Valencia 02/2016

  • 18.02.2016
  • Valencia CF – SK Rapid Wien 6:0
  • UEFA Europa League (Round of 32)
  • Estadio Mestalla (Att: 35.000)

Nachdem zwei Tage zuvor bereits in Asien ein Spiel der UEFA Europa League besucht wurde, sollte am heutigen Donnerstag auch noch eins in Europa gesehen werden. Der einfachste Weg für dieses Anliegen wäre natürlich in Istanbul zu bleiben gewesen. Denn dort empfing Galatasaray heute Lazio im europäischen Teil der Stadt. Aber einfach ist meist nicht abwechslungsreich genug und so ging es für Ole, Fat Lo, El Glatto und mich von Istanbul weiter nach Valencia. Einer Stadt, bereits bestens bekannt und ebenso bewundert, seit Hannovers Gastspiel bei UD Levante vor gefühlt 15 Jahren.

Hier regiert der SCR

Im Flughafen von Valencia war dann auch alles voll mit Wienern, Nürnbergern (Rapids Freunde) und Neapolitanern (Napoli spielte in Valencias Nachbarstadt Villareal). Wir schafften es ohne angelungert zu werden in die Metro und fuhren für faire 4,15 € zur zentralen Station Xativa an der Stierkampfarena. Natürlich empfing uns Valencia mit milden Frühlingstemperaturen (für Nordeuropäer T-Shirt-Wetter). Wie sollte es auch anders sein.

Bienvenido a Valencia

Der Check-In in unser Appartement war erst ab 16:00 Uhr möglich, also zogen wir unsere Köfferchen zunächst Richtung Plaza de la Reina, wo die Filiale der beliebten Kette 100M mit ihren Angebot unsere Körper erfrischen und stärken sollte. Auf dem Weg dorthin kamen wir allerdings an der Bar Lizarran vorbei, auch noch bestens bekannt vom Levante-Trip 2012. Dort meinte El Glatto zu mir „Guck mal, da rechts vor der Bar steht ein richtig stabiler Haufen Wiener“ und ich schaute rüber und erspähte lauter bekannte Gesichter aus Wien und Hannover. Die Welt ist ein Dorf. Wir wurden herzlich empfangen und mussten fortan nicht nicht mehr auf eigene Faust unterwegs sein.

Tapas im Lizarran

Im Lizarran gab es wieder sauleckere Tapas, in denen immer ein kleiner (1,50 €) oder großer (1,90 €) Zahnstocher steckte, anhand derer am Ende abgerechnet wurde. Und kleines Bier (0,25l) kostete schmale 99 Cent, während für einen halben Liter 1,90 € aufgerufen wurden. Ferner gab es riesige Kelche mit Rum, Cola und Fruchtgarnitur für 4,90 €. Da wunderte es uns wenig, dass die Wiener und ihre hannoverschen Freunde dort schon seit Stunden verweilten. Wir lauschten ihren Geschichten des Vorabends und sie unseren aus Istanbul. Pikante Würstchen, Mini Hamburger und Tortillas beseitigten derweil unser Kaloriendefizit.

Markthalle von Valencia

Um 16:00 Uhr konnten wir nicht mal 250 Meter von der Tapas-Bar entfernt endlich unser Gepäck loswerden. Das Appartement von Flats 4 You für nur 30 € pro Tag war ein Traum. Modern und top eingerichtet empfing es uns und hatte genug Platz für vier Typen. Gut, das Schlafsofa war nicht so bequem, aber darauf musste der schreibende Don natürlich nicht liegen.

The street were we lived

Nachdem wir uns umgezogen und frisch gemacht hatten, ging es wieder ins Lizarran und wir stimmten uns vorzüglich auf das Spiel ein. Leider erreichte uns jetzt auch die Nachricht, dass Ultras Rapid und die anderen Wiener Ultragruppen das Spiel boykottieren werden. Im Stadion waren sämtliche Zaunfahnen und jegliche Kleidung mit dem Schriftzug Ultras verboten. Das wollte sich die Wiener Szene zurecht nicht bieten lassen. Ca. 300 Wiener trafen nun die schwere Entscheidung auf den Besuch des Fußballtempels Mestalla zu verzichten und Rapid nicht die gewohnte Unterstützung in diesem schweren Spiel zukommen zu lassen. Aber die Polizei, die auch der Heimseite den Schriftzug Ultras verbot (weil dort eine verbotene Gruppe mit Faschotendenzen den Namen Ultras trug), pochte auf gleiches Recht für alle und drohte damit die Fahne mit allen Mitteln zu konfiszieren und jeden Ultras-Pulliträger zu verhaften. Wer schon mal in Spanien eine Europapokalerfahrung hatte, weiß, dass das keine hohlen Phrasen sind.

