Praha (Prag) 06/2016

  • 04.06.2016
  • Loko Vltavin – FK MAS Taborsko B 3:0
  • CFL (III)
  • Stadion na Plynarne (Att: 120)

Zum Abschluss der Spielzeit 2015/16 plante ich mit meinen Fußballkameraden des ruhmreichen SC Schwarz-Gelb Asel von 1919 e. V. ein geselliges Wochenende fernab der heimischen Gefilde. Da auf Mallorca in meinen Augen nur Magaluf und sonst nichts in Frage kommt, fiel die obligatorische Ballermann-Tour für mich schon mal raus. Weil der Klassiker für Fußballmannschaften von der Bundesliga bis zur Kreisklasse jedoch nicht so einfach vom Tisch zu kriegen ist, brauchte ich eine echt gute Alternative. Ein Partywochenende in den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland stellte diese Alternative für die reisefreudige Lobby innerhalb der Mannschaft nicht dar. Deshalb brachte ich Prag ins Spiel und konnte starke Fürsprecher für diese Option gewinnen. Preislich mit 100 € für Bahnfahrt und Unterkunft eher günstiger als ein Partywochenende in Fintel oder Willingen und einfach mannigfaltig in den Möglichkeiten. Dem Rhythmus aus Rausch und Kater kann man in der Goldenen Stadt viele optionale Kulturangebote gegenüberstellen und vielleicht würde ich es sogar schaffen die Mannschaft für eine Stadtführung oder einen Museumsbesuch zu begeistern.

Los geht die wilde Fahrt

Am Freitag den 3.Juni starteten wir um 5:55 Uhr unsere unsere Bahnfahrt gen Südosten. Mit Olbert, dem stummen Kai, InterCityBerger, Breitenreiter und Pumba waren einige Veteranen von Schneppe Tours dabei. Die anderen sechs kannten bisher nur von mir organisierte Events auf deutschem Boden, vertrauten aber voll und ganz meiner Planung. Ich musste nur die Reisezeiten mitteilen und den Preis nennen und die Leute trugen sich in die Liste ein. Keinerlei Rückfragen nach Art und Lage der Unterkunft, nach der Dauer der Bahnfahrt, nach geschätzten Kosten vor Ort oder nach dem Programm oder sonstwas. Solche Kunden wünscht sich jeder Reiseleiter und daher wurde auch gleich morgens ein reichhaltiges Bierfrühstück serviert. Die Kannen dafür hatte mein Co-Organisator Olbert besorgt.

Die Teppichklasse

Bis Dresden verlief die Fahrt ganz geschmeidig, aber im EuroCity nach Prag saßen wir in einem wenig bis gar nicht klimatisierten Abteil. Das unbefriedigende Klima trieb einige aus unserer Gruppe in den benachbarten und top klimatisierten Wagen. Dort feierte der VfL Kellinghusen intensiv seinen Saisonabschluss. Für das tschechische Bahnpersonal zu intensiv und der Wagen wurde von an Bord befindlichen Polizisten beidseitig abgeriegelt. Meine Mannschaftskameraden entkamen alle zum Glück noch rechtzeitig und rätselten was der Grund für den Stress war. Die Beamten ignorierten deutschsprachige und englischsprachige Nachfragen komplett und außer Alkoholkonsum und Musikgenuss sollen die Nordlichter nichts Anstößiges gemacht haben. Noch nicht mal Müll soll irgendwo gelandet sein, wo er nicht hingehörte. an Bahnhof Praha-Holešovice (Prag-Holleschowitz) entfernte dann ein Großaufgebot der tschechischen Polizei die Reisegruppe widerstandslos aus dem Zug. Arme Schweine!

Wenzelsplatz

Das führte natürlich alles zu Verzögerungen im Betriebsablauf, so dass der Hauptbahnhof der Metropole etwas später erreicht als geplant wurde. In Prag wurde nun fix der Schlüssel für unseren 96 m² großen Palast am Wenzelsplatz organisiert und dann splittete sich der Mob. Die Schneppe-Tours-Newbies nahmen mein Angebot einer mehrstündigen Stadtführung wahr und sammelten mit mir tolle Eindrücke der malerischen Innenstadt von Prag. Natürlich musste dabei niemand verdursten und wir kehrten nach dem ersten Teil der Tour auf ein fassfrisches Staropramen ins Hany Bany ein. In der Bar war eine relativ hohe Backpackerdichte und unser großer Kosmopolit Julian T. kam schnell ins Gespräch mit Menschen von anderen Kontinenten.

