Lisboa (Lissabon) 01/2016

  • 23.01.2016
  • SL Benfica – FC Arouca 3:1
  • Primeira Liga (I)
  • Estádio da Luz (Att: 51.511)

Es ist ja nicht alles schlecht, was aus dem us-amerikanischen Wirtschaftsraum nach Deutschland schwappt. Der Black Friday, der hier eher ein Cyber Monday ist, weil er vorwiegend im Online-Geschäft zelebriert wird, hat mein elektronisches Postfach überquellen lassen. Alle Händler, die irgendwann mal meiner gesonderten Email-Adresse für E-Commerce habhaft wurden, lockten mit Sonderangeboten. Auch meine Hassliebe Ryanair mischte ganz weit vorne mit in der Rabattschlacht und ich musste mir die Frage stellen, ob ich mir von meinem Taschengeld ’ne Kiste Bier kaufe oder im Januar nach Lissabon fliege. Ein kurzer Blick in den übervollen Bierkühlschrank auf dem Flur und schon war die Entscheidung gefallen. Kurz noch Milano Pete, Pumba und El Glatto motiviert, während der studierende Teil des Tourismuskollektivs schon vorab über die Klausuren im Januar stöhnte und zähneknirschend passen musste.

Nachdem auch eine solide Unterkunft zum Gegenwert einer weiteren Kiste Bier (pro Nacht und Bett) gebucht war, hieß es sehnsüchtig warten. Anfang Januar, als in Portugal sehr kurzfristig die Ansetzungen des entsprechenden Spieltags fix terminiert wurden, stieg die Vorfreude nochmal ein Stück. Der Verband meinte es diesmal richtig gut mit uns und ermöglichte sowohl ein Heimspiel von Benfica am Sonnabend, als auch einen Kick bei Belenenses am Sonntag. Die perfekte Ergänzung zum Trip im Januar 2015, wo leider nur ein Heimspiel bei Sporting drin war.

Bahnhof Lissabon Santa Apolónia

Da an unserem Abflugtag am berüchtigten Terminal E des Bremer City Airports morgens nur unsere Maschine starten sollte, war frühes Erscheinen nicht geboten. So musste nicht geprüft werden wieviel Bleifuss sich mit Blitzeis verträgt und eine Ankunft 30 Minuten vor Abflug war völlig ausreichend. Der dreistündige Flug war mit der druckfrischen dritten Ausgabe des Zeitspiel-Magazins (lesenswert!) und etwas Dösen auch schnell vorüber. Dann begrüßte uns die Hauptstadt Portugals vormittags mit 18° C und Sonnenschein. Die Zeitkarten für den ÖPNV waren fix organisiert und mit der Metro fuhren wir zum Bahnhof Santa Apolónia, um zunächst am Ufer des Tejo die ersten eiskalten Super Bock in der Mittagssonne zu genießen.

Pakistanischer Fleischmix

Dort befindet sich auch eine der mutmaßlich besten Pizzerien der Stadt; das Casanova. Allerdings war der Laden so voll, dass allein 20 Leute im Gang standen und auf freie Tische warteten. Das bewog uns zum Rückzug, zumal wir auch nicht nur ’ne schnelle Pizza essen wollten, sondern auch ein wenig zu verweilen gedachten. Also ging es in das herrlich unseriöse Viertel zwischen Martim Moniz und Castelo, wo uns der Pakistaner unseres Vertrauens (Restaurant Taste of Pakistan) mit einer Platte aus Sheek Kebab, Garnelen, Hähnchen, Lamm und den landestypischen Beilagen versorgen durfte. Das Ganze war so üppig, dass es für den Rest des Tages reichen sollte und die Skepsis meiner Freunde war nach wenigen Bissen verflogen (aber klar, wenn ich durch Gassen voller Urin, Kot und deren lungernden Verursachern spaziere, erwarte ich eigentlich keine seriöse und wohlschmeckende Gastronomie).

