Pula 08/2018

Wenn Balkan-Brate Abto am ersten Augustwochenende Geburtstag hat und es Flüge für 96 € return nach Pula gibt und in jener Stadt zu diesem Zeitpunkt auch noch Dinamo Zagreb bei NK Istra gastieren soll, muss man nicht lange überlegen. Taten Abto, Bene, Ole, Glatto und ich auch nicht und buchten den Spaß Mitte Juni. Freitagmittag nach Feierabend ging es los Richtung Berlin und bereits kurz vor 15:30 Uhr war Dreilinden erreicht.

Passendes Bier für die Fahrt

Dann wurde es aufgrund eines Staus auf der A100 etwas kritisch und für die letzten 10 km brauchten wir eine gute Stunde. Immerhin klappte es ab unserem Parkplatz (Park to Fly für 38 €) mit dem Shuttle reibungslos und um 17 Uhr – somit 70 Minuten vor Abflug – waren wir am Flughafen Tegel angekommen.

Tegel

Abto versuchte sogleich das gesammelte Pfandgut der feuchtfröhlichen Hinfahrt (immerhin knapp 5 €) in neuen Stoff einzutauschen. Darauf wollte sich nur leider kein Flughafenshop einlassen (die beriefen sich auf weniger als 200 Quadratmeter Verkaufsfläche, was angeblich von der Annahmepflicht befreit). Also nahm er seinen Leergut-Sack mit durch die Sicherheitskontrolle. Kontrolletti 1: „Du, ist das erlaubt?“ Kontrolletti 2: „Warum nicht? Wenn er halt seinen Müll mit in den Urlaub nehmen will?“.

Abtos Pfefferminzspende namens Berliner Luft

Im Duty Free Shop wollten sie sein Leergut dann ebenfalls nicht annehmen (ich war kurz davor die Verkaufsfläche zu vermessen!). Dennoch kaufte der Abt 100 cl Berliner Luft für die Bande (Hvala!) und wie es bei ihm gute Sitte ist, zertrampelte er sofort nach dem Öffnen der Flasche den Deckel. Damit waren wir gezwungen im Schnitt jeder 200 ml dieser edlen Pfefferminzspezialität zu trinken. Da brauchte Sven Väth gar erst zu fragen, ob wir Bock auf Feiern haben. Die Message war auf jeden Fall „Gude Laune“!

Die andere Berliner Luft

Erst recht als es hieß, dass unser Flug 30 Minuten Verspätung hat. Nun wurde der Abt sogar noch am Gate sein Leergut los. Der kleine Imbißstand verwies zwar zunächst ebenfalls auf die geringe Shopgröße, jedoch machte Abto dem Bronko klar, dass die Annahme nebst Gutschrift Teil einer größeren Transaktion im Volumen von 10 Dosen à 3,95 € werden würde. Dieser Win-Win-Situation wollte sich der geschäftige Gastronom nicht verwehren und schon hatten wir wieder kühle Getränke. Der Abt ist einfach ein Dealmaker.

Über den Wolken

18:30 Uhr hüpften wir dann als letzte Passagiere durch’s Boarding und bestiegen eine Boeing 737-800 mit der Harfe am Heck. Gebucht wurde zwar Laudamotion, als ausführend war allerdings deren irischer Partner Ryanair tätig. Ole und ich saßen zu zweit in Reihe 3, der Rest am Notausgang. Die räumliche Trennung sorgte jedoch nicht dafür, dass wir nun unterschiedliche Maßnahmen zur Überbrückung der Flugzeit durchführten. Berührt von der jüngsten Spiegel Online Enthüllungsgeschichte „Ryanair-Flugbegleiterin packt aus…“, wollten wir natürlich für Verkaufsprovisionen unserer sympathischen Stewardessen sorgen. Damit die überhaupt erst von ihrem Job leben können.

