Lombardei 02/2015

  • 01.03.2015
  • FC Internazionale – ACF Fiorentina 0:1
  • Serie A (I)
  • Stadio Giuseppe Meazza (Att: 39.310)

Für 2015 hatte ich mir fest vorgenommen nach vielen Jahren mal wieder italienischen Fußball zu gucken. Sehr früh sprang mir das Wochenende um den 1.März ins Auge, da Atalanta ein Heimspiel am Samstagnachmittag haben sollte und Inter auf Sonntagabend 18:00 Uhr terminiert wurde. Dazu standen im Großraum Mailand einige Spiele in der Serie B und der Serie C (welche mittlerweile Lega Pro heisst) an, so dass eventuell noch mehr Fußball möglich war. Neben den Stadien und Fußballspielen, waren die Städte Bergamo und Mailand natürlich obendrein für ein paar Tage Urlaub sehr reizvoll. Gerade von Bergamo schwärmte mir jüngst ein Freund beim Aperitif vor einem Konzert der Formation Wanda vor. Ironie des Schicksals war, dass ich für diese Italien-Tour den attraktiven Doppler Wanda + Kraftklub in Hannover sausen lassen musste. Nur ein Trip nach Bologna statt Bergamo wäre noch ironischer gewesen.

The street where we lived

Nun denn, da ich das altehrwürdige Stadio Giuseppe Meazza nicht als einziger auf der Agenda 2015 stehen hatte, war eine Reisegruppe schnell zusammen. Wenn man Freunde hat, die auf Namen wie Milano Pete oder Gianni di Lorenzo (a. k. a. Fat Lo) hören, auch kein Wunder. Wundersamer war da schon, dass ich dennoch die besten Italienischkenntnisse der Gruppe hatte. Den frühkindlichen Musikeinflüßen von Gianna Nannini sei Dank. Ehrensache, dass die toskanische Rockröhre auf der Fahrt zum Flughafen Niederrhein aus den Boxen dröhnen durfte. Und als wäre das noch nicht musikalisch genug, hieß unsere Unterkunft in Bergamo Giada Donizetti (benannt nach dem großen Opernkomponisten Gaetano Donizetti). Ironischerweise war sie überbucht, so dass wir ein Upgrade bekamen und in einem luxuriöseren Hotel in der Nachbarschaft untergebracht wurden. Zu diesem führte uns die hochattraktive Hotelfachfrau Nadia, die nicht mit Tipps rund um den Aufenthalt in Bergamo geizte. Da eines unserer Zimmer „L’Elisir d’amore“ hieß, blieb zum Glück auch in der neuen Unterkunft der Donizetti-Bezug gewahrt.

Stippvisite in Monza
  • 28.02.2015
  • AC Monza Brianza – Unione Venezia 1:2
  • Lega Pro, Girone A (III)
  • Stadio Brianteo (Att: 1.186)

Nun hätte es eigentlich so langsam zum Stadio Atleti Azzurri d’Italia gehen müssen, wo am heutigen Sonnabend Sampdoria bei Atalanta gastieren sollte. Aber da das Spiel kurzfristig auf Sonntag verlegt wurde, bestiegen wir stattdessen einen Zug ins 40 km entfernte Monza. Ironie des Schicksals? Nein, schon scheisse! Aber auch nicht zu ändern und zum Glück hat Monza noch mehr zu bieten als einen weltbekannten F1-Circuit. Zum Beispiel eine schöne Altstadt, in der es sich herrlich flanieren lässt und deren Dom natürlich besonders hervorzuheben ist. Um 600 wurde erstmals an diesem Sakralbau gewerkelt, was den Ursprungsdom (wovon aber durch zahlreche Umbauten nicht mehr viel zu sehen ist) zu einer der ältesten Kirchen der Lombardei macht. Beim Gang rund um Duomo, Broletto und Villa Reale war nur leider die falsche Tageszeit, um endlich das ausgefallene Mittagsessen nachzuholen.

