London 02/2017

  • 11.02.2017
  • Fulham F.C. – Wigan Athletic 3:2
  • Championship (II)
  • Craven Cottage (Att: 15.552)

Es lohnt sich ab und zu mal die Wochenendverbindungen von Hannover in die weite Welt zu scannen. So fand ich bereits im Oktober 2016 heraus, dass man mit Eurowings im Februar 2017 wieder mal für 60 € return pro Person nach London fliegen kann. Mit Bene, Ole, dem Holzmichel, El Glatto und Milano Pete hatte ich schnell fünf Mitstreiter zusammen und zu sechst gab es für zwei Nächte das Meininger Hotel am Hyde Park für 55 € pro Person. Zu dem Preis gibt es in London am Wochenende in der Nahverkehrszone 1 entweder nur was ohne Bad und ohne Fenster oder man muss irgendwo auf der äußeren Seite des Motorway 25 nächtigen (quasi im „Outer Rim Territory“ von London).

Der Spielplan meinte es auch ganz gut mit uns. Denn das Craven Cottage des Fulham FC stand schon lange auf meiner Liste (sie sollten Samstagnachmittag gegen Wigan Athletic spielen) und in Deutschland würden wir auch kein 96-Spiel verpassen, da die DFL die Partie Hannover 96 vs. VfL Bochum auf Montag terminierte. Ich orderte im Vorverkauf fünf Tickets beim Fulham FC (El Glatto musste leider berufsbedingt wieder abspringen) à 20 £ für die Hintertortribüne, welche per Royal Mail binnen 48 Stunden zugestellt waren. Noch vorzeitiger wurde der Stansted Express gebucht, der für richtige Early Birds nur 7 £ pro Fahrt und Person kostet und dann mit den günstigen Busangeboten preislich konkurrieren kann.

Endlich wieder schönes Ale

Gut gelaunt ging es Freitag nach Feierabend zum Flughafen nach Langenhagen und dort gab es wieder mal ein Upgrade von Eurowings für uns. So flogen wir mit viel Beinfreiheit binnen 60 Minuten von HAJ nach STN. Dort mussten wir uns leider in die bisher längste erlebte Schlange vor der Passkontrolle einreihen. Anstatt fünf Minuten dauerte es diesmal fast eine halbe Stunde. Das hieß somit auch 30 Minuten weniger Zechzeit im Pub und ärgerte uns nach einem harten Arbeitstag schon ein wenig. Aber was soll man machen? Die gute Laune darf man sich von so etwas nicht verderben lassen und stattdessen taten wir noch eine gute Tat. Oberflächlich wie wir sind, schenkten wir der attraktivsten Frau in der Schlange am Fahrkartenautomaten El Glattos Ticket nach London, was sie sichtlich freute.

The Crosse Keys

Sechzig Minuten später hatten wir endlich unser Feierabendbier in den Händen. Das Crosse Keys in der City of London durfte uns bewirten. Ein wunderschöner Pub in einem alten und riesigen Bankgebäude aus den 1850er Jahren. Dem Namen und Teppich (lauter gekreuzte alte Schlüssel) nach zu urteilen, dachten wir es wäre ein Pub der niedersächsischen Wach- und Schließgesellschaft. Aber natürlich gehörte die edle Trinkhalle mit den Marmorsäulen zur Kette Wetherspoon’s. Wie die meisten Pubs in derlei Bauwerken (Vgl. The Prince of Wales in Cardiff oder The Standing Order in Edinburgh).

Der Pub der Wach- und Schließgesellschaft?

Nachdem der Pub kurz nach Mitternacht seine Pforten geschlossen hatte und wir auch mit den Runden quitt waren, hätte es wenig Sinn gehabt noch weiterzuziehen (mit Gepäck am Mann in eine Disco ist eher so semi sinnvoll). Also ließen wir uns von einer Taxi-Seite im Internet den Preis für den Transfer zum Hotel kalkulieren. 25,70 £ klang fair für quer durch London und nach einer nächtlichen Spritztour entlang der Themse und des Hyde Parks, war auch exakt dieser Preis laut Taxameter zu entrichten. Nun mussten wir nur noch in das Hotel einchecken, um die verdiente Nachtruhe anzutreten. Der Backsteinbunker in geschmeidiger Nachkriegsarchitektur, der 1961 von Queen Elizabeth II. eröffnet wurde, hieß übrigens Baden-Powell Building. Zu Ehren von Lord Baden-Powell, dem Vater der weltweiten Pfadfinderbewegung. Erinnerte dann auch mehr an ein Hostel oder eine Jugendherberge, denn an ein vernünftiges Hotel. Nächstes Mal also lieber wieder Ibis. Gerade aufgrund der sanitären Anlagen, die hier zwar auch privat zum Zimmer gehörten, aber eng wie eine Wohnwagendusche waren und aus deren Duschköpfen das Wasser druckarm wie aus einer Gießkanne floß.

