Auerbach / Vogtland 08/2015

  • 27.08.2015
  • VfB Auerbach – BFC Dynamo 4:1
  • Regionalliga Nordost (IV)
  • VfB-Stadion (Att: 810)

Erfreulicherweise war ich nicht der einzige fußballbegeisterte Hannoveraner, der ein paar freie Tage in der letzten Augustwoche hatte, so dass ich mit drei weiteren Herren (Alex, Bene und Bobob) einen koreanischen Diesel nach Auerbach im Vogtland besteigen konnte. Dort gab sich der Rekordmeister der Deutschen Demokratischen Republik die Ehre, um den lokalen Verein für Bewegungsspiele im Punktspiel der Regionalliga Nordost zu treffen. Wir starteten bereits vormittags, um noch ein bisschen Zeit erzgebirgigen Teil des Vogtlands zu verbringen. Und man muss schon sagen, Auerbach (knapp 20.000 Einwohner) ist malerisch gelegen und verfügt über einen hübsche Stadtkern.

Der so genannte Schlossturm

Die 1282 erstmals urkundlich erwähnte Stadt überblickten wir zunächst vom so genannten Schlossturm. Dieser ist der letzte Rest einer mittelalterlichen Burg und wurde im 19.Jahrhundert, in der Epoche der Romantik, restauriert. Zu seinem Fuße findet man die Auerbacher Altstadt. Dort sticht besonders der historische Marktplatz (Altmarkt) heraus. Dieser fällt stark nach Osten hin ab, ist markant gepflastert und von schönen barocken Wohn- und Geschäftshäusern begrenzt (siehe Titelbild). Den östlichen und somit oberen Abschluss des Platzes bildet die Stadtkirche St. Laurentius. Die Kirche, sowie weite Teile der Altstadt, fielen 1834 einem Großbrand zum Opfer, wurden jedoch in den folgenden Jahrzehnten wieder aufgebaut.

Am Schlossturm

Etwa eine Stunde vor Spielbeginn (18:00 Uhr) brachen wir zum etwas exponiert gelegenen Stadion auf, welches ein reines Fußballstadion mit drei Tribünen ist. Haupt- und Hintertortribüne sind gelb bestuhlt und überdacht und an sie grenzen jeweils noch ein paar unüberdachte Stehtraversen. Die Gegengerade beherbergt den Gästebereich auf ganzer Länge. Allerdings sind das nur ein paar unüberdachte und eingezäunte Stufen.

Evangelische Stadtkirche St. Laurentius

Wir entschieden uns für die Haupttribüne, auf der man für 10 € bequem mit ausgehändigten Sitzkissen Fussball schauen konnte. Auf Höhe der Mittellinie hatten wir beste Sicht, sowie die Kuttenfans der Auerbacher leicht versetzt im Rücken. Das war nicht schlecht, denn im Gegensatz zu den mickrigen 30 BFC-Fans im Gästebereich (ca. 50 insgesamt, allein im VIP-Raum hielt sich noch ein Dutzend auf), machten die ab und zu mal den Mund auf. Das VIP-Raum-Essen hatte übrigens, wie von kleinen Clubs gewohnt, Partyservice-Niveau und alkoholische Getränke kosteten auch für die Prominenz Geld.

Die Haupttribüne

Das Catering für Normalsterbliche war aber auch nicht schlecht. So genannter Wiegebraten im Brötchen für 2 € (im Westen würden wir es Leberkäse nennen), sehr gute Steaks in Senfmarinade für 2,50 € und, wie auch im benachbarten Aue, einen Nudeltopf mit Ketchup, Jagdwurst und Käse für 3 €. Bad Brambacher Cola gab es für 2,50 € den Halben (muss ein lokaler Mineralbrunnen sein) und Wernesgrüner im gleichen Gebinde kostete 2,90 €. Im Vogtland sind die Preise für Speis und Trank noch akzeptabel.

Als wir gut gestärkt waren und die Teams Aufstellung nahmen, wurde „Ecstasy of Gold“ gespielt und mittels dem neuesten PKW-Modell eines örtlichen Autohauses der Spielball zum Mittelkreis gefahren. Große Spiele kommen halt nicht ohne große Inszenierungen aus. Dabei möchte ich gleich erwähnen, dass der Rasen in Auerbach ein wunderbarer Teppich war, den ich am liebsten selbst bespielt hätte. Dazu nun 25° C Außentemperatur, niedrige Luftfeuchtigkeit und ein bisschen Wind. Also beste Bedingungen.

