- 29.07.2017
- KFC Uerdingen 05 – 1.FC Köln II 2:1
- Regionalliga West (IV)
- Grotenburg-Stadion (Att: 3.163)
Als Hannover 96 im Jahre 1999 das vorerst letzte Mal beim KFC Uerdingen gastierte (Auswärtssieg, Tor des Tages: Fabian Gerber), war meine Karriere als Auswärtsbegleiter der 96-Elf gerade erst in ihren Kinderschuhen. Ziele in moderater Distanz wie Bielefeld, Gütersloh oder Hamburg (St. Pauli) dienten damals zum Herantasten an die Auswärtsfahrerei in der 2.Bundesliga. Auf einem Sonntag nach Krefeld fahren und erst gegen Mitternacht wieder zurückkommen, wenn am nächsten Morgen Schule ist, war mit meinen Eltern allerdings nicht zu machen. Über 18 Jahre dauerte es nun, bis Krefeld und seine Grotenburg-Kampfbahn endlich keine Terra incognita mehr für mich sein sollten.

Des KFC Uerdingens Duell mit der Zweitvertretung des 1.FC Köln sollte jedoch nur der Auftakt für ein Wochenende der Spitzenklasse sein. Im ostbelgischen Eupen wartete samstagabends um 20 Uhr der Vergleich zwischen KAS Eupen und SV Zulte Waregem, während Sonntagnachmittag in der Eifel nochmal der Ball auf Amateurniveau in einem sehr speziellen Stadion (dem der Ordensburg Vogelsang) rollen sollte. Obendrein schöne Städte, die Natur der Eifel und ein geschichtlicher Ausflug in die NS-Vergangenheit als außersportliches Programm. Mit Vorfreude ließ ich die Deutsche Bahn meine Kreditkarte mit 55,30 € für Hin- und Rückfahrt belasten und bestieg Samstagmorgen um 7:31 Uhr in Hannover den ICE 946 gen Westen.

Das erste Etappenziel des heutigen Tages war Duisburg. Ich war um 10 Uhr dort und überlegte mir mal eine Stunde für Duisburg zu opfern, anstatt sofort nach Krefeld weiterzureisen. Duisburg kenne ich durch die alten Schimanski-Tatorte und eine handvoll Spielbesuche beim MSV. Aber so richtig habe ich noch nichts von der Stadt gesehen und sie stattdessen gerne als Metapher für nicht sehenswerte Orte missbraucht („Da willst du hin? Warum nicht gleich nach Duisburg?“). Dazu unsere legendären Asi-Mottofahrten mit 96 an die Wedau und Songs wie „Dat is Duisburg“ von Die Bandbreite. Klischees gab es genug. Ich musste jetzt einfach mal fair genug sein Duisburg eine Chance zu geben.

Schnell ließ ich den schon vielfach betretenen Hauptbahnhof hinter mir und spazierte an belangloser Nachkriegsbebauung vorbei in Richtung vorgeblicher Altstadt. Eine Shopping Mall namens Königsgalerie markierte dann so etwas wie die Grenze zum historischen Duisburg. Nachdem ich die Galerie durchquert hatte, stand ich vor dem Alten Postamt. Das sah ganz okay aus und die Türme vom Rathaus und der Salvatorkirche waren nur noch einen Katzensprung entfernt. Das Ensemble kann man sich mal geben, auch wenn es natürlich keine Sehenswürdigkeiten von nationalem oder gar internationalem Rang sind. Interessant auch, dass hier Sonnabendvormittag nicht eine Seele unterwegs war. Nur eine ältere Frau guckte mich beim Fotos knipsen merkwürdig von ihrem Balkon an. Die hielt mich bestimmt eher für einen potentiellen Einbrecher auf Kundschaftertour, als für einen Touristen. Schade, dass sie nicht die Polizei rief… („Also, sie wollen wirklich bei ihrer Aussage bleiben, dass sie als Tourist nach Duisburg gekommen sind?“ „Herr Wachtmeister, es ist die Wahrheit“ „Ja ne, is klar. Nen Tourist… Bei uns in Duisburg!“)

Sehr gut gefiel mir, dass am Rathaus ein archäologisches Ausgrabungsareal zu finden war. Hier wurde in Form einer Treppe das Straßenpflaster des 13., 16., 18. und frühen 20.Jahrhunderts freigelegt und unten kann man durch alte Gebäuderuinen spazieren. Duisburg ist eine sehr alte Stadt, was man zunächst nicht so auf dem Schirm hat. Aber logischerweise ist der Ort, wo die Ruhr in den Rhein mündet, schon lange ein wichtiger Handelsplatz (erste urkundliche Erwähnung 883, erste Besiedlungsspuren allerdings wesentlich älter). Lediglich zu sehen ist von der reichen Geschichte nach unzähligen Brandkatastrophen und Kriegen nicht mehr viel. Wenigstens sind Teile der mittelalterlichen Stadtmauer noch gut erhalten.

