- 26.12.2014
- KV Mechelen – Royal Mouscron-Péruwelz 1:0
- Pro League (I)
- Achter de Kazerne (Att: 9.234)
Am 2.Weihnachtsfeiertag wird traditionell in Belgien Fussball gespielt und ich konnte die letzten Jahre fast immer einen Weihnachtsbesuch bei Verwandtschaft in Aachen mit einem Abendspiel im Nachbarland verbinden. Verwandtschaft habe ich zwar keine mehr im Grenzgebiet, aber warum Liebgewonnenes aufgeben und den dritten Tag in Folge Sofas plattsitzen und Mägen überfüllen?
Mangels Familienprogramm waren diesmal sogar zwei Spiele drin. Ich schloss mich vier waschechten (und frisch gewaschenen) Groundhoppern aus Hannover an und mit einem Mietwagen ging es früh morgens westwärts. An einem Stadtbummel in Mechelen fehlte den Hoppern leider das Interesse, aber wenn einer schläft und drei lieber in einem niederländischen Outlet Center vermeintliche Schnäppchen jagen wollen, akzeptiere ich als guter Demokrat meine Niederlage. Ich denke ich bin sowieso irgendwann nochmal in Eigenregie in Mechelen.
Ich hielt es zwar für völlig dämlich am 2.Weihnachtstag ins Designer Outlet nach Roermond zu fahren und habe den dortigen Parkplatz bisher auch noch nie so voll gesehen wie an diesem Tag, aber das Gelände war letztlich auch nicht überfüllter als die Ernst-August-Galerie oder vergleichbare Konsumtempel in der Vorweihnachtszeit. Lediglich bei einzelnen Stores, wie z. B. Ralph Lauren, regelten Türsteher den Einlass, um dem riesigen Andrang Herr zu werden. Na ja, ich war eh nicht in Einkaufslaune und setzte mich wie ein Oppa auf eine Bank und passte dabei auf die Einkaufstüten der Hopper auf. Die hielten auch Wort und suchten nur gezielt eine Handvoll Stores auf, so dass wir keine Stunden dort verbrachten.
Mechelen war wenig später erreicht und wir fanden schnell einen Parkplatz. Keine fünf Minuten vom Stadion Achter de Kazerne entfernt, welches mitten in einem Wohngebiet liegt. Wir folgten nun rot-gelb gewandeten Einheimischen durch die engen Straßen zum Haupteingang, wo für deutsche Sportjournalisten erfreulicherweise freier Eintritt war.

Doch bevor die Medienplätze auf der Haupttribüne eingenommen wurden, wurde erstmal das Stadion aus mehreren Winkeln begutachtet. Eine echt geile Bude! Die erhöhte Haupttribüne hatte davor einige unüberdachte Stehtraversen und gegenüber befanden sich überdachte Stehplätze, inklusive Heim- und Gästeblock. Links der Haupttribüne war eine kleine zweirangige Tribüne mit unten Stehplätzen und oben Sitzplätzen, rechts ähnlich wie in Antwerpen eine zweirangige und vollverglaste VIP-Tribüne. Bis auf letztere Tribüne versprühten die Ränge sehr nostalgischen Charme und boten Platz für 13.213 Zuschauer. Heute war das Spiel immerhin von 9.234 Zahlenden besucht, wofür mehr deutsche Groundhopper (allein vier Autobesatzungen aus dem Raum Hannover waren angereist) als Gästefans ihren Beitrag leisteten (davon waren höchstens 60 zugegen).

Der Hausherr hatte wie das Stadion vor längerer Zeit seine besten Tage gehabt. Gegründet wurde der Club 1904 mit der Stamnummer* 25 (kurz nach dem ewigen Stadtrivalen Racing, der die Stamnummer 24 hat) und in den 1920er Jahren konnte man sich dauerhaft in der 1.Liga etablieren. In den 1940ern hatte man schließlich die erste große Phase mit drei zu feiernden Landesmeisterschaften (noch unter dem französischen Namen RFC Malinois). Die kommenden drei Jahrzehnte waren dann von einem Pendeln zwischen erster und zweiter Klasse geprägt, bis in den 1980ern ein gewisser Aad de Mos das Kommando übernahm (later known in Germany for beeing King Otto’s unsuccessfully successor in Bremen).

