Euregio Maas-Rhein 07/2017

  • 29.07.2017
  • KFC Uerdingen 05 – 1.FC Köln II 2:1
  • Regionalliga West (IV)
  • Grotenburg-Stadion (Att: 3.163)

Als Hannover 96 im Jahre 1999 das vorerst letzte Mal beim KFC Uerdingen gastierte (Auswärtssieg, Tor des Tages: Fabian Gerber), war meine Karriere als Auswärtsbegleiter der 96-Elf gerade erst in ihren Kinderschuhen. Ziele in moderater Distanz wie Bielefeld, Gütersloh oder Hamburg (St. Pauli) dienten damals zum Herantasten an die Auswärtsfahrerei in der 2.Bundesliga. Auf einem Sonntag nach Krefeld fahren und erst gegen Mitternacht wieder zurückkommen, wenn am nächsten Morgen Schule ist, war mit meinen Eltern allerdings nicht zu machen. Über 18 Jahre dauerte es nun, bis Krefeld und seine Grotenburg-Kampfbahn endlich keine Terra incognita mehr für mich sein sollten.

Die kleinste Reisetasche der Welt mit Badetuch, T-Shirt, Boxershorts, Socken, Deo, Duschbad, Zahnbürste, Zahnpasta und Powerbank

Nach dem Krefeld-Ausflug wartete abends um 20 Uhr im ostbelgischen Eupen außerdem der Vergleich zwischen KAS Eupen und SV Zulte Waregem auf mich, während Sonntagnachmittag in der Eifel nochmal der Ball auf Amateurniveau in einem sehr speziellen Stadion rollen sollte (dem der Ordensburg Vogelsang). Gern ließ ich meine Kreditkarte von der Deutschen Bahn mit 55,30 € für Hin- und Rückfahrt belasten und bestieg Samstagmorgen um 7:31 Uhr in Hannover den ICE 946 gen Westen.

Voll schön: Duisburg Hbf

Das erste Etappenziel des heutigen Tages war Duisburg. Ich war um 10 Uhr dort und überlegte mir mal eine Stunde für Duisburg zu opfern, anstatt sofort nach Krefeld weiterzureisen. Duisburg kenne ich durch die alten Schimanski-Tatorte und eine handvoll Spielbesuche beim MSV. Aber so richtig habe ich noch nichts von Duisburg gesehen und es trotzdem als abgrundtief hässlich vorverurteilt. Unsere legendären Asi-Mottofahrten mit 96 an die Wedau oder Songs wie Dat is Duisburg von Die Bandbreite schlugen ebenfalls in die Kerbe der Klischees. Ich musste Duisburg jetzt einfach mal eine faire Chance geben.

Der Roland am Duisburger Rathaus

Schnell ließ ich den unbestritten hässlichen Hauptbahnhof hinter mir und spazierte an belangloser Nachkriegsbebauung vorbei zur vorgeblichen Altstadt. Eine Shopping Mall namens Königsgalerie markierte dann so etwas wie die Grenze zum historischen Duisburg. Nachdem ich die Galerie durchquert hatte, stand ich vor dem Alten Postamt. Das sah ganz okay aus und die Türme vom Rathaus und der Salvatorkirche waren nur noch einen Katzensprung entfernt.  Das Ensemble kann man sich mal geben, auch wenn es natürlich keine Sehenswürdigkeiten von nationalem oder gar internationalem Rang sind.

Ausgrabungsstätte Alt-Duisburg

Sehr gut gefiel mir, dass am Rathaus ein archäologisches Ausgrabungsareal zu finden war. Hier wurde in Form einer Treppe das Straßenpflaster des 13., 16., 18. und frühen 20.Jahrhunderts freigelegt und unten kann man durch alte Gebäuderuinen spazieren. Duisburg ist eine sehr alte Stadt, was man zunächst nicht so auf dem Schirm hat. Aber logischerweise ist der Ort, wo die Ruhr in den Rhein mündet, schon lange ein wichtiger Handelsplatz (erste urkundliche Erwähnung 883, erste Besiedlungsspuren allerdings wesentlich älter). Lediglich zu sehen ist von der reichen Geschichte nach unzähligen Brandkatastrophen und Kriegen nicht mehr viel.