Ich spazierte jene Stadtbewehrung am so genannten Innenhafen ab, der auch mit alten Kontoren, restaurierten Hafenkränen und der Schwanentorbrücke glänzen kann. Hier war Duisburg wirklich nicht so übel. Doch ich hatte trotzdem vorerst genug gesehen und orientierte mich wieder Richtung Hauptbahnhof. Diesmal ging ich so, dass ich noch am Stadttheater vorbeikam und mit dem City Palais eine weitere Mall entdeckte (inklusive der Spielbank Duisburg, dem umsatzstärksten Casino Deutschlands). Tipp am Rande: Das City Palais hat saubere und kostenlose Toiletten, wenn die Blase mal drücken sollte (wie bei mir heute nach 500 ml Cold Brew Coffee zum Frühstück).

11:35 Uhr setzte ich meine Reise fort, doch wegen eines Notarzteinsatzes im Gleisbett war in Duisburg-Rheinhausen Endstation meines Zuges und die Strecke nach Krefeld wurde vorerst komplett gesperrt. In 20 Minuten sollte jetzt der nächste Linienbus nach Krefeld fahren (80 Minuten später der Übernächste) und ca. 96 motivierte Reisende standen bereit, um damit ihre Fahrt fortzusetzen. Bemerkenswerterweise kam nur ich auf die Idee das zwanzigminütige Zeitfenster zu nutzen, um dem Bus eine Station entgegen zu gehen. Damit war ich einer von drei Menschen aus dem Zug, die einen Sitzplatz bekamen und einer von ca. 30, die überhaupt noch in den bereits gut gefüllten Bus hineinkamen.

Mein Plan über zwei Stunden vor Spielbeginn in Krefeld-Linn auszusteigen und im vielleicht schönsten Stadtteil die Linner Burg und Altstadt anzuschauen, war nun obsolet. Der Bus fuhr nicht über Linn und wäre auch erst nach 13 Uhr am Krefelder Hauptbahnhof gewesen (von wo es auch noch ein gutes Stück zum Stadion ist). Zum Glück hieß eine Station Grotenburgstraße. Die Straße ist zwar nicht besonders kurz und es war somit noch ein gutes Stück zum Stadion, aber es war der optimalste Ausstieg auf der Route. Durch den ansprechenden Schönhausenpark spazierte ich nach Süden und konnte alsbald den Zoo riechen.

Der Krefelder Zoo ist der nördliche Nachbar des Grotenburg-Stadions und möglicherweise ist der Grotifant, Deutschlands berüchtigtes Maskottchen, einst von hier zum KFC Uerdingen übergelaufen. Interessanterweise hatte ich jetzt für den kürzesten Weg zum Stadion eine Brücke über das Gehege der Warzenschweine zu überqueren (Gruß an Pumba!). Blöderweise führte die Brücke nur zum Gästeeingang und ich wurde von den Ordnern gezwungen wieder umzudrehen. Also wurde doch der große Törn zum Haupteingang gemacht und dort für 9 € eine Stehplatzkarte erstanden. Danach durfte ich meine Balkantasche entleeren. Ordner: „Was ist da drin?“ Ich: „Badetuch, T-Shirt, Boxershort, Socken, Duschbad, Zahnbür…“ „Verarschen???“.

Nachdem der Ordner genug über die neun Items in meiner kleinen Umhängetasche gestaunt hatte, war ich endlich drin und gab dem Körper gleich mal einen Hieb vom mitgeführten Deodorant. Denn es war doch recht heiß geworden. Die Kombination aus strahlender Sonne, britischen Genen und unüberdachtem Stehplatz sollte mir alsbald einen gesunden roten Teint verpassen. Aber erst einmal kaufte ich zwei Verzehrbons à 2,50 €, um an Fritten zu kommen. Die halbgaren Dinger hätten im Gegensatz zu mir etwas länger brutzeln dürfen (Note 6). Mein einheimischer Platznachbar meinte, dass die Currywurst dafür ganz gut sei, nur weitere 2,50 € wollte ich nicht nochmal für Essen investieren.