Finanziell unterstützt von IT-Millionär John Cordier führte de Mos den KV Mechelen zu zwei Vizemeisterschaften (’87, ’88 ), einer Meisterschaft (’89), einem Pokalsieg (’87) und dem Europapokal der Pokalsieger (’88 ). De Mos Team (mit Spielern wie Michel Preud’homme, Leo Clijsters, Erwin Koeman und John Bosman) schlug 1988 im Europapokalfinale seinen Ex-Club Ajax Amsterdam mit 1:0. Aber alles endet irgendwann und nachdem Cordier sich Anfang der 1990er Jahr zurückzog, ging es sportlich stetig abwärts und der Club geriet in eine finanzielle Schieflage. 2002 konnte gerade so die Liquidation des Vereins abgewendet werden, aber der Zwangsabstieg in die 3.Liga war dennoch unumgänglich. Man kämpfte sich binnen vier Jahren wieder nach oben und bewegt sich seitdem relativ konstant im Liga-Mittelfeld (so auch in der aktuellen Saison).

Im (unteren) Tabellenmittelfeld hat auch der heutige Gegner Royal Mouscron-Péruwelz Quartier bezogen, dessen Geschichte ich weniger ausschweifend abhandeln kann. Denn diesen Club gibt es erst seit 2010. Der große Mouscroner Platzhirsch Excelsior (immerhin 14 Jahre erstklassig und zweimal im UEFA-Cup vertreten) ging nämlich 2009 bankrott und wurde vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Man handelte dann mit dem 50 km entfernten 4.Ligisten RRC Péruwelz eine Fusion aus. Mouscron brachte das Stadion und die sonstige Infrastruktur ein und Péruwelz steuerte, neben seinem Startplatz in Liga 4, seine Vereinsfarben und die Stamnummer 216 bei (Excelsior hatte Stamnummer 224). Die neuformierte Truppe schaffte binnen vier Jahren drei Aufstiege und ist nun erstklassig.

Fußballerisch war das Niveau der beiden wie versprochen belgisches Erstliga-Mittelmaß. Viel Gebolze, aber auch einige Torchancen, die oft kläglich vergeben wurden. Die Mechelner machten allerdings passable Stimmung und die Mannschaft dankte es in der 82.Minute durch ein wuchtiges Kopfballtor des Mario-Gomez-Lookalike Seth de Witte (der allerdings Abwehrspieler ist). Jubel, Trubel, Heiterkeit im Publikum und danach hatte der Platzhirsch keine Probleme die verdiente Führung über die Zeit zu retten. Ein paar frittierte Spezialitäten später saßen wir schließlich wieder im Auto, um das benachbarte Lier anzusteuern.

- 26.12.2014
- K. Lierse SK – Club Brugge KV 0:6
- Pro League (I)
- Herman Vanderpoortenstadion (Att: 8.000)
Spiel 2 am Stephanitag führte uns nach Lier, zum vierfachen belgischen Meister Lierse SK (zuletzt 1997). Jene empfingen heute unseren alten Bekannten Club Brugge KV. Der Gast ließ einen natürlich an selige Tage aus der jüngeren 96-Vergangenheit zurückdenken, während der Heimverein einen ziemlich kalt ließ. Mir fiel auf Anhieb nur Jan Ceulemans als ganz großer Ehemaliger ein und klar, Arouna Koné begann dort auch seine Laufbahn. Von jenem Koné habe ich nun sieben seiner acht europäischen Stationen besucht (nur Wigan fehlt noch). Auch ’ne witzige, sinnlose Serie, die schon bald komplett sein könnte. Ansonsten erinnerte mich der aktuelle Coach (Stenley Menzo) noch massiv an die eigene Kindheit. Beim Panini-Album Italia ’90 hatte ich den nämlich ziemlich oft doppelt.

