Ingolstadt 04/2016

  • 23.04.2016
  • FC Ingolstadt – HSV von 1896 2:2
  • 1.Bundesliga (I)
  • Audi-Sportpark (Att: 14.831)

Normalerweise schreibe ich ja nicht über profane Ligaspiele des HSV von 1896, aber nicht nur dieser berühmte Hannoversche Sportverein feiert 2016 ein rundes Jubiläum, sondern auch das Deutsche, respektive Bayrische Reinheitsgebot von 1516 hat Geburtstag. Es wurde am 23.04.2016 stolze 500 Jahre alt. Wo wurde es erlassen? Im schönen Ingolstadt. Und jetzt spielt unser HSV auf den Tag genau ein halbes Jahrtausend später ausgerechnet in jener Stadt. Nun lockte also neben dem mir letzten unbekannten Stadion der 1.Bundesliga auch noch ein großes Bierfest. Ehrensache, da mal wieder einen Neuner mit trinkfestem Menschenmaterial zu füllen (Bull Hurley am Steuer und die Krake, Robin, Pumba, Fat Lo, der stumme Kai, Languste, Olbert und ich an der Flasche) und Ingolstadt ins Navi einzutippen..

Hin da

Nun sehe ich das Marketinginstrument Deutsches bzw. Bayrisches Reinheitsgebot als Historiker etwas differenzierter als der Deutsche Brauer-Bund oder nationalistische Bierpuristen. Von einer 500jährigen Kontinuität dieser Lebensmittelverordnung kann schließlich keine Rede sein, da bereits wenige Jahrzehnte später wieder andere Zutaten als Hopfen, Gerste und Wasser in Bayern zulässig waren. So erhielt der Freiherr von Degenberg 1548 das Privileg Weizenbier brauen zu dürfen (der wertvolle Weizen sollte eigentlich durch das Reinheitsgebot von 1516 den Bäckern vorbehalten bleiben). Und ein herzöglicher Erlass von 1551 erlaubte in ganz Bayern wieder den Zusatz von Koriander und Lorbeer. Schon 1616 wurde das Reinheitsgebot durch eine neue Bayrische Landesverordnung weiter aufgeweicht und Salz, Wacholder und Kümmel wurden wieder zulässig. Das eigentliche Hauptziel des Reinheitsgebots von 1516, nämlich die zahlreichen und gefährlichen Bierfälschungen mit so illustren Zusätzen wie Tollkirsche oder Ochsengalle zu ächten, blieb zwar weiterhin erhalten, aber die heuer so groß gefeierte Verordnung vom 23.April 1516 geriet ziemlich in Vergessenheit.

Bierromantik

Es brauchte bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts, ehe neue Gesetze in Bayern wieder Gerste, Hopfen und Wasser als einzige Bierzutaten festschrieben. Aber der Begriff Reinheitsgebot tauchte erst wieder in den 1950er Jahren auf, als bayrische Brauer durchsetzten, dass zuckerhaltige Biere in Bayern nicht mehr als Bier verkauft werden durften. Später, im Wettbewerb gegen ausländische Biere auf einem immer weiter globalisierten Biermarkt, berief sich die Branche schließlich bundesweit auf das historische Reinheitsgebot von 1516. So sollten deutsche Biere als besonders rein von der ausländischen Konkurrenz abgegrenzt werden. Seit 1995 vermarktet der Deutsche Brauer-Bund nun den 23.April jährlich als Tag des deutschen Bieres. Dieses Jahr natürlich bundesweit noch größer als sonst aufgezogen.

Jubiläumskrug

Auch wenn der Hype um das Reinheitsgebot somit nicht nachvollziehbar ist, lieben wir natürlich deutsches Bier und feiern gerne mit. Obwohl es heute in Deutschland oft ganz unfolkloristisch mit Hopfenextrakt und Zusatzstoff E1202 gebraut wird (und natürlich darf auch Hefe nicht fehlen, die anno 1516 noch nicht auf dem Radar des Brauwesens war). Doch egal was drin ist, in erster Linie soll es munden und lustig machen. Deshalb starteten wir am Morgen des 23.April so früh gen Ingolstadt, dass die Parole „Kein Bier vor Vier“ eine ganz neue Bedeutung bekam und freuten uns tierisch auf ein bierseliges Volksfest in der Altstadt der Audi-Stadt.

Sektion Spielsucht

Die Hinfahrt war recht unspektakulär. Ich wurde permanent von einer kleinen, aber übergewichtigen Minderheit verspottet, weil Bull Hurley als Fahrer mehr Bier als ich getrunken hatte und die Sektion Glücksspiel war leider auch erfolglos. Es gab weder beim Geldspiel was zu holen, noch konnte Languste Plüschtiere mittels Greifarm aus einem Automaten befreien. Dabei justierte er das Mistding perfekt über Lisa Simpson. Ich vermute so langsam, diese Glücksspiele könnten manipuliert sein. Weil wir nun schon genug Geld in Automaten gesteckt hatten, ignorierten wir in Ingolstadts Innenstadt den Parkscheinautomaten unseres kostenpflichtigen Parkplatzes. War dann auch so eine Art Glücksspiel, was wir aber gewannen. Und wo wir gerade bei Gewinnern sind; bisheriger Tagessieger am Glas war Robin. Ein Blick auf sein Poloshirt verriet, dass Reinheitsgebot und Wäschereinigung nah beieinander liegen.