Stattdessen gab es für den zweiten Wertbon später eine Apfelschorle. Alle Getränke kosteten umgerechnet 2,50 € für 0,3 Liter. Also auch kein Schnäppchen. Bier gab es übrigens nur alkoholfrei, weil Risikospiel und so… Gut, es waren ein paar Dutzend Kölner angereist und auch wenn sie keine Gruppenartikel dabei hatten, würde ich jene zu 96 % als ultraorientiert einschätzen (ich hatte sie am Gästeeingang bereits aus nächster Nähe gesehen). Dennoch war keine besondere Rivalität oder hasserfüllte Atmosphäre wahrzunehmen. Und die Krefelder Althauer mit ihren druckfrischen Weekend Offender Uerdingen Shirts wirkten auch nicht so, als erwarten sie heute einen großen Knall.

Stattdessen war die Stimmung im sehr gut gefüllten Heimfanblock auf der Haupttribüne euphorisch. So wie es sich für einen Aufsteiger gehört. Der DFB-Pokal-Sieger von 1985 war bekanntlich nach dem Ausstieg des Bayer Konzerns ab 1995 tief gefallen und spielte zwischenzeitlich sogar drei Jahre in der 6.Liga. Dagegen fühlte sich die Regionalliga West schon wieder fast wie die große Fußballbühne an und 3.163 Zuschauer bildeten einen würdigen Rahmen für das Auftaktspiel. Zum Intro gab es Pilskronen, Fahnen, Konfetti, Stoffbahnen, Luftballons u. v. m. im Fanblock. Passend dazu das Spruchband: „Der Chaosclub vom Niederrhein soll auf ewig Sieger sein“. Nichts Revolutionäres, aber hübsch anzuschauen.

Von den Gästefans gab es zu Beginn „1.FC Köln Amateure“-Schlachtrufe und verbale Solidaritätsbekundungen für die Mitstreiter mit Stadionverbot. Danach setzten sie sich hin und guckten gemütlich Fußball. Szenenapplaus konnten sie dabei zunächst nur ihrem Torwart Sven Bacher spenden, der mit seinen Paraden die Torschüsse der KFC-Neuzugänge Krempicki (vom Ligarivalen Bonner SC) und Reichwein (einstiger Torschützenkönig der 3.Liga in Erfurt, letzte Saison 15fach erfolgreich für Wolfsburg II) neutralisierte. Der KFC machte das Spiel und bei den raren Kölner Kontern stand die Defensive der Uerdinger, die auch in den Testspielen der Saisonvorbereitung gegen höherklassige Gegner ohne Gegentor blieb, sicher.

In diesem Mannschaftsteil spielen Regionalliga-Schwergewichte wie Christopher Schorch (früher u. a. 1.FC Köln I und Real Madrid II), Christian Dorda (u. a. Borussia Mönchengladbach und FC Utrecht) oder Mario Erb (ausgebildet beim FC Bayern und zuletzt Stammkraft bei Rot-Weiß Erfurt in der 3.Liga). Und wenn diese qualifizierten Jungs doch mal einen gegnerischen Angreifer durchlassen, ist meistens Tormann Vollath auf dem Posten (früher bei Wacker Burghausen und dem Karlsruher SC in der 2.Bundesliga aktiv). Bei diesem Kader und dem auch nicht gerade unbekannten Cheftrainer Michael Wiesinger, trauen einige Experten dem Aufsteiger sogar eine Rolle im Titelkampf der Regionalliga zu.

Um die Euphorie weiter zu schüren, wäre ein Auftaktsieg hilfreich und es sah spätestens nach 40 Minuten ganz gut aus. Eine Bogenlampe in den Strafraum erreichte Uerdingens Patrick Ellguth vor Keeper Bacher und er konnte aus kurzer Distanz einköpfen. Damit ging es auch in die Pause, wo die lokalen Werbedurchsagen vollends überzeugen konnten. Auszug: „Brings Reisen bringt’s. Fährst du mit ander’n, musst du wandern!“ Und beim Halbzeitspiel schaffte es einer der Ultras Krefeld (stilecht mit Ellesse-Fischerhut) den Ball am nahesten an eine Bierkiste im Mittelkreis zu kicken (1,06 m sind nun die Pole beim bis Saisonende ausgetragenen Wettkampf um eine lebenslange KFC-Dauerkarte). Danach wurde das Publikum noch mit belangloser Konservenmusik von u. a. Max Giesinger beschallt, ehe die wiederkehrenden Mannschaften den DJ zwangen „Zombie Nation“ aufzulegen.