Mittelalterliche Stadtmauer

Wenigstens sind Teile der mittelalterlichen Stadtmauer noch gut erhalten. Ich spazierte jene Stadtbewehrung am so genannten Innenhafen ab, der auch mit alten Kontoren, restaurierten Hafenkränen und der Schwanentorbrücke glänzen kann. Hier war Duisburg wirklich nicht so übel. Doch ich hatte trotzdem vorerst genug gesehen und orientierte mich wieder Richtung Hauptbahnhof. Diesmal ging ich so, dass ich noch am Stadttheater vorbeikam und mit dem City Palais eine weitere Mall entdeckte (inklusive der Spielbank Duisburg, dem umsatzstärksten Casino Deutschlands).

Innenhafen Duisburg

11:35 Uhr setzte ich meine Reise fort, doch wegen eines Notarzteinsatzes im Gleisbett war in Duisburg-Rheinhausen Endstation meines Zuges und die Strecke nach Krefeld wurde vorerst komplett gesperrt. In 20 Minuten sollte jetzt der nächste Linienbus nach Krefeld fahren und ca. 96 motivierte Reisende standen bereit, um damit ihre Fahrt fortzusetzen. Bemerkenswerterweise kam nur ich auf die Idee das zwanzigminütige Zeitfenster zu nutzen, um dem Bus eine Station entgegen zu gehen. Ich war nun vorab im bereits gut gefüllten Bus, während über die Hälfte der Zugreisenden stehen gelassen werden musste.

Villa Schönhausen

Mein Plan über zwei Stunden vor Spielbeginn in Krefeld-Linn auszusteigen und im vielleicht schönsten Stadtteil die Linner Burg und Altstadt anzuschauen, war nun dennoch obsolet. Der Bus fuhr nicht über Linn und wäre auch erst nach 13 Uhr am Krefelder Hauptbahnhof gewesen (von wo es auch noch ein gutes Stück zum Stadion ist). Zum Glück hieß eine Haltestelle unterwegs Grotenburgstraße. Die Straße ist zwar nicht besonders kurz und es war noch ein gutes Stück zum Stadion, aber es war der optimalste Ausstieg auf der Route. Durch den ansprechenden Schönhausenpark spazierte ich nun nach Süden und konnte alsbald den Krefelder Zoo riechen.

Ungeplanter Zoobesuch

Der Krefelder Zoo ist der nördliche Nachbar des Grotenburg-Stadions und möglicherweise ist der Grotifant, Deutschlands berüchtigtes Maskottchen, einst von hier zum KFC Uerdingen übergelaufen. Interessanterweise hatte ich für den kürzesten Weg zum Stadion eine Brücke über das Gehege der Warzenschweine zu überqueren (Gruß an Pumba!). Blöderweise führte die Brücke nur zum Gästeeingang und ich wurde von den Ordnern gezwungen wieder umzudrehen. Also wurde doch der große Törn zum Haupteingang gemacht und dort für 9 € eine Stehplatzkarte erstanden. Danach durfte ich meine Balkantasche entleeren. Ordner: „Was ist da drin?“ Ich: „Badetuch, T-Shirt, Boxershort, Socken, Duschbad, Zahnbür…“ „Verarschen???“.

Haupttribüne Grotenburg-Stadion

Nachdem der Ordner genug über die neun Items in meiner kleinen Umhängetasche gestaunt hatte, war ich endlich drin und gab dem Körper gleich mal einen Hieb vom mitgeführten Deodorant. Denn es war doch recht heiß geworden. Die Kombination aus strahlender Sonne, britischen Genen und unüberdachtem Stehplatz sollte mir alsbald einen gesunden roten Teint verpassen. Aber erst einmal kaufte ich zwei Verzehrbons à 2,50 €, um an Fritten zu kommen. Die halbgaren Dinger hätten im Gegensatz zu mir etwas länger brutzeln dürfen (Note 6). Mein einheimischer Platznachbar meinte, dass die Currywurst dafür ganz gut sei, nur weitere 2,50 € wollte ich nicht nochmal für Essen investieren.

