Delmenhorst 07/2017

  • 21.07.2017
  • SV Atlas Delmenhorst – BSV Schwarz-Weiß Rehden 7:8 n. E. (3:3)
  • NFV-Pokal (1.Runde)
  • Stadion an der Düsternortstrasse (Att: 1.800)

In der Playlist mit Fußballsongs unseres Reisekollektivs hat auch der Marsch des SV Atlas seinen festen Platz (mal die klassische Version, mal die rockige Variante). Es wurde Zeit den Song endlich in seinem angestammten Stadion zu hören, zumal jene Sportstätte eine der größeren in Niedersachsen ist (12.000 Plätze) und der frischgebackene Oberligaaufsteiger SV Atlas Delmenhorst auch noch über eine für einen Amateurverein bemerkenswert aktive Fanszene verfügt. Daher ging es Freitagnachmittag um 17 Uhr, pünktlich zum Feierabend des letzten Mitstreiters, als Quartett (Ole, Bene, Fat Lo und ich) nach Delmenhorst.

Wappenschild der Stadt Delmenhorst

Ein bißchen Stau und stockender Verkehr auf der A7, sowie rund um Bremen verzögerten die Ankunft am Stadion an der Düsternortstrasse leider auf fünf Minuten vor Anpfiff. So konnten wir nicht wie angedacht in der stadionnahen Gaststätte Jan Harpstedt ein schnelles Helles trinken. In dieser bereits von Bene mehrfach geprüften und empfohlenen Schankwirtschaft wurde 2012 der SV Atlas übrigens wiedergegründet (der Ursprungsverein existierte von 1973 bis 2002). Stattdessen ging es schnurstracks durch das Stadiontor (6 € waren für Vollzahler zu entrichten) und dort wurden uns pünktlich zum Einlauf der Teams die Feierabendbiere von der Bierwagendame gereicht. Neben Softdrinks und Haake Beck für 2,50 €, gab es außerdem Longdrinks (Rum-Cola usw.) für 4 € und den SVA Schluck (einen Likör) für 2 €. An die Hungrigen war, neben Stadionwurst und Fritten, auch mit rotierenden Grillhähnchen gedacht. Kulinarisch war die Auswahl für überraschend viele Zuschauer an einem warmen Sommerabend also ganz gut.

Die Teams laufen auf

Wir wussten bereits, dass SVA mächtig mobilisieren kann. 2015 begleiteten ihn beispielsweise 4.000 Fans zum wichtigen Bezirksligaspiel in Wildeshausen und im diesjährigen Aufstiegkamßf wurde der SV Atlas in den entscheidenden Spielen auch von mehreren Tausend unterstützt). Aber heute hätten wir eher mit 1.000 anstatt den erschienenen 1.896 Zuschauern gerechnet. In Delmenhorst brennen sie anscheinend richtig auf die neue Saison und besonders passiv ist das Publikum hier ebenfalls nicht. Neben vielen mit Vereinsdevotionalien behangenen Fans, gab es auch einen eher schwarz gekleideten Block, der jedoch per Spruchband eine Nähe zu derzeit prominenteren schwarzen Blöcken dementierte: „Nicht jeder schwarze Block ist grundsätzlich scheisse!“

Ein bißchen wie Volksfest

Es erhofften sich fast alle Stadionbesucher die erste Sensation der noch frischen Saison (aus Rehden war nur eine kleine Schar Sympathisanten mitgereist). Denn das wäre ein Sieg gegen den BSV, der seit 2012 in der Regionalliga Nord spielt und schon mehrfach am DFB-Pokal teilnahm, definitiv gewesen. Aber selbst die größten Optimisten dürften vom Spielbeginn überrascht worden sein. Nach 30 Minuten prangte ein 3:0 für die blau-gelben Hausherren an der analogen Anzeigetafel. Degen (13.), Bruns (25.) und Priessner (30.) hatten die komfortable und verdiente Führung mit ihren Toren erwirkt. Und während die ersten beiden Treffer noch etwas glücklich aussahen, war das dritte Tor schon sehr schön herausgespielt. Blöd, dass damit der Delmenhorster Zenit erreicht war. Denn Rehden kann langsam zu sich und machte noch vor der Pause in der Nachspielzeit der 1.Halbzeit den Anschlusstreffer durch den Rechtsaußen Abdullah Dogan.

Gut gefüllte Haupttribüne

In der Kabine gab es wahrscheinlich ein Donnerwetter für die klassenhöhere Elf und nach dem Seitenwechsel zeigten die schwarz-weißen Kicker, dass sie eigentlich das bessere Team sind. Der SV Atlas musste jetzt beweisen, dass seine Abwehr in der 2.Hälfte so effizient arbeiten kann wie seine Offensive in der 1.Hälfte. Das klappte zunächst 22 Minuten, doch mit einem Standard wurde der SVA-Schlussmann ein zweites Mal am heutigen Abend überwunden (direkter Freistoßtreffer von Mehanovic in der 67.Minute). Und bereits fünf Minuten später stand es 3:3 (Stojanovic). Jetzt drängte Rehden natürlich auf die Entscheidung und beim SVA schwanden die Kräfte. Jedoch wollte in einer echten Abnutzungsschlacht kein Tor mehr fallen.