Kathedrale von Monza

So ging es mit hungrigem Magen weiter zum Fußballstadion der Stadt; dem Brianteo. Das wurde 1988 eröffnet und ist eine der typischen italienischen Betonburgen. Immerhin hat man das Grau vor nicht all zu langer Zeit mit etwas Farbe in Clubfarben Rot und Weiß ergänzt. Im Stadion, welches nur auf der Haupttribüne überdacht ist, waren lediglich Heimkurve und jene Haupttribüne geöffnet. Völlig ausreichend bei der tristen Kulisse von gerade mal 1.186 Zuschauern (Kapazität: knapp 19.000 Plätze).

Ankunft am Stadion der Stadt

Gästefans aus Venedig waren keine angereist und wir kamen nun erstmals in Berührung mit der lästigen fanfeindlichen Gesetzgebung im italienischen Fußball. Tickets gibt es nur personalisiert nach Vorlage des Ausweises. Für Gästefans ferner nur nach Erwerb einer Fancard namens Tessera del Tifosi oder gar nicht. Je 20 € durften wir dann für Tribünenkarten löhnen (ein Stehplatz in der Kurve hätte 12 € gekostet) und ich konnte jeden Tifosi verstehen, der nicht bereit war diese Kohle zu investieren. Denn was auf dem Rasen geboten wurde, war nicht schön anzusehen und die 150 Ultras waren zwar um Stimmung bemüht, aber für mitreißende Fußballatmosphäre konnten sie auch nicht sorgen.

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Nicht viel los im Brianteo

Ich erwartete natürlich nicht viel von zwei Teams aus dem unteren Mittelfeld der 3.Liga, aber es ärgerte mich schon, jetzt nicht Serie A in Bergamo gucken zu können und stattdessen verhältnismäßig viel Zeit und Geld für diesen Gammelkick investiert zu haben. Dass unsere Mägen leer waren und der Kiosk in der Haupttribüne sich nicht aufdrang das zu ändern, trug natürlich zur weiteren Unzufriedenheit bei. Fußballerisches Highlight war das direkte Freistoßtor der Hausherren zum 1:0 in der 17.Minute. Die Venezianer konnten in der 38.Minute ausgleichen (Flanke, Kopfball, Tor; Zaccagni auf Guerra), mussten aber kurz vor der Pause eine gelb-rote Karte hinnehmen. Wir hofften auf eine Antwort Monzas in der 2.Hälfte, aber ihr Angriffsspiel war sowas von unvariabel und die Außen, über die es ausschließlich lief, brachten nichts Gefährliches in den Strafraum. Besonders der Linksaußen Giuseppe Pugliese (ich musste es einfach googlen, wer so schlecht ist), stokelte sich einen ab, dass ich irgendwann nicht mehr verstehen konnte, warum der überhaupt noch Anspiele bekam. Dass der Mann im Winter aus der Arbeitslosigkeit geholt wurde, wunderte jedenfalls nicht. Okay, dass er verpflichtet wurde schon, aber nicht, dass er bis dahin ohne Verein war.

Monzas Ultras

In der 58.Minute machte Unione Venezia in Unterzahl das 1:2 (wieder Flanke, Kopfball, Tor und wieder die beiden gleichen Akteure) und Monza stokelte bis Spielende fröhlich weiter. Mit gefühlt 96 % Ballbesitz, aber 0 % Torchancen. Kommt euch bekannt vor? Mir auch. Aber es war viel schlechter als heuer in Hannover. Wenn auch Pugliese gut ins Beuteschema von 96-Sportdirektor Dirk Dufner passen würde. Ob der Monza-Manager laut Eigenaussage vor dessen Verpflichtung eigentlich mit einem anderen Spieler (einem Topspieler) schon einig war, der angeblich unbedingt zu Monza wollte, aber dann doch absagte? Man weiß es nicht.

Haupttribüne Brianteo

Bis zum Ende durchzuhalten war nicht einfach, aber wir haben es geschafft und entschwanden dann verdient ins Abendessen. Dazu fand sich zwischen Stadion und Bahnhof ein Ristorante, welches gute Pizzen und große Birra Moretti servierte und dazu Musik spielte, die wir nicht unbedingt erwarteten. La Bouche, Haddaway und Paul Elstak beschallten den Raum und passten nicht so recht zu gut gekleideten Kellnern und den vornehm eingedeckten Tischen. Da wurde wohl vor 20 Jahren letztmalig in eine CD investiert. Aber uns gefiel es und es unterstrich, dass man hier nicht auf Mailänder Ausgehetikette mit Primo und Secondo bestand und auch ’ne Pizza mit Bier okay war.