Die 2.Hälfte begann mit lockerem Abtasten, bis die Kölner durch Marius Laux nach 11 Minuten den überraschenden Ausgleich erzielten. Jetzt waren die Hausherren wieder wach und drängten auf eine neuerliche Führung. Das Uerdinger Angriffsspiel war oft nur noch durch Fouls zu stoppen und die Fans stimmten nach diesen Aktionen Schmähgesänge gegen den FC an. Kurioserweise kam die akustische Kölner Replik von irgendwo aus dem Wald am Stadion. Da lungerte wahrscheinlich eine beträchtliche Zahl von Domstädtern mit Stadionverbot. Im Stadion gab es von den Kölnern dagegen nur ein ironischen Applaus für die Provokationen.

Die Schlussphase wurde nun sehr turbulent und in der 83.Minute bekam Uerdingen einen indirekten Freistoß im Kölner Strafraum zugesprochen (ein Rückpass wurde vom Torwart mit der Hand aufgenommen). In der Kölner Mauer auf der Torlinie wurde jetzt ein Spieler mutmaßlich am Arm angeschossen, doch zu einem Strafstoß ließ sich der Unparteiische nicht hinreißen. Es folgten weitere gute Möglichkeiten für die Rot-Blauen und letztlich wurde der für Ellguth eingewechselte Lucas Musculus, nach Traumpass von Reichwein, zum zweiten Torschützen des KFC in dieser Saison (89.Minute). Diesmal war das Chaos im Uerdinger Fanlager nicht wie zu Spielbeginn choreographiert, sondern einer dieser unkontrollierten Ausbrüche, die die Faszination Fanblock ausmachen. Der KFC-Anhang musste jetzt nur noch einen Pfostenschuss der Kölner in der Nachspielzeit überstehen und durfte dann mit der Mannschaft die ersten drei Punkte der neuen Saison feiern.

Der krebsrote Verfasser dieser Zeilen musste derweil hurtig zum Bahnhof, um 16:18 Uhr die Bahnreise fortzusetzen. Dadurch war ich 17:45 Uhr in Bad Aachen und checkte sofort bei A&O am Hauptbahnhof ein. „Haben sie eigene Bettwäsche dabei?“ (Na klar, die ist auch hier in der Balkantasche…). „Okay, dann wären nochmal 3,50€ extra fällig.“ Schnell wie ein David Odonkor des Gastgewerbes bezog ich mein Bett und schaffte justement den Bus um 18:08 Uhr nach Eupen (die Linie fährt samstagabends nur im Stundentakt).
- 29.07.2017
- KAS Eupen – SV Zulte Waregem 0:5
- Pro League (I)
- Kehrweg-Stadion (Att: 2.543)
Jetzt hatte ich dort bis zum Anpfiff (20 Uhr) genug Zeit für einen gemütlichen Stadtspaziergang durch die Hauptstadt der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Ja, in Eupen spricht man Deutsch. Und zwar als Muttersprache. Nichtsdestotrotz versprüht der Ort schon belgisches bis französisches Flair. Gerade an einem Sommerabend, wo die Brasserien den zahlreichen Gästen auf dem bestuhlten zentralen Platz Wein oder die kleinen belgischen Biere servierten. Dazu die barocke Hauptkirche des Ortes und die historischen schiefergedeckten Steinhäuser der Innenstadt als Kulisse.

Eupen (ca. 19.000 Einwohner) wirkt schon anders, als eine typische deutsche Kleinstadt. Schön anzusehen ist dabei auch das Haus Grand Ry in der Straße Klötzerbahn. Es war dereinst (1761-63) als Residenz eines reichen Tuchfabrikanten gebaut worden und ist seit 1984 Regierungssitz der DG. Ja, Regierungssitz, denn die Deutschsprachige Gemeinschaft (nur ca. 60.000 Menschen) hat im föderalen Belgien weitreichende Befugnisse der Selbstverwaltung mit einem Parlament, einem Ministerpräsidenten als Regierungschef und drei eigenen Ministerien (Kultur, Beschäftigung und Tourismus / Familie, Gesundheit und Soziales / Bildung und wissenschaftliche Forschung).

Man spricht daher auch gelegentlich von der bestgeschützten Minderheit der Welt und die Deutschsprachigen in Ostbelgien danken es dem Gesamtstaat und der Monarchie mit einer Identifikation, die bei Flamen oder Wallonen im Schnitt nicht so ausgeprägt ist. Dafür ist die Identifikation mit der belgischen Esskultur noch ausbaufähig, denn ich fand in der Innenstadt keine Friture für mein Abendessen. Dementsprechend ging es hungrig den Berg zum Stadion hinauf und dort waren 12 € für einen Stehplatz zu investieren. Ich war heute einer von 2.543 zahlenden Zuschauern und gespannt, wie sich der ostbelgische Club im Besitz katarischer Investoren gegen den amtierenden Pokalsieger SV Zulte Waregem schlagen würde.