Rehden drückt nochmal

Nach 90 Minuten und ein bißchen Nachspielzeit wurde das reguläre Spiel abgepiffen und es folgte nach kurzer Verschnaufpause sogleich das Elfmeterschießen. Die Atlanten gingen zuvor nochmal in ihren Fanblock und ließen sich innig von ihren treuesten und lautstarken Fans pushen. Doch es half nur bedingt. Vier von fünf SVA-Schützen verwandelten. Von Rehden allerdings fünf von fünf und damit gab es keine Sensation, sondern einen schmeichelhaften Pflichtsieg für das klassenhöhere und finanzstärkere Team.

Entscheidung im Elfmeterschießen

Apropos Finanzen, Kommerz usw.; Der SV Atlas heisst übrigens so, weil er 1973 als ein vom Delmenhorster Baumaschinenhersteller Atlas erheblich geförderter Fusionsverein aus drei lokalen Sportvereinen entstand. Die Firmenunterstützung führte den Verein in den 1990ern bis in die 3.Liga (Regionalliga Nord von 1995 bis 1998), aber als es der Firma Atlas Ende der 1990er Jahre schlecht ging und sie von Investoren aufgekauft wurde, wurde die Förderung des Sports eingestellt. Damit war der Verein finanziell am Ende und musste 2002 Insolvenz anmelden. Das führte schließlich sogar zur Löschung aus dem Vereinsregister. Ein Nachfolgeverein namens Eintracht brach mit der Atlas-Tradition und sollte hauptsächlich die Jugendteams und den Breitensport retten.

Von Mayo & Fritten bekommt man wunderbare Männertitten

Doch das Feuer aus fast 40 Jahren hochklassigem Amateurfußball loderte immer noch in vielen Fußballfreunden an der Delme. Nach einem Jahrzehnt Sedisvakanz auf dem Delmenhorster Fußballthron, entschlossen sich einige Traditionalisten ihre Legende wiederzubeleben. Der 2012 neugegründete SV Atlas übernahm die Fußballabteilung von Eintracht und knüpft seitdem völlig losgelöst vom mittlerweile zerschlagenen Atlas-Konzern an die alte Tradition an. In der 1.Kreisklasse wurde gestartet und mit vier Aufstiegen in fünf Jahren konnte die Pole Position im Delmenhorster Fußball sehr schnell zurückerobert werden. Mit mehr Zuschauerzuspruch, als man vielleicht im Schatten von Werder Bremen (und bei der weiteren Konkurrenz im Bereich Freizeitvergnügen unserer Tage) selbst hätte erahnen können.

Traditionalisten beleben einen „Kommerznamen“ wieder. Ein Widerspruch? Nur bedingt, denn man ist mit diesem Namen groß geworden. Der Verein hieß ja nie anders. Hätte man diese Tradition abstreifen wollen, hätte man entweder den Nachfolgeverein Eintracht unterstützen können oder so etwas wie den SV Blau-Gelb Delmenhorst neu gegründet. Aber wie Bayer 04 nunmal Bayer 04 ist, ist der SV Atlas der SV Atlas. Gegründet in einer Zeit, wo diese namentliche Verbundenheit zwischen Firmen und Vereinen sehr en vogue war. Siehe Chio Waldhof 07, VfR OLI Bürstadt, SV Röchling Völklingen oder die prominente Geschichte eines Likörfabrikanten aus Wolfenbüttel und eines willfährigen Sportvereins aus Braunschweig. Da das gegenüber der heutigen Entwicklung allerdings noch reichlich harmlos wirkt, würde ich einem SVA-Fan, der RB Leipzig und ähnliche Projekte ablehnt, nicht den Vogel zeigen. Denn letzlich blieben alle Vereine damals hundertprozentige Vereine, nur dass die lokalen Geldgeber gerne noch prominenter mit dem Verein werben wollten, als nur auf Banden und Trikots. Gönner, Geldgeber und Sponsoren spielen im deutschen Fußball schon seit Kaisers Zeiten ihre Rolle. Die Frage wo man seine Grenze setzt, muss jeder Fan mit sich selbst ausmachen. Der kommerzielle Fußballsport ist jedenfalls gewiss noch nicht an seine Grenzen gestoßen und wir werden noch ganz andere Schweinereien erleben. Globale Fußballmarken unter den Dächern von Red Bull oder der City Group zeigen wohin die Reise geht. Lokale Baumaschinenhersteller oder Stuhlfabrikanten werden spätestens dann als Gute alte Zeit durchgehen.

Song of the Tour: Noch eine weitere Atlas-Hymne.

P.S.: Das Titelbild ist bei einem Stadtbesuch im Januar 2014 entstanden. Diesmal war, wie erwähnt, keine Zeit für einen Bummel durch Delmenhorst, aber verpassen tut man touristisch in Delmenhorst auch nicht wirklich etwas 😉