlug Liverpool ganz lässig Arsenal mit 5:1. Gewinnt City abermals nicht, wäre der LFC neun oder zehn Punkte davon geeilt.

Gut gefüllte Ränge

Guardiola ließ u. a. Kevin de Bruyne und Leroy Sané zunächst auf der Bank und schien damit nichts verkehrt gemacht zu haben. City war gewillt Anschluss an die Tabellenspitze zu halten und ihre Weltklasse-Offensive wirbelte Southamptons Abwehr zu Beginn gut durch. Folgerichtig durfte Bernardo Silva seinem Namensvetter David Silva in der 10.Minute das 0:1 auflegen. Mahrez (19.Min) und Agüero (25.Min) hätten eigentlich auf 0:2 erhöhen müssen, doch vergaben jeweils hundertprozentige Torchancen. Das rächte schließlich Pierre-Emile Højbjerg mit einem Hammer aus 20 Metern unter die Torlatte.

Gästeanhang

Danach begann eine furiose Schlussphase der 1.Halbzeit. Die Saints blieben zunächst am Drücker und als Ward-Prowse in der 42.Minute im gegnerischen Strafraum zu Fall kam, forderte das Heimpublikum vehement Strafstoß. Der Schiedsrichter ließ jedoch weiterspielen (einen Videobeweis haben sie in der Premier League noch nicht eingeführt) und ausgerechnet Ward-Prowse vollendete in der 45.Minute einen City-Angriff unglücklich ins eigene Tor. „2-1 for the Referee“ skandierte der empörte Anhang von Southampton und wurde gleich nochmal geschockt. In der 3.Minute der Nachspielzeit köpfte Agüero eine Flanke von Zinchenko aus sechs Metern zum 1:3 ein.

Strafraumaction

Zusammengefasst: Die ersten 30 Minuten war es Citys Spiel, 15 Minuten war Southampton am Drücker und am Ende reichten den Skyblues nochmal drei starke Minuten, um die Halbzeit und wahrscheinlich auch das Spiel für sich zu entscheiden.

Ein Warnschuss von Højbjerg aus rund 25 Metern (46.Minute) gab Hoffnung für eventuell spannende zweite 45 Minuten. Allerdings parierte Ederson diesmal und von den Saints war danach doch nichts mehr vor dem gegnerischen Tor zu sehen. Der Gast aus Manchester spielte nun befreit auf und hielt den Ball mit Kurzpassspiel in den eigenen Reihen. Ganz so, wie ihr Trainer es liebt. Chancen kamen dabei auch heraus, doch Sterling scheiterte in der 55.Minute an Keeper McCarthy und Agüero in der 59.Minute an der Torlatte. Die letzte halbe Stunde wurde das Spiel leider nur noch mit wenig Esprit von den Gästen verwaltet und ab der 80.Minute begannen sich die Ränge zu lichten.

Blick zur Hintertortribüne

Ab der 84.Minute durfte sich schließlich noch Deutschlands Fußballhoffnung Leroy Sané eine Prämie ertraben und eine Minute später brannten bei Højbjerg alle Sicherungen durch. Mit einer fiesen Grätsche von hinten senste er den starken Fernandinho im Mittelfeld um. „Off! Off! Off!“ skandierten die mitgereisten Fans aus Manchester und der Däne in Southamptons Diensten durfte duschen gehen. Fernandinho musste auch runter (verletzungsbedingt oder vorsichtshalber) und die Uhr lief im Nachgang die letzten fünf Minuten unspektakulär runter. Verdienter Sieg für ManCity, kleiner Rückschlag für Southampton im Kampf um den Klassenerhalt. Aber die entscheidenden Punkte müssen eh gegen die direkte Konkurrenz geholt werde. Das gilt auch für City, die schon kommende Woche Liverpool empfangen und dem Rennen um die Meisterschaft mit einem Sieg wieder mehr Würze verleihen könnten.

Block der stimmungsvollsten Heimfans

Die Stimmung war übrigens das ganze Spiel über bescheiden geblieben (Überraschung!). Immerhin waren der aktive Block der Heimfans und die Gästefans auf einer Tribüne zu finden (und wir saßen gleich angrenzend auf der Gegengerade), so dass es uns teilweise recht laut vorkam. Aber für die Stimmung fährt man wohl zu den wenigsten Spielen der Premier League und man gibt sich schon mit kleinsten Ausschlägen nach oben zufrieden. Bester Moment von Southampton: Nach einer Viertelstunde singen weite Teile des Stadions „When the Saints Go Marching In“. Von Citys Anhang blieben nur die Torjubel und die ein, zwei lauten Gesänge jeweils im Anschluss hängen.

Das Stadion nach Spielschluss

Nach Abpfiff hatten wir noch eine gute Stunde Zeit für den gebuchten Zug nach London. Das hieß, nach Subtraktion der Wegzeit zum Bahnhof hatten wir auch noch eine gute halbe Stunde für ein Bier. Dazu ging es in den Spitfire Pub, der in der Haupteinkaufsstraße von Southampton zu finden ist (die Above Bar Street). Die legendäre Supermarine Spitfire wurde übrigens in Southampton entwickelt und gebaut, so dass es kaum einen besseren Pub geben dürfte, um mal auf Großbritanniens Sieg in der Luftschlacht um England anzustoßen.