Empor zur Oberstadt Bergamos

Nach dem Essen bestiegen wir dann wieder den Zug nach Bergamo und ließen den ersten Abend in der Oberstadt (Altstadt) sehr charmant ausklingen. Die Città Alta liegt deutlich über der Unterstadt und ist für 1,30 € mit einer Standseilbahn erreichbar. Oder für sportliche Menschen über viele Treppen per pedes. Oben angekommen, versprüht sie mit ihren engen Gassen, prächtigen Kirchen und schnieken Profanbauten ein herrliches Flair. Dazu hat man von diversen Punkten tolle Ausblicke. Im Norden grüßt das Alpenpanorama und im Süden blickt man auf die fruchtbare Po-Ebene. An diesem ersten Abend waren natürlich nur die Lichter der Unterstadt sichtbar (was auch sehr fotogen war), aber die kommenden Tage sollten wir die Panoramen noch bei Tageslicht geniessen dürfen.

Nachts unterwegs in Bergamo
  • 01.03.2015
  • AC Pavia – AC Mantova 2:1
  • Lega Pro, Girone A (III)
  • Stadio Pietro Fortunati (Att: 2.000)

Am Sonntag ging es bereits in aller Frühe an den Frühstückstisch, um 08:02 Uhr den Zug nach Mailand zu bekommen. Der Plan war morgens schon den Mailänder Dom zu besuchen, dann Punkt 10 Uhr im Inter Store Karten für das abendliche Spiel zu kaufen und noch vormittags nach Pavia zu düsen, wo der dortige AC einen rivalisierenden AC aus Mantova empfangen sollte. Den Dom so früh zu besuchen, war eine gute Entscheidung. Denn das aktuell mal gerüstfreie Bauwerk, war bei noch tief stehender Sonne sehr fotogen und der Platz war um 9 Uhr wenig belebt. Auch die leider sehr aufdringliche Afrikanerschar, die einen mit Glückbändern „beschenken“ will, war noch nicht so zahlreich und der Otto-Normal-Tourist schien sich noch im Hotelbett oder am Frühstückstisch aufzuhalten. Ob drinnen oder draußen, es ist ein prachtvolles und sehr imposantes Bauwerk und auch ein Gang auf’s Dach lohnt, wenn die Sichtverhältnisse gut sind.

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Mailänder Dom

Um 10 Uhr sollte nun der Inter Store an der benachbarten Passage öffnen (in der prächtigen Galleria Vittorio Emanuele II). Laut eines erfahrenen Groundhoppers wären dort problemlos Tickets zu bekommen. Doch seine Infos waren nicht mehr aktuell. Der Shop zieht es mittlerweile vor die horrende Miete in bester Lage (Tür an Tür mit Gucci, Prada und Louis Vuitton) ausschließlich durch Merchandise des FC Internazionale zu refinanzieren. Jene Sachen dürften auch die erschwinglichsten Kleidungsstücke in dieser exklusiven Einkaufspassage sein. Mailand ist eben Modemetropole und alle großen Label sind im Stadtbild sehr präsent. Sowohl durch ihre Shops, als auch ihre zahlreichen Träger. Der Mailänder und die Mailänderin sind in der Regel schon sehr elegant gekleidete Menschen. Aber anstatt nun Shopping Queen International zu drehen, zog es uns, unverrichteter Dinge in Sachen Tickets für das Abendspiel, per InterCity ins 30 km südlich gelegene Pavia. Dort sollte der Ball ja bereits mittags rollen.

Galleria Vittorio Emanuele II

Hildesheims Partnerstadt Pavia ist auch sehr besuchenswert und hat, wie so viele mittelgroße Städte im Großraum Mailand, eine schicke mittelalterliche Altstadt mit vielen sehenswerten Sakralbauten. Diese Bergamos, Brescias, Pavias, Comos, Cremonas etc. sprechen mich persönlich auch mehr an, als das überlaufene und exklusive Mailand. Wir nahmen uns ergo noch die Zeit für einen Stadtbummel und düsten dann mit Taxis zum Fußballstadion der Stadt.

