Crna Gora (Montenegro) 08/2017

  • 30.08.2017
  • FK Mornar Bar – FK Čelik Nikšic 0:0
  • Druga Crnogorska Liga (II)
  • Stadion Topolica (Att: 144)

Für die große Balkanreise 2017 wurde früh festgelegt, dass die zweite Woche unabhängig von irgendwelchen Spielplänen vorwiegend in Montenegro am Meer stattfinden soll. Zumindest mal drei, vier Tage ganz ohne Termine verbringen und inhaltlich so gestaltet, dass es sogar beim durchschnittsdeutschen Reisebürokunden fast als richtiger Urlaub durchgehen würde. Schwimmen, sonnen, schlemmen und Cocktails schlürfen… Und wenn noch ein zufälliger Spielbesuch ohne viel Aufwand möglich sein sollte, sagt man gegebenenfalls natürlich auch nicht nein.

Abgesehen vom Luftweg, kommt man von Belgrad mit diversen Busanbietern oder dem Mietwagen am schnellsten nach Montenegro. Wir aber hatten keinen Bock mehr auf 10 Stunden in einem engen Bus und ebenso keinen Bedarf zu fünft im Mietwagen acht Stunden über Serpentinenstraßen mit teilweise wahnsinnigen anderen Verkehrsteilnehmern zu fahren. Daher entschleunigten wir unseren Transfer und entschieden uns für 12 Stunden Zugfahrt auf einer der tollsten Bahnstrecken Europas (Belgrad – Bar). Rund 20 € waren pro Person zu investieren, inklusive Reservierung für zusammenhängende Sitzplätze (wir bekamen zu fünft ein 6er-Abteil für uns).

Belgrad Hauptbahnhof

Am Morgen der Abreise hieß es um 8 Uhr Abschied nehmen vom liebgewonnenen Luxus-Appartement in Belgrad. Abfahrt war zwar erst 9 Uhr, aber ich musste mich doch nochmal schnell mit dem Abt treffen, um einen druckfrischen RIport 2016 als Reiselektüre zu bekommen. Dementsprechend hatte ich vor seiner Abreise zum Flughafen (8:20 Uhr) am Bahnhof zu erscheinen. Dann trudelten ein paar Minuten später auch die anderen am Bahnhof ein und wir besorgten uns Bier, Wasser und Teigwaren für die lange Reise ins seit 2006 unabhängige Montenegro.

Komfortable und gepflegte Abteile

Obwohl der Zug schon vor 9 Uhr im Gleis stand, wurde aus unersichtlichen Gründen mit 35 Minuten Verspätung gestartet. Dass der Zug pünktlich um 21 Uhr in Bar ankommt, war also schon jetzt unrealistisch. Aber egal, erstmal wurde ein bißchen gedöst und anschließend, als man so richtig aus dem Großraum Belgrad raus war, die tolle Landschaft genossen. Nach vier Stunden war Uziče erreicht. Die Stadt erwähne ich nicht nur, weil sie ein bedeutendes Widerstandsnest im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazi-Okkupanten war, sondern weil die 50.000-Einwohner-Stadt auf der Strecke auch das Tor zu den Dinarischen Alpen ist. Würde man die lange Zugreise splitten wollen, wäre hier ein guter Zwischenstopp. Aber wir haben ja keine Zeit…

Los geht die wilde Fahrt

Jetzt wurde es landschaftlich endgültig reizvoll und man konnte stundenlang am Fenster auf dem Gang stehen bleiben und den Ausblick genießen. Die Bahn fuhr hier so 500 bis 600 Meter ü. NN und die Berge links und rechts ragten noch ein paar hundert Meter mehr in die Höhe (die Zlatiborkette z. B. bis zu 1.500 Meter). Generell führt der Großteil der Schienen durch Gebirge, so dass selten schneller als 50 km/h gefahren wurde. Die 475 Kilometer lange Bahnstrecke von Belgrad nach Bar weist dementsprechend auch 243 Brücken und 254 Tunnel auf. Es war eines von Titos infrastrukturellen Prestigeprojekten und 1976 wurde die Strecke erstmals in Gänze befahren. Die vielen Tunnel erschwerten auf jeden Fall für die einen den RIport-Lesegenuss und für die anderen das Fotografieren. Oft dachte man sich, was für ein schönes Panorama. Doch als das Smartphone gezückt war, fuhr man in den nächsten Tunnel ein. Nichtsdestotrotz sind hin und wieder nette Schnappschüsse enstanden.