Cathedral by night

Nichtsdestotrotz marschierten die Wiener Ultras um 18:45 Uhr geschlossen von der Kathedrale zum Mestalla und Ole schloss sich ihnen neugierig an. Fat Lo, Glatto und ich dagegen nahmen mit Wienern, Nürnbergern und Hannoveranern noch ein paar Drinks in einer Bar an der Kathedrale (Tourinepp mit Pint für 5 €). Dann zogen auch wir per pedes los und kehrten am Stadion in Manolos Bar ein. Valencias (und Spaniens) Kulttrommler betreibt direkt am Stadion eine Kneipe, pickepackevoll mit Fußballdevotionalien. Es gab eiskaltes Dosenbier für 1 € und weiterhin gute Gespräche mit alten und neuen Freunden. Die Vermischung von Wienern plus Anhang und den Valencia-Fans verlief dort völlig reibungslos. Ultras Rapid und Co verteilten sich auch irgendwo in den Pinten rund um das Mestalla und konnten dort meines Wissens komplikationslos Fußball schauen.

Zu Gast in Manolos Bar

20:30 Uhr beschlossen wir ins Stadion zu gehen und erklommen mittels Treppen den obersten Rang der Gegengerade. Oben angekommen, waren wir völlig aus der Puste. Steil, steiler, Mestalla kann man nur sagen. 12 € verlangte der Verein für einen Platz ganz oben. Schnäppchen, denn auf einer der steilsten Tribünen der Welt zu sitzen war fantastisch und rechts neben uns im dritten Rang der Hintertortribüne war der Rapid-Anhang. Trotz Boykott waren immer noch über 2.000 grün-weiße Schlachtenbummler unter den rund 35.000 Zuschauern auszumachen.

Estadi de Mestalla

Am Anfang klappte der Support auch noch. Zwei, drei Standardlieder kriegt der Anhang auch ohne Ultras hin. Dann wurde es still und alle zaghaften Anfeuerungsrufe verebbten schnell. Ferner tat der Spielverlauf sein Übriges, dass alle Wiener verstummten. Schon in der 4.Minute legte André Gomes für Santi Mina das 1:0 auf und in der 10.Minute schickte Mina wiederum seinen Mitspieler Parejo steil, der das 2:0 besorgte. Rapid wirkte wie gelähmt und fand weder vorne noch hinten statt. Folglich war auch das 3:0 nur eine Frage der Zeit. In der 24.Minute trug sich Santi Mina ein zweites Mal in die Torschützenliste ein. Jener glänzend aufgelegte Mina legte Negredo nur vier Minuten später das 4:0 auf. Und der Star des Abends hatte noch lange nicht genug; in der 35.Minute bereitete Santi Mina auch noch das 5:0 von Gomes vor.

Gästebereich der Wiener

Wir fühlten uns unweigerlich an Deutschlands 7:1 über Brasilien im WM-Halbfinale 2014 erinnert. Und die Österreicher dachten vielleicht an das 0:9 ihrer Nationalmannschaft anno 1999 im Mestalla gegen Spaniens Auswahl. Eine absolute Demontage des Rekordmeisters aus der Alpenrepublik. Uns schmeckten unsere Sonnenblumenkerne und der Studentenfuttermix Mr. Corn (je 1,50 €) dennoch. Den Wiener Fans wäre der Snack wohl im Halse stecken geblieben.

Die Heimseite

Dass das valencianische Publikum ganz aus dem Häuschen war, versteht sich ja fast von selbst. Der Stimmungskern hinter’m Tor schmetterte einen Hit nach dem anderen und teilweise stimmten auch die Sonnenblumenkerne-Picknicker auf unserer Tribüne mit ein. In Deutschland wäre das als guter Support durchgegangen, gemessen an Istanbul trotzdem bemitleidenswert leise. Fenerbahçe und Beşiktaş haben meine Messlatte jüngst sehr weit nach oben geschraubt. Dennoch, ein stimmungsvoller Abend! Die Ultras des Valencia CF ließen sich vereinzelt auf Händen durch ihren Block tragen und man versuchte sich ebenso an der La Ola.