Miese Fritten

Stattdessen gab es für den zweiten Wertbon später eine Apfelschorle. Alle Getränke kosteten umgerechnet 2,50 € für 0,3 Liter. Also auch kein Schnäppchen. Bier gab es übrigens nur alkoholfrei, weil Risikospiel und so… Gut, es waren ein paar Dutzend Kölner angereist und auch wenn sie keine Gruppenartikel dabei hatten, würde ich jene zu 96 % als ultraorientiert einschätzen. Dennoch war keine besondere Rivalität oder hasserfüllte Atmosphäre wahrzunehmen. Und die Krefelder Althauer mit ihren druckfrischen Weekend Offender Uerdingen Shirts wirkten auch nicht so, als erwarten sie heute einen großen Knall.

Los geht’s

Stattdessen war die Stimmung im sehr gut gefüllten Heimfanblock auf der Haupttribüne euphorisch. So wie es sich für einen Aufsteiger gehört. Der DFB-Pokal-Sieger von 1985 war bekanntlich nach dem Ausstieg des Bayer Konzerns ab 1995 tief gefallen und spielte zwischenzeitlich sogar drei Jahre in der 6.Liga. Dagegen fühlte sich die Regionalliga West schon wieder fast wie die große Fußballbühne an und 3.163 Zuschauer bildeten einen würdigen Rahmen für das Auftaktspiel. Zum Intro gab es Pilskronen, Fahnen, Konfetti, Stoffbahnen, Luftballons u. v. m. im Fanblock. Passend dazu das Spruchband: „Der Chaosclub vom Niederrhein soll auf ewig Sieger sein“. Nichts Revolutionäres, aber hübsch anzuschauen.

Die Gästefans

Von den Gästefans gab es zu Beginn „1.FC Köln Amateure“-Schlachtrufe und verbale Solidaritätsbekundungen für die Mitstreiter mit Stadionverbot. Danach setzten sie sich hin und guckten gemütlich Fußball. Szenenapplaus konnten sie dabei zunächst nur ihrem Torwart Sven Bacher spenden, der mit seinen Paraden die Torschüsse der KFC-Neuzugänge Krempicki (vom Ligarivalen Bonner SC) und Reichwein (einstiger Torschützenkönig der 3.Liga in Erfurt) neutralisierte. Der KFC machte das Spiel und bei den raren kölnischen Kontern stand die Defensive der Uerdinger, die auch in den Testspielen der Saisonvorbereitung gegen höherklassige Gegner ohne Gegentor blieb, sicher.

Die Hintertortribüne mit Anzeigetafel

In diesem Mannschaftsteil spielen Akteure wie Christopher Schorch (früher u. a. 1.FC Köln I und Real Madrid II), Christian Dorda (u. a. Borussia Mönchengladbach und FC Utrecht) oder Mario Erb (ausgebildet beim FC Bayern und zuletzt Stammkraft bei Rot-Weiß Erfurt in der 3.Liga). Und wenn diese qualifizierten Jungs doch mal einen gegnerischen Angreifer durchlassen, ist meistens Tormann Vollath auf dem Posten (früher bei Wacker Burghausen und dem Karlsruher SC in der 2.Bundesliga aktiv). Bei diesem Kader und dem auch nicht gerade unbekannten Cheftrainer Michael Wiesinger, trauen einige Experten dem Aufsteiger sogar eine Rolle im Titelkampf der Regionalliga zu.

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Echt geile Bude, diese Grotenburg

Um die Euphorie weiter zu schüren, wäre ein Auftaktsieg hilfreich und es sah spätestens nach 40 Minuten ganz gut aus. Eine Bogenlampe in den Strafraum konnte Uerdingens Patrick Ellguth aus kurzer Distanz zum 1:0 einköpfen. Mit dieser Führung ging es in die Pause, wo die lokalen Werbedurchsagen vollends überzeugen konnten. Auszug: „Brings Reisen bringt’s. Fährst du mit ander’n, musst du wandern!“ Und beim Halbzeitspiel schaffte es einer der Ultras Krefeld (stilecht mit Ellesse-Fischerhut) den Ball am nächsten an eine Bierkiste im Mittelkreis zu kicken (1,06 m sind nun die Pole beim bis Saisonende ausgetragenen Wettkampf um eine lebenslange KFC-Dauerkarte).