Tal des Lim bei Priboj

Zwischendurch bei Priboj (so bei Kilometer 215) fuhr der Zug auch ein Stück durch Bosnien-Herzegowina, genauer gesagt durch dessen Entität Republik Srpska. Das Tito-Jugoslawien musste sich darüber damals natürlich keine Gedanken machen und weil hier kein Haltepunkt ist, gibt es logischerweise auch in unseren Zeiten keine Grenzkontrolle. Die sollte erst wenig später bei Vrbnica auf uns zukommen (Kilometer 285), denn dort verließen wir Serbien nach Montenegro. In Vrbnica lohnte der Halt auch aufgrund des schönen serbisch-orthodoxen Klosters Kumanica. Das mittelalterliche Bauwerk konnte dann mal in Ruhe fotografiert werden, ehe der Zug weiterrollte. Im ersten montenegrinischen Bahnhof (Bijelo Polje, Kilometer 296) stand nun die Einreisekontrolle an und der Zug ruhte ’ne gute halbe Stunde, bis alle Zuginsassen überpüft waren.

Kloster Kumanica in Vrbnica

Nach der Grenze durchquerte der Zug die Durmitorkette (über 2.000 Meter hohe Berge) und die Blicke aus dem Zug hinaus den Hang hinunter waren nichts für Menschen mit Höhenangst. In Kolašin wurde schließlich der höchstgelegene Bahnhof und kurz danach der Scheitelpunkt der Strecke erreicht (1.032 Meter ü. NN). Ab hier ging es wieder aus dem Gebirge abwärts (teilweise Gefälle von bis zu 25 %). Beim Splitten der Tour, würde ich hier (Kolašin) wohl den zweiten Zwischenstopp machen. Denn die Stadt ist ein schöner Luftkurort in den Bergen und am Biogradska Gora Nationalpark gelegen, wo man einen der letzten Urwälder Europas finden kann.

Die Hochdinariden

Highlight auf der nun folgenden Teilstrecke zwischen Kolašin und Podgorica ist zweifelslos das Viadukt Mala Rijeka. Mit 198 Metern über Talgrund ist es Europas höchste Eisenbahnbrücke. Leider war es mittlerweile dunkel geworden, so dass wir keine schönen Fotos mehr knipsen konnten. Neben dem Viadukt und weiteren Brücken, war die Strecke nun von richtig langen Tunneln geprägt (teilweise über 6 km Länge) und jetzt, wo die schönen Ausblicke nur noch zu erahnen waren, nervte die Bahnfahrt auch so langsam.

Welcome to Montenegro

Bei der Ankunft in Montenegros Hauptstadt Podgorica hatte der Zug über eine Stunde Verspätung angehäuft, sprich wir saßen schon seit über 700 Minuten in dem Zug und das Frühstück war jetzt bereits 11 Stunden her. Da auch der Zugkiosk sein einziges festes Nahrungsprodukt (Sandwiches) ausverkauft vermeldete, wurde der Rest der Fahrt durch’s dunkle Montenegro mit knurrenden Mägen bestritten.

Atemlos durch die Nacht…

Ankunft in Bar war letztlich um kurz nach 22 Uhr. Schnell Herrn Hott, unseren Vermieter, angerufen, um nach der genauen Adresse zu fragen und prompt bot der Mann am anderen Ende der Leitung auf Deutsch eine Abholung binnen 5 Minuten an. Da kann man nicht nein sagen und in Montenegro passen auch 6 Leute in einen Audi A4 („Jungs, keine Sorge. Hier kein Problem“). Der Top-Typ fragte auch gleich, ob er mit uns einkaufen fahren soll. „Nein danke, wir würden nur gerne das Gepäck los werden und dann endlich etwas Warmes essen wollen“. War auch kein Problem und nach dem Bezug der Ferienwohnung, fuhr der Gute uns noch schnell zu seinem 1.000 Meter entfernten Stammlokal Pod lozom. Hier gab es Šopska Salat für 2 € und Mixed Grill für 9 € (der Euro ist in Montenegro übrigens die Landeswährung, auch ohne EU-Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit zur Währungsunion). Die Portionen waren riesig, geschmacklich war es auch super und die mit Kiwis bewachsene Terrasse war sehr gemütlich.

Mitternachtssnack in Bar

Um Mitternacht machten wir schließlich den kleinen Spaziergang zum Appartement im Ortsteil Šušanj und nach unserem Festmahl wurden wir leider noch selber ein Festmahl für den Schwarm Mücken in der Bude. Die Nacht war also eher unruhig und der Morgen danach von Gejammer über Juckreiz geprägt. Jetzt konnte es in Bar natürlich nur ein Ziel geben und das war der 10 Fußminuten entfernte Strand. Dort wurde zunächst bei einem Kaffee in einer Strandbar gechillt, dann erstmal geschwommen und danach wieder gechillt.