Bulmers Cider

Ein paar Cider später, so gegen kurz nach 20 Uhr, waren wir auch schon in Pula und unser Vermieter stand nicht wie gedacht zur Abholung parat. Da gab es wohl ein Missverständnis in der Kommunikation. 1:0 für die Taxi-Mafia! Jetzt begann die elende Feilscherei und wir waren irgendwann von unverschämt frech auf normal frech runter (25 € für 7 km) und konnten uns das Großraumtaxi zur Pro-Kopf-Kostenreduktion auch noch mit einem deutschen Pärchen teilen.

El Glatto On Tour?

In unsere schöne Neubauwohnung mit drei Schlafzimmern (40 € p. P.) wurde fix eingecheckt und wir halfen dem Vermieter gleich die sechs gelben Säcke mit leeren Bierdosen von unseren Vormietern runterzutragen. Er hatte bis heute eine Woche lang sieben polnische Urlauber in der Bude gehabt… „They drunk a lot, but very nice people“. Als er dann unsere Ausweise abfotografierte, merkte er an, dass wir ja auch nicht alle so deutsch klingen. „Jan, are you Polish or Czech? Ole, you are from Scandanavia? And Sascha is from Russia?“. Es folgte noch ein bisschen Smalltalk über Frauen und Fußball, wobei sich der Vermieter als patriotischer kroatischer Länderspielfahrer outete. Allerdings unorganisiert und in Opposition zu Ultràgruppen wie den Bad Blue Boys, die in seinen Augen die Premiumplattform Nationalmannschaft für ihre Agenda mißbrauchen.

Willkommen im zweisprachigen Istrien

Darüber hätte man jetzt lange diskutieren können, machten wir aber nicht und marschierten ab zu einem sehr guten Restaurant etwas abseits von den Touri-Hotspots. Im Biergarten des Kod Kadre mussten wir uns nur noch ein paar Minuten die Beine in den Bauch stehen, bis schließlich ein Tisch des vollen Hauses frei wurde. In Pula wird gastronomisch viel auf Fisch, Meeresfrüchte und italienische Küche gesetzt, doch das hier war ein klassisches Balkan-Grillrestaurant und wir alle gaben dem gemischten Grillteller eine Chance. Ćevapi, Pljeskavica und Putenspieße wurden zusammen mit scharfer Sauce, Kajmak, Zwiebeln und Lepinja gereicht. Dazu kühles Bier vom Fass und im Nachgang haben wir uns schnapstechnisch noch durch eine ganze Streuobstwiese getrunken.

Grillplatte Nr.1

Am Ende war jeder umgerechnet 15 € los und vollgefressen ohne Ende. Nichtsdestotrotz steuerten wir noch die Altstadt an und lauschten ein wenig dem klassischen Konzert im antiken Amphitheater. Dann wurde endlich Geld abgehoben (das Essen hatte Bene erstmal ausgelegt) und alle entschieden sich für 1.000 Kuna (ca. 135 €) Budget für die kanpp zwei Tage. Muss reichen. Wird reichen.

Die Arena bei Nacht

Wir lungerten nun gegen Mitternacht ein wenig am Wasser und dabei zeigte Abto als erster Reiseteilnehmer Anzeichen von Ermüdung. Da ich genau wie er bereits über 30 bin und ebenfalls seit fast 20 Stunden auf den Beinen war, solidarisierte ich mich sofort und wir ließen uns von einem Taxler für 50 Kuna ins Apartment kutschieren. Auf die Frage des Personenbeförderers in welchen kroatischen Städten wir schon waren, konnte der Abt natürlich abendfüllend antworten und zählte auch Städte wie Mostar auf. „Ah, you know that it is part of Croatia? Very nice!“ Es folgten Warnungen von ihm vor Moslems und Angela Merkel („She’s crazy. You must get rid of her!“) und dann waren wir auch schon vor der Haustür. Die U30-Fraktion suchte sich dagegen noch eine Kneipe und fand die Rock Bar Mimoza.

Pivo

Die Nachtruhe wurde anschließend nicht nur vom gegen 2:30 Uhr einmarschierenden Mimoza-Trio gestört, sondern auch mehrfach von einem gigantischen Durst. Irgendwie hatten wir verpeilt Wasser einzukaufen und das Chlorwasser aus der Leitung war auch keine Lösung. Ich jedenfalls wachte noch mehrfach mit trockener Schnauze auf und hatte um 7 Uhr jene im übertragenenen Sinne so voll, dass ich draußen einen Kiosk oder Supermarkt suchte. Ich fand einen bereits geöffneten Spar in einem Kilometer Entfernung vom Apartment und Kumpel wie ich bin, kaufte ich drei Liter Eistee und neun Liter Wasser.

