Niš (Nisch) 08/2017

  • 23.08.2017
  • Radnički Niš – Mladost Lučani 2:1
  • Super Liga (I)
  • Gradski Stadion Čair (Att: 3.000)

Wie im vorigen Bericht aus Mazedonien erwähnt, hatten wir aufgrund der Hinspielergebnisse das Spiel FK Skendija vs. AC Milan gegen FK Crvena zvezda vs. FC Krasnodar ausgetauscht. Das erforderte spätestens am frühen Donnerstagabend in Belgrad aufzuschlagen.

Erst am Donnerstagmorgen in Ohrid los und dann 14 Stunden Bus am Stück wollte keiner von uns (zumal jede Verspätung den Spielbesuch gefährdet hätte). Daher strichen wir einen Tag Ohrid und fuhren Mittwoch als erste Etappe vom mazedonischen Ohrid ins serbische Niš. Das ermöglichte uns das Kennenlernen einer weiteren Stadt und ebenso ein weiteres Fußballspiel. Nur blöd, dass sich ein Direktbus von Ohrid nach Niš um 8:00 Uhr morgens als Fantasieprodukt von balkanviator.com entpuppte. Daher mussten wir bereits um 5 Uhr morgens im ersten Step von Ohrid nach Skopje. Gott, was hatten wir alle gute Laune, als um 4 Uhr morgens der Wecker klingelte. Und zu schlaftrunken (oder zu blöd) das Warmwasser an der Therme anzuschalten, war ich obendrein. Zum Glück schwiegen wir uns einfach den ganzen Weg zum Busbahnhof an und im relativ leeren ersten Bus nach Skopje (kostete wie am Vortag 7,50 €) fanden sogar alle noch ein, zwei Stündchen Schlaf.

Buspenner

Auch der Anschluss nach Niš klappte reibungslos (Busticket kostete 630 Denar, also ca. 10 €) und es blieb noch genug Fremdwährung für Börek und Wasser übrig. Blöd, dass wir wirklich jeden Mazedonischen Denar ausgaben und die letzten Exemplare auch noch an Bedürftige verschenkt wurden. Denn am Buseinstieg wurden nochmal 30 davon für jedes große Gepäckstück fällig. Wäre für unwissende Kartoffeln wie uns natürlich besser gewesen, wenn man darauf bereits am Ticketschalter hingewiesen und am besten auch gleich abkassiert worden wäre.

Universität Nis

Zum Glück nahm der Busfahrer ersatzweise auch 0,50 € pro Koffer, die Ole für jeden stellen konnte. Die Beschallung während der Fahrt mit jugoslawischer Schlager- und Countrymusik war wenigstens im Preis inklusive und dank viel Andrang an der serbisch-mazedonischen Grenze eine Stunde länger als geplant zu genießen. Am Ende wechselte der Fahrer sogar noch auf „Kuschelrock – Die Hollywood Edition“ und wir wurden bei „Take My Breathe Away“ von Berlin in Niš aus dem Bus geworfen. Welch treffender Abschiedssong, hatten wir uns doch nach vier Stunden in die großräumigen Sitzabstände (noch weniger als bei WizzAir), die fehlende Toilette, die angenehme Luft im Bus und die 45 anderen Insassen verliebt. Aber man soll bekanntlich gehen, wenn es am schönsten ist.

Meine Schlafkammer in Nis

Bis wir am wirklich traumhaften Appartement mit je drei Schlaf- und Badezimmern angekommen waren (bisher die schönste Unterkunft der Reise und auch nur 9 € pro Mensch), hatte es bereits 15 Uhr geschlagen. Jetzt musste sich nochmal frisch gemacht werden und dann steuerten wir nach einem ersten Stadtbummel eine Kafana in der kleinen, aber feinen Innenstadt an. Besonders die historische Kesselflickergasse Kopitareva ist ein Traum in Sachen Bars und Restaurants. In der Kafana kod Rajka gönnten wir uns wahlweise Ćevapčići mit Kajmak gefüllt oder Schweinefilet mit Zwiebeln und Kajmak beträufelt. Dazu ein großes Bier und Fritten. Mangels großartig Tourismus nach Niš, scheint die Stadt nochmal günstiger als Belgrad zu sein. Jedenfalls wurden wir für alles pro Person inklusive rund 15 % Trinkgeld nur 800 Serbische Dinar los (also ca. 6,50 €).