Wir gehen heut‘ beachen

Gegen Mittag spazierten wir den Strand westwärts und ließen uns nach einem Kilometer im Strandrestaurant Forest nieder. Frühstück war heute ausgefallen, also musste jetzt ein üppiges Mittagessen her. Es gab Šopska Salat für 2,50 € und Steinofenpizza für 5 €. Beides wirklich gut. Und da ich nicht weiß, warum man angeblich nach dem Essen mindestens eine halbe Stunde mit dem Schwimmen warten soll, sprang ich sofort wieder ins Wasser.

Sopska Salat ❤

An  Bars Stränden nervt zwar der Kies etwas (mein Tipp: die von der Krake erfolgreich erprobten Schwimmschuhe vom Strandkiosk für 5 €), aber ansonsten ist es super dort. Man braucht sich keine großen Sorgen um die Wertsachen zu machen und es belästigt einen niemand mit feilgebotenen Souvenirs, Drogen oder Schnorrertum. Die zu 99 % slawischen Urlauber sind dafür vielleicht keine lukrative Zielgruppe. Bettlerei, Diebestouren und offensiver Nippes-Verkauf lohnen eben in erster Linie an Stränden mit hoher Dichte von deutschen Heinzen und artverwandten Touristen. Kurzum; wir hatten einen unfassbar entspannten Tag am Meer.

Der kleine Racker tobt rum

Weil Milano Pete bekanntlich ein kleiner Racker ist, hatte ich ihm eine 1,50 Meter lange aufblasbare Riesensilikonkartusche aus Deutschland mitgebracht. Mit der konnte er im Wasser toben und nicht nur der Kellner des Strandrestaurants feierte das Ding ab („This is the best I’ve ever seen on the beach“). Die Kartusche war am Strand auch ein kleiner Frauenmagnet. Gut, auf Silikon fährt eine nennenswerte Anzahl junger und nicht mehr ganz so junger Frauen des Balkans ab und als Phallussymbol ging das Ding obendrein auch noch durch. Irgendwie muss sich jedenfalls unsere plötzliche Attraktivität für das andere Geschlecht erklären lassen. Kann unmöglich daran liegen, dass wir geistreich und gut aussehend sind. Weil das sind wir in Deutschland genauso.

Die moderne Kathedrale im neuen Bar

Da sich bei Schneppe Tours jedoch nicht alles nur um Girls drehen darf, musste am späten Nachmittag noch etwas Kultur her. Bar hat nämlich eine zwingend zu besuchende Altstadt zu bieten. Das Besondere; Stari Bar wurde 1979 nach einem verheerenden Erdbeben aufgegeben und ist nun eine menschenleere Ruinenstadt. Sie liegt 5 bis 6 Kilometer vom neuen Bar entfernt im Landesinneren, auf einem Ausläufer des Gebirges Rumija. Pro Taxi (es gäbe natürlich auch Busse für Groundhopper und andere Sparfüchse) mussten wir den Festpreis von 5 € investieren und waren gegen 17 Uhr oben.

Welcome to Stari Bar

Nicht zu umgehen (außer mit krimineller Energie) waren die absolut fairen 2 € Eintrittspreis, die am alten Stadttor zu entrichten sind. In der Altstadt konnte man sich nun frei bewegen und in den Ruinen rumtoben (wieder was für unseren kleinen Racker). Einige Gebäude sind auch mittlerweile restauriert worden, u. a. zwei der ehemals 16 Kirchen der Stadt. Der einst mächtige bischöfliche Palast ist dagegen nur noch zu erahnen (Bar ist ein katholisches Erzbistum). Besser erhalten ist da schon die Zitadelle aus dem 15.Jahrhundert (erbaut von den damals über Bar herrschenden Venezianern), deren Wehrgang Stari Bars höchsten erreichbaren Punkt darstellt. Der Ausblick auf die Bucht zu Füßen der Altstadt und das Gebirge oberhalb der Stadt ist atemberaubend.

Die Zitadelle von Stari Bar

Auch gut erhalten ist der große Aquädukt an der Nordseite der Stadt, mit dem die Osmanen (von 1571 bis 1878 Herrscher über Bar) den Ort mit Wasser versorgten. Aus dieser Epoche sind ebenfalls noch Reste von Moscheen, Bädern und ein osmanischer Uhrturm erhalten. Bei der Befreiung der Stadt im osmanisch-montenegrinischen Krieg, wurden übrigens schon 1877 weite Teile von Stari Bar zerstört und gar nicht erst wieder aufgebaut. Das Erdbeben 100 Jahre später besorgte dann nur noch den Rest, so dass auch die letzten ca. 1.000 verbliebenen Bewohner des alten Bar ihre Stadt aufgaben. Es lockten moderne Wohnblöcke unten am Meer, mit Strom und Warmwasserversorgung, die den Menschen eine zeitgemäße Verheißung waren.

