Bad Harzburg & Ilsenburg 06/2023

  • 10.06.2023
  • FSV Grün-Weiß Ilsenburg – TSV Grün-Weiß Kleinmühlingen/Zens 7:1
  • Landesliga Sachsen-Anhalt Mitte (VII)
  • Sportanlage Eichholz (Att: 150)

Auch 2023 müssen natürlich ein paar hunderttausend Schritte in Richtung Harzer Wanderkaiser gemacht werden. Nachdem im Januar und April bereits die ersten acht Stempel des Jahres auf reinen Wandertouren erworben wurden, sollte es nun mal wieder zu einer Kombination mit einem Fußballspiel kommen. Während der Profifußball mal kurz durchschnauft, rollt der Ball im Juni schließlich noch auf Amateurebene. Da ich allerdings auch nicht den allergrößten Hafer im Harz gucken wollte, entschied ich mich für einen Revisit beim FSV Grün-Weiß Ilsenburg. Letzter Spieltag der siebtklassigen Landesliga Mitte und der Hausherr hoffte als designierter Aufsteiger in die Verbandsliga Sachsen-Anhalt auf eine große Kulisse.

Ausblick vom Burgberg auf Bad Harzburg

Weil ich bereits drei Touren rund um Ilsenburg gemacht habe und mir dort nur noch ein Stempel fehlte, hatte ich mir diesmal überlegt von Bad Harzburg nach Ilsenburg zu wandern. Die Route ermöglichte mir immerhin vier neue Stempel und startete um 10:15 Uhr am Bahnhof der Kurstadt. Erstes Etappenziel war der Große Burgberg (483 m ü. NN), für dessen Besteigung schon mal 2,85 Kilometer und 200 Höhenmeter gemeistert wurden. Man hat hier nicht nur einen tollen Ausblick auf Bad Harzburg und das Harzvorland, auch gibt es auf dem Berg allerhand zu entdecken. Zuvorderst natürlich die Überreste der Großen Harzburg. Diese einstige Höhenburg wurde Mitte des 11.Jahrhundert auf Geheiß des römisch-deutschen Königs und späteren Kaisers Heinrich IV. errichtet. Sie sollte dem Schutz der nahen Kaiserpfalz Goslar dienen und war in kriegerischen Zeiten zugleich Rückzugsort für Kaiser und Könige.

Überreste der Großen Harzburg und neuzeitliche Interpretation des vermeintlichen Sachsengottes Crodo

Heute findet man auf dem Großen Burgberg außer den Ruinen der 1650 geschleiften Burg und einem Stempelkasten der Harzer Wandernadel (HWN 121) auch ein Ausflugslokal, eine Baumschwebebahn und die Canossasäule. Letztere wurde dort 1877 zu Ehren des Reichskanzlers Otto von Bismarck aufgestellt. Damals tobte der Kulturkampf zwischen der katholischen Kirche und dem von Preußen dominierten und somit protestantisch geprägten Deutschen Kaiserreich. Kurz nach der 1871 erfolgten Reichsgründung wollte der Staat den politischen und gesellschaftlichen Einfluss der katholischen Kirche zurückdrängen und am 14.Mai 1872 fiel in einer Reichstagsrede von Reichskanzler Bismarck der berühmte und viel zitierte Satz „Seien Sie außer Sorge, nach Canossa gehen wir nicht – weder körperlich noch geistig“.

Ich gehe auch nicht nach Canossa, sondern nach Ilsenburg

Damit erinnerte Bismarck an den Investiturstreit zwischen Kaiserthron und Heiligem Stuhl im 11.Jahrhundert. Es ging damals um das Recht Bischöfe und Äbte einzusetzen, welches der Papst und der Kaiser jeweils für sich reklamierten. Als der Streit 1076 im Rahmen der Investitur eines neuen Erzbischofs von Mailand eskalierte, wurde der römisch-deutsche Kaiser Heinrich IV. von Papst Papst Gregor VII. exkommuniziert und einige der Reichsfürsten verweigerten Heinrich daraufhin die Gefolgschaft. Um den Bann des Papstes aufzuheben, musste Heinrich über die verschneiten Alpen zur Burg Canossa ziehen, in der sich der Papst im Januar 1077 aufhielt. Vor der Burg harrte Heinrich IV. drei Tage lang barfuß im Büßergewand aus, ehe sich der Papst gezwungen sah dem Kaiser zu vergeben und den reuigen Sünder wieder in den Schoß der katholischen Kirche aufzunehmen. Vom Protestanten Bismarck war eine ähnliche Demut vor dem Heiligen Stuhl dagegen ganz offensichtlich nicht zu erwarten. Das protestantische Bürgertum von Bad Harzburg goutierte diese Haltung so sehr, dass es 1877, pünktlich zum 800.Jahrestag des Bußgangs nach Canossa, in den Ruinen von Heinrichs einstiger Kaiserburg die Canossasäule mit dem Konferfei des gegenwärtigen Reichskanzlers und der Inschrift „Nach Canossa gehen wir nicht“ errichten ließ.