Dom zu Pavia

Leider kam unser Taxifahrer irgendwann nicht mehr weiter und wir wollten zu Fuß an einer der zahlreichen Polizeisperren vorbei. Auch das war nicht möglich. Die Polizei teilte uns mit, dass es heute für uns Touristen keine Tickets gibt und wir uns für die nächsten Stunden ein anderes Programm überlegen sollen. Weil die Polizei in Italien ein ähnlich glaubwürdiger Ratgeber wie in Deutschland ist, ließen wir uns nicht entmutigen und wagten den großen Törn zum Stadioneingang. Da Strasse und Stadion von einem Fluss getrennt waren und die Brücken am Stadion fest in der Hand der Polizei waren, mussten wir nun einen großen Umweg mit vierstelliger Meterzahl gehen, um den Fluss zu überqueren und uns im Rücken der Polizei über einen Fußweg ans Stadion ranzupirschen.

Karmeliterkirche Pavia

Dort erst einmal angekommen, war es für die Delegation aus der deutschen Partnerstadt natürlich kein Problem an Tickets zu kommen. Nur das übliche und langwierige Prozedere mit den personalisierten Tickets blieb uns auch hier nicht erspart. Perso abgeben, personalisiertes Ticket erstellt bekommen und dann Abgleich von Ticket und ID am Eingang. Für Gelegenheitsbesucher unumgänglich und daher bleiben sie nun einfach meist dem Stadion fern. Gut, dass die circa 2.000 anwesenden Fans als unentwegt beschrieben werden können und dementsprechend auch leidenschaftlich supporteten. Auch rund 150 Gästefans waren darunter und brachten die nötige Würze in die Partie. Laut dem Polizeiführer von zuvor war es ein brisantes Derbiii, aber davon war jetzt nicht soviel zu spüren. Unflätiges verbales Duellieren durchaus, aber wie das 3.Liga-Hassderby schlechthin wirkte es nicht. Wir waren jedenfalls heilfroh nicht nochmal Zeit und Geld (diesmal faire 15 € für die Haupttribüne) für so einen Mist wie am Vortag investiert zu haben. Hier gab es Leidenschaft auf den Rängen und ein gutes Spiel auf dem Rasen wurde ebenso geboten.

Stadioneingang Pavia

Der Tabellendritte aus Pavia (punktgleich mit dem Tabellenführer Alessandria und dem Zweiten Novara) spielte strukturiert und offensiv, während Mantova (aus der Tabellenregion von Monza und Venedig) gut dagegen hielt. Kein Vergleich zu den erbärmlichen Tabellennachbarn vom Vortag. Bereits nach 13 Minuten klingelte es allerdings im Gästetor. Winterneuzugang Mattia Marchia knipste nach Vorarbeit von Fabian Ernsts italienischem Zwillingsbruder Andrea Soncin. Allerdings steckte Mantova nicht auf und probierte mehrfach aussichtsreich auszugleichen. In der 31.Minute kam der umtriebige Stürmer Said Ahmed Said im Strafraum von Pavia zu Fall und verwandelte den zweifelhaften Elfmeter selbst. Da stürmte der Gästemob zum Zaun und feierte extrem, während die Spieler vor Freude erstmal ’ne Bande vor’m Gästeblock umkickten. Große Emotionen waren geboten, so wie man sich das als Fan wünscht.

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Heimkurve im Stadio Pietro Fortunati

Nach der Pause, in der eine unfassbar hässlich geschminkte junge Dame mit Pavese-Schild und anderen jungen Leuten auf dem Rasen rumstand (ich habe deren Auftrag leider nicht verstanden), blieb die Partie weiterhin offen. Jedoch mit Vorteilen für den AC Pavia, der mittlerweile in chinesischer (Investoren-)Hand ist und unbedingt in die Serie B hoch soll. So konnte Mattia Marchia in der 57.Minute seinen Doppelpack schnüren und „Fabian Ernst“ jubelte jetzt pöbelnd vor’m Gästeblock. Die Ultras aus Mantova bauten danach trotz Provokation etwas ab, während sich die Paveser in Feierlaune sangen. Es war dennoch gutes Supportniveau und schön zu sehen, wie im Gästeblock (den wir besser im Blick hatten) auch ein Rentner in der ersten Reihe mitsang und viele Ultras älteren Semesters waren. Im Mutterland der Ultras ist man eben nicht nur bis maximal Mitte 20 voll dabei.