Der Aquädukt

Nach 2,5 Stunden in der Altstadt, inklusive einem schönen Sonnenuntergang, schrieben wir den Kutschern von der Hintour ’ne SMS, dass sie uns wieder abholen können (hatten wir so vereinbart). Und abgeholt wurden wir auch alle von Stari Bar, was sonst komischerweise nicht jeder meiner kulturellen Programmpunkte zu schaffen vermag. Da waren wir uns wirklich einig, dieser Ausflug hatte sich gelohnt.

Blick ins Rumija-Gebirge

Wir ließen uns in der logischerweise an historischer Bausubstanz armen Innenstadt des heutigen Bar rauswerfen und sahen in der Dämmerung einen nicht gerade kleinen Waldbrand auf einem Berg unweit unserer temporären Wohnsiedlung Šušanj. Auf der abends sehr belebten Strandpromenade wirkte allerdings niemand beunruhigt, also waren wir es auch nicht. Wir aßen erstmal Ćevapčići in einem Imbiß (3,50 € pro Teller) und holten uns dann am Kiosk diverse Dosen Nikšićko Pivo, welche wir direkt am Strand genossen. Um 22:15 Uhr kam nach 1,5 Stunden gelungener Betankung auf den Strandliegen plötzlich ein sturzbetrunkener Bademeister an, der 10 € Gebühr haben wollte. Nee Danke, kauf dir die nächste Flasche Rakija von deinem eigenen Geld. Bis der Typ endgültig weggetorkelt war, tranken wir auf den Sitzbänken der Promenade weiter.

Niksicko Pivo – est. 1896

Das Feuer hatte sich derweil über den ganzen Berg ausgebreitet und war der Stadt schon bedrohlich nahe. Ein zugegeben faszinierender Anblick, aber mittlerweile trotz gleichgültig machendem Alkoholkonsum wirklich beunruhigend. Immerhin war es der perfekte Zeitpunkt, um mal einen der tollsten Sätze des Serbokroatischen auszusprechen: „Gore gore gore gore“. Heisst übersetzt: Dort oben brennen die Berge schlimmer (kein Scherz!). Gegen Mitternacht brachen wir Richtung Unterkunft auf und beschlossen vor dem Schlafengehen provisorisch zu packen. Eine Evakuierung im Laufe der Nacht schien mir doch sehr realistisch. Auch der Teenager am Späti, der überraschend gut Deutsch sprach, trug nicht zur Beruhigung der Gemüter bei. Seine Lageeinschätzung:  „Ist sicher nicht ungefährlich. Montegro ist arm. Wir haben leider kein Geld für Löschflugzeuge.“

Das flammende Inferno von Bar

Am nächsten Morgen bzw. besser Vormittag erhoben wir uns abermals mückengeplagt aus unseren Schlafkammern. Leider war das Wasser abgestellt (könnte mit dem Großbrand zu tun gehabt haben), so dass sich die Körperpflege vorerst auf Zähneputzen beschränken musste. Mit wenigstens etwas Atemfrische fuhren wir mit einem Taxi zum Bahnhof und organisierten uns Nachtzugtickets für die Rückkehr nach Belgrad (25 € pro Mann und Liege). Über die Stadt hatte sich ein Rauchschleier gelegt und der Geruch war auch alles andere als angenehm. Jedoch wurde das Feuer in den letzten 12 Stunden bedeutend zurückgedrängt und nur einzelne Areale loderten weiterhin. Der Lokalpresse entnahmen wir übrigens, dass ein polnischer Tourist das Feuer gelegt hat, weil er sich verlaufen hatte und auf sich aufmerksam machen wollte. Verlaufen 1.000 Meter entfernt von einer Stadt… Feuer in einem Wald legen… Auch noch in einem, wo es drei Monate nicht geregnet hatte… An einem Abend mit starken Winden… Darwin Award!

Der Morgen danach

Nach getaner Arbeit ging es wieder an den Strand und natürlich zum Baden ins Meer. Same procedere as yesterday! Nur im Gegensatz zu gestern mieteten wir uns Strandliegen. Die kosteten einfach mal nur 2,50 € pro Liege für den ganzen Tag. Als wir dann stundenlang am Strand dösten und dem Rauschen der Wellen lauschten, dachte ich mir; gar nicht so übel! Wenn ich Rentner bin, mache ich das vielleicht wirklich mal eine Woche am Stück. Nur das ist noch fast 30 Jahre hin (ja, ich kann es mir leisten bereits mit Anfang 60 in Rente zu gehen, falls ihr jetzt zurecht denkt „Hö, der Herr Schneppe ist doch noch so jung. Wie früh will der denn in Rente gehen?“).

