Goslar 10/2015

  • 10.10.2015
  • Goslarer SC 08 – TSV Schilksee 1:1
  • Regionalliga Nord (IV)
  • Stadion Osterfeld (Att: 400)

Länderspielpause im Profifußball und das U23-Heimspiel des Hannoverschen SV von 1896 gegen den SV Meppen wird aus Sicherheitsgründen verlegt. Kurzum; höherklassigen Live-Fußball musste man diesen Sonnabend außerhalb der Stadtgrenzen Hannovers verfolgen. Eigentlich ideal für einen Kurztrip irgendwo hin, aber der Tag war auch umrahmt von zwei Veranstaltungen zum 15jährigen Bestehen der Ultras Hannover. Freitagabend lud die Gruppe zum gemütlichen Beisammensein bei Bratwurst und Bier für Mitglieder und geladene Gäste und Samstagabend sollte die große öffentliche Party im Wasserturm steigen. Beidem wollte ich gerne beiwohnen, also wirkte der Besuch eines Spiels in der näheren Umgebung am klügsten. Die Optionen waren allerdings rar gesät und so wurde schlussendlich für das Spiel Goslarer SC 08 vs. TSV Schilksee votiert.

Willkommen im schönen Goslar

In die alte Kaiserstadt fuhren wir morgens nach dem Frühstück und parkten gleich in Stadionnähe, von wo wir durch das Breite Tor in die pittoreske Altstadt spazierten. Dort konnten wir bereits um 11 Uhr im Brauhaus einkehren, wo kreative Brauer in der kleinen Hausbrauerei am Werk sind. In erster Linie vermarkten sie dort das Goslarer Traditionsbier Gose, das streng genommen nach dem in Deutschland fast schon mythisch überhöhten Reinheitsgebot kein Bier ist (aufgrund der Zusätze von Koriander und Salz). Wir machten dort sogleich eine Bierprobe, um neben der Gose noch weitere Biere zu probieren. Die Gose selbst schmeckt säuerlich und wurde, wenn früher die Spontangärung misslang, eben zu Essigsäure. Dass man in Goslars Braustätten auch nach der Entdeckung des Hefepilzes durch Pasteur weiter auf Spontangärung setzte, besiegelte den langsamen Niedergang des einstigen Goslarer Exportschlagers. Mich erinnerte die Gose nicht nur namentlich, sondern auch geschmacklich an die belgische Biersorte Geuze. Dass sich Geuze von Gose ableitet, bestreiten die Belgier allerdings.

Jetzt gibt’s hier ’ne Bierverkostung

Als nächstes war die dunkle Gose dran. Prinzipiell gleiches Brauverfahren, aber mit geröstetem Malz hergestellt, was für die dunkle Farbe und die rauchige Geschmacksnote sorgte. Gerstensaft Nr. 3 war das Saisonbier Roter Oktober. Es war leicht als Red Ale zu identifizieren. Die Malzsorte Cara Red und der Centennial-Hopfen aus den USA sorgten hier für den besonderen Geschmack. Ein tolles, ausgewogenes Ale. Würzig, karamellig und mit feinen Frucht- bzw. Zitrusnoten.

Baustoff Schiefer

Nach diesem Highlight war das vierte Bier, das naturtrübe Rammelsberger Pils, viel zu unspektakulär. Aber der Name des Bieres schlug nochmal eine Brücke zur Gose und zur Stadtgeschichte. Denn es waren die Erze des Rammelsbergs, die Goslar im Spätmittelalter reich machten. Im 14.Jahrhundert musste der braunschweigische Herzog seine lukrativen Bergrechte aus Geldmangel an die Freie Reichsstadt Goslar verpfänden. Die Reichsstadt wurde nun durch das Silber aus dem Rammelsberg unfassbar wohlhabend, ehe sie die Rechte 1552 durch den Riechenberger Vertrag wieder an das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel abgeben musste. Danach wurde das Brauwesen in Goslar massiv ausgebaut und der Gose-Export sollte die Einnahmeverluste aus dem Bergbau etwas auffangen. Aber das nur am Rande, ich will jetzt nicht zu tief in die interessante Geschichte der Stadt Goslar eintauchen. Damit ging ich meinen Begleitern wahrscheinlich dort schon genug auf den Senkel.

Marktkirche St. Cosmas und Damian

Auch was so an Mahlzeiten an uns im Brauhaus vorbei geschleppt wurde, sah sehr gut aus. Deftige Kost, regionale Spezialitäten und viele Gerichte sind laut Speisekarte mit Bier verfeinert. Aber der Hunger war noch nicht groß genug, so dass nur die auf allen Tischen stehende geröstete Gerste geknabbert wurde. Stattdessen probierten wir uns noch ein bisschen durch die Spirituosenkarte, die facettenreich war und hauptsächlich von regionalen Schnapsbrennern dominiert wurde. Der Nussbrand des Klosterguts Wöltingerode bekommt auch eine absolute Empfehlung von mir. Und für Whiskyfreunde gab es Glen Els, den Whisky aus dem Harz, zu probieren. Ich gehöre allerdings nicht zu den Whiskyfreunden und war nicht bereit 8 € für ein Gläschen zu investieren. Dafür hätte ich gerne noch so manches anderes gekostet, aber weil ich mich (noch) nicht betrinken wollte, setzen wir lieber den Stadtspaziergang fort.