Estadio da Luz

In unserem frischrenovierten Hotel in Arroios verfolgten wir im Anschluss an die Völlerei das Tun von 96 via Internet und waren zunächst positiv überrascht. Doch am Ende sahen wir es in der Heimat von 96-Neuzugang Hugo Almeida ein, dass der SV Darmstadt 98 wohl zur Zeit eine Nummer zu groß für 96 ist (2.Liga wir kommen!). Nach Abpfiff zogen wir sofort los zum Estádio da Luz (via Metro), um dort auf andere Gedanken zu kommen. Karten wurden regulär für den Oberrang der nördlichen Hintertortribüne zu 14 € erworben. Dort hätten wir neben dem Gästefanblock gesessen, wenn denn Gästefans mitgereist wären. Aber der Block blieb heute geschlossen. Lediglich zwei attraktive Portugiesinnen (ca. 20 und 40, mutmaßlich Mutter und Tochter), die selbst das gelb-blaue Arouca-Jersey nicht entstellen konnte, waren in unserem Block zu erspähen und reckten die Schals ihres Clubs in die Höhe.

Milano & Me

Ihr Club aus einer kleinen Gemeinde (3.200 Einwohner) im Norden des Landes, der 2013 erstmals in die Primeira Liga aufstieg, schloss die letzten beiden Spielzeiten auf den Plätzen 12 und 16 ab und steht aktuell auf einem für sie hervorragenden 8.Platz. Benfica dagegen ist Zweiter, aber nahezu gleichauf mit den beiden Rivalen FC Porto (3.) und Sporting (1.). Ein Heimsieg war Pflicht, um in diesem aktuell sehr spannenden Dreikampf gute Aussichten auf die Krone zu behalten.

Blick in die kleinere der beiden Fankurven

Damit Benficas Fans so richtig in Stimmung kommen, lässt der Verein kurz vor Anpfiff einen Adler durchs Stadion fliegen. Danach lauscht man der Clubhymne aus 50.000 Kehlen an Robert Enkes alter Wirkungsstätte. Man kann zu gut verstehen, warum in Enkes Biographie geschrieben steht, dass die Zeit in Lissabon die schönste in seinem Leben war. Fantastische Stadt, fantastische Menschen, fantastischer Club und fantastisches Stadion! Und gewagte Küchenpsychologie: Vielleicht war es auch der melancholische Fado und das nur schwer in Worten zu beschreibende portugiesische Lebensgefühl des Schwermuts namens Saudade, was diesem Mann hier ein Gefühl von seelischer Heimat vermittelte.

Haupttribüne des Fußballtempels

Hier im Stadion lag allerdings wenig Schwermut in der Luft und das Spiel begann mit einem Paukenschlag. 1:0 für Arouca in der 1.Minute! Aber denkste, denn der Schiedsrichter entschied auf Abseits. Jetzt waren alle wach und Benfica ging in der 3.Minute durch Pizzi in Führung. Fortan trug der Hausherr viele schöne Angriffe auf das Gästetor vor und Arouca kam kaum zu entlastenden Kontern. Nach 18 Minuten wurden wir schließlich Zeuge wie Kostas Mitroglou einen Kopfball von Lisandro López mit der Hacke ins Tor verlängerte. Das wohl schönste seiner bisherigen 8 Ligatore in dieser Saison. Danach verflachte die Partie etwas. Benfica blieb zu jeder Zeit der Herr der Lage, aber ihre schönen Kombinationen mündeten nicht mehr zwingend in Torchancen.

E pluribus unum

Auf den Rängen wurde der offenbar ungefährdete Heimsieg lautstark begleitet, bis es ab der circa 40.Minute unruhig in der Heimkurve wurde. Nicht wenige Leute fingen an sich aus unerklärlichen Gründen durch den Block zu scheuchen. Ein paar Typen sprangen auch über die Bande und behelmte Polizisten betraten den Schauplatz. Das Gerangel schien sich nun vorwiegend im Umlauf der Tribüne fortzusetzen, aber pünktlich mit dem Halbzeitpfiff verlagerte sich der Raufhändel wieder in den Block. Laut Medien sollen die No Name Boys, die fanatischste Ultragruppe von Benfica, Auslöser des Konflikts gewesen sein. Aber A Bola und Co sind mir Quelle zu dünn und den Konflikt der NN-Boys mit dem Verein und mit anderen Fangruppen hier aufzuarbeiten, würde den Rahmen sprengen.