Uerdingen Oldschool

Die 2.Hälfte begann mit lockerem Abtasten, bis die Kölner durch Marius Laux nach 11 Minuten den überraschenden Ausgleich erzielten. Jetzt waren die Hausherren wieder wach und drängten auf eine neuerliche Führung. Das Uerdinger Angriffsspiel war oft nur noch durch Fouls zu stoppen und die Fans stimmten nach diesen Aktionen Schmähgesänge gegen den FC an. Kurioserweise kam die akustische Kölner Replik von irgendwo aus dem Wald am Stadion. Da lungerte wahrscheinlich eine beträchtliche Zahl von Domstädtern mit Stadionverbot. Im Stadion gab es von den Kölnern dagegen nur ein ironischen Applaus für die Provokationen.

Das Stadion von außen

Die Schlussphase wurde nun sehr turbulent und in der 83.Minute bekam Uerdingen einen indirekten Freistoß im Kölner Strafraum zugesprochen. In der Mauer auf der Torlinie wurde jetzt ein Spieler mutmaßlich am Arm angeschossen, doch zu einem Strafstoß ließ sich der Unparteiische nicht hinreißen. Es folgten weitere gute Möglichkeiten für die Rot-Blauen und letztlich wurde der für Ellguth eingewechselte Lucas Musculus zum zweiten Torschützen des KFC in dieser Saison (89.Minute). Diesmal war das Chaos im Uerdinger Fanlager nicht wie zu Spielbeginn choreographiert, sondern einer dieser unkontrollierten Ausbrüche, die die Faszination Fanblock ausmachen. Der KFC-Anhang musste jetzt nur noch einen Pfostenschuss der Gäste in der Nachspielzeit überstehen und durfte dann die ersten drei Punkte der neuen Saison feiern.

Krefeld Hauptbahnhof

Der krebsrote Verfasser dieser Zeilen musste derweil hurtig zum Bahnhof, um 16:18 Uhr die Bahnreise fortzusetzen. Dadurch war ich 17:45 Uhr in Bad Aachen und checkte sofort bei A&O am Hauptbahnhof ein. „Haben sie eigene Bettwäsche dabei?“ (Na klar, die ist auch hier in der Balkantasche…). „Okay, dann wären nochmal 3,50€ extra fällig.“ Fix bezog ich mein Bett und schaffte justement den Bus um 18:08 Uhr nach Eupen (die Linie fährt samstagabends nur im Stundentakt).

  • 29.07.2017
  • KAS Eupen – SV Zulte Waregem 0:5
  • Pro League (I)
  • Kehrweg-Stadion (Att: 2.543)

Jetzt hatte ich bis zum Anpfiff (20 Uhr) genug Zeit für einen gemütlichen Stadtspaziergang durch die Hauptstadt der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) unseres Nachbarlandes. Ja, in Eupen spricht man Deutsch. Und zwar als Muttersprache. Nichtsdestotrotz versprüht der Ort schon belgisches bis französisches Flair. Gerade an einem Sommerabend, wo die Brasserien den zahlreichen Gästen auf dem bestuhlten zentralen Platz Wein oder kleine belgische Biere servierten.

Eupen Downtown

Eupen (ca. 19.000 Einwohner) wirkt mit seiner barocken Hauptkirche St. Nikolaus und den historischen schiefergedeckten Steinhäuser im Stadtkern schon anders, als eine typische deutsche Kleinstadt. Schön anzusehen ist dabei auch das Haus Grand Ry. Es war dereinst (1761 – 63) als Residenz eines reichen Tuchfabrikanten gebaut worden und ist seit 1984 Regierungssitz der DG. Ja, Regierungssitz. Denn die Deutschsprachige Gemeinschaft (nur insgesamt ca. 60.000 Menschen) hat im föderalen Belgien weitreichende Befugnisse der Selbstverwaltung mit einem Parlament, einem Ministerpräsidenten als Regierungschef und mehreren Ministerien.