Cevapcici mit Kajmak und Zwiebeln

Nach dem Essen war es schon 17:30 Uhr und es zeigte sich, wer den Fußball wirklich liebt und wer nur stumpfer Säufer ist 😉 Ole und ich mussten alleine zum Straßenfeger Radnički Niš vs. Mladost Lučani aufbrechen! (O-Töne: „Das Spiel Montag hat mir schon wieder gereicht“, „Wir werden in diesem Urlaub noch genug räudige Spiele gucken“ und „Es ist doch gerade so gemütlich hier“). Mit moralischem Überlegenheitsgefühl spazierten wir halt nur zu zweit zum Gradski Stadion Čair (18.151 Plätze), dessen Haupttribüne herrlich betagt ist, während der Rest erst in diesem Jahrzehnt komplett saniert wurde. Allerdings war dabei das Geld ausgegangen, so dass die geplante Überdachung fehlt und an der Haupttribüne, wo neue Logen und Businessbereiche entstehen sollten, wurde gar nicht erst angefangen zu renovieren.

Haupttribüne des Stadions

Kurioserweise waren nun die teuersten Plätze die abgerocktesten und auch unsere Presseplätze waren im Obergeschoss des Altbaus untergebracht. Von hier hatten wir einen guten Ausblick, zuvorkommende Betreuung durch Radničkis Medienbeauftragte und sehr zu unserer Freude füllte sich das zunächst recht leere Stadion kurz vor Anpfiff auch noch etwas. Insgesamt 3.000 Zuschauer sollen laut Verein ein Ticket erstanden haben, darunter auch ein kleiner Fanblock hinter dem Tor von circa 200 Leuten. Ich würde mal vermuten, dass Partizan und vor allem Crvena zvezda mehr Fans in Niš haben, als Lokalmatador Radnički (zu deutsch: Arbeiter). Das erklärt vielleicht die Dimensionen hier.

Pressebereich in der Haupttribüne

In der ersten Halbzeit erarbeite sich die von Peter Pacult trainierte Heimmannschaft ein deutliches Chancenplus. Als in der 38.Minute die Hand eines Verteidigers von Mladost (zu deutsch: Jugend) im Strafraum angeschossen wurde (Arm ging vom Körper weg, aber meiner Meinung nach nicht bewusst zum Ball), zeigte der Schiedsrichter auf den Punkt. Lazar Arsić schoss platziert nach rechts unten, jedoch so schwach, dass der Keeper ihn wenige Zentimeter neben dem Pfosten von der Linie kratzen konnte. Mladosts beste Chance folgte zwei Minuten später bei einem schnellen Konter, aber der Schuss von Predrag Pavlović war nach einem Sprint über den halben Platz ähnlich schwach wie der Strafstoß auf der anderen Seite.

Plattenbauromantik

Dennoch ging es nicht torlos in die Kabinen. In der 44.Minute flankte Radničkis Slaviša Stojanović in den gegnerischen Strafraum und ein Mladost-Verteidiger lenkte den Ball mit gestrecktem Bein ins eigene Tor. Dann folgte der Pausenpfiff und wir hatten Zeit das Gesehene mit der Medienbetreuerin zu analysieren, die uns auch noch ein paar Erfrischungsgetränke organisierte. Außerdem haben wir Jovana Guzijan von TV Arena Sport kennengelernt, die wir fortan jeden Tag bei der Arbeit wiedertrafen. Auch eine sehr sympathische Frau, die leidenschaftlich beim Fußball mitfiebert, wie wir besonders am Folgetag feststellen sollten.