St Mary’s Stadium von außen

Nach dem Bier ging es flott die letzten Meter zum Bahnhof und am Ende einer neunzigminütigen Zugfahrt, wurde gegen 19 Uhr wieder der Londoner Bahnhof Waterloo erreicht. Wie es bereits den ganzen Tag absehbar war, gab es heute keine Motivation zum exzessiven Alkoholgenuss. Also wurde sich lieber überlegt, wo das Abendessen zu sich genommen wird. Da Whitechapel reich an Lokalen mit Küche vom indischen Subkontinent ist und wir diese Küche sehr mögen, war die Frage nur noch wo und nicht was.

Lahore One Restaurant

Den Zuschlag bekam das etwas schmuddelig wirkende Lahore One in der Commercial Road, unweit unseres Hotels. Dessen Neonreklame zog uns an wie Motten das Licht. Wir bekamen den letzten freien Tisch im Etablissement und außer einem Tisch mit Hipstern, waren nur Menschen mit südasiatischem Teint zu Gast. Sicher kein schlechtes Indiz für gute Küche. Auch die Internetbewertungen waren top. Sie konnten die letzten Zweifel wegwischen und von uns im Nachgang bestätigt werden.

Starter

Der Kellner machte ein paar Empfehlungen und wir starteten mit Seekh Kebab (sehr spicy), sowie Cucumber Raita, Papadoms und Mango Chutney. Nachdem damit die Geschmacksnerven allesamt aktiviert waren, folgten die Hausspezialitäten Karahai Chicken und Methi Chicken, die mitsamt Beilagen (Pilau Rice und Garlic Naan) brüderlich geteilt wurden. Die Mains waren auch scharf, aber nicht zu scharf. Auf Wunsch ginge natürlich immer mehr Würze, aber man muss den Südasiaten ja nichts beweisen. Mit Trinkgeld und inklusive Getränken waren wir Ende jeder 18 £ (also rund 20 € nach aktuellem Wechselkurs) los.

Mains

Um später bzw. Morgen in Sachen Darts mitreden zu können, beschlossen wir anschließend noch einen Pub aufzusuchen. The Blind Beggar und The White Hart waren nicht weit und um die rechtwinklige Route dorthin abzukürzen, versuchten wir es diagonal durch die Gassen und Höfe des Viertels. Meine Abkürzung endete jedoch in einer Sackgasse, in der junge Männer gerade Crack konsumierten. Wortlos traten wir den Rückzug an und waren wenig später auf regulären Straßen an der Kreuzung beider Pubs angelangt.

Chicken Karahai with Pilau Rice & Garlic Naan

Darts zeigte keiner von beiden, so dass The Blind Beggar aus geschichtlichen Gründen den Zuschlag bekam. Der Legende nach wurde der Adlige und Feldherr Henry de Montfort nämlich in der Schlacht von Evesham (1265, Zweiter Krieg der Barone) gar nicht getötet, wie es die Geschichtsschreibung behauptet, sondern nur schwer verwundet (er verlor sein Augenlicht). Irgend eine Baroness pflegte ihn gesund und fortan lebte er als blinder Bettler in Bethnal Green, einem Stadtteil im Londoner East End. Die Legende von Henry de Montfort als Blind Beggar wurde ab dem 16.Jahrhundert in der Tudor-Epoche populär und dementsprechend taucht sie heute auch im Wappen von Bethnal Green bildlich auf.

The Blind Beggar

Außerdem wurde der Pub, der bereits seit dem 17.Jahrhundert urkundlich belegt ist, Schauplatz von mindestens zwei erinnerungswerten Ereignissen. 1865 hatte die Heilsarmee hier ihren Ursprung, als deren Gründer William Booth vor dem Blind Beggar seine erste öffentliche Predigt hielt. Und 1966 erschoss Ronnie Kray (einer der berüchtigten Kray Twins) ein Mitglied einer rivalisierenden Gang im The Blind Beggar (das Opfer war George Cornell von der Richardson Gang).

London Pride

Heute Abend schoss sich dagegen höchstens eine junge Dame ab, die einsam das Angebot vier Jägerbombs für 10 £ nutzte (wahrscheinlich mehrfach) und bei einem Toilettengang in unsere Gruppe stürzte. Wir dagegen beließen es bei einem Krug London Pride und schauten via Stream von Sport1 (erfreulicherweise nicht gesperrt in UK) auf dem Smartphone den Rest des souveränen Halbfinaltriumphes von Michael van Gerwen über Gary Anderson. Da hatte der Schotte heute wohl seinen Rucola nicht aufgegessen.

Gegen Mitternacht ging es schließlich ins Bett. Der Jahreswechsel und zwei Fußballspiele warten nun noch in London auf uns.

Song of the Tour: Für alle deutschen Kutten des Darts.