Das vielleicht beste Frühstück der Stadt

Nach sechs Stunden Schlaf hieß es leider nicht „Guten Morgen, Sonnenschein“, aber man kann natürlich nicht immer mit dem Wetter Glück haben. Also ging es bei nasskaltem Wetter und ein paar Schneeflocken zur Tube und damit weiter zum Regency Café nach Pimlico. Die servieren dort seit 1946 Greasy Spoon at it’s best. In Zeiten von Yelp, Tripadvisor und Co natürlich kein Geheimtipp und neben den Locals war auch eine zum Glück noch überschaubare Anzahl an Touris zugegen (wir hatten nämlich richtig Kohldampf und keinen Bock auf lange Wartezeiten wegen der Selfie Stick Army). Das Interieur schien sich seit den Swinging Sixties nicht groß verändert zu haben und das Regency Café ist deshalb wahrscheinlich eine beliebte Kulisse für Film und Fernsehen (z. B. in „Layer Cake“).  Man reiht sich hier in die lange Schlange ein und ordert dann beim Zeremonienmeister sein Frühstück bei Nennung des Namens. Wenn es fertig ist, wird der Name durch den Gastraum gerufen.

Softdrink für Genießer

Ich empfahl Bene zwar Eggs Benedict („Hier Bene, der hat deine Eier im Angebot. Falls du sie schon vermisst hast.“), gönnte mir aber wie der Rest Beans, Bacon, Poached Egg, Sausage, Bubble & Squeak und Tee mit Milch. Hier gab es den starken Builder’s Tea, den Tee der Arbeiterklasse. Der Tee der Männer, die diese Stadt und dieses Land groß gemacht haben. War natürlich nochmal einen Tick geiler als das systemgastronomische Frühstück bei Wetherspoon’s, aber nicht teurer. Schade, dass diese Läden im urbanen Verdichtungsraum mehr und mehr von der Landkarte verschwinden.

The Barley Mow, leider so früh noch zu

Nach dem Hochgenuss (ich kann es nur jedem Londonreisenden empfehlen), spülte ich nochmal mit Cream Soda aus dem Hause Barr nach (Spötter nannten es einmal mehr Ekel-Limo) und dann spazierten wir durch das vornehme Westminster in Richtung gleichnamiger Abbey. Die London Newbies Bene und Holzmichel sollten heute wenigstens ein paar der wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu Gesicht bekommen, hatte ich mir so vorgenommen. Wir passierten dabei u. a. das Haus in dem T. E. Lawrence (Lawrence of Arabia) nach dem Ersten Weltkrieg das Buch „Seven Pillars of Wisdom“ schrieb. Dass keiner der Mitreisenden jemals von Lawrence gehört hatte, nicht mal von dem mehrfach oscarprämierten Kinofilm (und sei es nur sekundär durch „Full Metal Jacket„), schockierte mich ein wenig. Aber gut, Wissenslücken sind zum Schließen da.

Spaziergang durch Westminster

Von Süden erreichten wir schließlich Westminster Abbey und die Houses of Parliament. Der Clock Tower (bzw. seit 2012 der Elizabeth Tower) war für die Erstbesucher natürlich wenig überraschend Big Ben. Dieser populäre Irrtum musste selbstredend ausgeräumt werden, bevor wir auf der Jagd nach guten Fotomotiven noch ein wenig um die Anlage und auf die Westminster Bridge schlichen. Doch das Wetter war echt bescheiden für eine Fotosafari im Großstadtdschungel. Es war zu trüb für schöne Schnappschüsse und zu wenig trüb bzw. zu wenig neblig für wiederum richtig verwunschen wirkende Fotos.

Westminster Cathedrals Westwerk von Süden

Von der Station Westminster fuhren wir als nächstes mit der Tube zum Tower Hill. Da waren zum einen mit dem Tower und der Tower Bridge noch zwei Pflichtsehenswürdigkeiten abzuhaken und zum anderen war ein günstiger Pub in der Nähe zu finden. Also erstmal der übliche Touriquatsch mit entsprechenden Erinnerungsfotos und danach endlich der heutige Einstieg ins Glasbiergeschäft.