Flurkunst in der Pensao Amor

Daher zurück zu den Akteuren auf dem Platz, die in der 2.Hälfte weiterhin guten Fußball boten. Besonders auffällig war der erst 18jährige Spielmacher Renato Sanches. Wenn der immer so kickt, wird er a) bald Nationalspieler und b) mittelfristig sehr viel Geld in Benficas Kasse spülen. Insgesamt war mit Pizzi, Sanches, Samaris und später auch Gaitán und Talisca viel Qualität im Mittelfeld der Roten zu bewundern. Im Sturm brillierte neben Mitroglou (an dem die Roten aus Hannover auch mal interessiert gewesen sein sollen) der aktuelle Toptorjäger Jonas, der in der 67.Minute sein 19.Tor im 19.Ligaspiel schoss. Arouca hatte dem wenig entgegen zu setzen und konnte maximal kämpferisch überzeugen. In der Nachspielzeit belohnten sie ihren Einsatz noch mit dem Ehrentreffer. Da auch die Konkurrenz an diesem Spieltag nicht schlief, blieb die Tabelle an der Spitze unverändert. Benfica ist weiterhin zwei Punkte hinter dem Stadtrivalen Sporting Clube und drei Punkte vor dem FC Porto. Wie gern wäre ich doch bei den kommenden direkten Duellen des Trios zugegen.

Publife

Das heutige Fußballerlebnis sollte erstmal in einer Szenekneipe am Cais do Sodre namens Pensão Amor aufgearbeitet werden. Das ist ein früheres Bordell, in dem zwar das sündige Treiben schon vor langer Zeit beendet wurde, aber optisch keine großen Veränderungen vorgenommen wurden. So schlürfen die lokalen Hipster in einem historischen Puffambiente ihre Cocktails und Shots. Schon eine supergeile Bar, aber eben auch kein Geheimtipp, nicht gerade günstig (3,50 € für 0,5 l Bier) und überlaufen mit Touris (zumindest am Samstagabend). Ab 22 Uhr gilt dann die Nachtkarte, was alle Getränke preislich nochmal erhöhte. Für uns der perfekte Anlass hoch ins Bairro Alto zu wandern, wo richtig der Bär steppte. Im aufgesuchten Irish Pub war das Bier zwar noch teurer als in der Pensão Amor (5 € für 0,5 l Super Bock sind vergleichsweise hart für Lissabon), aber das Publikum war jeden Cent wert. Rotzvolle Britinnen stellten auf dem Boden des Pubs den Judokampf nach, der im TV übertragen wurde. Ansonsten führten sie sich fast auf wie jüngst der silvesterliche Sexmob vom Kölner Hauptbahnhof, nur ohne inkludierten Taschendiebstahl.

A beer with a view

Nachdem ihre männlichen Begleiter die Girls aus dem Laden getragen hatten, bestellten wir auch keine weitere Runde mehr und lungerten fortan am Miradouro de São Pedro de Alcântara, einem Park im Bairro Alto mit traumhafter Aussicht. Hier war es proppenvoll und das junge Lissabon verzehrte bis tief in Nacht mitgebrachten Alkohol und berauschende Rauchwaren. Absoluter Hotspot für eine Samstagnacht und wir marschierten erst spät in der Nacht über die Avenida da Liberdade, sozusagen den Champs-Élysées Lissabons, zurück zum Hotel.

  • 24.01.2016
  • CF Os Belenenses – Vitória SC Guimarães 3:3
  • Primeira Liga (I)
  • Estádio do Restelo (Att: 5.137)

Am Sonntag verließen wir gegen 10 Uhr die Unterkunft, um den beschwerlichen Anstieg zum Castelo de São Jorge auf uns zu nehmen. Da nicht alle in unserer Reisegruppe mit ihrem aktuellen Gewicht zufrieden sind, ignorierten wir die tricky Abkürzung, die man mittels Fahrstuhl eines mehrstöckigen Parkhauses von der Unterstadt zum Burgberg nehmen kann und hatten uns oben erstmal eine Pause in der strahlenden Sonne verdient.