Die Aspire Academy aus dem Gastgeberland des FIFA World Cups 2022 (was freuen wir uns alle darauf!) kaufte sich 2012 den Zweitligisten KAS Eupen. Die waren damals nach ihrem ersten und nur einjährigen Gastspiel in der 1.Liga ziemlich ruiniert und die Gelder aus dem Emirat sehr willkommen. Die Aspire Academy versendet seitdem aus der afrikanischen Niederlassung im Senegal die hoffnungsvollsten Talente nach Ostbelgien, um sie dort zu Fußballprofis zu machen. Ich persönlich vermutete damals, dass man sich dort eine internationale Nationalelf für die WM 2022 aufbauen will (analog zur Handballnationalmannschaft Katars), aber die Einbürgerungswelle blieb aus und dieses Frühjahr verstrich die Frist der FIFA diesbezüglich (wer bei einer WM für eine Nation auflaufen will, muss mittlerweile fünf Jahre vor Turniermeldeschluss die entsprechende Staatsbürgerschaft besessen haben).

Also, was wollen die arabischen Scheichs dann mit Eupen? Zum einen wird dort versucht katarische Fußballer voranzubringen. Im Kader der ersten Mannschaft stehen vier Kataris (teilweise mit afrikanischem Migrationshintergrund, aber alle in Katar geboren), die hier ein anderes sportliches Niveau als in der Heimat vorfinden. Zum anderen ist das Eupener Projekt Teil der ganz großen Sportstrategie des reichen Golfstaats. Über Sport und Sportler soll das Image des Landes aufpoliert werden. Weltmeister im CO2-Ausstoß, Ausbeuter von Arbeitsmigranten, Unterstützer islamistischter Terrorgruppen, Scharia statt Menschenrechte… Dass sie sich nach traditioneller FIFA-Sitte eine WM gekauft haben, geht da noch als Kavaliersdelikt durch. Sponsoring und Investments im Sport (u. a. FC Barcelona und Paris Saint-Germain), große internationale Sportveranstaltungen im eigenen Land und Fußballmärchen über Jungs aus den Slums Westafrikas, die dank Katar über Eupen bei Barca, PSG oder in der Premier League landen, sollen dem miesen Image entgegen steuern.

Die Fans und Freunde der Königlichen Allgemeinen Sportvereinigung Eupen sahen die neuen Investoren wahrscheinlich auch skeptisch. Aber in Belgien gibt es so etwas wie die 50+1-Regel nicht und Investoren erfreuen sich größerer Fanakzeptanz, solange sie die Tradition des Clubs fortschreiben und achten. Gegen Erfolg hat dann auf der Tribüne auch niemand etwas einzuwunden und die Gelder und Konzepte aus Katar brachten den Club wieder voran. Drei Jahre spielte man in der Spitzengruppe der 2.Liga mit und 2016 klappte es endlich mit der Rückkehr in die 1.Liga. Mit ansehnlichem Offensivfußball gelang auf Anhieb der Klassenerhalt und der Zuschauerschnitt konnte gegnüber der 2.Liga verdoppelt werden. Heute kamen über 2.500 Fans ins Kehrwegstadion (Kapazität: 8.235) und auch die kleine, seit 2002 aktive Ultragruppe (Zebras Eupen) scheint kein Problem mit den Investoren aus Katar zu haben. Sie trällerten ihre deutschsprachigen Lieder und hofften damit ihre Elf zu unterstützen.

Heute jedoch wuchs kein Eupener Feldspieler über sich hinaus und ihr Trainer Jordi Condom konnte froh sein, dass Van Crombrugge zwischen den Pfosten einen schnellen Rückstand verhütete. Dessen Gegenüber im Gästetor wiederum bummste Eupens Angreifer Ocansey in der 19.Minute im Strafraum um. Doch Kapitän und Routinier Luis Garcia (früher u. a. FC Barcelona, Liverpool FC und 20 A-Länderspiele für Spanien) ließ mit schwachem Strafstoß die prompte Wiedergutmachung von Tormann Bostyn zu. Ansonsten hatte der SV Zulte Waregem die Partie weitgehend im Griff und konnte nach 34 Minuten seine verdiente Führung durch Rechtsverteidiger Davy de Fauw feiern, der eine mustergültige Flanke einköpfte. Dabei blieb es bis zur Pause.