The Lads in London

Im Goodman’s Field gönnten wir uns Brown Dog Riot Ale (für in London sehr faire 3.30 £ pro Pint) und Kopparberg’s Winterfruit Cider, während der Holzmichel tatsächlich überlegte sich via Eggs Benedict (in England scheint jeder Bene dicke Eier zu haben) noch ein zweites Frühstück reinzuschrauben. Dann schlugen die Glocken jedoch 12 Uhr mittags und die Gelegenheit war verstrichen. Machte ihm nichts, orderte er sich halt einen Teller Buffalo Wings. Es flossen nebenbei noch so ein paar alkoholische Getränke und dann fiel uns wieder ein, dass heute Matchday war und Fulhams Craven Cottage schon so ein gutes Stündchen entfernt ist.

Mal was Fruchtiges

Wenigstens fuhr die District Line von Tower Hill direkt durch zur Putney Bridge und von dort waren es lediglich gute 15 Minuten zu Fuß, an der parkumsäumten Themse entlang, zum Football Ground des Fulham FC. Wir passierten dabei als Erstes die schöne Kirche All Saints an Fulhams Ende der Putney Bridge. Unnützes Wissen dazu: Die Putney Bridge ist die einzige Brücke in Großbritannien, ja vielleicht sogar auf der ganzen Welt, die an beiden Enden eine Kirche stehen hat. In Putney ist es die St Mary’s Church und in Fulham die erwähnte All Saints Church (beide im Wesentlichen aus dem 15.Jahrhundert).

All Saints in Fulham

Als nächstes lag nun auch noch der sehenswerte Fulham Palace am Wegesrand, doch das einzige Grade I gelistete Bauwerk im London Borough of Hammersmith and Fulham konnte aus Zeitgründen leider nicht genauer inspiziert werden. Wir konnten nur einen flüchtigen Blick auf den Palast werfen, der mindestens seit dem 11.Jahrhundert und bis 1973 Londoner Bischofsresidenz war (mittlerweile residiert der Bischof unweit der St Paul’s Cathedral in der City). Es folgte ein gepflegtes Wohngebiet und fünf Minuten vor Anpfiff hatten wir schließlich unsere Luxuskörper durch die engen Drehkreuze gezwängt.

Welcome to Craven Cottage

Nach der Kartenkontrolle warteten Pyrospürhunde und Anti-Pyroplakate auf uns. Wahrscheinlich will man einfach schon präventiv alles unternehmen, um die schrecklichen Szenen von leidenschaftlicher Stimmung aus dem Ausland am Themseufer zu verhindern. Der DFB wäre stolz auf Euch! Wir hatten zum Glück keine Spuren vom Silvesterfeuerwerk oder der jüngsten wunderschönen Choreographie bei 96 (25 Jahre DFB-Pokalsieg ’92) an unserer Kleidung und konnten ungestört auf unsere Plätze auf der Hintertortribüne spazieren. Hier hatten wir einen schönen Blick auf die historische Haupttribüne, sowie rechts neben uns das Cottage (eine Jagdhütte aus der Zeit, als hier noch Wald war) und links neben uns die Gästefans aus Wigan.

Die Haupttribüne ist über 110 Jahre alt

Der Gast aus Wigan ist akut abstiegsgefährdet (gegenwärtig auf dem 23.Tabellenplatz) und verzichtete dennoch heute auf seinen einzigen „Weltstar“. Will Grigg stand nicht in der Startelf! Mutmaßlich aus Leistungsgründen. Denn als er sich schon im Oktober beim Länderspiel von Nordirland gegen San Marino einfach meinen kritischen Augen entzog, hatte er ordentliche fünfmal in zehn Spielen genetzt. Doch seitdem ist – trotz Stammplatz bei Wigan Athletic – kein weiterer Treffer dazugekommen. Seit 17 Spielen ist Herr Grigg tormäßig nur auf Sparflamme unterwegs. Also stürmte heute Omar Bogle für die Blau-Weißen aus der Grafschaft Greater Manchester und prüfte nach langweiligem Spielbeginn den Fulham-Keeper in der 25.Minute erstmals.

Das Cottage in der südöstlichen Stadionecke

Quasi im Gegenzug fiel in der 26.Minute das 1:0 für die Hausherren durch Floyd Ayite. Sone Aluko gelang ein guter Lauf auf dem rechten Flügel zur Grundlinie und von dort legte er in den Strafraum zu Ayite ab, der aus 10 Metern platziert ins Tor abschloss. Eine schmeichelhafte Führung des Tabellenzehnten, die auch nur sechs Minuten lang gehalten werden konnte. Eine scharfe Flanke von Stephen Warnock wollte Fulhams Scott Malone vor Bogle klären, doch die Rettungstat verunglückte in der 32.Minute ins eigene Tor. Großer Jubel bei den eh ganz gut aufgelegten Gästefans.