Das Castelo

Ein anschließender Spaziergang durch die traumhafte Alfama führte uns in ein unscheinbares und anscheinend namenloses Restaurant. Dass die Tische mit reichlich Locals besetzt waren, war wieder eine sich erfüllende Prophezeiung für gute und preiswerte Küche. Für 7,50 € konnte man zwischen drei Fleisch- und zwei Fischgerichten wählen (u. a. die Klassiker Bacalhau und Cozido) und bekam außerdem ein Getränk und ein Dessert nach Wahl dazu (Brotkorb und Espresso waren auch inklusive). Wir wählten, ohne genaue Vorstellung was uns erwartet, ein Fleischgericht bei dem der Begriff Assada stand. Denn der weckte bei uns Assoziationen mit dem geliebten argentinischen Asado. Bekommen haben wir vorzügliche saftige Rippchen vom Grill mit Fritten anbei.

Blick über die Alfama

Nach dem Essen pilgerten wir nochmals zum Miradouro des Vorabends. Dort versorgten wir uns mit gezapften Bieren aus dem nahen Dönerladen (20 cl Super Bock für 0,90 €) und genossen die pralle Sonne, das geile Panorama und die musikalische Begleitung der Straßenmusiker. Lässiger kann ein Nachmittag kaum sein. Doch es steckte noch genug Restdeutscher in uns, um pünktlich gegen 15 Uhr nach Belém aufzubrechen. Dort liegt ja bekanntlich neben den UNESCO-Welterbestätten Torre de Belém und Mosteiro dos Jerónimos auch das zauberhafte Estádio do Restelo, Heimstatt des Os Belenenses, welcher dort um 16 Uhr den Vitória SC aus Guimarães empfing.

Streetart

Karten waren dort alles andere als schnell organisiert, trotz geringer vierstelliger Zuschauerzahl. Aber wer wie wir mindestens 30 Minuten vor Anpfiff da war, schaffte es gerade noch pünktlich ins Stadion. Leider gab es an unserer Kasse nur Karten für den Unterrang der Gegengerade und die favorisierte Hintertortribüne am Hang, die einen fantastischen Ausblick auf den Tejo geboten hätte, war gänzlich geschlossen. Na ja, so gab es keine Ablenkung vom Blick auf das satte Grün und das war heute gut so. Denn das Spiel, bei dem historisch gesehen Portugals sportliche Nr. 4 und Nr. 5 aufeinander trafen, war großartig.

Estádio do Restelo

Os Belenenses, zur Zeit im Tabellenmittelfeld jenseits von gut und böse unterwegs, spielte gegen den Gast aus Nordportugal von Anfang an auf Heimsieg. Zwei schöne Treffer von Miguel Rosa (8.Min) – wertvollster Spieler laut Transfermarkt – und Marko Bakic (25.) – erst unter der Woche vom AC Florenz ausgeliehen – ließen die Hausherren zweimal jubeln. Dann kamen die Spieler aus Guimarães besser in die Partie und der Ivorer Bouba schaffte es nach 36 Minuten den Anschluss herzustellen. Endlich was zu jubeln für die bisher wenigen anwesenden Gästefans.

Die Fans aus Guimaraes kommen an

In der 40.Minute kam nun der aus Guimarães angereiste Fanmob der White Angels an und sie durften sogleich den Ausgleich ihrer Liebe via Eigentor bejubeln. Außerdem erhöhten sie die Zuschauerzahl im Gästeblock von 40 auf 400. Es ging also Unentschieden in die Pause, während ein paar hundert Jugendkicker von Os Belenenses eine Stadionrunde drehten und sich dabei von ihren Angehörigen bejubeln ließen. Die Gäste aus Guimarães beflaggten in der Zwischenzeit ihren Block ausgiebig und in der 2.Halbzeit sollten sie 45 Minuten Alarm machen. Starke Gesänge, Mitmachquote von 96 % und schöne Riesenschwenk- wie Zaunfahnen waren ein optischer und akustischer Genuss für uns. Das war das Sahnehäubchen eines eh schon tollen Spiels in einem ebenso großartigen Stadion.