Am Altstädter Ring

Teil 2 der Tour führte uns danach zur nachmittags völlig überlaufenen Karlův most (Karlsbrücke) und dann, die Moldau entlang, in den Süden der Neustadt. Diese Route war auch nicht arm an Sehenswürdigkeiten. Stellvertretend sei neben den ganzen Brücken noch die Schützeninsel und das Tanzende Haus genannt. Und überall lockten die Bars mit Bieren zu einem Kurs, der fast geschenkt war.

Das tanzende Haus

Um 18 Uhr vereinigte sich schließlich der komplette SCA-Mob im The Pub Praha 2. In dieser Bar konnte sich mit Burgern und böhmischen Spezialitäten gestärkt werden und danach wurde sich auf das Wesentliche konzentriert, nämlich die Mannschaftskasse zu verflüssigen. Dadurch, dass jeder Tisch seine eigene Zapfanlage hatte, konnte schnell Fahrt aufgenommen werden. Der Konsum wurde pro Tisch digital ausgewertet und sowohl intern als auch extern (mit den Tischen der anderen Filialen der Kette) verglichen. Für unheimliche ehrgeizige Sportler wie uns konnte es nur ein Ziel geben: Weltweit auf Platz 1 zu kommen und den Platz bis zuletzt zu verteidigen.

The tasty bohemian cuisine

Dafür bekamen wir Verstärkung durch einen in Prag lebenden Freund unseres Torhüters. Der war auch Sportler (u. a. 2015 schottischer Meister im American Football geworden) und durch seinen internationalen Job in der Pharmaindustrie mittlerweile in die Hauptstadt Tschechiens gespült worden. Der Kerl passte gut in die Runde und Platz 1 war schnell erreicht. Denn als echtes Team haben wir uns selbstverständlich gegenseitig zu Höchstleistungen motiviert. Stellvertretend sei hier der stumme Kai genannt. Kai sagt ja nicht viel, aber wenn er was sagt, dann hat es Hand und Fuß. So zum Beispiel zu Olbert: „Ich hab ja schon viel von dir gehört, aber gesehen habe ich heute noch nichts.“ Da mobilisierte der eigentlich schon randvolle Spielführer Olberto gleich wieder alle Reserven und wollte dem frechen Kai am Zapfhahn mal zeigen wo der Frosch die Locken hat.

Etappensieg

Eigentlich war der Pub der ideale Zechtempel, nur irgendwie sah das Personal das anders. Singen war verboten und auf den Tischen tanzen erst recht. Ließ sich mit leben, doch kurz vor der 40-Liter-Marke wurde es kritisch. Ein Tisch mit Berlinern und ein anderer mit Briten stimmten immer mal wieder etwas an und wenn die das dürfen, dann wollten bei uns natürlich auch alle ihre schiefen Stimmen präsentieren. Mit den Briten lieferten wir uns alsbald einen epischen Yaya-Kolo-Wechselgesang. Da riss dem Personal endgültig der Geduldsfaden und allen drei Partytischen wurde der Hahn abgedreht. Mal eben 30 trinkfeste und gut situierte Gäste rausgeworfen. Dadurch ließen wir nur ca. 120 € für knapp 40 Liter in dem Laden, anstatt wie geplant die ganze Kriegskasse.

Next Step

Wir zogen nun erstmal Richtung Appartement und nahmen die nächstbeste Pinte für eine Fortsetzung der Party in Beschlag. Dort waren wir zwar mehr als willkommen, aber es war sonst einfach nichts los in dem Schuppen. Deshalb wurde nach ein paar Halben gegen Mitternacht final die Wohnung angesteuert, wo übrigens noch ein ganzer Kühlschrank voll Bier wartete. Dort ging es noch gute zwei Stunden rund, ehe auch der letzte Trinker sein Bett der zur Kneipe umfunktionierten Küche vorzog. 20 Stunden Biergenuss fordern halt irgendwann ihren Tribut.

Der Tresor

Der Zechzapfenstreich um 2 Uhr nachts ermöglichte am nächsten Morgen ein halbwegs fittes Aufstehen um 8 Uhr. Natürlich war dieser Olbert auch schon wieder wach. Seine ersten Worte sprach er in folgendem Dialog: „Ist das Bier kalt?“ „Ja, durchaus.“ „Okay, dann trinken wir jetzt alle eins.“ Dieses Bierfrühstück weckte endgültig bei allen die Lebensgeister und ich konnte zumindest den Berginator überzeugen, dass er mich zum absoluten Topspiel Loko Vltavin versus Taborsko B begleitet. Mit der preiswerten Metro (ca. 0,90 €) ging es nach Holleschowitz, wo Loko(motive) unweit des Bahnhofs seine Heimspiele austrägt. Es war fantastisches Wetter, der Eintritt betrug keine 2 € und das fassfrisch gezapfte Bier kostete nicht mal 1 €. Da ließ es sich sehr gut aushalten und neben dem kostenlosen Programmheft gab es auch noch einen Sonnenbrand als Souvenir.