Blick auf den Gästebereich

Danach wurde es ein richtig gutes Fußballspiel. Fulham sinnte auf eine erneute Führung und machte bis zur Pause ordentlich Druck. Doch die Latics hielten ihren Kasten sauber und in der Nachspielzeit des ersten Durchgangs gelang ihnen sogar die erneute Führung. Der Schiri hatte die Pfeife schon in der Hand, als sie sich nochmal zum gegnerischen Strafraum durchkombinierten, wo schließlich Max Powers Querpass (ja, der heisst wirklich Max Power) von der Strafraumgrenze am zweiten Pfosten von Marc Jacobs eingeschoben wurde (okay, der heisst eigentlich Michael Jacobs). Jacobs feierte dieses Tor nun mit einem Purzelbaum direkt vor dem ausrastenden Gästeblock.

Trinkpause

In der Pause, die selbstredend vor’m Block am Bierstand verbracht wurde, gönnte sich der hungrige Holzmichel erstmal einen Chicken Balti Pie und danach auch noch einen Steak & Ale Pie (je 4 £). Unser bärtiger Freund hatte schließlich so gut wie nichts gegessen bisher… Milano, Bene und mich interessierte dagegen nur das Bierangebot (4.50 £ für ein Pint Carlsberg oder Guinness) und Ole ohne Kohle, der es natürlich nicht wie geplant in den VIP-Raum schaffte, schlich in unseren Block zurück. Zu Beginn der 2.Hälfte schnappten wir uns noch schnell vier weitere Pints (die Kioske schließen dann endgültig) und tranken auch diese vor’m Fernseher außerhalb des Blocks (Alkohol im Block ist im britischen Profifußball nicht gestattet). Wir lauschten dabei dem berühmten „Will Grigg Song“ der Latics Supporters, aber ihre Kultfigur schmorrte weiter auf der Bank. Stattdessen hatten sie ihren Torwart ausgewechselt (Gilks für Haugaard), der sich mutmaßlich in der 1.Hälfte verletzt haben musste.

Das Spiel war recht kurzweilig

Der der Finalist der UEFA Europa League von 2010 (1:2 gegen Club Atlético de Madrid) drängte nach dem Seitenwechsel natürlich auf den Ausgleich, aber die erste Chance hatte zunächst Wigan durch einen Konter, dessen Abschluss Bogle mißglückte (53.Minute). In der gleichen Minute wurde Gilks im Gegenzug erstmals von Aluko geprüft. Wenig später war es abermals Fulhams Aluko, der einen Fernschuss knapp über die Torlatte setzte. Die Einschläge kamen näher und in der 71.Minute gab es einen Freistoß in ca. 35 Metern Torentfernung für den FFC. Der Norweger Johansen legte den Freistoß quer auf den Belgier Denis Odio. Der zog aus über 30 Metern direkt auf’s Tor ab und der Ball schlug rechts neben Gilks im Kasten ein. Wunderschöner Treffer zum mittlerweile verdienten Ausgleich!

Blick auf’s Hammersmith End

Nach dem Tor merkte man übrigens auch mal beim Heimpublikum, dass das hier Fußball und kein Tennis war. War ansonsten wirklich ein sehr lahmes Klatschpappen-Publikum (ja, die hatten auch wirklich Klatschpappen). Aber egal, ihr schönes Stadion, das gute Spiel und der wenigstens halbswegs brauchbare Wigan-Anhang wogen das wieder auf. Wigans Mannschaft wollte die Fans natürlich glücklich machen und spielte auf Sieg, um sich wirklich etwas Luft im Tabellenkeller zu verschaffen. Jacobs und Bogle hatten nochmal gute Möglichkeiten für die Gäste. Doch ihre Fehlschüsse sollten sich bitter rächen. In der vierten Minute der Nachspielzeit (seit fünf Minuten war übrigens Will Grigg auf dem Platz) wurde Fulhams Kebano zum Helden des Tages für die Cottager. Er schoss den FFC mit der letzten Aktion des Spiels doch tatsächlich noch zum Sieg. Da wirkte sogar das Fulham-Publikum plötzlich wie ein richtiger Fußball-Mob. Blöd gelaufen für Wigan, aber steckt man erstmal unten drin, verliert man komischerweise auch die guten Spiele unglücklich.