Haupttribüne des Mestalla

Valencias Spieler behielten alles im Griff und lieferten jetzt Kabinettstückchen en masse. Vor das Tor kamen sie aber weniger zwingend. Warum auch? Vielleicht spielte auch etwas Mitleid mit dem Deutschen Fußballmeister von 1941 mit, der auf dem unaufhaltsamen Weg zur höchsten Niederlage seiner Europapokal-Geschichte war. In der 2.Halbzeit sollen die Wiener sogar mal auf’s Tor von Valencia geschossen haben. Aber ich habe das nicht gesehen und halte es für ein Gerücht. Valencia betrieb weiterhin seinen Galeriefußball, wich aber den Zweikämpfen in Strafraumnähe manchmal lieber aus. Kein Wunder, die Wiener Verteidiger waren schließlich sehr gefrustet. Dennoch schlugen die Fledermäuse noch ein letztes Mal zu. In 89.Minute besiegelte Rodrigo mit dem sechsten Treffer des Abends Rapids historische Niederlage.

Vier schnelle Helle

Wir hatten allerdings bereits eine Minute zuvor das Stadion verlassen und nahmen diesmal den Fahrstuhl anstatt das Treppenhaus. Unten schwangen wir uns in ein Taxi und ließen uns für schlappe 6 € zum Plaza de la Reina fahren. Ziel war das 100M. Leider sollte es bereits um 23 Uhr schließen, aber ein schnelles Helles (0,5 l Cruzcampo für 1,50 €) und ein paar Oliven gingen noch klar. Hier hielt man uns komischerweise für Engländer und wir wählten daher der Einfachheit halber britsiche Namen wie Adam, Toby und Robert. Nur El Glatto nannte sich Hugo, was die Spanier völlig verwirrte. El Glatto blieb nun auch den Resturlaub Hugo und nannte sich fortan überall so, wo der Name bei Fertigstellung des Mahls ausgerufen wurde (z. B. bei 100M, Starbucks oder Taco Bell).

Als uns das arbeitsmüde Personal des 100M rauskomplimentiert hatte, war der nächste Halt wieder das Lizarran. Dort waren immer noch die gleichen Girls vom Nachmittag am Tresen aktiv und sie freuten sich sehr uns zu sehen. Im Gegensatz zu nahezu allen anderen deutschsprachigen Szenen (u. a. Schalke und Hannover) ließen wir „Wiener“ eine gute Visitenkarte da. Kein Glasbruch, keine Belästigungen von Gästen oder Personal und vor allem keine Zechpreller. Das fand das Team super.

Unterwegs in den Gassen von Valencia

Nachdem auch die Pforten des Lizarran endgültig geschlossen hatten, suchten wir das Café Negrito auf. Das war mir als auch unter der Woche spät geöffnete Bar noch in Erinnerung. Und es war wirklich ganz cool da. Keine Wiener, keine Neapolitaner, keine Touris, sattdessen (außer uns) nur Einheimische anwesend und eine DJane namens Catalina Isis Millan legte ein funkiges Set auf. Wir feierten sie entsprechend ab und als ihr Tagwerk getan war, gesellte sie sich zu uns. Sehr nette Dame, die erst dachte wir wären Ösis und deshalb den musikalischen Gruß „Der Kommissar“ von Falco auflegte. Wir räumten das aus und sie war mehr als überrascht von unserem Feiertemperament. Schade, dass sie sich irgendwann in den wohlverdienten Feierabend verabschiedete. Zum Glück konnten wir auch ohne Catalina weiter Spaß haben und schwangen irgendwann nochmal das Tanzbein.