Die Gäste hatten sich die Halbzeitführung verdient, so wie ich mir meine Fritten. Und jene waren wirklich ein Traum. Überhaupt kein Vergleich zu Krefeld am Mittag. Es gab eine große Portion mit Samuraisauce (quasi Mayo mit Sambal Oelek), die ihre 4 € wert war. Ich hatte gerade mal die Hälfte geschafft, als der Ball wieder rollte und bei Zulte Waregems Strafstoß in der 55.Minute war ich Cola zum Nachspülen kaufen (2 €). Den verwandelte der Serbe Ivan Saponjic zum 0:2 und als ich zurück auf der Tribüne war, fiel auch schon das 0:3 (60.Min durch de Pauw, nicht zu verwechseln mit de Fauw). Die Gästefans (ca. 250) schmetterten mittlerweile siegesgewiss einen Gesang nach dem anderen. Von Eupen kam nun gar nichts mehr, weder auf den Rängen, noch auf dem Rasen, und Saponjic (65.Min) und Coopman (87.Min) sicherten den Zultern und Waregemern (Fusionsverein von 2001) einen Kantersieg zum Auftakt.

Bei dem Spielstand pfiff der Unparteiische natürlich pünktlich um 21:45 Uhr ab. Gut für Eupen, gut für mich. Denn so konnte ich den Bus um 22:05 Uhr ohne Sprinteinlagen bekommen. Das Gefährt aus dem Hause Van Hool war dann voll mit ostbelgischen Teens, die mit aromatisiertem Sekt im Gepäck nach Aachen zum Feiern fuhren. Feiern tu ich ja auch gern, aber nicht heute, mit am Ende 22,2 km Fußmarsch in den Knochen und schmerzhaftem Sonnenbrand auf der Haut. Dusche und Bett waren die Verheißungen des späten Abends und trotz Autoverkehr, Zugverkehr, Bahnhofsdurchsagen und Partypeople im Hotelumfeld schlief ich schnell ein und wie ein Stein.

Sonntagmorgen gab es leider eine Spielplanänderung. DJK Dreiborn hatte sein Kreispokalspiel gegen die SG Eintracht Eifel auf seinen regulären Sportplatz verlegt. Daher ging mir das Stadion der Ordensburg Vogelsang (LINK) durch die Lappen. Der eingangs angedeutete Plan war morgens in die Eifel zu fahren, um 11 Uhr an einer Führung durch die Nazi-Ordensburg teilzunehmen und im Anschluss bis 15 Uhr noch ein bisschen an der Urfttalsperre im Nationalpark Eifel zu wandern. Danach das Spiel inklusive zu erwartendem Hopperfasching gucken und schließlich um 17 Uhr ab nach Hause. Leider führte selbst meine Vorsprache beim Fussball-Obmann der DJK zu keinem Einlenken und ohne König Fußball wollte ich den Reiseaufwand nicht betreiben.

Alternativen waren auch schnell gefunden. Der Aachener Stadtpokal im Herrenfußball feierte zur Zeit seine 32.Auflage und ab 11 Uhr waren heute die Viertelfinals im Stadion von Rhenania Richterich angesetzt. Dort hätte ich theoretisch bis 19 Uhr Fußball gucken können, aber ich bin ja kein Sonderling und suchte mir daher mit der 1.Runde des belgischen Fußballpokals noch ein weiteres Schmankerl heraus, so wie sehenswerte Orte, deren Besuch ich mit den beiden Fußballveranstaltungen kombinieren konnte. Doch zunächst suchte ich um 9 Uhr das Café Nobis am Aachener Dom auf. Dort gab es ein ofenwarmes und knuspriges Brötchen mit Rührei und Schinken und ein Roggenbrötchen mit Frikadelle und Krautsalat.

Gut gestärkt konnte nun mein Marsch nach Richterich begonnen werden. Vom Dom (siehe Titelbild) spazierte ich über Marktplatz und Pontstrasse hoch zum Salvatorberg (229 m über NN). Die Kirche auf dem Berg war aber nicht sonderlich spektakulär und aufgrund der Bäume gab es auch keine schöne Aussicht. Ich spazierte daraufhin den Nordhang des benachbarten Lousberges entlang, wo sich immerhin ein schöner Ausblick auf Aachens größtes Stadion ergab. Nächstes Ziel war jetzt das Schloss Rahe im Stadtteil Laurensberg. Es ist wirklich ein sehr schönes Wasserschloss und aufgrund seiner abseitigen Lage kein wirklicher Touri-Magnet. Stattdessen scheint es bei Einheimischen für Hochzeitsfeiern hoch im Kurs zu stehen, wie der Veranstaltungsplan verriet.