Altstadtspaziergang

Kurz vor’m Stadion kehrten wir dann nochmal in den riesigen Gasthof Lindenhof ein, wo extrem viel los war und neben dem Restaurantbereich auch beide großen Säle besetzt waren. Wie wir vom Personal erfuhren, war hier heute 1.Spieltag der Skat-Bundesliga. Saugeil, mein erster Skatground! Das wurde mit einer Currywurst gefeiert, die auch die nötige Energie für die letzten Meter zum Stadion lieferte, in dem bereits um 14 Uhr Anstoß war. Just in time erreichten wir das Osterfeldstadion bzw. dessen ehemaligen B-Platz, der eigentlich schon lange Hauptfeld des GSC war und vor fünf Jahren zur heutigen „S Arena“ ausgebaut wurde, aber im DFBnet noch immer als B-Platz Osterfeldstadion geführt wird. 5.000 Zuschauer können nun die Spiele des GSC verfolgen, dessen Aufstieg in die Regionalliga damals ein regionalligataugliches Stadion erforderte. Eine Gerade und eine Hintertorseite verfügen über Stehplätze und die gegenüberliegenden Pendants sind vorwiegend bestuhlt (auf der Haupttribüne teilweise überdacht). Die Stehplatz-Gegengerade ist dabei noch vom alten B-Platz erhalten geblieben (nur jetzt eingezäunt), die restlichen drei Tribünen waren neu und auf die einstigen Leichtathletikanlagen (Laufbahn) gebaut.

Ne C-Wurst mit Gerümpel

Zur sportlichen Ausgangssituation: Beide Teams befinden sich im Abstiegskampf, wobei es bei Schilksee mit gerade mal einem Punkt schon zappenduster ist. Der Aufsteiger aus Kiel hat einfach nicht die Möglichkeiten, um in der teilprofessionellen Regionalliga mitzuhalten. Goslar dagegen hatte immerhin schon 12 Punkte in den ersten 11 Spielen gesammelt und steht damit noch über’m Strich. Ein Heimsieg heute hätte das Polster auf die Abstiegsränge weiter vergrößern können, aber Schilksee entpuppte sich nicht als Kanonenfutter. Der 1908 als Kaufmännischer Sportklub gegründete GSC versuchte zwar das Spiel an sich zu reißen und spielte sich einige Chancen heraus, nur beim Abschluss waren sie zu fahrig. Ansonsten konnte Schilksees Defensivriegel viele Angriffe schon im Keim ersticken, meist jedoch ohne selbst gefährlich kontern zu können.

Osterfeldstadion

Nach der Halbzeitpause platzte der Knoten endlich und der erste Angriff der Hausherren führte in der 48.Minute mit einem abgefälschten Torschuss zur Führung. Doch nur 60 Sekunden später tauchte Schilksees Louis Schütt allein vor’m Tor des GSC auf und lupfte den Ball über den Keeper ins Netz. Goslar versuchte natürlich das Ergebnis wieder zu korrigieren, aber ihre weiteren Chancen führten teils durch Pech, teils durch Unvermögen nicht mehr zum Torerfolg. Derweil wurden Schilksees Konter plötzlich gefährlicher, so dass das Unentschieden langsam als leistungsgerecht durchging. Entsprechend ungehalten wirkte auch Goslars Trainer Sven Thoß, der mit Daunenjacke und tief ins Gesicht gezogener Wintermütze ein tolles Rumpelstilzchen abgab. War ein bisschen zu dick eingepackt bei zweistelligen Plusgraden und strahlender Sonne, der Gute.

GSC-Wappen

Weniger leidenschaftlich als in der Coaching Zone, ging es auf den Rängen zu. Da kam echt nur mal gelegentlich ein vereinzelter Anfeuerungsruf. Von der Ultra- oder Supportersgruppe des GSC war gar nichts wahrnehmbar, außer etliche Aufkleber. Haben wohl aufgeben. Kann mich da an Ärger bei den Spielen gegen den TSV Havelse in den letzten Jahren erinnern. Verein und Normalofans gingen damals zu der Gruppe auf Distanz und es gab Hausverbote, die klassisch mit einem Stimmungsboykott beantwortet worden. Gut möglich, dass der Boykott auch nach über einem Jahr noch aufrecht erhalten wird oder die Gruppe sich ganz aufgelöst hat. Ich denke mal, mit in Goslar ansässigen Fans anderer Vereine wird man ebenso Reibungspunkte gehabt haben, so dass man insgesamt einen schweren Stand in der eigenen Stadt hatte.

Osterfeldstadion encore une fois

Schilksee hatte auch nur eine Handvoll stille Schalträger dabei, was aber nicht negativ überraschte. Von denen erwartet man schließlich nichts. Goslar hatte dagegen, neben der Stimmungsarmut, auch insgesamt gerade mal 400 zahlende Zuschauer angelockt. Trotz spielfrei in den Bundesligen, tollem Wetter und zuletzt guten Ergebnissen des GSC. Die Regionalliga scheint im Harz echt unterdurchschnittlich angenommen zu werden. Das heutige 1:1 – denn den Gleichstand konnte der Gast aus dem hohen Norden über die Zeit retten – taugte natürlich auch nicht als Werbung für den GSC. Es ist stattdessen ein kleiner Achtungserfolg für Schilksee, aber genau wie für Goslar war ein Punkt heute zu wenig. Der GSC verpasste sein Polster nach unten auszubauen und Schilksee bleibt abgeschlagen in der Tabelle, auch wenn sie ihre bisherige Punkteausbeute auf einen Schlag verdoppeln konnten.

Idyllisches Goslar

Wir hatten nach Abpfiff nur noch Bierkauf im Supermarkt auf der Agenda und fuhren dann wieder nordwärts. Dort begeisterte ab 21 Uhr die Feier der Ultras Hannover im Wasserturm. Top-Party, gespickt mit einigen Schmankerln, Mucke für fast alle Vorlieben und preiswerten Drinks. Und natürlich ein Meet & Greet mit vielen Weggefährten aus Hannover und von anderswo. Auf die nächsten 1,5 Jahrzehnte!

Song of the Tour: Ohne Worte.