Gelbe Pillen gegen Sodbrennen

Die schweißtreibende Schlepperei, bei bereits wieder 27° C, war mir die prognostizierte Freude meiner Freunde wert. Nachdem ich dann in der Bude die erste Pulle Wasser geleert und den Rest kalt gestellt hatte, kam ich auch nochmal für knapp zwei Stunden in den Schlaf. Ab 9 Uhr wurden nach und nach alle durstig wach und ich mutierte tatsächlich zum gefeierten Helden. Ist Geben vielleicht wirklich seliger denn Nehmen? Sollte ich mein ganzes Lebenskonzept überdenken und vom Nutznießer und Schmarotzer zum sozialen Gönner mutieren? Mein Leben stand am Wendepunkt. Doch zunächst mussten wir als Gruppe zu neuen Ufern aufbrechen.

Architettura di Pola

Wir eruierten zunächst die Möglichkeiten heute irgendwo ein Fußballspiel zu gucken. Wie eingangs erwähnt, sah der Spielplan zum Buchungszeitpunkt der Reise eigentlich NK Istra 1961 gegen Dinamo Zagreb vor. Doch Dinamo, das liebste Kind des kroatischen Verbandes HNS, sollte spielplantechnisch bestmöglich bei der CL- oder wenigstens EL-Qualifikation unterstützt werden und bei einer Reihe von Spielen zu Saisonbeginn wurde kurzfristig das Heimrecht getauscht. Erst Ende September, am 9.Spieltag, wird der amtierende Meister erstmals in der nationalen Meisterschaft außerhalb von Zagreb antreten müssen. Ob in einem überschaubar großen Land wie Kroatien die Reisestrapazen so schlimm gewesen wären, sei mal dahingestellt. Aber beschlossen ist beschlossen und wir drohten ohne Fußball auskommen zu müssen. Scheiss HNS!

Schnieker Straßenzug

Wir hatten uns als Alternative das Testspiel NK Jadran Poreč (3.Liga) gegen NK Novigrad (2.Liga) ausgeguckt. Denn ab 2.Liga abwärts war noch Sommerpause. Allerdings waren Taxi oder Uber nach Poreč zu teuer (zweimal 1.600 Kuna, also über insgesamt 200 € wären fällig gewesen) und für eine 90minütige Busfahrt für 60 Kuna (8 €) einfache Fahrt pro Person wollte sich niemand so recht begeistern. Dann lieber einen Tag in der Altstadt von Pula und an der Adriaküste verbringen. Wir sind bekanntlich waschechte Kulturreisende und keine Groundhopper.

Kolossal

Zu Beginn der Touri-Tour schauten wir uns gleich mal das beeindruckende und gut erhaltene Amphitheater bei Tageslicht an. Es ist das sechstgrößte seiner Art und hatte dereinst ungefähr 25.000 Zuschauer gefasst. Eishockeyfans hätten übrigens in jüngerer Vergangenheit die Chance gehabt diese Arena als außergewöhnlichen Ground zu verbuchen, als dort der Club KHL Medveščak Zagreb ausgewählte Heimspiele austrug.

Ansicht von der Bergseite

Das Amphitheater wurde um das Jahr 0 errichtet. Zunächst war es nur ein hölzernes Rund, wurde aber schon keine 100 Jahre später durch den steinernen Bau ersetzt. Pula war 177 v. Chr. von den Römern erobert worden und hieß fortan als Kolonie Colonia Pietas Iulia Pola (Pola ist weiterhin der italienische Name der Stadt). In der Spätantike fiel die Stadt an die Ostgoten (5.Jahrhundert), wurde jedoch im 6.Jahrhundert dem Oströmischen / Byzantinischen Reich zugeschlagen, während die Umgebung der Stadt (Istrien) von Südslawen besiedelt wurde.