Es blieb nun noch genug Zeit, um einen Wasserschloss-Doppler zu realisieren. Denn in Richterich erwartete mich das Schloss Schönau. Jenes verlor allerdings das Aachener Schlossduell gegen den Nachbarn Schloss Rahe (ein echtes Hassderby) und wäre keine Extra-Anreise wert gewesen. Aber es war halt nur ein paar hundert Meter vom Jürgen-Ortmanns-Stadion in Richterich entfernt. Jenes Stadion konnte im Anschluss erfreulicherweise kostenneutral betreten werden, da ich ausnahmsweise zum Schnorrer-Groundhopper mutierte und sagte, dass ich nur das erste von vier Spielen sehen kann. „Junge, geh durch“, entgegnete der Ehrenamtler am Eingang.

- 30.07.2017
- DJK Rasensport Brand – DJK Arminia Eilendorf 2:1
- Stadtpokal Aachen (Viertelfinale)
- Jürgen-Ortmanns-Stadion (Att: 96)
Drinnen bekam ich ein Duell von zwei Mannschaften aus der Bezirksliga Mittelrhein geboten. Wie bei uns in Niedersachsen ist das die 7.Liga und nahezu jeder Akteur bringt ein gewisses fußballerisches Können mit. Gut, vor der eigenen Haustür kenne ich einige Ausnahmen, aber hier im Dreiländereck kickten die 22 Akteure ganz ordentlich, wenn auch zunächst nicht spektakulär. Nachdem die 1.Halbzeit im Zeichen von Abtasten und Fehler vermeiden stand, wurde es im zweiten Durchgang eine Spur packender. Die Arminen wirkten in der ersten Stunde griffiger und laufbereiter und das 0:1 in der 62.Minute durch Mouhcine Mimi war dementsprechend verdient, wenn es auch etwas glücklich entstanden ist. Der Eilendorfer bekam seinen Fuß in einen halbhohen quer geschlagenen Ball, der dann als Bogenlampe im Brander Kasten einschlug.

Ich hätte jetzt auf einen Halbfinalisten namens Arminia Eilendorf gewettet, aber der DJK aus Aachen-Brand gelang in der 75.Minute durch ihren Angreifer Dennis Arigbe der Ausgleich. Fünf Minuten später dann das vermeintliche 2:1 für Brand, doch der andere Arigbe (Delany) soll im Abseits gestanden haben. Aus meiner Perspektive eine Fehlentscheidung. Beeindruckte Raspo nicht und eine Minute später gab es einen schönen Flachpass in den Lauf des Branders Malte Bartels-Lenting, der im Strafraum nur noch am Torwart vorbeischieben musste. Jetzt hatten sie das Spiel gedreht und ließen sich die Butter nicht mehr vom Brot nehmen. Mit der DJK Rasensport Brand bekam der Aachener Stadtpokal seinen ersten Halbfinalisten.

Der Abpfiff um 12:48 Uhr passte übrigens perfekt zum Bus 12:53 Uhr. Es war ein niederländischer Linienbus, der von Heerlen nach Aachen verkehrte. Am Bushof wechselte ich in einen Bus ins belgische Kelmis und in dem Ort direkt hinter deutsch-belgischen der Grenze versicherte ich mich erst einmal am Stadion, wann denn heute angestoßen wird. Auf der Homepage der Gastgeber stand 15 Uhr, während der Verband und die Gastmannschaft 16 Uhr announciert hatten. Die Mehrheit hatte recht und so blieben mir vor dem Kick über 90 Minuten für eine Wanderung im schönen Göhltal.

Die Göhl (französisch La Gueule) enspringt unweit von Kelmis und schlängelt sich durch das Dreiländereck bis zur Maas bei Maastricht. Die Gegend hat hohe Galmeivorkommen und Bergbau prägte deshalb die Geschichte des Ortes. Daher war hier sogar mal ein Vierländereck. 1815, im Wiener Kongress, wurden sich das Königreich Preußen und das Königreich der Vereinigten Niederlande über 3,4 km² wertvolles Land bei Kelmis nicht einig und die Mikronation Neutral-Moresnet entstand (Buchtipp: „Niemands Land“ von Philip Droege). Nachdem sich Belgien 1830 von den Niederlanden gelöst hatte, gab es somit von 1816 bis 1919 bei Aachen ein Vierländereck. Nach dem Ersten Weltkrieg bekam Belgien im Zuge des Versailler Vertrags Neutral-Moresnet zugeschlagen.