Das Kreuz des deutschen Ostens

Mein nächstes Ziel war ebenfalls geeignet sich mit deutscher Geschichte auseinandersetzen. Es ging nun zum 2,6 km von der Burgruine entfernten Kreuz des deutschen Ostens auf den Uhlenklippen (HWN 122). Hier wurde auf Initiative des Zentralverbandes vertriebener Deutscher am 24.Juni 1950 ein erstes Kreuz zur Erinnerung an die Vertreibung der Deutschen aus den nach dem Zweiten Weltkrieg verlorenen Ostgebieten errichtet. 1962 wurde außerdem ein steinerner Ring mit den Wappen der entsprechenden Regionen um das Kreuz gruppiert. Das ursprüngliche Kreuz fiel jedoch 1998 einem Orkan zum Opfer, so dass man nach einem Fundraising im Jahr 2000 ein neues Kreuz aufgestellt hat. Damit die Erinnerung an das Leid der vertriebenen Deutschen nicht wie bisher ziemlich losgelöst vom historischen Kontext erfolgt, bekam das neue Kreuz ferner die Inschrift „Stätte des Gedenkens an Vertreibung und Heimatverlust – Stätte der Ablehnung jeder Gewaltherrschaft – Kreuz der Verständigung, der Versöhnung und des Friedens“.

Ein luchsoriöses Leben in Gefangenschaft

Vom Kreuz des deutschen Ostens führte mich der Weg nun weiter zur rund zwei Kilometer entfernten Rabenklippe im Nationalpark Harz. Dort besuchte ich zunächst das benachbarte Luchs-Schaugehege, wo sich mir tatsächlich eine der scheuen Raubkatzen am Zaun präsentierte. Dann ging es rauf auf die Klippe, die mir einen fantastischen Ausblick über das Eckertal hinüber zum Brocken bot. Der Stempelkasten (HWN 170) ist wiederum am Ausflugslokal neben der Rabenklippe zu finden. Dessen Panoramaterrasse lud zwar sehr zum Verweilen ein, aber ich hatte ja mal wieder keine Zeit…

Ausblick von der Rabenklippe

Vom Gasthaus an der Rabenklippe ging es nun einen schönen Trail hinab ins Eckertal. Unten auf wieder 320 m ü. NN musste ich ein Stück parallel zur Ecker wandern, ehe ich auf exakt Kilometer 10 der Tour den Fluss queren konnte und mir nun wieder ein längerer und steilerer Aufstieg bevorstand. Leider ohne Schatten ging es jetzt wieder mit 10 bis 15 % Steigung auf 550 m ü. NN hoch. Auf jener Höhe zweigte auf Tourkilometer 11,8 ein Weg zur Taubenklippe (HWN 004) ab, wo mich nach weiteren 700 Metern der vierte und letzte (reguläre) Stempel der heutigen Wanderung erwartete.

Die Ecker

Die Taubenklippe (572 m ü. NN) liegt gegenüber der Rabenklippe auf der Ostseite des Eckertals. Zu Zeiten der deutschen Teilung verlief die innerdeutsche Grenze mitten durch das Eckertal. Die undurchlässigen Grenzanlagen der DDR wurden jedoch bereits oberhalb des Tals am heutigen Grenzweg errichtet, so dass die Taubenklippe bis zur Wiedervereinigung für Wanderer unerreichbar war. Ihnen wurde dadurch jahrzehntelang ein schöner Ausblick in alle vier Himmelsrichtungen vorenthalten, den ich nun umso mehr genoss. Während auf der andere Talseite die Rabenklippe grüßt, kann man das Eckertal auch wunderbar in Richtung Stapenburg überblicken. Dreht man sich um, hat man dank der exponierten Lage außerdem einen schönen Brockenblick.