Ansicht von der Meerseite

Mit dem Zerfall des Byzantinischen Reichs im Mittelalter kam Pula (wie viele Städte der Adriaregion) unter venezianischen Einfluss. Nach dem Ende der Republik Venedig fiel es 1797 an Österreich und wurde zum Hauptkriegshafen der kaiserlichen Marine ausgebaut. Die in der Neuzeit auf unter 1.000 Einwohner geschrumpfte Stadt erlebte nun einen großen Boom und zählte 1914, bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, fast 60.000 Einwohner (davon über die Hälfte Italiener).

Einblick in die Arena

Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Stadt 1918 zusammen mit ganz Istrien zu Italien. Aber weil die Italiener im nächsten Weltkrieg nicht noch einmal auf der Gewinnerseite standen, war diese Episode 30 Jahre später schon wieder beendet und die neuen Hoheiten hießen erst Bundesrepublik Jugoslawien und ab 1991 Republik Kroatien. Nichtsdestotrotz ist der seit den Römern bestehende italienische Einfluss immer noch unübersehbar und Italienisch ist zweite Amtssprache (obwohl nur noch kanpp 5 % der Bevölkerung italienische Muttersprachler sind).

Augustustempel

Die ganzen römischen Spuren reizten uns zunächst am meisten und alles war gut abzulaufen. So kamen wir noch den Genuss des Augustustempels (neben dem Rathaus auf dem historischen Marktplatz von Pula), der Porta Gemina (Doppeltor, welches nun Zugang zum Antiken Museum ist) und des Sergierbogens. Jener Triumphbogen wurde nach der Seeschlacht von Actium (30 v. Chr.) für die auf Seiten des siegreichen Octavians kämpfenden Gebrüder Sergi aus Pula gestiftet.

Sergierbogen

Im Schatten des Triumphbogens ließen wir uns bei einem Restaurant nieder und gönnten uns erst Espressi und anschließend kühles Fassbier. Außerdem versuchte die Sektion Glücksspiel noch ihr Glück beim Roulette nebenan. Doch heute gewann mal ausnahmsweise keiner etwas. Wahrscheinlich weil ich lieber mit Bene und Glatto an der Bierfront blieb und nicht als Glücksbringer für Ole und Abto fungierte.

Kath. Kirche St.Anton

Das Bier hatte Lust auf mehr (und Meer) gemacht. Also schnappten wir uns nach drei Stunden Sightseeing gegen 13:30 Uhr ein Taxi und baten den Fahrer uns zum in seinen Augen besten Badeplatz der Stadt zu bringen. Das war anscheinend das Strandbad Kupalište Valkane im Stadtteil Verudela. Ob es nichts Besseres gibt, kann ich mangels Vergleichsmöglichkeit nicht einschätzen. Aber eine Sandstrandgegend ist es bekanntermaßen eh nicht und der mit Seeigeln verseuchte felsige Einstieg in die klare Adria war für uns ausreichend. Hauptsache Abkühlung bei 35° C Lufttemperatur.

Erfischen im Strandbad Kupaliste Valkane

Außerdem gab es ’ne schöne Strandbar zum Lungern und mit 18 Kuna pro 0,5 l Bier war das Preisgefüge fair. Zum Glück trat bei den mehreren Schwimmdurchgängen tatsächlich niemand von uns in einen Seeigel. Im Gegensatz zu einem Briten vom Nachbartisch. Letztes Jahr hatte es Ole im Kroatienurlaub erwischt und seitdem ist in unserem Reisekollektiv Respekt vor den Biestern vorhanden. Des Briten bleicher Fuß sah nun mit den ganzen schwarzen Stacheln in der Haut aus wie Straciatella und wenigstens konnten wir ihn und seine Begleiterin überzeugen, dass es nicht tödlich enden wird.