The Eight Bells in Fulham

Nach Spielende wurde keine Zeit vergeudet, um den auf dem Hinweg aufgefallenen Pub The Eight Bells an der Putney Bridge anzusteuern. War auch gut so, denn so gab es eine Sitzgelegenheit in der hinterletzten Ecke für unser Quintett, bevor der Pub wenige Minuten später durch weitere Stadionbesucher brechend voll wurde. Wir schauten hier bei ein paar Pints Fuller’s London Pride Wales vs. England (Rugby, Six Nations). Der Pub war nebenbei von 1886 bis 1888 provisorische Umkleidekabine des Fulham FC und außerdem 1986 nochmal groß in den Schlagzeilen, weil der Serienkiller Stockwell Strangler unweit des Pubs sein letztes Opfer ermordete. Die Schreie der 83jährigen Frau waren aber nicht zu hören, weil im Pub eine laute Party zu Ehren der Hochzeit von Prince Andrew und Fergie war.

Ye Olde Cheshire Cheese

England setze sich heute leider knapp gegen Wales durch und mit der District Line ging’s anschließend zur Station Blackfriars, wo der gleichnamige Pub der erste auf unsere Liste sehenswerter Schankwirtschaften war. Wir gönnten uns in dem Art-Noveau-Eckhaus von 1875 (Grade II listed) ein Nicholson Pale Ale, ehe wir mangels Sitzgelegenheiten weiter zum Ye Olde Cheshire Cheese zogen. Ein Pub aus dem 16.Jahrhundert, der nach dem großen Feuer von 1666 sofort wieder aufgebaut wurde und daher seit vielen hundert Jahren durstigen Kehlen etwas Gutes tut. Wir genossen Taddy Lager aus dem Hause Samuel Smith (jene Brauerei betreibt auch den Pub) und Ole und der Holzmichel gönnten sich Fish & Chips zum Dinner. War ein schöner, verwinkelter Pub, der ebenfalls Grade II in der Denkmalliste des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland gelistet ist.

Ye Olde Mitre

Als nächstes stand Ye Olde Mitre auf unserer Agenda. Noch so ein uriger Pub in der City of London (ebenfalls Grade II), der aber leider heute Abend geschlossen war. In der City ist eben Samstagabend nicht soviel los, wie man vielleicht denkt. Hier arbeiten zwar werktags über 300.000 Menschen in den Banken, Versicherungen und öffentlichen Einrichtungen, aber leben tun hier nur rund 7.000 Menschen. Da es am Samstagabend auch die Touris eher in andere Ecken Londons zieht (und die Einheimischen sowieso), lohnt es für viele Pubs nicht in den Abendstunden geöffnet zu haben. Schade, aber wir kommen wieder!

Ich trinke ESB und der Holzmichel studiert schon wieder die Speisekarte

Der nächstbeste Pub war The Inn of Court, direkt neben dem großen historischen Fachwerkhaus Staple Inn, einem der wenigen Häuser im Tudor Style, welches das große Feuer von 1666 (und den Blitz der 1940er Jahre) überlebt hatte. Dieses Steak & Ale House der Londoner Brauerei Fuller’s zapfte uns das mehrfach prämierte ESB und die bewusstseinsverändernde Wirkung von Alkohol kam langsam zum Tragen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich vorschlug mit Shekelmünzen „Save the Menorah“ zu spielen.

Burger im Inn of the Court

Nächster Stopp war wieder mal ein Pub aus dem Wetherspoon’s-Imperium von Brexit-Befürworter Tim Martin (er machte Brexit-Propaganda, obwohl über 3.500 Ausländer für ihn arbeiten). The Penderel’s Oak servierte nicht nur die nächsten Pints, sondern auch das langersehnte Abendessen, bzw. für den Holzmichel das zweite Abendessen. Hier gab es nun Gourmetburger (wahlweise Beef oder Chicken) für unsere gemütliche Reisegruppe und nach dem Essen näherte sich die Uhr schon wieder bedrohlich der Geisterstunde. Nun mussten wir unbedingt noch den traditionellen Gin Palace namens Princess Louise abhaken, der ein richtiges Kleinod ist.

Princess Louise

Wie schon das Ye Olde Cheshire Cheese wird dieser Pub von der Brauerei Samuel Smith betrieben und diesmal gab es deren Stout anstatt das Lager. Dieser einstige Gin Palace konnte optisch durchaus mit dem Belfaster Crown Liquor Saloon konkurrieren. Der reich verzierte Pub verfügt über diverse Separees, die alle ein Stück eigene Theke haben. Und er hat Snob Screens. Das sind bemusterte Scheiben, durch die man nur von einer Seite schauen kann. Durch die Snob Screens konnte die Oberklasse der Unterklasse im 19.Jahrhundert beim wüsten Zechen zuschauen, wurde selbst aber nicht von den ärmeren Pubbesuchern gesehen.