Party mit Catalina

Als wir alle auf der Tanzfläche waren, muss es dann passiert sein. Jemand hat uns was ins Getränk gekippt. Denn außer El Glatto, dessen Kelch bereits leer war, waren wir nach dem Leeren unserer Biere völlig out of order. Außerdem quatschte uns jetzt ein Pärchen an. Wir sollen unbedingt mit ihnen zu einer viel cooleren Party mitkommen. Zum Glück (im Unglück) fühlten wir uns schlagartig so scheisse, dass wir lieber sofort ins Bett wollten. Die beiden ließen aber nicht locker, was uns im Nachhinein schon sehr *räusper* spanisch vorkam. Ich mein‘, klar, wir sind verdammt coole und sauattraktive Typen, aber finden uns Spanier wirklich so cool, dass sie vier sehr betrunken wirkende Kerle aus dem Ausland auf eine Party mitschleppen wollen? Zumal wir erst freundlich verneinten und beim zweiten Anlauf schon sehr schroff reagierten. Und dann lassen sie trotzdem nicht locker. Sehr merkwürdig alles.

Tierisch am Zechen

Wir irrten dann völlig orientierungslos durch die Altstadtgassen (obwohl unser Appartement nur wenige 100 Meter entfernt war), aber schafften es tatsächlich noch ohne weitere Komplikationen in die Unterkunft. Dort schliefen wir sofort ein und am nächsten Vormittag ging es allen außer El Glatto megabeschissen. Wir hatten Herzrasen, uns war schwindelig und wir mussten uns alle erbrechen. Dass wir vom Rückweg alle außer Glatto einen Filmriss hatten, sprach ebenfalls für die These der KO-Tropfen-Falle.

Catedral de Valencia

Wir quälten uns mittags im wahrsten Sinne des Wortes aus der Wohnung, um dann wie Zombies durch Valencias Innenstadt zu spazieren. Nach einer halben Stunde brachen wir das Sightseeing ab und legten uns wieder schlafen. Erst am späten Nachmittag rafften wir uns nochmal auf. Immer noch recht benommen, wollten wir die touristischen Highlights von Valencia beehren. Doch auch die zweite Frischluftphase verbesserte das Befinden nicht merklich.

Torres de Serranos

Der avisierte Spielbesuch bei UD Levante vs. Getafe FC wurde schließlich gecancelt. Tat uns leid für El Glatto und wir taten in unserem Zustand El Glatto leid. Was ein Tag zum Vergessen! Ich war zum Glück als erster vom KO-Tropfen-Trio wieder halbwegs durch und konnte wenigstens mit unserem „Hugo“ am späten Abend zu Taco Bell gehen. Der Fast Food Ground fehlte uns beiden noch in Europa. Dabei philosophierten wir darüber, dass die beiden Fremden gestern bestimmt von der Organmafia waren und hinter unseren Lebern her waren. Jetzt, wo sie gesehen hatten, dass uns selbst KO-Tropfen nicht sofort ausknockten, mehr denn je.

From Hell to Taco Bell

Samstagmorgen war ich endgültig wieder durch, aber Lo und O. immer noch K.O. (zwei Tage Kater sind von Alkohol wirklich unrealistisch). El Glatto und ich mussten nun nochmal alleine losziehen, um das Treiben in der Markthalle zu genießen und noch eine Horchata zu schlürfen, Valencias legendäre Erdmandelmilch-Spezialität. Ein letzter rund einstündiger Spaziergang in der prallen Mittagssonne folgte und dann mussten wir die beiden Durchhänger aus den Federn werfen, um pünktlich auszuchecken. Zu viert gingen wir nochmals ins Lizarran, wo heute Mittag große Tapas inklusive einem Getränk für 2 € offeriert wurden. Glatto und ich gönnten uns jeder ein Tortilla und ein Schinkenbaguette nebst Kaffee und spendierten Ole und Fat Lo noch einen Eistee (die konnten immer noch keine feste Nahrung zu sich nehmen).

Iglesia de Santa Caterina

Nach einer Stunde Chill Out in der Mittagssonne, war es an der Zeit ein Taxi zum Flughafen zu nehmen (für läppische 15 €). Deutschland rief und wollte pünktlich zum Abpfiff der Bundesligaspiele erreicht werden. Trotz der fiesen Attacke auf unsere Gesundheit und dem unvermeidlichen Arztbesuch am kommenden Montag, war es wieder ein starker (und preiswerter) Trip. Nicht mal 200 € all in mussten für drei Tage Valencia aufgerufen werden. Cheap, cheaper, Schneppe Tours!

Song of the Tour: Lassen wir die Wiener wenigstens einen musikalischen Ehrentreffer landen.