Auf in die Altstadt

Jetzt war es auch für mich an der Zeit in den Themenkomplex alkoholische Getränke einzusteigen. Ingolstadts mutmaßlich größte Brauerei Herrnbräu hatte für heute den Georgi Sud angesetzt. Serviert wurde dieses Dunkelbier mit Röst- und Karamellaroma im dekorativen Tonkrug, für den sich viele Zecher die 5€ Pfand bewusst nicht zurückholten. Weiter ging es mit dem Emmer-Bier aus dem Riedenburger Brauhaus. Für dieses Bier wird Emmer (neben Einkorn eine der ältesten kultivierten Getreidearten) anstatt Gerste verwendet und auch dieses Bier mundete mir vorzüglich („Emmer? But what’s about the Reinheitsgebot?“). Jetzt zahlte es sich aus nüchtern an die Sache herangegangen zu sein. Ich vermute Teilen der Gruppe hätte man auch ein Discounter-Bier hinstellen können, die wären trotzdem glücklich gewesen. Ich war stattdessen noch Genussmensch, der sich durch die Bierwelt kostete und akribisch Buch führte.

Buntes Treiben

Nach den ersten Bieren begann unsere Suche nach der historischen Fasshalle des Georgianums. Eines Kollegs der Universität Ingolstadt, welches 1494 gegründet wurde und später Sitz der Brauerei Herrnbräu wurde. Heute schenkte hier allerdings das Hofbrauhaus Freising a. k. a. die Graf Toerring Brauerei aus. Wir genossen zunächst einmal Graf Toerrings Edeltrunk. Ein mildes Exportbier, welches man sicher literweise hätte trinken können. Aber dann hätte man ja andere Spezialitäten verpasst, wie z. B. das Regent, den Sondersud der Freisinger zum 500jährigen Jubiläum des Reinheitsgebots. Ein klassisches, aber gut gehopftes Pils, bei dem der Hallentauer Hopfen gekonnt in Szene gesetzt wurde.

Zechen in der Fasshalle

Begleitend zum Biergenuss bespielte ein Mittelalter-Musikensemble mit Schalmeien die Fasshalle. Ich glaube insbesondere Olbert ging das Trötengejaule tierisch auf den Sack, so dass er zeitig mit einem Teil der Gruppe zum Stadion aufbrach. Ich blieb mit dem Rest noch auf ein, zwei Bierspezialitäten da (Hubers Weisse Hubertus und Graf Toerring Schwarzbier). Wir sagten ergo erst eine Stunde vor Anpfiff Adieu zum Bierfest. Beim Flanieren auf dem Fest bekamen wir natürlich auch einen Eindruck von Ingolstadts Innenstadt. Ganz nette Altstadt mit vielen schönen Giebelhäusern, vorwiegend in Pastelltönen angestrichen, und natürlich einigen repräsentativen Kirchen und Profangebäuden.

Old Ingolstadt

Ansonsten sind die Reste der Stadtbefestigung noch erwähnenswert. Ingolstadt war immerhin 400 Jahre Festungsstadt und die Spuren dessen sind noch weit sichtbar. Ein kleine Festung ist derweil auch das Stadion des FC Ingolstadt. 25 Heimpunkte aus 15 Heimspielen sind eine sehr ordentliche Quote für den Aufsteiger. Aber unser designierter Absteiger aus Hannover ist ja gerade im Aufwind und vielleicht geht heute wieder was. Gastfreundlich war das Völkchen an der Donau jedenfalls schon mal. Wir durften den Neuner direkt am Gästeeingang abstellen und waren somit sehr fix im Inneren des unspektakulären, aber engen Stadions (welches neubautypusch am Arsch der Heide gebaut wurde).

Altstadtbummel

Eher untypisch für so ein Kackspiel, boten beide Fanszene heute eine Choreographie zu Spielbeginn. Wir hatten grüne Folienschals und einen riesigen Doppelhalter mit royaler Interpretation des 96-Wappens im Gepäck. Dazu geschrieben der passende Spruch „Alles, alles geht vorbei, doch wir bleiben treu!“. Die Heimseite hatte eine vierstellige Anzahl der weiß-blauen Rautenfahne Bayerns verteilt und präsentierte auf drei großen Doppelhaltern die Bierzutaten Wasser, Gerste und Hopfen und würdigte damit das Reinheitsgebot. Ich wollte es übrigens auch weiter würdigen, doch im Gästebereich wurde nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt. Eine ganz schlimme Unsitte und sowohl dem Anlass, als auch dem Anspruch der Stadt Ingolstadt nicht würdig.