Strandtag in Bar

Weil ich eben noch so jung bin, benötigte ich am Abend wieder Abwechslung vom Faulenzen. Zum Glück finde ich an jedem Ort dieser Welt ein Fußballspiel, wenn ich danach suche. So auch in Bar. Zufälligerweise war in dem bereits am Vortag gespotteten Stadion Topolica heute ein Pflichtspiel der 2.Liga von Montenegro. 17 Uhr war Anstoß und die Spielstätte lag direkt am Meer, also nur wenige hundert Meter von unseren Liegen entfernt. Es war quasi das Stadion Kandrida (ehemals HNK Rijeka) für Arme. Für Ole und mich ein Pflichtbesuch und auch Fat Lo kam sofort mit, da der alte Hopper unbedingt einen Länderpunkt haben wollte, den Chuck noch nicht hat. Milano und die Krake kamen dagegen a) zu spät und schauten b) weite Teile des Restspiels von der Clubhausterrasse, von der nicht das ganze Spielfeld einsehbar war. Ob man ihnen den Länderpunkt anerkennen kann, muss wohl das Hoppertribunal entscheiden.

Einfach mal Rumliegen

16:59 Uhr liefen die Teams von Mornar Bar und Čelik Nikšić auf und der immer noch rauchende Berg sorgte für ein passendes Intro im Hintergrund. Eine Fankultur gab es dagegen leider nicht. Zwei auf den Stehtraversen picknickende Familien, viele kleine Männergruppen und unser Exoten-Trio bildeten heute das Publikum. Knapp 150 Menschen dürften es wohl gewesen sein, die somit 3 % der offiziellen Zuschauerplätze spärlich füllten. Gästefans waren keine erkennbaren aus Nikšić mitgereist (zweitgrößte Stadt des Landes, zwei Autostunden entfernt). Das wäre wohl auch zuviel verlangt für ein Spiel unter der Woche in der 2.Liga. Obwohl Čelik immerhin 2012 den nationalen Pokalwettbewerb gewann und sich ab da drei Jahre in Folge für den internationalen Wettbewerb qualifizierte (allerdings in insgesamt acht Spielen sieglos geblieben, mit einer Tordifferenz von 6:36). 2015 zog der Club sich jedoch aus finanziellen Gründen aus der 1.Liga zurück und spielt seitdem zweitklassig.

Auf geht’s, Mornar vs. Celik

Mornar (zu deutsch: Matrose) hatte Anstoß, verlor jedoch sofort den Ball und die Gäste feuerten nach 20 Sekunden den ersten Torschuss des Spiels ab. Ich prophezeite meinen beiden Freunden ein Torfestival in der montenegrinischen Abendsonne, aber sollte wie so oft Unrecht behalten. Die erste Halbzeit hatte zwar ein paar Chancen hüben wie drüben zu bieten, aber in Sachen Abschluß sahen wir zwei völlig unfähige Sturmreihen. Beste Chance war in der 38.Minute ein Lattenkracher aus 20 Metern von Mornars Mittelstürmer Dejan Jovancov. Der erfüllte allgemein das Amateurfußball-Klischee, dass der begabteste Kicker die Rückennummer 10 bekommt.

Die Tribüne

In der 50.Minute ließ Jovancov nochmal  seine Klasse aufblitzen, aber sein Schuss aus der Drehung aus ca. 22 Metern konnte der Gästetorwart über die Latte lenken. Die folgende Ecke brachte wie bisher alle Standards nichts ein. Überhaupt, ich gab das Spiel so langsam auf. Der Sonnenuntergang über dem Meer, direkt hinter dem Spielfeld, war wesentlich ästhetischer als das Gebolze. Weitere Ablenkung: Kurz nach 18 Uhr fuhr noch ein Kreuzfahrtschiff vorbei, welches mit dem Schiffshorn lautstark auf sich aufmerksam machte. Danach kreisten Canadair-Löschflugzeuge über uns (freundliche Leihgabe aus einem Nachbarstaat) und ließen Wasser über den wenige Kilometer entfernten Waldbränden niederregnen. Die Amphibienflugzeuge flogen dann wieder zur Wasseraufnahme auf’s Meer hinaus und warfen jetzt mehrmals ihre Ladungen über den letzten Brandherden ab.

Kreuzfahrtschiff auf großer Fahrt

Auch Pete und die Krake tauchten im Laufe der 2.Halbzeit noch auf der Tribüne auf und das Gezeter der Nachzügler, wie beschissen doch das Spiel ist, versüßte mir den Rest des Kicks. Letztes Highlight: In der 80.Minute wurde Mornar noch ein klarer Strafstoß verwehrt (Foulspiel) und danach fand ich mich mit dem 0:0 endgültig ab. Hätte ich doch nur mal vorher auf die Tabelle und die bisherigen Ergebnisse geguckt. Mornar hatte diese Saison bisher drei Spiele absolviert und alle gingen 0:0 aus. Nun also das vierte 0:0 in Folge und somit Platz 8 mit 4 Punkten und 0:0 Toren. Und Čelik hatte auch erst zwei Tore in drei Spielen geschossen (ein Sieg, zwei Niederlagen, Platz 11 von 12). Da konnte man wohl nicht viel mehr erwarten. Na ja, es hat kein Geld, sondern nur 5 Minuten Anreise und insgesamt zwei Stunden Lebenszeit gekostet.

