Manchester & Altrincham 12/2017

  • 01.01.2018
  • Altrincham FC – Witton Albion 3:4
  • Northern League Premier (VII)
  • Moss Lane (Att: 1.013)

Am Silvestermorgen sollte es um 11:27 Uhr per Zug von Glasgow nach Manchester gehen. Und während ich morgens noch bei stürmischem Wetter etwas Sightseeing in Schottlands größter Stadt betrieben habe, delegierte ich zwecks Zeitersparnis schon mal den Reiseproviantkauf an meine beiden Freunde Bene und Fat Lo (12 Dosen Tennent’s für 6.60 £ waren echt ‘n gutes Geschäft). Dann fix aus unserer Bleibe ausgecheckt, ab zur Central Station und dort in den TransPennine Express nach Manchester gestiegen (für 14.75 £ pro Person). Leider heute aufgrund einer technischen Störung ohne feste Reservierungen. Damit war der gebuchte Vierer mit Tisch und Steckdosen futsch. Mit Bahnfahren haben wir es auf dieser Reise einfach nicht so.

Glasgow Central Station

Nichtsdestotrotz waren wir alle von der malerischen Zugstrecke durch die schottischen Southern Uplands und den englischen Lake District begeistert. Durch die Spiegelung der Zugscheiben waren natürlich keine schönen Fotos möglich, aber es ist alles im Kopf gespeichert und Carlisle, Lancaster und der Lake District werden sicher mal Besuch von mir bekommen. Dann wurde es industrieller und Manchester konnte nicht mehr weit sein. Dessen Bahnhof Victoria – Insidern noch gut bekannt als Ausgangspunkt zu den größten Ausschreitungen in der Geschichte des englischen Fußballs a. k. a. Burnley FC vs. Hannover 96 – erreichten wir mit minimaler Verspätung gegen 15:30 Uhr.

Tennent’s-Werbung in den Uplands?

Vom Bahnhof war es nicht weit zum Black Lion, einem Pub mit preiswerten Fremdenzimmern darüber. 80 £ kostete unser 4er-Zimmer mit Gemeinschaftsbad. Das war das Günstigste was in der Silvesternacht im Zentrum von Manchester zu bekommen war. Toll war es natürlich nicht und Paulie Pennino hätte wohl gesagt: „Seht euch diese Bude an. Selbst Ratten wären zu stolz, um sich hier fangen zu lassen!“. Um die Erkenntnisse der kommenden Nacht und des kommenden Morgen gleich vorweg zu nehmen: Es gab ein WC für die ganze Etage (ergo geschätzt für bis zu 30 Übernachtungsgäste bei Maximalauslastung), kein Toilettenpapier und kalte Duschen. Außerdem schienen die Betten menschliche Körper zu hassen und beschieden den Übernachtungsgästen weder erholsamen Schlaf, noch einen schmerzfreien Rücken am Folgetag. Ich schaute extra nochmal auf die Rechnung, ob der Laden nicht doch Red Lion (on the Chest) hieß oder sich in der Brunswick Street befand.

The Black Lion

Wenigstens der angeschlossene Pub war nicht uneinladend und bevor wir wieder loszogen, musste noch ein Pint und eine Lagebesprechung her. Beim Golden Ale mit dem verheißungsvollen Namen Holy Grail wurde die Abendplanung erörtert. Fat Lo war bereits im Vorjahr zum Jahreswechsel in Manchester gewesen und mahnte zur frühen Ankunft im Pub The Moon Under Water. Also nichts wie hin da! Schon mal preiswert zu Abend essen und gute Plätze auf der Empore sichern. Gegen 17 Uhr erreichten wir in dieses ehemalige Lichtspielhaus, welches angeblich nun Großbritanniens größter Pub ist (mit Platz für 1.700 Gäste) und ein Flaggschiff der Kette Wetherspoon’s darstellt.

Heute mal ein gesunder Salat mit Beilagen

Während meine Freunde zielstrebig zum Empore hochstürmten, hörte ich plötzlich meinen Namen, drehte mich um und sah bekannte Gesichter aus Hannover. Der internationale Liveticker-Journalist Alex M. (in den Niederlanden auch bekannt als der Belchinees), sowie diverse Hannover 96 zugeneigte Mitarbeiter des Job Centers Hannover (nebst Gattinnen) waren auch zugegen. Die Welt ist ein Dorf. Sie hatten gerade den Real Ale Trail (eine beliebte Bierbahnreise hier in der Gegend) und einen Shopping-Marathon in Manchester hinter sich und nun den gleichen Plan wie wir, nämlich im The Moon Under Water den Jahreswechsel zu erleben. Bene, Lo und ich aßen erstmal etwas (meiner einer Lasagne) und sicherten genug Plätze für den ganzen hannoverschen Mob, da die anderen nochmal zum Frischmachen und Einkäufe ablegen in ihr Hotel wollten.