Pfarrkirche St. Nikolaus in Eupen

Man spricht daher auch gelegentlich von der bestgeschützten Minderheit der Welt und die Deutschsprachigen in Ostbelgien danken es dem Gesamtstaat und der Monarchie mit einer Identifikation, die bei Flamen oder Wallonen im Schnitt nicht so ausgeprägt ist. Dafür ist die Identifikation mit der belgischen Esskultur noch ausbaufähig, denn ich fand in der Innenstadt keine Friture für mein Abendessen. Dementsprechend ging es hungrig den Berg zum Stadion hinauf und dort waren 12 € für einen Stehplatz zu investieren. Ich war heute einer von 2.543 zahlenden Zuschauern und gespannt, wie sich der ostbelgische Club im Besitz katarischer Investoren gegen den amtierenden Pokalsieger SV Zulte Waregem schlagen würde.

Regierungssitz der DG in Eupen

Die Aspire Academy aus dem Gastgeberland des FIFA World Cups 2022 (was freuen wir uns alle darauf!) kaufte sich 2012 den Zweitligisten KAS Eupen. Die waren damals nach ihrem ersten und nur einjährigen Gastspiel in der 1.Liga ziemlich ruiniert und die Gelder aus dem Emirat sehr willkommen. Die Aspire Academy versendet seitdem aus der afrikanischen Niederlassung im Senegal die hoffnungsvollsten Talente nach Ostbelgien, um sie dort zu Fußballprofis zu machen. Ich persönlich vermutete damals, dass man sich dort eine internationale Nationalelf für die WM 2022 aufbauen will (analog zur Handballnationalmannschaft Katars), aber die Einbürgerungswelle blieb aus und dieses Frühjahr verstrich die Frist der FIFA diesbezüglich (wer bei einer WM für eine Nation auflaufen will, muss mittlerweile fünf Jahre vor Turniermeldeschluss die entsprechende Staatsbürgerschaft besessen haben).

Ankunft im Kehrwegstadion

Also, was bezwecken die Kataris dann mit Eupen? Zum einen wird dort versucht katarische Fußballer voranzubringen. Im Kader der ersten Mannschaft stehen vier Kataris (teilweise mit afrikanischem Migrationshintergrund, aber alle in Katar geboren), die hier ein anderes sportliches Niveau als in der Heimat vorfinden. Zum anderen ist das Eupener Projekt Teil der ganz großen Sportstrategie des reichen Golfstaats, mit der das Image Katars aufpoliert werden soll. Weltmeister im CO2-Ausstoß, Ausbeuter von Arbeitsmigranten, Unterstützer islamistischer Terrorgruppen, Scharia statt Menschenrechte… Dass sie sich nach traditioneller FIFA-Sitte eine WM gekauft haben, geht da noch als Kavaliersdelikt durch. Sponsoring und Investments im Sport (u. a. FC Barcelona und Paris Saint-Germain), große internationale Sportveranstaltungen im eigenen Land und Fußballmärchen über Jungs aus den Slums Westafrikas, die über Eupen bei Barca, PSG oder in der Premier League landen, sollen dem miesen Image entgegen steuern.

Fanblock Eupen

Die Fans und Freunde der Königlichen Allgemeinen Sportvereinigung Eupen sahen die neuen Investoren wahrscheinlich auch skeptisch. Aber in Belgien gibt es so etwas wie die 50+1-Regel nicht und gegen Erfolg hat wahrscheinlich niemand etwas einzuwenden, solange die Tradition des Clubs respektiert wird. Mit den Gelder und Konzepten aus Katar kehrte man jedenfalls 2016 endlich zurück in die 1.Liga. Mit ansehnlichem Offensivfußball gelang auf Anhieb der Klassenerhalt und der Zuschauerschnitt konnte gegenüber der 2.Liga verdoppelt werden. Heute kamen über 2.500 Fans ins Kehrwegstadion (Kapazität: 8.235) und auch die kleine, seit 2002 aktive Ultragruppe (Zebras Eupen) scheint kein Problem mit den Investoren aus Katar zu haben. Sie trällerten ihre deutschsprachigen Lieder und hofften auf drei Punkte für die KAS.