Ausblick von der Taubenklippe gen Stapenburg

Nach kurzer Verschnaufpause auf der Taubenklippe, ging es dann auf kürzestem Wege ins rund 6 km entfernte Ilsenburg. Normal hätte sich dabei noch ein Abstecher zum Froschfelsen angeboten, aber diese Stempelstelle (HWN 005) hatte ich bereits im Dezember 2020 besucht. Stattdessen wartete noch der Sonderstempel Brockenkäferlehrpfad am Wegesrand auf mich, ehe auf Kilometer 16,5 ein steiler Trail mit bis zu 20 % Gefälle hinab nach Ilsenburg führte. Im Ort orientierte ich mich sogleich zur Sportanlage des FSV Grün-Weiß, die ich um 14:57 Uhr nach insgesamt 19,5 km erreichte. Neben der Distanz, waren in 4:42 h auch 620 Höhenmetern gemeistert worden, so dass ich mich für eine gewisse Erschöpfung nicht schämen musste.

FSV Grün-Weiß vs. TSV Grün-Weiß

Kaum auf einer Bank der schmucken Sportanlage (ca. 4.000 Plätze) niedergelassen, wurde ich erspäht und angesprochen. Allerdings nicht vom hiesigen Kassenwart der Hopperkasse, sondern von Bastian und Patrick vom Roten Infarkt. Die waren heute im Ilsetal wandern gewesen und gaben sich nun ebenfalls den Saisonausklang am Eichholz. Weil neben der Hopperkasse auch die reguläre Stadionkasse vermisst wurde (freier Eintritt als Dank an die Fans und Freunde des FSV), wollten wir nun wenigstens ein paar Taler in die Hopfenkasse stecken. Mit Bier und Alster à 2,50 € minderten wir gemeinsam die erwanderten Kaloriendefizite und sahen wie der Hausherr auch im letzten Saisonspiel nochmal aufstiegswürdig reüssierte. Der Gast aus Kleinmühlingen/Zens wurde heute mit 7:1 zurück ins Bördeland geschickt.

Schmucke, aber spärlich besuchte Sportanlage

Damit beendet der 1912 ursprünglich als VfB Ilsenburg gegründete FSV Grün-Weiß die Saison 2022/23 mit 64 Punkten aus 24 Partien und zieht als Meister der Landesliga Mitte in die Verbandsliga Sachsen-Anhalt ein. Wenn man so will, der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Zwar kickte man zu DDR-Zeiten als BSG Stahl Ilsenburg insgesamt 20 Spielzeiten in der drittklassigen Bezirksliga Magdeburg, aber geographisch machte der Bezirk nun mal nur rund die Hälfte des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt aus. Schade, dass trotzdem nur rund 150 Zuschauer dem Saisonfinale beiwohnten. Obwohl der Eintritt frei war und für Kinder extra zwei Hüpfburgen aufgestellt wurden. In meiner ewiggestrigen Idealvorstellung vom Volkssport Fußball, müsste an solchen Festtagen die halbe Gemeinde (oder wenigstens ein paar hundert Seelen) den Weg zum Sportplatz antreten.

Landesligameister 2022/23

Dagegen hatte der Zug nach Goslar um 17:30 Uhr eine Auslastung, von der die meisten Amateurvereine selbst im Erfolgsfall nur träumen können. Aber 25 Minuten Stehplatz waren nach 90 Minuten Sitzplatz auch kein Weltuntergang für drei „junge“ und „sportliche“ Männer. Ferner trafen wir beim Umstieg in Goslar noch Alex M., der am heutigen Nachmittag den Leckerbissen SV Westerhausen vs. Budissa Bautzen in Thale-Westerhausen besucht hatte. Im RE10 gen Hannover hatten wir dann wieder Sitzplätze und konnten uns zu viert über die Planungen in den nächsten Wochen austauschen. Mancherorts läuft die Saison 2022/23 noch bis Ende Juni und ebenfalls am Monatsende beginnen die meisten Profiteams schon wieder mit der Saisonvorbereitung. Sommerpause existiert also nur für Fußballfans mit dem falschen Mindset.