Choreographie in Ingolstadt

Musste mich eben das Spiel berauschen. Klappte zunächst nicht so gut, denn Ingolstadt hatte Bock neben 500 Jahre Reinheitsgebot auch ein zweites Jahr Bundesliga zu feiern. Bereits nach 10 Minuten konnte Morales aus kurzer Distanz einköpfen und 96 fehlte es an guten Ideen in der Offensive. Als nach 20 Minuten Ingolstadts Bregerie aufgrund einer Notbremse vom Platz musste, witterte ich wieder Morgenluft. Aber viel brachte die Überzahl zunächst nicht und der FCI konnte in der 25.Minute schon wieder einen Kopfball im Tor von Ron-Robert Zieler unterbringen. Das sah heute doch wieder arg nach dem 96 aus der Prä-Stendel-Zeit aus. Waren die Spiele gegen Hertha und Gladbach nur ein kurzes Strohfeuer? Den Verdacht nahm ich mit in die Pause, da leider auch das Tor von Sarenren-Bazee in der 43.Minute, bei einem der wenigen guten Gästeangriffe, nicht zählte (zuvor Handspiel des Totalausfalls Szalai).

Choreographie FCI

Stendel reagierte und brachte Fossum für Milosevic. Der Norweger deutete bereits manchmal zart an, ein gewisses Potential zu besitzen und machte heute auch wieder Spaß. Mit den beiden Kreativen Kiyotake und Fossum wurde das Offensivspiel der Roten deutlich besser und auch Felix Klaus spielte heute mal wie ein Bundesligaspieler. Er leitete den Anschlusstreffer durch Hiroki Sakai in der 58.Minute ein. Jetzt war Hannover weiter am Drücker und das 2:2 in der 82.Minute durch Kiyotake war absolut verdient. Dabei blieb es dann auch. Gut, der Gegner war lange in Unterzahl und die 1.Hälfte war schwach, aber trotzdem Respekt für’s Zurückkämpfen ins Spiel. Daniel Stendel bleibt damit auch im dritten Spiel ungeschlagen und viele Fans fragen sich, wo 96 jetzt stünde, wenn der Mann die Truppe schon früher übernommen hätte.

Der Sportpark

In Ingolstadt darf man jetzt den Klassenerhalt feiern. Ich hab es zwar nicht bis zum Ende durchgerechnet, aber 40 Punkte sollten ausreichen. Für Hannover 96 wurde dagegen gut 26 Stunden später der Abstieg durch Frankfurts Sieg gegen Mainz besiegelt. Komisches Gefühl, so zuhause auf dem Sofa abzusteigen. Dadurch war es noch unemotionaler als eh schon. Da ich kein besonders toller Fan bin, freue ich mich auf ein abwechslungsreiches Jahr in der 2.Bundesliga. Ich fahre mit 96 natürlich lieber nach Sevilla oder Kopenhagen als nach Aue oder Bochum. Aber ich fahre mit 96 auch lieber nach Aue oder Bochum als nach Hoffenheim oder Gelsenkirchen. Am besten wir nehmen noch ein, zwei interessante Erstligisten mit runter und dann wird es wirklich die beste 2.Liga aller Zeiten. Mal sehen wie lange 96 im Unterhaus rumturnt. Ich bin bei dem Konglomerat Kind, Bader und Trainer X (z. B. dem heißgehandelten Mirko Slomka) schon recht skeptisch was die Operation Wiederaufstieg angeht. Doch wickeln wir erstmal in Ruhe den Abstieg ab… Das Saisonhighlight 2015/16 wäre noch, wenn der Große Vorsitzende aus Großburgwedel am 26.April einen Denkzettel auf der Jahreshauptversammlung verpasst bekommt. 50+1 in Hannover erhalten wäre ein großer Sieg in einer Saison voller Niederlagen.

Captain Turban

Nach Abpfiff stand uns übrigens eine heitere Rückfahrt bevor. Robin sollte schließlich noch als Tagesvollster abgelöst werden. Dafür gaben fast alle alles. Ich war abgeschlagen und hatte keine Chance mehr, aber Olbert und der stumme Kai waren schon den ganzen Tag in Lauerstellung. Letztlich würde ich Kai den Sieg zusprechen. Der war schon recht slippery und musste im Laufe der Rückfahrt einen Turban um den Kopf gebunden bekommen. Aber das bremste ihn keineswegs.

Sonntagsbeschäftigung

Eigentlich unglaublich, dass er Sonntagnachmittag mit mir schon wieder die rechte Seite des SC Asel beackerte. Und auch Olbert und Pumba schwitzten 30 bis 90 Minuten ihren Restalkohol mit uns auf dem Rasen aus. Es dürfte niemanden überraschen, dass wir gegen den Tabellenvorletzten 2:1 verloren haben.

Song of the Tour: Ist ja wirklich so.