Leckere Fritten

Heute war für die mit Petrodollars gepimpten Eupener jedoch nichts zu holen. Bevor ich mir in der Halbzeitpause für 4 € wirklich leckere Fritten mit Samuraisauce gönnte (kein Vergleich zu Krefeld am Mittag), hatte Rechtsverteidiger Davy de Fauw den SV Zulte Waregem bereits verdient in Führung geköpft (34.Min). Zehn Minuten nach dem Seitenwechsel erhöhte der Serbe Ivan Saponjic per Strafstoß zum 0:2 und de Pauw (nicht zu verwechseln mit de Fauw) brachte die Gäste in der 60.Minute endgültig auf die Siegerstraße. Die mitgereisten Fans (ca. 250) schmetterten daher euphorisch ihre Gesänge. Von Eupen kam dagegen gar nichts mehr. Weder auf den Rängen, noch auf dem Rasen. Letztlich sicherten abermals Saponjic (65.Min) und außerdem Coopman (87.Min) den Zultern und Waregemern (Fusionsverein von 2001) einen Kantersieg zum Auftakt.

Haupttribüne Kehrwegstadion

Bei dem deutlichen Spielstand pfiff der Unparteiische pünktlich um 21:45 Uhr ab. Daher konnte ich den Bus um 22:05 Uhr problemlos bekommen. Das Gefährt aus dem Hause Van Hool war nun voll mit ostbelgischen Teens, die mit aromatisiertem Sekt nach Aachen zum Feiern fuhren. Ich freute mich dagegen mit am Ende 22,2 km Fußmarsch in den Knochen auf die Dusche und das Bett im Hotel. Trotz Autoverkehr, Zugverkehr, Bahnhofsdurchsagen und Partypeople im Hotelumfeld schlief ich schnell wie ein Stein.

Eupen 0, Zulte Waregem 5

Der Sonntagmorgen begann leider mit einer Enttäuschung. DJK Dreiborn hatte sein Kreispokalspiel gegen die SG Eintracht Eifel auf seinen regulären Sportplatz verlegt. Daher ging mir das Stadion der Ordensburg Vogelsang (LINK) durch die Lappen. Der heutige Plan war morgens in die Eifel zu fahren, um 11 Uhr an einer Führung durch die Nazi-Ordensburg teilzunehmen und im Anschluss bis 15 Uhr noch ein bisschen an der Urfttalsperre im Nationalpark Eifel zu wandern. Danach wollte das Pokalspiel inklusive zu erwartendem Hopperfasching gucken und schließlich um 17 Uhr ab nach Hause. Leider führte selbst meine Vorsprache beim Fussball-Obmann der DJK zu keinem Einlenken und ohne König Fußball wollte ich den Reiseaufwand nicht betreiben.

Herzhaftes Frühstück

Alternativen waren schnell gefunden. Der Aachener Stadtpokal im Herrenfußball feierte zur Zeit seine 32.Auflage und ab 11 Uhr waren heute die Viertelfinals im Stadion von Rhenania Richterich angesetzt. Dort hätte ich theoretisch bis 19 Uhr Fußball gucken können. Aber ich bin ja kein Sonderling und suchte mir daher mit der 1.Runde des belgischen Fußballpokals noch ein weiteres Schmankerl heraus und plante außerdem zwei schöne Spaziergänge zu den entsprechenden Sportanlagen. Doch zuallererst suchte ich um 9 Uhr das Café Nobis am Aachener Dom auf. Dort gab es ein ofenwarmes und knuspriges Brötchen mit Rührei und Schinken und ein Roggenbrötchen mit Frikadelle und Krautsalat.

Aachener Rathaus

Gut gestärkt konnte nun mein Marsch nach Richterich begonnen werden. Vom Dom (siehe Titelbild) spazierte ich über Marktplatz und Pontstraße hoch zum Salvatorberg (229 m über NN). Anschließend spazierte ich den Nordhang des benachbarten Lousberges entlang, wo sich ein schöner Ausblick auf Aachens größtes Stadion ergab. Nächstes Ziel war das Schloss Rahe im Stadtteil Laurensberg. Es ist wirklich ein sehr schönes Wasserschloss und aufgrund seiner abseitigen Lage kein wirklicher Touri-Magnet. Stattdessen scheint es bei Einheimischen für Hochzeitsfeiern hoch im Kurs zu stehen, wie der Veranstaltungsplan verriet.