Freude über das zwischenzeitliche 3:2

Die Hausherren kamen dabei besser aus den Katakomben zurück und drängten auf eine neuerliche Führung. Richtig unruhig wurde es wieder in der 63.Minute. Es gab ein ganz offensichtliches Handspiel von Vitória im Strafraum, doch der Pfiff blieb aus. Nur eine Minute später erzwang der Gastgeber mit dem nächsten Angriff die verdiente Führung. Mit Juanto traf ein weiterer Neuzugang – aus der spanischen Segunda División von UE Llangostera gekommen – ebenfalls im ersten Spiel für den neuen Arbeitgeber. Guimarães steckte den neuerlichen Rückstand gut weg und machte nun mehr Druck, doch auch Belenenses blieb torgefährlich. Das vermeintliche 4:2 in der 73.Minute wurde Os wegen einer Abseitsposition nicht zugesprochen und drei Minuten später machte Vitórias Henrique mit einem geilen Schuss aus 20 Metern in den rechten Winkel das 3:3. Auch danach gab es weiterhin Chancen auf beiden Seiten im Minutentakt. Starke Nummer, bei der der Hauptstadtclub den Sieg etwas mehr verdient gehabt hätte, aber es blieb beim 3:3.

Mosteiro dos Jerónimos zur Blauen Stunde

Nach dem Spiel genossen wir den Einbruch der Dunkelheit im schönen Belém. War schon toll am berühmten Mosteiro dos Jerónimos beim Wechsel vom Tage zur Nacht zuzuschauen. Zuerst tauchte die Abendsonne das Bauwerk in ein herrliches Licht und danach leuchtete das Gebäude künstlich in die Blaue Stunde hinein. Zur Feier des Tages holten wir uns jeder einen Dreierpack Sagres und chillten nach Einbruch der Dunkelheit am Torre de Belém. Auch am Abend nett dort und vor allem gänzlich tourifrei.

Ein Prosit auf das Weltkulturerbe

Das sah beim nächsten Ziel, der liebgewonnenen „Puffbar“ Pensão Amor natürlich anders aus, aber der letzte freie Tisch wurde unser. Als nach 22 Uhr wieder die für Ortsverhältnisse gesalzenen Nachtpreise greifen sollten (z. B. Bier für 4,50 €), brachen wir erneut auf und lungerten, mit Proviant vom Kiosk, am wunderschönen Praça do Comercio am Ufer des Tejo. Und rechts neben uns betrunkene Britinnen, die als Mädchenchor mit Bonnie Tyler’s „Total Eclipse of the Heart“ unsere Herzen erwärmten. Lissabon, du bist immer so gut zu uns!

José I. im Mondschein

Nach Mitternacht begannen wir dann unseren Nachtspaziergang zum Hotel und kurz vor jenem hatte sogar noch ein Kiosk geöffnet. Also nochmal einen letzten Absacker gekauft und noch ’ne Stunde bei immer noch milden Temperaturen in einem Park unseres Viertels alte Fußballgeschichten aufgewärmt. In Deutschland wäre unser Gelächter garantiert als nächtliche Lärmbelästigung durchgegangen. Aber hier im Süden lebt man ja bekanntlich in einem anderen Rhythmus.

Pizza Trentino im Casanova

Wenig überraschend schliefen wir Montag etwas länger und beschlossen mittags nochmal beim Italiener von Samstag anzugreifen. Diesmal war er zwar auch gut gefüllt, aber einer der Tische wurde ohne Wartezeit unser. Zunächst einmal gönnten wir uns die Spezialität des Hauses, nämlich frittierten Büffelmozzarella. Ein Gaumenschmaus, der Lust auf mehr machte. Das Mehr kam wenig später in Form von Pizza auf den Tisch. Ich entschied mich wie zwei meiner Freunde für die Pizza Trentino mit Carne Salata. Nur Milano-Pete kam nicht an der Pizza Pugliese vorbei. Er musste einfach wissen ob jene so schlecht schmeckt, wie Giuseppe Pugliese Fußball spielt. Zum Glück war das Gegenteil der Fall und wir alle vier konnten Superlative zum Beschreiben unseres Essens verwenden.