Pivo erfrischt auch

Fortan wurde noch penibler darauf geachtet nicht in Kontakt mit den Felsen unter Wasser zu kommen und irgendwann war sowieso nur noch Bier und Rakija anstatt Schwimmen angesagt. Gegessen hätte ich auch gerne noch ’ne Kleinigkeit, aber am späten Nachmittag waren alle warmen Snacks bereits aus. Zum Bereuen, dass ich nicht schon wie der Rest beim Stadtbummel Pizza oder Burek auf die Hand genommen hatte. Zum Glück liefert Bier auch genug Kalorien.

Das klare Wasser der Adria

Um 20 Uhr ließen wir uns ein Taxi ordern und verschwanden erst zum Spar (man kann ja nie genug Pivo im Haus haben…) und dann zur Wohnung. Der jetzige Taxifahrer war ein ehrlicher Typ, der nach Uhr und richtigem Tarif fuhr. Während des Einkaufs hatte er sogar die Uhr angehalten. Also durfte er uns noch einen Restauranttipp geben und nach einer einstündigen Bier- und Duschpause hatte er wieder bereitzustehen, um uns zu seinem Kumpel Ante, bzw. dessen Grillrestaurant Odisej zu fahren. Muss eigentlich extra erwähnt werden, dass der Taxifahrer patriotisch war und außerdem Angela Merkel für verrückt hielt? Wahrscheinlich nicht. Es scheint schliesslich keine anderen Taxifahrer in Südost- und Osteuropa zu geben.

Zwischendurch auch mal ein montenegrinisches Bier

Bei Ante wurden gute Grillgerichte für unter 50 Kuna gereicht (ich hatte z. B. 10 Ćevapi und 2 Ražnjići für 35 Kuna inklusive Lepinja und Zwiebeln). Wir fanden es am Vorabend im Kod Kadre noch einen Tick besser, aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Außerdem ging das Thema Bierkonsum in die nächsten Runden und die ein oder andere Rutsche Rakija ließ der Abt zu seinem um 0 Uhr beginnenden Ehrentag servieren.

Nur Fleisch macht Fleisch

Das Restaurant machte dann auch kurz nach Mitternacht dicht. Allerdings kam der Chef nur zum Abkassieren und meinte wir können noch so lange wie wir wollen auf der Terrasse sitzen bleiben. Eine Runde Schnaps und Bier orderten wir also noch nach und beim Konsum sinnierten wir über die weitere Gestaltung der Nacht.

Bene kurz vorm Einpennen

Mit Bene hatte es derweil auch heute einen Mitreisenden nach dem Essen erwischt, dessen Augenlider schwerer und schwerer wurden. Gestern Abto, heute Bene… wir sprachen bereits vom Grillplatten-Roulette, bei dem einer immer Schlafmittel im Fleisch versteckt hat. Man weiß vorher natürlich nur nicht, wen es aus der tafelnden Runde treffen wird.

Der Scheiss Bulle

Bene packten wir in ein Taxi und wir anderen vier waren eigentlich auch nicht mehr ganz so fit. Aber hey, Geburtstag hat man nur einmal im Jahr. Dementsprechend spazierten wir Richtung Altstadt und vernahmen irgendwann Beats auf der Straße. Also immer dem Gehör nach und schließlich wurde der Club Uljanik gefunden (der nach der örtlichen Traditionswerft benannt ist).

Schaumparty

Ein formidabler Pressluftschuppen, wo wir im Schaumbad und beim Bullenreiten neue Motivation für die Feierei tankten. Den Rest machte die interessante Mischung aus Touris und lokaler Partycrowd. Da waren ein paar nette Mädels am Start und das Eis schnell gebrochen. Bier war mit 25 Kuna (3,20 € für 0,5 l) für eine Diskothek auch fair bepreist und Eintritt hatten sie gar keinen verlangt. Das zog Publikum und wer auf die übervolle Empore zum Feiern wollte, musste dafür sein T-Shirt ausziehen. Nema problema!

Oberkörperfrei und Spaß dabei

Wir feierten tatsächlich noch bis zum Morgengrauen und stiegen erst um 5 Uhr in ein Taxi zum Apartment. Dort noch eine Kanne zum Abschluss aufgerissen und derbe gefeiert, dass unser Vermieter am Vortag noch geschrieben hatte, dass wir ruhig bis 17 Uhr bleiben können, weil die neuen Gäste erst 18 Uhr auftauchen wollen. Der offizielle Check-out um 11 Uhr wäre wohl die Hölle geworden. So konnten wir halbwegs auspennen und den Tag ohne Zeitdruck starten.