Schloss Rahe

In Richterich erwartete mich mit Schloss Schönau außerdem noch ein weiteres Wasserschloss auf dem Weg zum Jürgen-Ortmanns-Stadion. Jenes Stadion konnte dann erfreulicherweise kostenneutral betreten werden, da ich ausnahmsweise zum geizigen Groundhopper mutierte und sagte, dass ich nur das erste von vier Spielen sehen kann. „Junge, geh durch“, entgegnete der Ehrenamtler am Eingang.

  • 30.07.2017
  • DJK Rasensport Brand – DJK Arminia Eilendorf 2:1
  • Stadtpokal Aachen (Viertelfinale)
  • Jürgen-Ortmanns-Stadion (Att: 96)

Drinnen bekam ich ein Duell von zwei Mannschaften aus der Bezirksliga Mittelrhein geboten. Nachdem die 1.Halbzeit im Zeichen von Abtasten und Fehler vermeiden stand, wurde es im zweiten Durchgang eine Spur packender. Die Arminen wirkten in der ersten Stunde griffiger und laufbereiter und das 0:1 in der 62.Minute durch Mouhcine Mimi war dementsprechend verdient.

Raspo Brand (grün) vs. Arminia Eilendorf (orange)

Ich hätte nun auf einen Halbfinalisten namens Arminia Eilendorf gewettet, aber der DJK aus Aachen-Brand gelang in der 75.Minute durch ihren Angreifer Dennis Arigbe der Ausgleich. Fünf Minuten später fiel das vermeintliche 2:1 für Brand, doch der andere Arigbe (Delany) soll im Abseits gestanden haben. Raspo murrte nur kurz und eine Minute später gab es einen schönen Flachpass in den Lauf des Branders Malte Bartels-Lenting, der im Strafraum nur noch am Torwart vorbeischieben musste. Sie hatten das Spiel gedreht und ließen sich die Butter nicht mehr vom Brot nehmen. Mit der DJK Rasensport Brand bekam der Aachener Stadtpokal seinen ersten Halbfinalisten.

5.000 Zuschauer soll das Stadion fassen können

Der Abpfiff um 12:48 Uhr passte nun perfekt zum Bus um 12:53 Uhr. Es war ein niederländischer Linienbus, der von Heerlen nach Aachen verkehrte. Am Bushof wechselte ich in einen Bus ins belgische Kelmis und in dem Ort direkt hinter deutsch-belgischen der Grenze versicherte ich mich erst einmal am Stadion, wann denn heute angestoßen wird. Auf der Homepage der Gastgeber stand 15 Uhr, während der Verband und die Gastmannschaft 16 Uhr announciert hatten. Die Mehrheit hatte recht und so blieben mir vor dem Kick über 90 Minuten für eine Wanderung im schönen Göhltal.

Die sanfte Hügellandschaft Ostbelgiens

Die Göhl (französisch La Gueule) entspringt unweit von Kelmis und schlängelt sich durch das hiesige Dreiländereck bis zur Maas bei Maastricht. Die Gegend hat hohe Galmeivorkommen und Bergbau prägte deshalb die Geschichte von Kelmis. Wegen der Bodenschätze war es sogar mal ein Vierländereck. Im Wiener Kongress (1815) wurden sich das Königreich Preußen und das Königreich der Vereinigten Niederlande über 3,4 km² wertvolles Land bei Kelmis nicht einig und die Mikronation Neutral-Moresnet entstand (Buchtipp: Niemands Land von Philip Droege). Nachdem sich Belgien 1830 von den Niederlanden gelöst hatte, gab es somit von 1816 bis 1919 bei Aachen ein Vierländereck. Nach dem Ersten Weltkrieg bekam Belgien im Zuge des Versailler Vertrags jedoch Neutral-Moresnet zugeschlagen.

Die rauschende Göhl

Obwohl es hier eigentlich gar keine sichtbaren Grenzen mehr gibt, führte eine meiner typischen Schneppe-Abkürzungen dazu, dass ich dennoch unter einem Stacheldrahtzaun lang robben musste, um wieder auf Kurs zu kommen. Alles kritisch beäugt von zahlreichen Kühen, in deren abgezäunte Weidegründe ich mich verirrt hatte. Auch wenn die Stirnwaffenträger nur blöd guckten; die Statistik, dass jährlich mehr Menschen von Kühen als von Haien getötet werden, schoss mir trotzdem in den Kopf. Ich kam zum Glück nochmal mit dem Leben davon und erreichte irgendwann das Schloss Eyneburg, dass eigentlich nur 2 km vom Stadion entfernt ist (wenn man auf den befestigten Wegen bleibt).