Huch, mein Spiegelbild

Als das Princess Louise kurz nach Mitternacht seine Pforten schloss, entschieden wir uns für den Fußweg ins 5 km entfernte Hotel, um optional noch irgendwo einzukehren. Wir passierten schließlich die nachts auch recht belebte Gegend um den Piccadilly Circus. Die noch geöffneten Lokale waren allerdings zum Bersten gefüllt, so dass wir auf Einkehr verzichteten. Stattdessen lieferten uns noch zwei junge Frauen am Fenster eines noblen Anwesens eine Peepshow. Unglaublich wie die Oberschicht unter Alkoholeinfluss (mutmaßlich) immer die Etikette vergisst. Oder es waren doch Edelhuren? Wie werden es nie erfahren.

Soho at night

Nach dem schönen Spaziergang konnten wir fast alle sehr gut schlafen. Nur der bärtige Freund der Hölzer dieser Erde hatte eine unruhige Nacht. Aber rekapitulieren wir nochmal: Binnen 12 Stunden ein großes englisches Frühstück, Buffalo Wings als zweites Frühstück, zwei Pies im Stadion, große Portion Fish & Chips, Chicken Gourmetburger mit Chips & Onion Rings…. Ich zähle alleine schon 5.000 kcal exklusive der vielen alkoholischen Getränke. Respekt!

  • 12.02.2017
  • Omonia F.C. – Chassington United F.C. 3:5 n. E. (2:2)
  • FA Sunday Cup (Quarter-finals)
  • New River Stadium (Att: 48)

Am nebligen Sonntagmorgen musste die spontane Entscheidung über die heutige Tagesplanung fallen. Da es heute in Englands professionellen und semiprofessionellen Ligen nicht ein Spiel im Großraum London gab, fiel Fußball raus und die Optionen hießen Museumsbesuch, Shopping oder Ausflug nach Windsor. Ich tendierte eigentlich zu einer Bahnreise ins rund eine Stunde entfernte Windsor, aber die letzten Minuten vor’m Aufstehen surfte ich nochmal im Internet. Vielleicht hatte sich kurzfristig noch was geändert und irgendwo würde doch der Ball rollen. Dabei stolperte ich eher aus Versehen über den FA Sunday Cup in der Grassroots Section des englischen Fußballverbands und dort war heute tatsächlich das Viertelfinale dieses landesweiten Pokalwettbewerbs für Amateurteams angesetzt. Die vier gastgebenden Mannschaften sagten mir natürlich alle nichts und die Recherche ergab, dass Spiel 1 in Birmingham war, Spiel 2 in Liverpool und Spiel 3 in Durham. Doch Spiel 4 sollte ein gewisser Club namens Omonia FC gegen Chessington United in London bestreiten. Obendrein hatte Omonia auch noch ein richtig cooles Stadion zu bieten. Ole und ich waren nun angefixt und dem Rest war es egal, was wir heute machen. Hauptsache es gibt geiles Frühstück und weiteres fettiges Essen im Laufe des Tages…

The Royal Olbert Hall

Dem Frühstück stellte ich allerdings etwas Bewegung voran, um nicht wieder so eine katastrophale Kalorienbilanz wie am Vortag zu bekommen. Zunächt einmal spazierten wir durch das Viertel unseres Hotels. Die Gegend südlich der Kensington Gardens wird auch Albertopolis genannt. Denn Prince Albert, der deutsche Gemahl von Queen Victoria und Freund und Förderer der Kultur, war treibende Kraft bei der Entstehung dieses Viertels. Hier findet man u.a. die repräsentativen viktorianischen Bauwerke des National History Museum, des Imperial College, des Royal College of Music, des Victoria & Albert Museum und natürlich die berühmte Konzerthalle Royal Albert Hall. Nördlich schließen dann die großzügigen Kensington Gardens mit dem großen Albert Memorial an, die wir Richtung angrenzendem Hyde Park durchquerten. Am Ende des Parks durchschritten wir den Marble Arch und flanierten die berühmten Straßen Oxford Street und Baker Street entlang.