Die drei Platzhalter

Zu unserer Überraschung wurden dann ab 19 Uhr keine Bestellungen mehr an der Theke im Obergeschoss angenommen. Mehr noch, wir sollten in Ruhe austrinken und uns anschließend unten neue Plätze suchen, da oben komplett geschlossen wird für den Rest des Abends. Es war also schon mal klar, dass die Party nicht so groß wie im Vorjahr werden würde. Doch davon ließen wir uns natürlich nicht das Gemüt trüben, sicherten unten genug Platz für 10 Personen (mittels zwei zusammengeschobenen Tischen) und orderten diverse Mojitos und Jägerbombs. Gerade bei Cocktails gab es mit 2 Pitcher for 10 Pounds einen guten Deal.

Auf den Alkohol!

Gegen 20 Uhr kehrte der Rest zurück und wir bekamen sogar noch Zuwachs von Alexanders Zimmergenossen Helge W. (wie Alex gerade auf längerer Fussballtour durch Großbritannien). Die beiden nächtigten übrigens aus Kostengründen in Oldham, stellten nun aber fest deshalb kurz vor Mitternacht zwecks letzter Bahn aufbrechen zu müssen (und ich dachte, wir wären die größten Fehlplaner). Der Laden füllte sich derweil noch etwas, so dass die verbliebene Nutzfläche des Pubs zumindest gut ausgelastet war. Ebenso wurde unten eine Tanzfläche freigeräumt und der DJ begann sein Tagwerk. So nach und nach schaffte er es Leute auf die Tanzfläche zu locken und es kam Feierstimmung auf.

Bißchen Feierei auf dem Dancefloor

Im Vorjahr war es laut Fat Lo viel epischer, aber als Silvestermuffel hatte ich sowieso keine großen Erwartungen. Allgemein denke ich, war das eher der Ort der geringeren Ansprüche an „Die Party des Jahres“. Hier war es heute nicht großartig anders, als sonst an jedem Wochenende. Es wurde kein Eintritt erhoben, das Angebot an Speisen und Getränken war wie immer und vor allem genauso preiswert. Ein DJ legt hier jedes Wochenende massenkompatible Partymusik auf und nur wenige Gäste hatten sich mehr als sonst herausgeputzt (allgemein läuft man beim Ausgehen in Großbritannien bekanntlich nicht wie der letzte Louie rum, erst recht nicht die Frauen). Es war eben der perfekte Ort, um günstig reinzufeiern. Nichts zum Angeben am ersten Arbeitstag im neuen Jahr, aber auch nichts, wo zu hohe Erwartungen enttäuscht werden konnten.

Feuer frei

Das Jahr klang musikalisch klassisch mit einem Hitmix von Abba aus und es begann noch klassischer mit den Glocken von Big Ben, gefolgt von “Auld Lang Syne”. Bussi hier, bussi da und Happy New Year wünschen wollte erledigt werden und dann ging es erstmal vor die Tür zum Feuerwerk gucken. In Großbritannien darf nicht jeder Bürger sein Geld verschwarzpulvern, sondern es gibt ein kurzes, aber knackiges öffentliches Feuerwerk in den Städten. Ein Modell, welches ich auch für Deutschland befürworten würde. Aber dort wird stattdessen lieber weiterhin Pyrotechnik im Stadion kriminalisiert, während an Silvester bzw. am Neujahrsmorgen jeder Hinz und Kunz, oft auch noch stark alkoholisiert, seine persönlichen Pyrofestspiele feiern darf. Die Bilanzen der Polizei, der Feuerwehr und der Krankenhäuser / Rettungsdienste nimmt die Republik allerdings immer ziemlich gleichgütig hin, während bei einem verletzungsfreien Pyroeinsatz in der Fankurve bürgerkriegsähnliche Zustände beschworen werden.

Pyrotechnik ist kein Verbrechen

Zurück am Pub, wurde noch ein wenig weitergefeiert. Alex und Helge konnten auch noch bis 0:30 Uhr bleiben, da sie doch noch ’ne Alternativverbindung recherchiert hatten und soviel später brach der Rest auch nicht auf. Ich glaube Bene, Lo und ich waren bereits gegen 1:30 Uhr wieder im Hotel. Aber neun Stunden alkohollastige Party reichen auch bei meiner ersten Silvesterfeier in diesem Jahrzehnt. Spätestens die kalte Dusche am nächsten Morgen weckte die Lebensgeister wieder und es schien kein Tag der Kopfschmerzen und des Selbstmitleids zu werden. Erst recht, wenn der Körper zeitnah viele Nährstoffe zugeführt bekommen würde.