Linie 28

Jeder 20 € ärmer, gingen wir gut gesättigt zwei Low-Budget-Klassiker Lissabons an. Erst sollte uns die Straßenbahnlinie 28 in ihren uralten Wagen durch die Alstadtgassen Lissabons transportieren. Ein Muss in Portugals Kapitale und eben quasi eine Stadtrundfahrt für lau. Danach ging es mit der Fähre vom Cais do Sodré rüber nach Almada (1,20 € für eine Tejo-Überfahrt waren auch ein gutes Geschäft) und dort hoch zur Statue Cristo Rei, von wo man einen fantastischen Blick auf Lissabon hat. Hier blieben wir bis zur Dämmerung, um dann am Hafen von Cacilhas (oder Kasalla, wie es die Fans von Thorsten Legat in unserer Gruppe nannten) zu Abend zu essen. Gereicht wurden großartige Francesinhas, deren Fleisch vor unseren Augen auf Holzkohle gegrillt wurde. Mit Bier dabei, wurde man gerade mal 10 € los. Es ist einfach zu schwer in Lissabon arm zu werden.

Cristo Rei

Wieder am Cais do Sodré angekommen, war die geliebte „Puffbar“ gleich in Sichtweite, so dass sich die Frage was wir als nächstes machen gar nicht erst stellte. In den gemütlichen Sesseln dieses Etablissements wurde nun mehrere Stunden nur noch völliger Mummpitz geredet. Eine fiktive Person namens Schneppe wurde in unseren Geschichten wegen GEZ-Hinterziehung zu lebenslanger Haft verurteilt. Am Ende der 25 Jahre hinter Gittern (Haftverkürzungen sind für GEZ-Hinterzieher in Deutschland natürlich wegen ihrer schlechten Sozialprognose so gut wie ausgeschlossen) stand der Protagonist unserer Geschichte auch noch vor der Privatinsolvenz, da die Forderungen der GEZ selbstverständlich nicht verjährt waren. Wie die meisten der Fernseh- und Radiokonsumenten in Deutschland rutschte auch Schneppe in die Beschaffungskriminalität ab. Schließlich wurde noch über hinterlistige Ehefrauen philosophiert, die zusammen mit ihrem Liebhaber dem Ehegatten ein nicht angemeldetes Taschenradio unterjubeln und ihn somit für Jahrzehnte aus dem Verkehr ziehen. Und natürlich über Til Schweiger, der für seinen Arbeitgeber ARD mit C4-Ladungen die Wohnungstüren von potentiellen Schwarzsehern aufsprengt. Und, und, und…

An evening in the Pensão Amor

Das war ein würdiger Ausklang für den zweiten Trip binnen 12 Monaten nach Lissabon. Gut möglich, dass es nächsten Winter schon wieder nach Portugal geht (dann aber vielleicht mal wieder nach Porto oder an die Algarve). Zumindest wenn die Kosten wieder so unverschämt niedrig werden, wäre das eine Option. Allerdings muss bei gerade mal 10 bis 12 Urlaubsreisen im Jahr auch für ausreichend Abwechslung gesorgt werden. Da könnte es kommenden Winter auch mal ganz woanders hingehen. Doch das ist ja noch ein bisschen hin und erstmal steht ein zweiter Winterurlaub in diesem Jahr vor der Tür, der mich zwar in etwa auf den gleichen Breitengrad wie Lissabon bringt, allerdings ca. 26.000 Kilometer westlich von Portugal. Mal sehen wie es mir dort gefällt. Die Messlatte für 2016 hat Lissabon jedenfalls schon recht hoch gelegt.

Song of the Tour: Als diese Hymne geschrieben wurde, war die Pensão Amor noch ein richtiger Puff.