Fanblock Radnicki Nis

Nach gut 15 Minuten Verschnaufpause rollte der Ball wieder und an den Kräfteverhältnissen hatte sich nicht viel geändert. Als in der 61.Minute ein Angriff von Radnički nur per Notbremse gestoppt werden konnte, gab es Gelb-Rot für Mladosts Abwehrspieler Marić und erneut einen Strafstoß die Hausherren. Arsić wollte nicht nochmal schiessen und so schnappte sich Milan Pavkov den Ball. Der machte es besser und es stand 2:0! Mladost aus der kleinen Gemeinde Lučani in Zentralserbien, in dessen Gemarkung jährlich im August das berühmte Guca Trumpet Festival stattfindet, war gefühlt geschlagen. Radnički behielt das Spiel dementsprechend unter Kontrolle und auch der überraschende Anschlusstreffer in der 80.Minute (durch den kurz zuvor eigewechselten Trifunović) sorgte nicht wirklich für Verunsicherung. Es war Mladosts dritter und letzter Torschuss in diesem Spiel (Radnički zielte übrigens 13 mal auf den gegnerischen Kasten).

Stadion Cair unter Flutlicht

Nach Abpfiff verabschiedeten wir uns fix, aber innig von Radničkis Medienbetreuerin und gingen wieder zur Straße Kopitareva. Natürlich fanden wir unsere drei Freunde noch da vor, wo wir sie verlassen hatten. Sie behaupteten zwar, sie hätten sich in den letzten 2,5 Stunden die Kneipenstrasse einmal rauf und runter getrunken und wären am Ende wieder hier gelandet, aber ich hielt das für eine Schutzbehauptung. Um glaubhafter zu wirken, sagten sie uns, dass der Rakija in der Kul Bar am besten war. Also gingen Ole und ich schon mal dorthin und die anderen wurden 10 Minuten später von der Kellnerin tatsächlich wie alte Bekannte begrüßt (wahrscheinlich waren sie also doch wenigstens einmal aufgestanden und auf einen Drink hier gewesen). Nun gab es ein paar Runden Lav vom Fass und dazu Rakija Dunja in rauen Mengen (war wirklich ’n Guter). Da am vierten Morgen des Urlaubs erstmals Ausschlafen erlaubt war, hatten wir – im Gegensatz zum Schulz-Zug – keine Bremsen.

Kopitareva at night

Am besagten ersten Ausschlafmorgen waren Milano und Ole trotzdem morgens in den Park am Stadion zum Pumpen gegangen, während Fat Lo und ich einen kulturellen Spaziergang durch Niš machten. Den am Stadtrand gelegenen und nun in eine Kapelle eingebetteten Knochenturm (von den Osmanen aus den Schädeln serbischer Aufständischer gebaut) sparten wir aus Zeitgründen aus. Ich hatte ja eh erst jüngst in Portugal eine mutmaßlich noch eindrucksvollere Knochenkapelle gesehen (Capela dos Ossos in Évora). Und Römerruinen hatte ich in Portugal ebenso genug gesehen, so dass wir die empfohlenen Römerruinen von Mediana auch nicht aufsuchten.

Pump es bis zum Limit

Wir konzentrierten uns ganz auf das Stadtzentrum und die dortige riesige Festung, welche noch vor Schädelturm und Römerruinen die Topattraktion von Niš ist. Die hatten die Osmanen im späten Mittelalter erbaut, nachdem Niš im 15.Jahrhundert unter ihre Knute kam. Davor konnte die Stadt bereits auf etliche bewegte Jahrhunderte zurückblicken, da es unter den Römern an der Hauptverkehrsstraße nach Konstantinopel lag (ausgestattet mit einem der größten Römerkastelle auf dem Balkan). Apropos Konstantinopel; Kaiser Konstantin I.,der langjährige Namenspatron des heutigen Istanbuls, sowie Wegbereiter der Christianisierung des Römischen Reiches, wurde so um 280 n. Chr. in Niš (Naissus) geboren. Deshalb feierte die Christenheit 2013 hier (genauer gesagt im gestern besuchten Stadion) 1.700 Jahre Anerkennung ihrer Religion (313 wurde das Toleranzedikt von Mailand verabschiedet). War bestimmt ’ne geile Poady!