Bisschen Feierei

Zumindest Bene (logischerweise) und ich (unlogischerweise) waren vormittags schon wieder fit. Während die anderen noch regungslos in ihren Betten lagen, schauten wir zum Zeitvertreib kroatisches Fernsehen. Heute war übrigens Feiertag in Kroatien. „Tag des Sieges und der heimatlichen Dankbarkeit“, weil am 5.August 1995 die Stadt Knin (mittelalterliche kroatische Königsstadt mit hohem Symbolcharakter) in der mehrheitlich von Serben bewohnten und für unabhängig erklärten Krajina erobert wurde. Das war Teil einer großen Operation, die binnen weniger Tage zur Eroberung aller von serbischen Freischärlern kontrollierten Gebiete führte, so dass der junge Staat Kroatien nun quasi das komplette Gebiet der einstigen jugoslawischen Teilrepublik Kroatien in seiner Hand hatte. Faktisch das Kriegsende und Startschuss für die Rückkehr von knapp 170.000 seit 1991 geflüchteten Kroaten, welche heute offiziell mitgefeiert wird. Inoffiziell feiert man wahrscheinlich auch die gleichzeitige Flucht von über 200.000 Serben aus dem Gebiet.

Streetart in Pula

Klar, dass im TV der große Festakt aus der Kniner Festung live übertragen wurde. Kampfjets donnerten über die Festung und versprühten Chemtrails in den Landesfarben (;-)). Veteranen und Honoratioren sangen patriotische Lieder und WM-Edelfan und Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović (nicht mit der Ehefrau von Ice-T verwechseln!) war natürlich von Amtswegen ganz vorne dabei. Das war uns dann zuviel kroatischer Nationalismus und wir haben deshalb auf Kolo sreće (Glücksrad) umgeschaltet und herausgefunden, dass der Kroate anscheinend P wie Pula sagt (und R wie Rijeka, sowie S wie Split). Ein Typ namens Mladen hat sie in dieser Ausgabe alle an die Wand geraten und durfte am Ende mit über 10.000 Kuna nach Hause gehen.

Die lokale Ultragruppe

Irgendwann hatten alle die Betten verlassen, etwas aufgeräumt, gepackt, geduscht und wollten ein hochenergetisches Frühstück zu sich nehmen. Dafür ging es wieder zum Kod Kadre, wo wir in der prallen Mittagssonne zunächst vor einem verschlossenen Tor standen. „Verdammt, wann macht der Laden auf?“ „14 Uhr“ „Scheisse! Wie spät ist es?“ „13:56 Uhr!!!“ „Puh, man muss auch mal Glück haben.“

Warten vorm Kod Kadre

Weil die Ćevapi am Freitag so unfassbar lecker waren, nahm ich diesmal gleich 15 Stück davon für 60 Kuna (ca. 7,80 €), inklusive viel Lepinja und Zwiebeln. Dazu noch Kajmak und scharfe Sauce für je 10 Kuna und der Gaumen sendete die Signale für Glückshormone in die Zentrale. Der Rest setzte wieder auf gemischte Grillplatten und war auch erneut mehr als zufrieden.

Der Sascha mag Cevapcici

Gegen 16 Uhr waren wir dann wieder im Apartment zum Check-out. Zu meckern gab es vom Vermieter natürlich nichts und er würde sich freuen uns noch einmal begrüßen zu dürfen. Lässt sich sicher einrichten. Dann schnappten wir all unsere Sachen und zogen von dannen. Zumindest fast all unsere Sachen. Dieses Presserzeugnis steht für Offenheit und Ehrlichkeit, daher gebe ich es zu: Wir haben tatsächlich ein paar Pivos im Kühlschrank stehen lassen. Hoffentlich sind die neuen Gäste motivierte Zecher.