Die Eyneburg

Da es mittlerweile schon 15:30 Uhr war, wurde nichts daraus an der Burg gemütlich ’ne halbe Stunde Vokabeln für kommende Auslandsabenteuer zu lernen. Ich musste mich leider nach fünf Minuten Rast wieder zum Stadion aufraffen, um pünktlich zum Anpfiff da zu sein.

  • 30.07.2017
  • RFC Union La Calamine II – UCE de Liège 0:3
  • Coupe de Belgique (Premier tour)
  • Stade Prince Philippe (Att: 200)

Der Eintritt kostete 5 € und knapp 200 Interessierte hatten zu Spielbeginn die Tore passiert. Darunter auch circa zwölf Spanischstämmige. Denn UCE de Liège ist ein Club spanischer Migranten (mit rot-gelben Trikots und einem schwarzen Stier als Logo). Bei den Heimfans war wiederum relativ viel Französisch (neben Deutsch) als Umgangssprache zu hören. Das dürfte an einst zugezogenen wallonischen Bergarbeiterfamilien und der besonderen Geschichte der Gemeinde Kelmis liegen.

Prinz-Philippe-Stadion (4.000 Plätze)

Vor dem Anpfiff wurde schnell noch der Fototermin für das Mannschaftsfoto und die Einzelportraits der Heimmannschaft realisiert und dann begann die neueste Ausgabe des Wettbewerbs, den Zulte Waregem im Vorjahr gewonnen hatte. Von Union La Calamine – La Calamine ist die französische Ortsbezeichnung von Kelmis – spielte heute allerdings nur die 2.Mannschaft. Die 1.Mannschaft (4.Liga) steigt erst nächste Runde in den Wettbewerb ein und die belgischen Profiteams noch später. Die beiden Teams der heutigen Begegnung hatten sich quasi über die Kreispokale für den nationalen Pokalwettbewerb qualifiziert.

La Calamine tritt einen Eckstoß

Die Spanier aus Liège (Lüttich) gingen bereits in der 7.Minute in Führung und prüften in ersten Viertelstunde noch mehrmals den Torwart des RFC Union. Für die Hausherren ging es glücklich nur mit 0:1 in die Pause, welche ich für Smartphone laden und Limo trinken im Clubhaus nutzte. Da man dort im Prinzip in einer Loge sitzt, blieb ich vorerst über den Wiederanpfiff hinaus. Ist insgesamt eine gepflegte Anlage mit zwei Kunstrasenplätzen und modernem Sozialtrakt, die der damalige Kronprinz Philippe (mittlerweile König der Belgier) vor wenigen Jahren feierlich eröffnete und sogleich die Namensrechte auf unbestimmte Zeit zugesprochen bekam.

Clubhaus mit Aussicht auf’s Spielfeld

In der 69.Minute turnte ich bereits wieder am Spielfeldrand rum, als UCE auf 0:2 erhöhen konnte. Vom RFC Union gab es leider kein Aufbäumen mehr und in der 80.Minute sorgte der Gast für das verdiente 0:3, was auch der Endstand wurde. Damit löste das Team aus Liège das Ticket für die zweite Pokalrunde und darf vielleicht gleich nochmal nach Kelmis. Mal sehen was ihnen die Auslosung bringt. Ich dagegen löste das Ticket gen Hannover und nach 360 Minuten Fußball, 14 Toren, 5 Städten, 4 neuen Stadien und 43 km Fußmarsch kam mit der Rückfahrt das traditionell unbeliebteste Kapitel einer Tour auf mich zu. 23:30 Uhr war ich zurück in Hannover und musste mit einer Arbeitswoche die ewig langen 4,5 Tage bis zum nächsten Trip überbrücken. Mal sehen, was so in Burnley geht.

Song of the Tour: Extra für Duisburg.