Festung Nis

Während Fat Lo und ich die Ruine der einstigen Festungsmoschee inspizierten, kamen auch überraschend Milano Speed und Pumpin‘ Ole hinzu („Wir wussten, dass wir euch hier finden würden“). Also ging es zu viert weiter. Neben der Moschee gab es auch noch ein gut erhaltenes Hamam aus osmanischer Zeit innerhalb der Festungsmauern. Ansonsten schienen die Soldatenbaracken, die Magazine, die Handwerkersiedlung und die Verwaltungsgebäude auf dem großzügigen Gelände geschliffen worden zu sein. Hier und da gab es noch Überreste und Ausgrabungsstellen, aber im Großen und Ganzen war das jetzt ein schöner Park, von dessen Mauern man einen guten Ausblick auf die Stadt hatte. Touri-Fazit nach grob einem Tag Niš: Ein oder zwei Tage Niš kann man schon mal machen, zumal es mit seinem internationalen Verkehrsflughafen auch gut als Tor nach Zentral- und Südserbien dienen kann und wir ja außerdem genug Sehenswürdigkeiten für einen weiteren Tag ausgelassen hatten.

Ruine der Bali-beg Moschee

Gegen 10:30 Uhr wollten wir dann die Langschläfer-Krake wecken („Wie lange willst du morgen schlafen?“ „Solange bis wir los müssen!“) und ich nutzte nochmal die günstige Gelegenheit, dass gegenüber vom Appartement ein Friseur war. Nachdem der Rest in Ohrid bereits Haare verloren hatte, wollte ich auch noch ’nen akkuraten Derbyschnitt für Sonntag bekommen. Umgerechnet 1,60 € waren für Waschen, Schneiden und Rasieren fällig. Weil ich jene 200 Dinar passend hatte und sonst nur 2000er im Portemonnaie zu finden waren, auf die die Dame nicht rausgeben konnte, war ich zunächst nicht mal im Stande Trinkgeld zu geben. Gott sei Dank hatte Milano noch einen Fünfziger, den ich nach dem Check-out fix nachreichen konnte. Dass die Stundenlöhne im zentralserbischen Friseurgewerbe nicht besonders hoch sein dürften, kann sich jetzt wohl jeder ausrechnen (im mazedonischen Ohrid waren übrigens immerhin umgerechnet 2 € für einen Herrenhaarschnitt zu zahlen).

Die Fleischgaleere von Nis

Es war mittlerweile 11:30 Uhr und mit nüchternen Magen in den Bus nach Belgrad zu steigen, hielten wir alle für ’ne blöde Idee. Daher ging es nochmal in ein traditionelles serbisches Restaurant namens Galija. Je nach Appetit war für jeden was dabei. Milano hatte Omelette, Ole Spiegeleier mit pikanter Wurst, die Krake Hähnchenbrustspieße mit Speckmantel, Fat Lo Vjeskalica und ich gönnte mir rund 600 Gramm Fleisch verschiedenster Art mittels Grillplatte. Als Schneppe im Speckmantel rollte ich nun mit den anderen zum Busbahnhof, wo wir den Bus um 13:35 Uhr nach Belgrad erwischten (Kosten pro Kopf: 9 €). Also, auf nach Belgrad!

Song of the Tour: Wenn ich schon das „Guca Trumpet Festival“ erwähne, darf es am Ende auch der Altmeister sein.