Die Gäste aus Mantova

Pavia tütete die drei Punkte verdient ein und bleibt heißer Aufstiegsanwärter. War nett, die gelöste Siegesfeier von Mannschaft und Fans zu sehen. Erinnerte an eine norddeutsche U23 und ihre temporär stark angewachsene Fanschar, die leider in letzter Zeit nicht mehr ganz so oft jubeln durften. Wir spazierten dann zum Bahnhof und entdeckten dort günstiges Dosenbier. Da hatten wir jetzt richtig Bock drauf und deckten uns für die bevorstehende Fahrt nach San Siro mit allen Peroni-Dosen ein, die der Paveser Krämer feilbot.

La Banda di Birra

Das kühle Gold formte uns binnen kurzer Zeit zu humorvollen und lockeren Menschen, machte aber auch nachlässig. Denn Milano GP stand nicht für den anvisierten Bahnhof Porta Garribaldi, sondern für Greco Pirelli. Stocknüchternen Profis wäre der Buchstabendreher aufgefallen. Eine alte Dame wies uns darauf hin, dass wir am Endpunkt waren und erkannte schnell, dass das so nicht geplant war. Hilfsbereit nahm sie uns an die Hand, studierte den Fahrplan und lieferte uns am Gleis des nächsten Zuges nach Milano PG ab. Wäre nicht unbedingt nötig gewesen, aber trotzdem „Mille Grazie, vecchia Signora“!

Back in Milan
  • 01.03.2015
  • FC Internazionale – ACF Fiorentina 0:1
  • Serie A (I)
  • Stadio Giuseppe Meazza (Att: 39.310)

Nachdem der Bahnhof Porta Garribaldi wesentlich später als geplant erreicht war, wechselten wir ins Metronetz, wo auch bereits die neue Linie bis zum Stadion in San Siro eingezeichnet und ausgeschildert war. Soll wohl bald eröffnen. Ich las pünktlich zur EXPO (1.Mai 2015), aber das muss bei Bauprojekten in Italien nichts heißen, die sind ja fast sowas wie Deutschen von Südeuropa. So ging es nun mit zwei Umstiegen bis zur Heimkurve der Interisti mit Bahn und Bus weiter. Dann ließen wir diesen gigantischen Betonklotz erstmal auf uns wirken und umrundeten das Stadion um ca. 270°.

Der Tempel von San Siro

Nun waren wie am Ziel angekommen, dem Eingang der blauen Tribüne, für deren Mittelrang es die günstigsten Karten (25 €) zu kaufen gab. Das Prozedere mit den personalisierten Karten ging hier recht flott (wahrscheinlich Routine) und am Eingang gab es die übliche ID-Kontrolle, aber keine Durchsuchung (da war man in Monza und Pavia wesentlich pingeliger). Ca. 500 Treppenstufen später und fünf Minuten vor Anpfiff (17:55 Uhr) saßen wir auf unseren Plätzen mit guter Sicht und waren schwer beeindruckt von diesem Fußballtempel. Das Stadion war noch recht spärlich gefüllt und der Anpfiff wurde auf ca. 18:15 Uhr verschoben. Aber vielleicht sind die Anstoßzeiten in der Serie A auch cum tempore? Wie auch immer, wir guckten uns jetzt bessere Plätze aus (an die Gegengerade angrenzend). Von dort schauten wir uns das Fahnenmeer der Heimkurve an und lauschten den ersten geschlossenen Gesängen der Interisti. Aus Florenz waren ca. 500 Tifosi angereist und weil jene im dritten Rang unserer Tribüne untergebracht waren, konnten wir auch sie lautstark vernehmen.