Sonnenuntergang über dem Stadion

Als das Elend abgepfiffen war, ging es sofort ins Stadionrestaurant Aria. Groundhopping darf ja gerne mal weh tun, aber dann muss man sich auch entsprechend belohnen und die Belohnung kam in Form der bisher massivsten Fleischplatte des Urlaubs. 8 € waren dafür zu investieren und nebenbei klärten wir telefonisch noch alles für unseren letzten Tag in Bar. Zunächst wurde der Vermieter angerufen, wann wir morgen raus müssen bzw. ob er noch bis abends unser Gepäck aufbewahren kann. „Jungs, bleibt solange ihr wollt. Ich bekomme morgen noch keine neuen Gäste.“ Saugeil! Dann wurde der Anbieter einer „Minikreuzfahrt“ angerufen. „Wenn ihr Tickets für morgen früh braucht, seid auf jeden Fall ’ne halbe Stunde vor Abfahrt da. Das Boot wird definitiv voll und wenn voll, dann ist voll. Oder seid ihr zufällig gerade in Bar?“ […] „Ah, Restaurant Aria? Okay, ich bin in fünf Minuten da und bringe euch fünf Tickets.“ Besser konnte es nicht laufen.

Aria-Fleischplatte

Nach der Ticketübergabe mit Captain Ivan genossen wir unsere Fleischberge, die heute nur Ole komplett bezwingen konnte. Dabei gab es natürlich wieder einen geilen Sonnenuntergang über dem Meer und ab 21 Uhr legte auch noch die hiesige Kafana Band los. Sie erfreute unsere Ohren mit einer tollen Mischung von Volksliedern aus der Jugosphäre und westlichen Hits, die auf den traditionellen Instrumenten des Balkans interpretiert wurden. Dementsprechend blieben wir noch ein paar Getränkerunden auf der lauschigen Terrasse sitzen, ehe es wieder den altbekannten Weg zum Appartement ging und wir uns zur Nachtruhe betteten. Heute mit der Strategie alle Mücken zu töten und danach mit verschlossenen Fenstern und Türen zu schlafen. Neue Stiche gab es keine, aber die Bettlaken wurden nun natürlich komplett vollgeschwitzt. Über 30° C Raumtemperatur dürften das ganze Nacht über gewesen sein. Also wieder gelitten, nur anders.

Abendrot an der Adria

Für die Bootstour am Folgetag auf der Holiday musste der Wecker auf 6:30 Uhr gestellt werden. Endlich mal wieder frühes Aufstehen. Was haben wir es vermisst! Nach einer Stunde waren alle startklar und wir spazierten gemütlich zum Bäcker und danach zur Bootsanlegestelle. Am mit Ivan verabredeten Ort war nur leider keine Anlegestelle. Also mussten wir knietief ins Wasser, um auf’s Boot zu kommen. Aber es gibt Schlimmeres für Wasserratten wie uns. Das Boot war in der Tat proppenvoll und wir quetschten uns am Heck noch irgendwo hin. Es gab nun Wahnsinnsanblicke bei den ganzen riesigen Klippen, die wir passierten, und den kleinen Felseninseln in der Adria.

Die felsige Adriaküste

Der erste Stopp war Petrovac na moru. Ein kleiner, ruhiger Badeort zwischen Bar und Budva. An der Kaimauer gibt es eine kleine Bastion und am Strand laden diverse Lokale laden zum Verweilen ein. Da der Ort sonst nicht soviel her gab, ließen wir uns in einem davon nieder und tranken Caffé Freddo in der Morgensonne. Danach wurde nochmal die Bastion für einen besseren Ausblick erklommen und dann war die Stunde Aufenthalt auch schon wieder um.

Bootstour an der Küste

Bei unserer Weiterfahrt sahen wir leider rege Bautätigkeit in Sachen große Hotelbunker, die das Küstenbild zu verschandeln drohen. Montenegro beginnt touristisch so richtig zu boomen und könnte schon in wenigen Jahren eine No Go Area für Typen wie mich werden. Zumindest die Küstenregion. Zwei Formen des Tourismus erreichten wir alsbald. Zunächst einmal die Insel Sveti Stefan, wo ein malerisches Fischerdorf aus dem 15.Jahrhundert komplett in ein luxuriöses Hotelresort verwandelt wurde. Ein Ort für die Reichen und Schönen, inklusive Casino, was Sveti Stefan den Spitznamen Mini Monaco eingebracht hat.