Die Ligarealität sah für Lierse SK auch alles andere als gut aus. Man ist schon recht abgeschlagen Letzter. Die Einheimischen bemühten im Smalltalk den Klassiker „Wir sind gar nicht so schlecht, aber versieben zu viele Chancen und kriegen blöde Gegentore“. Ein Torverhältnis von 20:41 und nur 3 Siege in 20 Spielen sprachen jedoch schon für eine Mannschaft die einfach zu schlecht ist. Und nun kam der souveräne Spitzenreiter aus Brügge (mit dem nur noch Anderlecht halbwegs auf Tuchfühlung ist). Das versprach heiter zu werden.

Brügge, wohl von knapp 2.000 mitgereisten Fans unterstützt, begann wie die Feuerwehr und nahezu jeder Ball in Strafraumnähe wurde gefährlich. Selbst die misslungensten Flanken machten die Lierser Verteidiger gefährlich, weil sie meist dem Gegner vor die Füße klärten. Fast schon logisch, dass Brügges erste zwei Tore Eigentore waren (beide durch Eric Matoukou, der später noch ein drittes Tor verschuldete). Der überragende rechte Mittelfelder Felipe Gedoz wusste wie man gefährliche Angriffe einleitet und kurbelte Brügges Offensive dauerhaft an (also jemand für meine Scoutingliste, die ich hoffentlich bald Dirk Dufners Nachfolger übermitteln kann). In die Torjägerliste trugen sich allerdings die anderen Offensivkräfte Rafaelov, de Sutter und Izquirdo ein.

Mit 0:5 ging es in die Pause. Die Lierser Fans, die ordentlich Pyro zu Beginn abgefackelt hatten und auch zunächst ihre Mannschaft lautstark nach vorne peitschen wollten, waren längst verstummt. Stattdessen viele Pfiffe für die komplett überforderte Heimmanschaft. Bei dem Ergebnis fast schon zwangsläufig, schaltete Brügge nach der Halbzeitpause zwei Gänge runter und verwaltete den Vorsprung problemlos. Ein weiteres Tor gelang jedoch Rafaelov in der 72.Minute. Dies markierte auch den 6:0 Endstand.

Wir verließen mit dem Abpfiff sofort das Stadion, um gegen Mitternacht wieder zu Hause zu sein. Hinter uns ließen wir ein 14.500 Zuschauer fassendes Stadion, welches im teilsanierten Zustand einen Eindruck von Patchwork vermittelt hatte. Wir standen am Rand der Gegengerade, welche unten Stehplätze und oben Sitzplätze bot. Die Haupttribüne und die große Hintertortribüne waren in den 2000er Jahren mit Schalensitzen bestuhlt und ebenso mit Logen ausgestattet worden. Tribüne 4 (Gästebereich) sah dagegen wie ein Provisorium aus. Ob bestehende Pläne zur weiteren Modernisierung in naher Zukunft umgesetzt werden, ist angesichts der derzeitigen sportlichen und finanziellen Situation fraglich. Einen gewissen Charme versprühte aber auch diese Hütte.
*Stamnummer: In Belgien bekommt jeder Fussballverein vom Verband eine fortlaufende Nummer bei Registrierung. Bei Fusionen kann i. d. R. die Stamnummer eines Vorgängervereines übernommen werden. Erlischt ein Verein komplett, wird seine Stamnummer nie wieder neu vergeben. Stamnummer 1 besitzt der Royal Antwerp FC, Club Brugge hat z. B. die 3 und Lierse SK hat die 30. Niedrige Stamnummern sprechen natürlich für große Tradition und werden oft entsprechend prominent kommuniziert. Aktuell nähert sich der Verband der Stamnummer 10.000 an.