Olbert Memorial in den Kensington Gardens

Um 11:50 Uhr erreichten wir schließlich den Wetherspoon’s an der Baker Street. Jene Metropolitan Bar ist in dem alten Verwaltungsgebäude der Metropolitan Railway beheimatet und durfte uns fünf Large Breakfast servieren, bevor die Frühstückskarte von den Tischen verbannt wurde. Das war, wie schon das Crosse Keys am Freitagabend, ein sehr großzügiger und prunkvoller Pub. Aber gut, die Company der ersten U-Bahn-Linie der Welt (die erwähnte Metropolitan Railway von 1863) ließ sich natürlich bei ihrem repräsentativen Bauwerk über der Station Baker Street nicht lumpen. Nach dem 1.500 kcal schweren Frühstück studierten wir nochmals über Nacht ungewollt erhaltene Bilder und Videos aus der Heimat, die so süß wie 500 Millionen Pinguinbabys waren, und bestiegen dann eine Bahn unterhalb des Pubs in den Norden der Stadt.

Marble Arch

Gegen 13:30 Uhr verließen wir die Tube in Wood Green. Ein quirliger Distrikt westlich von Tottenham. Touristen verirren sich aber meist nur hierhin, wenn sie den Alexandra Palace besuchen wollen (z. B. für die World Darts Championship). Das New River Stadium dagegen, dass wie das Stadion von Tottenham Hotspur an der ziemlich langen White Hart Lane liegt, dürfte nur selten Ziel von ausländischen Besuchern sein. Objektiv völlig verständlich, aber für nerdige Enthusiasten von (Fußball-)Sportstätten ist es echt keine schlechte Destination. Zumal dort vorwiegend Rugby gespielt wird, sieht von den Kicks des Omonia FC ab, und es somit nicht so viele notorische Stadionsammler in ihrem Portfolio haben dürften.

Fußball ist angesagt!

Es gibt eine große überdachte Haupttribüne mit 1.000 Sitzplätzen, in deren Bauch ein modernes Fitnessstudio untergebracht ist. Außerdem existieren Stehtraversen auf der Gegengerade und hinter dem Tor, so dass mindestens 5.000 Zuschauer dort Platz finden könnten. Heute hätte man leider nicht mal 50 Plätze gebraucht, aber was will man auch erwarten bei unterklassigstem Amateurfußball? Hätten sie Eintritt verlangt, wären auch nur Ole und ich reingegangen, aber für lau konnte ich Bene, Milano und den Holzmichel zum angeblich räudigsten Fußballspiel ihres Lebens mitschleppen. Stimmt natürlich nur bedingt, da man sich vor seiner eigenen Haustür sogar manchaml so Truppen wie Harsum III oder Rautenberg II anschaut. Aber ihr Geläster prallte sowieso an mir (dem Teflon-Don) ab und im Gegensatz zur Kreisklasse Hildesheim wurde dieses Spiel sogar live im griechischsprachigen TV-Sender Hellenic TV übertragen (die Einschaltquote möchte ich gar nicht erst wissen).

Welcome to the New River Stadium

Warum zur Hölle überträgt der griechische UK-Spartensender überhaupt so einen Kick? Es lag am zypriotischen Hintergrund der gastgebenden Mannschaft. Der Club wurde von Exil-Zyprioten gegründet und heisst Omonia als Hommage an den zwanzigfachen zypriotischen Fußballmeister Omonia Nikosia. Chessington United (spielen in Surrey in der Sunday League) hat dagegen wohl lediglich einen pubkulturellen Hintergrund (eine Thekenmannschaft, die sich etwas professionalisiert hatte). Dafür hatten sie ihre Spielerfrauen, sowie ein paar alkoholisierte Schlachtenbummler dabei, die nach diversen Schlücken aus der Cider-Pulle auch ein paar Liedchen trällerten (jedoch nicht der Rede wert).

Wo sonst sollte man für eine Klausur lernen?

Das Spiel war zunächst ziemlich lahm und beide Mannschaften, die sich wahrscheinlich bisher noch nie begegnet waren, tasteten sich vorsichtig ab. Ole lernte daher nebenbei für eine Klausur und Milano verschwand mit dem Holzmichel und Bene nach 15 Minuten wieder, um einen Pub in Stadionnähe zu suchen. Sie verpassten wenig und es ging mit 0:0 in die Pause. Nun standen die Abtrünnigen auch schon wieder auf der Matte, da sie keinen Zufluchtsort entdecken konnten. Gemeinsam ging es in das Stadionlokal und wir tranken erstmal Kaffee. Ich wagte mich außerdem noch an das Lunch Special, einen mutmaßlich hausgemachten Linseneintopf mit Hähnchenbrust und exotischer Würzung, für den gerade mal 1 £ pro Cup verlangt wurde. War nicht nur günstig, sondern auch lecker und ich blieb deshalb kein Einzeltäter.