Blick hinüber zum BFC-Block

Der Hausherr VfB, im Gegensatz zum BFC ohne große Erfolge im DDR-Fußball (lediglich auf Bezirksebene aktiv als BSG Einheit Auerbach), hatte just in Berlin bei Hertha BSC II den ersten Dreier der noch jungen Saison eingefahren und wollte gegen die anderen Hauptstädter den ersten Heimsieg folgen lassen. Der BFC, der um den Aufstieg bzw. die Meisterschaft mitspielen will, war dagegen jetzt schon unter Zugzwang. Bisher 6 Punkte aus 4 Spielen waren zu wenig, um mit dem FSV Zwickau auf Tuchfühlung zu bleiben, der in all seinen 5 Spielen bis dato ohne Gegentor und Punktverlust blieb (und sechs weitere Teams standen aktuell auch besser als der BFC da). Im engen Flaschenhals der Regionalliga kann ein Saisonziel manchmal schon nach wenigen Wochen mehr oder weniger abgehakt werden, wenn die Punkte ausbleiben.

Hintertortribüne

Dennoch blieb bei den Ostberlinern der vermeintlich beste Offensivspieler (Rockenbach da Silva, ehemals u. a. RB Leipzig) zunächst auf der Bank und das Offensivspiel hakte beim BFC gewaltig. Stürmer Djibril N’Diaye wurde neutralisiert und die eigentlich gute Spielanlage im Berliner Mittelfeld brachte nichts ein, da keine Torgefahr entstand. Auerbach überzeugte kämpferisch auf ganzer Linie und kam in der 22.Minute zum verdienten 1:0 durch ein Kopfballtor des verletzungsbedingt früh eingewechselten Reservestürmers Schuch (nach Freistoßflanke Schlosser).

Umkämpfte Partie

Dieser Spielstand wurde ungefährdet in die Pause überführt, wo die Live-Auslosung der nächsten Runde des Vogtländer Kreispokals (Achtelfinale) die Massen elektrisierte. So bekommt es u. a. der VfB Auerbach II mit Kottengrün II zu tun und dem Stadionsprecher nach zu urteilen ist das Duell VfB Mühltroff gegen SG Syrau kaum an Brisanz zu überbieten. Auch ich bitte hier nochmal alle Vogtländer Sportfreunde sich am Wochenende des 3. und 4.Oktobers nichts anderes vorzunehmen!

810 zahlende Zuschauer wurden verkündet

Durchgang Nr. 2 erlebte zwar durch da Silvas Einwechslung eine belebtere BFC-Offensive, aber ebenso eine gefährliche Kontermannschaft aus Auerbach. Die Hausherren hatten das 2:0 ein paar Mal auf den Fuß, ehe in der 57.Minute ein ausbleibender Pfiff im BFC-Strafraum das Publikum endgültig mitriss. Im Pöbeln waren die sowieso schon das ganze Spiel über gut, aber jetzt überschlugen sie sich zunächst im Hass auf den Unparteiischen (dem ich sogleich eine altersbedingt völlig unrealistische Stasi-Vergangenheit andichtete), gefolgt von wütenden „Auerbach! Auerbach!“-Rufen. In der 66.Minute beruhigten sich die vogtländischen Hitzköpfe etwas, das der VfB durch Wild (wieder nach Vorarbeit von Schlosser) auf 2:0 erhöht hatte. Und Schlosser selbst zog bei der nächsten Balleroberung im Mittelfeld aus 50 Meter einfach mal ab und düpierte damit in der 70.Spielminute den weit vor’m Tor stehenden BFC-Keeper. Ein Kandidat für das Tor des Monats!

Fortan wurde der BFC endlich torgefährlich und Muhovic traf nach Vorarbeit vom talentierten Weidlich in der 78.Minute zum Anschluss. In den nächsten Minuten kamen die Ostberliner zu einigen guten Chancen und bei einem 3:2 wären es sehr spannende letzte Minuten geworden. Aber mit Kampf und etwas Glück blieb Auerbachs Kasten bis zur 90.Minute wieder sauber, ehe Herold mit dem 4:1 den Schlusspunkt setzte.

Preisbewusst getankt

Gerade in der zweiten Halbzeit war es ein sehr sehenswertes Spiel. Dazu Wetter, Stadt und Stadion attraktiv. Also kein Trip zum Bereuen. Die BFC-Fans hatten nun eine 320 km lange Heimfahrt vor sich (nachdem sie ihre 20 Zaunfahnen mit Frakturaufschriften wie „Euer Hass macht uns nur stärker. Kameradschaft weinrotes Ost-Berlin“ abgehängt hatten), während unsere 380 km kurzweilig mit vielen guten Fussball- und Reisegeschichten überbrückt wurden. Zur Geisterstunde war man dann wieder in den Heimatgefilden und analysierte noch kurz die heutigen Europa-League-Ergebnisse, ehe die Müdigkeit obsiegte.

Song of the Tour: Wenn Regina Zindler deine berühmteste Bürgerin ist…