Der verwunschene Stadioneingang

Der Rasen bei diesem Drittligaspiel war ein Teppich und wir sahen zumindest vom Heimteam einen dem Geläuf würdigen Fußball. In der 33.Minute führte erstmals einer der Angriffe der grün-weißen Eisenbahner ins Tor. Nach dem Seitenwechsel machte der auffälligste Spieler, der Salif Sané der dritten tschechischen Liga, das 2:0 (47.Min). So wie der kicken konnte, musste der mal höher gespielt haben und in der Tat, sein Name lautet Martin Abena und dieser 1,95-Riese aus Kamerun spielte bereits für Erstligisten in Tschechien (Sparta Prag), der Slowakei (DAC Dunajska Streda) und Bulgarien (Lokomotive Sofia).

Stadion na Plynarne

Die 2.Mannschaft von FK MAS Taborsko, die heute zu Gast war, schaffte es nur bei wenigen Kontern in die Nähe des Heimtores. Aber interessant, dass ein mittelmäßiger Zweitligist wie Taborsko eine Reserve in der 3.Liga hat. Loko war übrigens auch 2014 noch Zweitligist und würde da gerne wieder hin. Aber selbst ihre nach dem heutigen Spiel insgesamt errungenen 71 Punkte (in 34 Spielen) reichen dafür diese Saison nicht. Sokol Zapy lag mit 78 Punkten an der Tabellenspitze, gefolgt von Victorie Jimy mit 76 Punkten und Viktoria Zivkov, sowie Chrudim mit jeweils 73 Punkten. Verrückte Liga!

Loko Vltavin – Taborsko B

Taborsko B mit seinen 42 Punkten hatte den Klassenerhalt bereits zu 96 % sicher, aber war auf jeden Fall eine Klasse schlechter als Loko. Ein Lattenkracher in der 59.Minute und ein gefährlicher Freistoß von der Strafraumgrenze (nach rot geahndetem Foul in der 62.Minute) hätten eigentlich das Ergebnis schon längst auf angebrachte drei Tore Vorsprung erhöhen müssen. Doch das sollte dem schönsten Spielzug des Tages vorbehalten bleiben. Ein One-Touch-Kurzpassfestival mit fantastischen Laufwegen wurde in der 73.Minute zum 3:0 vollendet (auch der Endstand). Allein dafür hatte sich der Weg gelohnt.

3:0 am Ende für den Gastgeber

Nach Abpfiff sprach uns noch ein blasser und wasserstoffblonder Finne an. Und dann hieß er auch noch Sami. Mehr Klischee geht ja eigentlich nicht. Er hatte seine Freundin im Hotel ausschlafen lassen und sich zum Fußball davon gestohlen. Sympathischer Typ, der auch schon mal im Niedersachsenstadion war und sich dabei in dieses Stadion verliebte. Als unser Bier leer war, hieß es aber endgültig Aufbruch und die Metro durfte unsere verschwitzten Körper zum Hradčany (Hradschin) bringen. Jene Prager Burgstadt musste am Vortag aus Zeitgründen ausgespart werden und der nahe Letna-Park war alsbald in der Mittagssonne der Place to be. Von dort hat man einen fantastischen Ausblick auf Prags Altstadt und Neustadt. Fast schon schade, dass wir bereits 14 Uhr wieder unten in der Neustadt sein mussten. Denn dort hatte ich uns in eine Brauerei eingebucht.

Love is in the air im Letna-Park

Auf den Weg dorthin liefen wir auch noch dem Rest dem Truppe förmlich in die Arme, die auf dem zum Park umgestalteten Karlsplatz in der Neustadt in der Sonne lungerten. Gemeinsam wurde nun die Mikrobrauerei Pivovarsky Dum angesteuert, wo die Mannschaftskasse eine interessante Bierprobe finanzierte und das eigene Taschengeld für leider mäßiges Essen aufgewendet wurde. Egal ob Ente, Haxe oder Braten, wirkte alles wie in der Mikrowelle aufgewärmt. Das erste Mal seit langer Zeit daneben gegriffen bei der Auswahl des Restaurants. Na ja, jede Serie geht mal zu Ende.