Sveti Stefan

Apropos Fischer(dorf), der nach seinem Selbstverständnis damals immer noch amtierende Schachweltmeister Bobby Fischer hatte hier 1992 sein Rematch mit Boris Spasski, dem er 1972 im Match des Jahrhunderts in Reykjavik den Weltmeistertitel abgenommen hatte. Fischer gewann erneut, verstieß mit seiner Teilnahme an dieser Veranstaltung auf dem Territorium Restjugoslawiens jedoch gegen das damalige US-Wirtschaftsembargo aufgrund des Bürgerkriegs. Bei einer Rückkehr in seine Heimat USA hätte Fischer nun eine lange Haftstrafe gedroht. Folglich betrat Fischer bis zu seinem Tod 2008 nie wieder den Boden der Vereinigten Staaten.

Stari Budva

Wer mehr über Bobby Fischer erfahren will, guckt am besten mal die Doku Zug um Zug in den Wahnsinn (Bobby Fischer Against the World). Denn ich will natürlich nicht total abschweifen und mich nun der nächsten Form des Tourismus widmen, nämlich dem mediterranen Massen- und Partytourismus. Denn nach Sveti Stefan steuerten wir Budva an. Budva ist Ziel von fast 45 % der Montenegro-Reisenden. Circa 700.000 Touristen zählt die Stadt pro Jahr (Tagestouristen wie uns noch nicht mitgezählt), die im Schnitt sechs Nächte bleiben. Dieser Massentorurismus sorgte endlich wieder für aus Deutschland gewohnte Preise. Hier kostet der halbe Liter Bier auch mal 3 € und die kleine Cola 2 € oder die Pizza 8 € und der Grillteller 15 € (also günstiges deutsches Preisniveau, mit Sylt kann Budva noch nicht mithalten 😉 ).

Bier? Bier trink isch auch gern.

Neben den wesentlich volleren Stränden als z. B. in Bar, hat Budva auch noch eine schöne Altstadt direkt am Meer zu bieten. Hier entschied man sich das historische Budva nach dem Erdbeben von 1979 wieder komplett originalgetreu zu rekonstruieren. Diese Altstadt war natürlich unser Hauptziel und wirkte auf uns wie eine kleine Schwester von Dubrovnik. Erfreulicherweise gab es im Schatten der massiven Stadtmauern sogar einen eigenen Altstadt-Sandstrand. Dort genossen wir das erste Bier des Tages in der Mittagsonne, bevor wir nochmal zur Zitadelle von 1836 hochschauten. Die hatten die Habsburger erbaut, die von 1797 bis 1918 (mit kriegsbedingten Unterbrechungen) über Budva herrschten. Davor gaben sich bereits Griechen, Illyrer, Römer, diverse slawische Völker und Venezianer die Klinke in die Hand. Letztere wehrten ab dem 15.Jahrhundert auch alle osmanischen Angriffe ab, so dass die Türken Budva nie ihrem Großreich einverleiben konnten.

Der Altstadtstrand von Budva

Von der einstigen südwestlichsten Festung Österreich-Ungarns, ging es wieder langsam zurück Richtung Bootsanleger. Dabei passierten wir natürlich ein zweites Mal die gut besuchten Strände der Bucht von Budva. Zu erahnen war auch, dass Budva eine richtige Partystadt ist. Es gibt hier zahlreiche Beachclubs, wovon das Trocadero und das Top Hill besonders bekannt sind. Auch Mr. Stefan Braun, Belgrads bekanntester Club, hat eine Sommerniederlassung in Budva. Die Clubs haben große Freiluftbereiche und Partypools und können für Partys auch schon mal bis zu 30 € Eintritt verlangen. Bei der nächsten Reise nach Montenegro kommt eine Partynacht in Budva auf jeden Fall auf die To-Do-Liste.

Unterwegs in den Gassen von Budva

Vor Abfahrt gab es noch einen kleinen Pizzasnack (Viertelstück à 2,50 €) und eine weitere Runde Pivo in einer Strandbar. Nach drei Stunden in Budva legten wir dann wieder ab und steuerten die 1.000 Meter vor der Küste gelegene Insel Sveti Nikola an. Die Einheimischen nennen sie Havai, weil es hier früher eine gleichnamige Open Air Disco gab. Es ist Montenegros größte Insel, jedoch unbewohnt. Allerdings gibt es regen Bootsverkehr hierhin und gastronomische Infrastruktur für die Tagesausflügler. Also von wegen, es gibt kein Bier auf Hawaii… Wir ließen uns nach einem kleinen Erkundungsspaziergang natürlich sofort in einer exotisch anmutenden Strandbar nieder und tranken die nächsten Biere des Tages.