Obwohl es hier eigentlich gar keine sichtbaren Grenzen mehr gibt, führte eine meiner typischen Schneppe-Abkürzungen dazu, dass ich dennoch unter einem Stacheldrahtzaun lang robben musste, um wieder auf Kurs zu kommen. Alles kritisch beäugt von zahlreichen Kühen, in deren abgezäunte Weidegründe ich mich verirrt hatte. Auch wenn die Stirnwaffenträger nur blöd guckten; die Statistik, dass jährlich mehr Menschen von Kühen als von Haien getötet werden, schoss mir trotzdem in den Kopf. Ich kam zum Glück nochmal mit dem Leben davon und erreichte irgendwann das Schloss Eyneburg, dass eigentlich nur 2 km vom Stadion entfernt ist (wenn man auf den befestigten Wegen bleibt).

Da es mittlerweile schon 15:30 Uhr war, wurde nichts daraus an der Burg gemütlich ’ne halbe Stunde Vokabeln für kommende Auslandsabenteuer zu lernen. Ich musste mich leider nach 5 Minuten Rast wieder zum Stadion aufraffen, um pünktlich zum Anpfiff da zu sein.
- 30.07.2017
- RFC Union La Calamine – UCE de Liège 0:3
- Coupe de Belgique (Premier tour)
- Stade Prince Philippe (Att: 200)
Der Eintritt kostete 5 € und knapp 200 Interessierte hatten zu Spielbeginn die Tore passiert. Darunter auch circa ein Dutzend Spanier, denn UCE de Liège ist ein Club spanischer Migranten (mit rot-gelben Trikots und einem schwarzen Stier als Logo). Bei den Heimfans war wiederum relativ viel Französisch (neben Deutsch) als Umgangssprache zu hören. Das dürfte an einst zugezogenen wallonischen Bergarbeiterfamilien und der besonderen Geschichte der Gemeinde liegen.

Vor dem Anpfiff wurde schnell noch der Fototermin für das Mannschaftsfoto und die Einzelportraits der Heimmannschaft realisiert und dann begann die neueste Ausgabe des Wettbewerbs, den Zulte Waregem im Vorjahr gewonnen hatte. Von Union La Calamine (La Calamine ist die französische Ortsbezeichnung von Kelmis) spielte hier heute die 2.Mannschaft. Die Erste (4.Liga) steigt erst nächste Runde in den Wettbewerb ein und die belgischen Profiteams noch später. Die beiden Teams der heutigen Begegnung hatten sich quasi über die Kreispokale für den nationalen Pokalwettbewerb qualifiziert und spielten in etwa auch wie Kreisligisten. Es war anschaubar, aber schon das schlechteste Spiel meines Wochenendes.

Die Spanier aus Liège (Lüttich) gingen bereits in der 7.Minute in Führung und prüften in ersten Viertelstunde mehrmals den Torwart des RFC Union. In der 16.Minute schossen die Gastgeber auch mal auf das Tor, aber deutlich vorbei. Dann waren wieder die Gäste am Drücker und nach 30 Minuten wurde das vermeintlich 0:2 vom Schiedsrichter wegen Abseits nicht gegeben. Für die Kelmisser ging es glücklich mit nur 0:1 in die Pause, welche ich für Handy laden und Limo trinken im Clubhaus nutzte. Da man dort im Prinzip in einer Loge sitzt, blieb ich vorerst über den Wiederanpfiff hinaus. Ist insgesamt eine gepflegte Anlage mit zwei Kunstrasenplätzen und modernem Sozialtrakt, die der damalige Kronprinz Philippe (mittlerweile König der Belgier) vor wenigen Jahren feierlich eröffnete und sogleich die Namensrechte auf unbestimmte Zeit zugesprochen bekam.

In der 69.Minute turnte ich bereits wieder am Spielfeldrand rum, als UCE auf 0:2 erhöhen konnte. Viel fiel den Hausherren immer noch nicht ein und in der 80.Minute sorgte der Gast für das verdiente 3:0 aus seiner Sicht, was auch der Endstand wurde. Damit löste das Team aus Liège das Ticket für die zweite Pokalrunde und darf vielleicht gleich nochmal nach Kelmis. Mal sehen was ihnen die Auslosung bringt. Ich dagegen löste das Ticket gen Hannover und nach 360 Minuten Fußball, 14 Toren, 5 Städten, 4 neuen Stadien und 43 km Fußmarsch kam mit der Rückfahrt das traditionell unbeliebteste Kapitel einer Reise auf mich zu. 23:30 Uhr war ich in Hannover zurück und musste mit einer Arbeitswoche die ewig langen 4,5 Tage bis zum nächsten Trip überbrücken. Mal sehen, was so in Burnley geht.