Politisches Mural der Demoni Pula

Bis zum Abflug waren es über fünf Stunden. Genug Zeit, um noch etwas in Pula zu unternehmen. Also eine andere Route vom Apartment in die Altstadt als am Vortag gewählt und dabei diverse Murals der lokalen Ultras in Sachen Krieg der 1990er Jahre entdeckt. Wir ließen uns dann am Café Bolero nieder und tranken Kaffeespezialitäten und hausgemachte Limonade. Diesmal hatte es Ole beim Grillplatten-Roulette erwischt und er nickte uns weg.

Refreshments

Da konnte nur ein Aufbruch Abhilfe schaffen und die oberhalb des Cafés liegende Festung wurde zum Ziel erkoren. Linksrum war die Festung ausgeschildert, aber ich sagte wieder meinen berühmten Satz: „Ich kenne da eine Abkürzung, rechts ist kürzer…“ Abto: „Oh nein, diesmal nicht!“ Ich: „Ey, Abto, hast du nicht gesagt, jeder hat eine zweite Chance verdient?“ Abto: „Aber das muss doch nicht unbedingt heute sein.“ Egal, ich ging voran und weil Ole jüngst nicht mit in Cottbus war, fasste er als erstes Vertrauen.

Das kleine Amphitheater von Pula

Zurecht, denn rechtsrum erwarteten uns noch die Ruinen eines antiken Theaters. Über dessen 2000 Jahre alten Überreste kletterten wir nun hoch zur ab 1630 von den Venezianern errichteten Festung. Das war definitiv eine Abkürzung und ich forderte Abbitte von der Gruppe ein.

Ein echtes Bollwerk

Oben entrichteten wir jeder 10 Kuna Eintritt und genossen den 360° Ausblick über ganz Pula. Außerdem beherbergt die Festung das Historische Museum von Istrien und wir schauten uns u. a. die Ausstellung über Pula im Zweiten Weltkrieg an. Für das heutige Kroatien vielleicht untypisch, waren die Nazis und ihre kroatischen Kollaborateure diesmal nicht die Guten und die heldenhafte jugoslawische (Partisanen-)Armee und Marschall Tito erfuhren stattdessen eine Huldigung. Aber Istrien ist auch der liberalste Teil Kroatiens, würde ich behaupten.

Festung Pula von innen

Wieder unten in der Altstadt, organisierten wir uns zwei Stunden vor Abflug ein Taxi an der örtlichen Kathedrale. Leider dauerte es ewig bis der Fahrer auftauchte und ich glaubte auch, ich hätte es ihm unzureichend erklärt. Weil schon komisch, dass er zunächst weder mit der Kathedrale, noch mit der Hauptstrasse, an der sie liegt, etwas anfangen konnte, aber nach tiefergehenden Erklärungen doch meinte „Okay, ich bin 15 Minuten da“. Nach 20 Minuten also nochmal angerufen und wieder zur Info bekommen, dass er in 15 Minuten da ist. Stressen bringt eh nichts, andere Taxis waren nicht in Sicht und bei dem kleinen Flughafen und der kurzen Entfernung (7 km) hätte ich mir erst ab 60 Minuten vor Abflug begonnen Sorgen zu machen.

Kathedrale von Pula

Nach weiteren 20 Minuten war er endlich da und überraschte mit fairem Preis „Müsste so 130 Kuna kosten, ich lass die Uhr laufen“ (wären also nur 17,50 €) und seinen ungewöhnlichen Gesprächsthemen. Nichts zu Hitler, Pavelic, Angela Merkel, Muslims, Refugees usw., stattdessen nur Smalltalk über Urlaub, Essen und Frauen. Am Ziel standen knapp 130 Kuna auf der Uhr, aber er wollte nur 120 haben wegen der langen Wartezeit. Netter Kerl. Dann Gepäckkontrolle, Getränkekauf, Boarding, 80minütiger Flug, Shuttle zum Parkplatz und anschließend „Lässt sich gut fahren auf deutschen Autobahnen?“, „Deutsche Autobahn gut!“. Kurzer, aber geiler Trip. Der Balkan ist einfach immer eine Reise wert.

Song of the Tour: Ob Abto auch ein Praktikum bei Manfred gemacht hat?

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