Nochmal ’n schönes Englisches

Daher war Frühstücken das Gebot der Stunde und um nicht erneut im The Moon Under Water zu landen, spazierten wir ein paar hundert Meter weiter zum The Waterhouse. Nach dem Large Breakfast war ich zwar sofort wieder müde, doch es gab kein zurück mehr ins Bett. Bis zum Abflug musste der Tag noch Struktur bekommen. Das National Football Museum wäre ’ne Maßnahme gewesen, nur ergab die Recherche für heute einen Ruhetag. Aufgrund der Abflugzeit kurz nach 18 Uhr waren auch die vielen Fußballspiele um 15 Uhr in der Region keine Option. Außer vielleicht das vom Altrincham FC… Sieben Kilometer vom Flughafen entfernt, nettes Stadion mit über 6.000 Plätzen und der die Sportstätte umgebende Ort schien auch ganz schnucklig zu sein. Also auf nach Altrincham!

Altrinchams Stamford House im Neobarock

4.60 £ kostete das Zugticket von Manchester nach Altrincham und 12:17 Uhr fuhr der nächste Zug. 29 Minuten später waren wir am Ziel und streunten ein bisschen durch den Ort. Erfreulicherweise zunächst sogar bei Sonnenschein. Wir fanden ein relativ nettes Marktstädtchen mit ein paar Listed Buildungs vor. Keine Stadt, die man unbedingt mal gesehen haben muss, aber wenn man im Großraum Manchester ist und absolut nichts Besseres vor hat, als ein Heimspiel des Altrincham Football Clubs zu besuchen, kann man ruhig mal eine Stunde früher als nötig aufschlagen und sich den Markt und die umliegenden Straßen angucken.

The Old Market Place

Da wir allerdings zwei Stunden früher als nötig da waren und der Himmel sich wieder zuzog, ging es nach dem Rundgang noch in den örtlichen Wetherspoon’s namens The Unicorn. Fat Lo hatte Hunger und wollte unbedingt das Moussaka testen. Gab es aber nicht, so dass die Lasagne sein Derivat wurde. Bene und ich beließen es dagegen bei flüssiger Nahrung. Der Pub war recht gut gefüllt und es waren einige erkennbare Fußballfans des örtlichen Clubs darunter. Das machte Hoffnung für das Spiel. Vielleicht wird es gar nicht so ein Sinnlos-Kick, wie von den beiden Schwarzmalern an meiner Seite befürchtet. Also auf zum Ground!

Es begann mit einer Schweigeminute

10 £ waren am Drehkreuz zu entrichten, welches heute über 1.000 Zuschauer passierten. Das war schon überraschend viel für ein Spiel der 7.Liga bei Schietwetter. Selbst in England, wo die 7.Liga schon etwas hochwertiger und überregionaler ist, als die deutsche Bezirksliga. Auch eine kleine Schar von lautstarken Gästefans war aus dem 20 km entfernten Städtchen Northwich (der Heimat von Witton Albion) mitgereist. Das Ganze war also aufgrund der geringen Entfernung ein Cheshire Derby – Zum Vergleich: In der gleichen Liga liegen zwischen den Teams aus Workington und Grantham 340 Straßenkilometer – und Witton Albion hatte deshalb sogar ein paar eigene Ordner mitgebracht.

Die Gästefans hinter dem Tor

Zur Gedenkminute eines verstorbenen verdienten Altrichamers schwiegen die Gäste noch, doch mit dem Anpfiff begannen ihre Schlachtrufe wie „Zigger, zagger! Zigger, zagger! Al-bi-on!“. Jubeln durften allerdings zunächst die Heimfans. In der 6.Minute konnte der Gästetorwart einen strammen Schuss von James Poole nur abklatschen und Jordan Hulme staubte zum 1:0 ab. Tabellenführer Altricham, mit einer Serie von 16 Spielen ohne Niederlage im Rücken, bekam die Partie bei starken Regenfällen und schwierigen Platzverhältnissen jedoch nicht ausreichend in den Griff uns kassierte bereits in der 9.Minute den Ausgleich. Tom Owens zog von der Strafraumkante ab und über den Innenpfosten fand der Ball seinen Weg ins Netz. Und in der 24.Minute gelang dem Aufsteiger aus Northwich sogar die Führung. Einen von der Latte abprallenden Distanzschuss köpfte James Foley aus kurzer Distanz ein.