Strandbar auf Havai

Klar, man hätte hier jetzt auch super Baden gehen können wie der Rest von unserem Boot, aber die Angst vor Seeigeln war einfach zu groß. Fragt mal Ole, wir sehr einem die Biester zusetzen können. Nach zwei Runden Bier legte unser Kahn wieder ab und wie schon zuvor in Budva, war ich erneut der letzte eintreffende Passagier, obwohl ich wieder zwei Minuten vor Ablegezeit da war. Die ganzen Russen und Südslawen an Bord waren also pünktlicher als der „Deutsche“. Aber wahrscheinlich haben die die Ansage des Captains, dass er pünktlich ablegt und auf niemanden wartet, im Gegensatz zu mir wirklich ernst genommen.

Sveti Nikola a.k.a Havaii

Wir schipperten jedenfalls ohne personelle Verluste wieder gen Bar und Ivan ließ sich derweil oberkörperfrei von seiner Freundin an Deck massieren (sie war allerdings nur fast oberkörperfrei). Er war schon ein kleiner Playboy. So wirklich Arbeit auf dieser Tour leistete eigentlich nur sein Vater am Steuer, während er mit seiner Gespielin rumturtelte und ansonsten lockere Sprüche für die Passagiere parat hatte. Ach, und natürlich schrieb er bei jedem Halt die geplante Abfahrtszeit auf ein Magic Board für Kleinkinder. Meine Lieblingsabfahrzeit war 13:12 Uhr in Budva.

Das herrliche Wasser der Adria

Auf der Rücktour von Havai gen Bar gab es nun einen nicht vorangekündigten Überraschungsstopp. Es war der Kraljicina Plaža, ein nur vom Wasser erreichbarer Traumstrand nahe Canj. Dieser Strand war der Lieblingsstrand der jugoslawischen Königin Marija Karađorđević (geborene von Hohenzollern-Sigmaringen, ab 1922 Gattin von König Aleksandar I Karađorđević). Daher der heutige Name, der übersetzt Strand der Königin heißt. Auch hier gab es Gastronomie für die nächste Runde Bier und nach einer weiteren Stunde Sonne wurde endgültig Kurs auf Bar genommen. Die neunstündige Tour mit den vier Stopps hatte übrigens nur 10 € pro Person gekostet. Ich kann es nur weiterempfehlen!

Kraljicina Plaza

Bar erreichten wir gegen 17 Uhr und zum krönenden Abschluss ging es nun nochmal ins Restaurant vom Abend der Ankunft. Es lag ja eh auf halber Strecke zum Appartement. Um endlich mal die Spirale der totalen Überfressung zu durchbrechen, bestellte ich nur Šopska Salat und als Hauptgang Ćevapčići mit Käse innen und außen (plus Fritten). Und tatsächlich, man wird auch von weniger als 500 Gramm Fleisch satt. Experiment gelungen!

Eine Bootsfahrt, die ist lustig

Natürlich bestand Herr Hott wieder darauf uns zum Bahnhof zu fahren. Diesmal dank unterstützendem Sohnemann sogar mit zwei Autos. Der Sproß war großer Basketballfan – kein Wunder, Mornar Bar mag ’ne Krücke im Fußball sein, aber im Basketball sind sie nationale Spitze und 2016 sogar Vizemeister der internationalen Balkanliga geworden – und wollte mit uns über Deutschlands EM-Auftaktsieg gegen die Ukraine reden. Jetzt wussten wir, dass Basketball-EM ist und er, dass wir Basketball nicht besonders verfolgen. Aber wir mochten alle Fußball und er erzählte, dass er letzten Sonntag beim Derby in Belgrad war. Er war tatsächlich großer Anhänger von Crvena zvezda und zeigte uns stolz sein Selfie aus der Nordkurve. Er guckte dann sehr ungläubig, als ich meinte, dass wir auch da waren. Beim Fotobeweis wurden seine Augen jedoch richtig groß und er hätte am liebsten 1.000 Fragen über unsere Hintergründe gestellt, aber die Fahrt ging halt nur fünf Minuten. Blöd, wenn man sich erst am Ende der Reise kennenlernt.

Cevapcici im Pod Lozom

Im anderen Auto verbreitete Herr Hott dagegen neueste Gerüchte zum polnischen Brandstifter. Der sei betrunken und zu faul zum Weitergehen gewesen, weil er auch nur in Badelatschen unterwegs war. Daher hat er das Feuer gelegt, damit ihn jemand da oben abholt. Das klingt so bescheuert, wahrscheinlich stimmt es. Fakt ist jedenfalls, dass der Pole mittlerweile in U-Haft sitzt. Das konnten wir sogar in deutschsprachigen Medien lesen.

Song of the Tour: Wir waren es wirklich nicht.