Stadio Giuseppe Meazza

Da ein gewisser Lukas Podolski heute beginnen durfte, hieß es auf dem Platz für uns All eyes on Poldi, aber der Fresh Prince of Bergheim kam nicht so wirklich ins Spiel. Hatte irgendwie meist die falschen Laufwege und wenn er den Ball doch mal bekam, war der schnell wieder beim Gegner. Pugliese-Style, wie man in Italien wohl sagen dürfte. Sein persönlicher Tiefpunkt war nach 15 Minuten erreicht, als Podolski die erste Ecke trat. Er traf mit dem Fuß eher die Eckfahne, als den Ball und jener kullerte dann ein paar Meter vor die Füße des Gegners. Oh je…

Die Gästefans

Dennoch stellte Inter zunächst die bessere Mannschaft und bei Guarins Pfostenknaller in der 35.Minute waren sie der verdienten Führung ganz nah. Mit 0:0 ging es in die Pause und wir befürchteten bereits, dass wir im dritten Anlauf doch noch ein für Italien obligatorisches torloses Unentschieden serviert bekommen. Aber da hatten wir die Rechnung ohne den eingewechselten Mohamed Salah gemacht. Der traf in der 56.Minute für die Fiorentina und der Ägyptermob auf der Gegengerade rastete aus. Ca. 20 Landsmänner von Salah mussten von den Ordnern am unteren Ende der Tribüne gebändigt werden. 10 Minuten nach der etwas überraschenden Führung, wurde Fremdkörper Podolski endlich entfernt (begleitet von lauten Pfiffen). Für ihn kam Shaqiri, der das Inter-Spiel nochmal enorm belebte, aber Icardi und der zu eigensinnig agierende Palicio vergaben große Chancen zum Ausgleich. So machte die Fiorentina am Ende zu neunt den Auswärtssieg klar (zwei Spieler verletzten sich noch kurz vor Schluss, bei bereits ausgeschöpftem Wechselkontigent).

Die Inter Kurve

Ein weiteres Spiel, weit entfernt davon in die Liste meiner unvergesslichen Spiele einzugehen, war zu Ende. Der Star war heute ganz klar das Stadion. Einer dieser Fußballtempel, die man einfach mal betreten haben muss. Vom Komfortlevel schon einige Jahre über den Zenit, aber ein monumentaler Bau mit großer Geschichte. Als Deutscher musste ich unweigerlich an die WM 1990 und die fünf deutschen Spiele dort zurückdenken. Die formten aus einem fußballinteressierten Dreikäsehoch einen fußballverrückten Bengel, der 25 Jahre später immer noch besessen von diesem Sport und seinem Drumherum ist.

Fantechnisch war es heute auch okay. Italien ist zwar leider nicht mehr das Paradies, dass es mal war, aber die Leidenschaft der Tifosi ist nach wie vor zu spüren. Boys San und Co sangen laut und melodisch und es gab hier und da mal eine Fackel. Spruchbänder gegen die Tessera (was der Anhang aus Florenz mit Applaus bedachte) und für die Ultras Varese suggerierten außerdem eine halbwegs aktive Kurve. Dazu das leidenschaftlich mitgehende Publikum um uns herum, welches regelrecht ansteckend war, und ein für das zeitgenössische Italien ordentlicher Haufen Gästefans. Das gibt die Gesamtnote 3+.

Basilica di Sant’Agostino

Auf dem Weg zur Metro reflektierten wir gut gelaunt den heutigen Tag und bewunderten das kilometerlange Fußball-Graffiti der Nuclear1 Crew (Hier bildlich zusammengefasst).
Die Metro war nicht das favorisierte Verkehrsmittel der Stadionbesucher und daher erwischten wir eine angenehm leere Bahn zum Bahnhof Centrale. Nachdem der Peroni-Nachschub sichergestellt war und auch die Ticket-Brigade und die Essens-Brigade verrichterter Dinge am Gleis auftauchten (hervorragende Arbeitsteilung, die sich bereits in Pavia am Mittag bewährt hatte), ging es zurück nach Bergamo, um dort einen fußballfreien Resturlaub zu verbringen.

Santa Maria Maggiore di Bergamo

Bergamo sieht mich auf jeden Fall schon bald wieder, am liebsten im Spätsommer. Dann klappt es hoffentlich mit dem ersehnten Atalanta-Heimspiel.

Song of the Tour: Keine weitere Erläuterung notwendig.