Die Gegengerade

Insgesamt eine recht ereignisreiche Partie. Beide Team suchten oft den Abschluss und anstatt Ballbesitz und ruhigen Spielaufbau, wurden immer schön lange Bälle in die gegnerische Hälfte geschlagen. Dazu Kampf um jeden Ball. Mit vielen Grätschen, die mal den Ball und mal den Gegenspieler erwischten oder manchmal auch beides. Die Führung konnte Witton Albion in die Pause mitnehmen und ihre Fans spotteten über den Heimanhang mit Gesängen wie „You only sing when you’re winning“ und  “Pssst, pssst! You’re like a library, you’re like a library!”. Derweil wärmten sich die meisten Besucher zum Pausentee im Clubhaus auf, wo auch das ganze Spiel live auf den Bildschirmen übertragen wurde.

Blick zur Haupttribüne

Auch in der 2.Hälfte ging es kampfbetont weiter. Bei Fouls an ihrem Team in Strafraumnähe sangen die Fans von Witton Albion immer “We’ll score in a minute…”, doch ein Freistoßtor war ihnen nicht vergönnt. Stattdessen schlug Altrincham in der 54.Minute zurück (diesmal Poole nach Vorarbeit Hulme) und in der 67.Minute konnte Andy White aus rund 25 Metern sogar die erneute Führung der Heimmannschaft erzielen. Es sah nun eine Viertelstunde so aus, als gelänge es dem Klassenprimus den Vorsprung erfolgreich zu verwalten, doch in der 82.Minute schlug Owens ein zweites Mal für die Gäste zu und es roch wieder nach Remis. Zwei Minuten vor Schluss konnte der Altrinchamer Abwehrchef Ben Harrison nicht vernünftig im Strafraum klären (ausgerechnet Harrison, der früher mehr als 200 Mal für Witton Albion aufgelaufen ist) und Will Jones bekam die Kugel perfekt vor die Füße. Altricham 3, Witton Albion 4! Großer Jubel im Gästeblock und kleiner Trost für Altricham; der Zweitplatzierte Workington AFC verlor ebenfalls, so dass sie weiterhin ein 7-Punkte-Polster auf ihren ärgsten Verfolger haben.

Zur 2.Hälfte setzte die Dämmerung ein

Nach dem munteren Kick ging es mit dem Taxi die 7 Kilometer zum Airport. Mit Spezialtarif nahm der Fahrer gleich mal 33 £, aber was willste machen? Trotz räumlicher Nähe gab es keine vernünftige Öffi-Anbindung zum Flughafen (zumindest nicht heute). Man hätte über Manchester fahren müssen, was über eine Stunde gedauert hätte. Eine Stunde, die wir jetzt nicht hatten. Gut, im Endeffekt ist die Maschine erst ‘ne halbe Stunde später abgeflogen und die Kontrolle dauerte auch keine 15 Minuten, aber das weiß man doch vorher nicht. Damit es heute vollumfänglich ein guter Start ins neue Jahr wird, hatte Flybe in einer ansonsten vollen Maschine für Fat Lo, Bene und mich je zwei Sitze parat. Doch Fortuna wollten den wechselhaften Trip nicht mit einem Höhepunkt für uns enden lassen. Daher gab es 90 Minuten lang einen Schreiwettbewerb der Babys und Kleinkinder einer Großfamilie auf die Ohren.

Wenigstens hatten wir Platz

Nach Ankunft in Deutschland konnten wir trotz Pleiten, Pech und Pannen alle ein postives Gesamtfazit der sieben Tage Großbritannien ziehen. Hätten wir uns für den Spatz in der Hand (Fußball rund um London und Manchester) anstatt die Taube auf dem Dach (die Derbys in Schottland) entschieden, wäre sicher auf der ganzen Tour mehr Fußball möglich gewesen. Jedoch will ich jetzt keinen verpassten Spielen à la Millwall vs. Wolves, Palace vs. Arsenal oder Man United vs. Southampton hinterhertrauen. Dafür wird es in den kommenden Wochen, auf den vier ersten Reisen anno 2018, immer mindestens einmal erstklassigen Fußball zu sehen geben. Sogar dreimal in europäischen Top-Ligen (davon zwei Spitzenspiele). Fußballerisch wird 2018 also wohl kein schlechtes Jahr werden. Da kann 2017 ruhig fußballarm, aber trotzdem amüsant und abwechslungsreich ausklingen.

Song of the Tour: Ich fühlte mich auf diesem Trip mal wieder Supersonic.