Red Lentil & Chicken Soup

Das Spiel wurde nun durch die Fenster der Wirtschaft so halbwegs verfolgt und es fielen sogar noch vier Tore. Beim 2:1 in der 84.Minute für die Hausherren war ich als Einziger aus unserer Reisegruppe wieder in der Kälte draußen und genoß die spannende Schlussphase. Nun warf der Gast natürlich alles nach vorne und es machte nochmal richtig Laune zuzuschauen. Als ihnen dann in der 89.Minute tatsächlich noch das 2:2 gelang, feierten sie das Tor fast schon so frenetisch wie eine Meisterschaft und der ebenso ausrastende Gästepöbel warf eine orangefarbene Rauchfackel Richtung Kunstrasen. Zumindest ich bereute den Stadionbesuch nicht.

Pyro Riot

Leider ging der Kopfball der Gäste in der Nachspielzeit knapp neben das Tor, ich hätte es ihnen gegönnt. Dann war vorerst Schluss und der Rest wackelte aus dem warmen Café zu mir. Was den Verbleib bei diesem packenden Spiel anging, wurde ich nun mit 4:1 überstimmt. So verpassten wir das Elfmeterschießen nach torloser Verlängerung, welches Chessington United wunschgemäß 5:3 für sich entscheiden konnte. Dann mal viel Erfolg im Halbfinale! Zum etwaigen Finale, welches in einem großen Londoner Stadion stattfinden wird, komme ich vielleicht wieder.

Sehr charmantes Stadion

Ein paschtunischer Taxifahrer durfte uns jetzt zum vorher ausgeguckten Pub The Beehive nach Tottenham fahren. Ich hätte ihn mal fragen sollen, ob sich in seiner Heimat auch so einfach der Stammesälteste vom Jungvolk überstimmen lässt. Aber egal, es gab schlechtere Orte als diesen Pub, auch wenn ein Kindergeburtstag zunächst das Schlimmste vermuten ließ. Doch wir hatten nur den falschen Eingang genommen und waren daher erst im Nebenraum. Im eigentlichen Gastraum bekam man nichts von der Grundschulmeute mit, bei denen das Geburtstagskind ziemlich coole Eltern zu haben scheint. Meine Eltern sind immer nur mit uns ins Kino, ins Rasti-Land oder zu 96 gefahren, anstatt am Kindergeburtstag mal in einen ordentlichen Pub zu gehen.

Burger im Beehive

Ähnlich wie der Kindergeburtstag gönnten wir uns Burger, nur dass unsere doch etwas größer ausfielen. Die Patties waren laut Karte aus Rumpf, Kamm und Knochenmark des Rindviehs geknetet und wurden pink gegrillt im Brioche Bun serviert. Dazu gab es neben würziger Sauce und Grünzeug auch geile Fritten aus der ganzen Kartoffel geschnippelt. War seine 10 £ wert und ich begleitete den kleinen Koloss mit Hackney Red Ale (4 £). Neben dem gemütlichen Gastraum, gab es außerdem einen großen Biergarten. Ideal für die Raucher und im Sommer sicher sehr beliebt. Während ich mir noch ein Truman’s Swift Golden Ale genehmigte, dachte ich darüber nach bald mal vor einem Spiel des Tottenham Hotspur FC wiederzukehren.

The Beehive in Tottenham

Zwei Stunden vor Abflug gingen wir schweren Herzens die paar hundert Meter zum Bahnhof Tottenham Hale und bestiegen den nächstbesten Stansted Express. Am Gate trafen wir noch zwei weitere hannoversche Fußballfreunde, die Millwall FC besucht hatten und Freitag- und Samstagabend hipstermäßig in Shoreditch unterwegs waren. Der topseriöse Springer-Journalist von den beiden war nun schon das dritte Mal bei Millwall gewesen und empfahl es jetzt nicht unbedingt wegen des Supports, sondern wegen des allgemeinen Flairs. Das doch recht asoziale Publikum soll immer noch ein krasser Kontrast zu den Stadiongängern bei Fulham, Arsenal, Chelsea und Co sein. Gut, kommt das halt auch noch auf die lange Liste. Da die angedachte Aufgabe von The Den als Spielstätte bei Millwall wieder vom Tisch zu sein scheint, hat das ja noch etwas Zeit.

Song of the Tour: Auch wenn er bei Fulham nicht on fire war.