Jetzt gibt’s hier ’ne Bierverkostung…

Dafür schmeckte das Bier wenigstens und unser Wahl-Prager vom Vorabend stieß auch wieder zur Gruppe. Der führte den Haufen nach dem Essen zu einem netten Biergarten auf der Moldau (Höhe der Schützeninsel auf der Kleinseite). Hier konnte mit zehn weiteren Runden Bier endlich endgültig die Mannschaftskasse geleert werden. Es war ein geiler Biergarten. Aber der DJ kannte die zwei Zauberworte, die jeden kultivierten Gast vertreiben: Bon Jovi. Solche Sperenzchen trieben wir dem Bengel schnell wieder aus und die Musik wurde britischer. Schon wollte keiner mehr aufbrechen und wir blieben bis zur Schließung des Biergartens um 22 Uhr. Schon schön da in Tschechien. Oder wie Olbert es nannte: Zechien! Als Kapitän und Schatzmeister verwaltete er unser Budget und holte alle paar Minuten neuen Stoff. Und solange er mit dem Rücken zur Karlsbrücke saß, war er glücklich. Denn seine Ansage war klar formuliert: „Wenn ich eins auf dieser Reise nicht will, dann diese Scheiss-Brücke sehen.“

Biergarten-Romantik

Der Typ hatte den Kopf auch schon wieder voller verrückter Ideen und wollte den Prager zu allerlei Unfug anstiften. Zitat O.: „Sag mal, bist du bereit für alles? Wir planen noch ein ganz illegales Ding. Wir wollen heute Nacht in den Zoo einbrechen und einen Affen klauen.“ P.: „Prag hat den fünftgrößten Zoo Europas.“ O: „Geil, das wird ja immer besser.“
Damit wir wieder auf andere Gedanken als Affenklau kommen, organisierte der Prager seine Arbeitskollegin Carla als Verstärkung der Runde. Halb Spanierin, halb Französin und auf Mallorca geboren. Da sprang ich mal über meinen Schatten und sprach ausnahmsweise wieder Französisch. Die fand uns auf jeden Fall ziemlich witzig und kam zunächst mit ins Appartement, wo sich die meisten für’s geplante Tanzvergnügen nochmal frisch machen wollten, und dann mit ins Double Trouble.

Zechen in Zechien

Dort ging es noch ein, zwei Stündchen gut weiter, bis der Mob aus technischen Gründen auseinanderbrach. Olbert wollte bekanntlich noch in den Zoo einbrechen (zusammen mit Julian T., den die Idee des Affenklaus auch nicht mehr los ließ), landete aber nur in einer Bar mit lauter Taubstummen. Unser glatzköpfiger Trainer entdeckte dagegen seinen Zwillingsbruder im Double Trouble und versackte dort. Andere verschwanden spurlos und ich war irgendwann frühmorgens mit der Hälfte der Gang in einem Burger King. Nach dem Essen war endlich die nötige Bettschwere erreicht und dieser Absprung kurz vor knapp und ersparte mir wohl gerade so einen schlimmen Kater. Ich war am Abend doch irgendwann zu Windows 95 geworden. Langsam und absturzgefährdet. Der Zustand biss sich mit der klugen Weisheit des Berginators: „Man muss immer so schnell trinken wie der Schnellste. Sonst hinkt man hinterher.“

Teynkirche

Der Sonntagvormittag wurde erstmal im KFC am Wenzelsplatz zugebracht. Dort gab es wohl japanische Wochen und Reis mit Chicken Terriyaki lasse selbst ich mir im verhassten Hühnchenbunker vom Colonel gefallen. Außerdem mussten die verdammten Kronen weg. 2.000 CZK waren mindestens 500 zu viel für das Wochenende in dieser preiswerten Stadt. Nach dem Essen lungerten wir noch mit unseren spärlich bekleideten Luxuskörpern in der Mittagssonne in einem Park und dann rief um 12:30 Uhr der Zug in die Heimat.

Energie für die Rückreise

Und da spaziert man ganz unbedarft durch den Prager Hauptbahnhof und läuft plötzlich dem Autor des Buches „How to survive ohne Fußball“ mit weiteren Funktionären des HFC Falke in die Arme. Die Welt ist ein Dorf. Bewaffnet mit zahlreichen Kofolas und geschlossen oberkörperfrei wurde nun die Fahrt zurück nach Deutschland angetreten und dabei (beim Blick aus dem Zugfenster) beschlossen dieses Usti nad Labem demnächst mal zu besuchen. Zitat von Olbert: „Zechien sieht mich auf jeden Fall bald wieder.“ Er erntete dafür von allen wortlose Zustimmung.

Song of the Tour: Die goldene Stimme von Prag covert die Stones.