Aue & Pilsen 02/2015

  • 20.02.2015
  • FC Erzgebirge Aue – SV Darmstadt 98 0:1
  • 2.Bundesliga (II)
  • Erzgebirgsstadion (Att: 9.000)

Mein kleiner Bruder (der Ziii) brauchte in der finalen Phase seines Studiums etwas Ablenkung von seinen Büchern. Also wälzte er lieber mal für eine Stunde Spielpläne statt Fachliteratur und trat Anfang Februar mit einem interessanten Reiseentwurf an den Freundeskreis heran. Der Zuspruch für seine angedachte Tour nach nach Sachsen und Böhmen war enorm, so dass sich am 20.Februar acht Personen auf zwei PKW verteilten. Wir starteten um 13 Uhr in Hildesheim gen Aue, wo Darmstadt 98 um 18:30 Uhr beim FC Erzgebirge Aue gastieren sollte. Dank Staus und Behinderungen wurde das üppig eingeplante Zeitpolster zwar beinahe komplett aufgebraucht. Doch gegen 18:10 Uhr tauchten nach einer Straßenkurve die hellen Flutlichtmasten des Erzgebirgsstadions auf, welches malerisch im Lößnitztal liegt. Nun mussten wir nur noch ein paar Kilometer den Berg runter rollen und parkten dank eines Tipps ebenfalls angereister Hannoveraner auf dem Gästeparkplatz, von wo man auch problemlos die Gegengerade ansteuern konnte. Dort wiederum konnte man Tickets für 11 € Vollzahlerpreis an der Tageskasse lösen. Sehr fairer Kurs für überdachte Sitzplätze!

Erzgebirgsstadion

Die um 18:30 Uhr angepfiffene Partie hatte mit 96-Leihgabe Vladimir Rankovic in der Auer Startelf, Ex-96er Leon Balogun in der Darmstädter Formation und Weltschiedsrichterin Bibiana Steinhaus übrigens drei Akteure mit Hannover-Bezug zu bieten. Auf Rankovic achtete ich natürlich besonders und der junge Mann war heute völlig überfordert gegen Marcel Heller, der zugleich der größte Aktivposten der eher zurückhaltend agierenden Darmstädter Mannschaft war. Folgerichtig musste die 96-Leihgabe bereits nach 32 Minuten taktisch raus. Und fünf Minuten später folgte Baloguns Auswechslung. Da blieb also nur noch die Schiedsrichterin mit Hannover-Faktor übrig, welche neben unflätigen Bemerkungen des Auer Tribünenpublikums auch gelegentlich mit „Nutte, Nutte, Nutte!“-Sprechchören aus dem Fanblock der Veilchen bedacht wurde. Ein Fall für den Anti-Sexismus-Beauftragten des FC Erzgebirge und eine Überraschung für uns. Hatten wir doch das übliche „Schiedsrichter, du Sohn einer Hure“ von den Auern erwartet. Sie sind zu Teilen schon ein stumpfes Bergvolk, aber ihre Leidenschaft war ansonsten lobenswert. Die Gegengerade ging ordentlich mit und selbst auf der Haupttribüne wurden gelegentlich Gesänge angestimmt. Ihre Herzensmannschaft hatte in Durchgang Nr. 1 übrigens die besseren Chancen, um sich und das Publikum zu belohnen. Doch Mathenia im Darmstädter Tor war gewohnt stark und hielt das 0:0 bis zu Bibianas Pausenpfiff fest.

Auer Nudeltopf

Die Halbzeitpause war schließlich der perfekte Zeitpunkt, um das kulinarische Angebot zu testen. Natürlich ist das in Aue ohne lästige Bezahlkarte möglich und das Angebot in den hübschen Holzhütten ist reichlich. Die Rauchwurst im Brötchen (für 3 €) schlug die ebenfalls leckere Bratwurst (2,50 €) geschmacklich knapp. Beides war schön kross gegrillt. Natürlich ließen wir es uns auch nicht nehmen den berühmten Auer Nudeltopf zu kosten. Man bekommt für 3,50 € Spirellis mit Jagdwurst in einer Gewürzketchupsauce mit geriebenem Käse on top. Geschmacklich okay, aber der Hype in der Hopperszene erklärt sich wohl eher durch die Exklusivität, denn durch die Raffinesse dieser Speise. Begleitet wurde unser Abendessen übrigens von 0,4 l Wernesgrüner à 2,50 €. Beim Genuss der Produkte fiel uns die fehlende Werbedauerbeschallung in der Pause auf. Stattdessen wurden neben den Zwischenständen der anderen Plätze Wintersportergebnisse durchgesagt, die das Bergvolk hörbar interessierten.

Haupttribüne Aue

Doch zurück zum Fußball. Die einstige BSG Wismut – schön übrigens die Bande über’m Fanblock: „Grubenlampe, Arbeitsschuh – Wismut Aue, ich und du“ – investierte weiterhin mehr ins Spiel und wollte den Heimsieg. Aber wenn sie mal bis zum Gästetor durchkamen, war weiterhin spätestens bei Mathenia Schluss. Die Hessen kamen dagegen nur selten vor den Auer Kasten, aber eine dieser wenigen Torgelegenheiten sollte Gondorf in der 83.Minute doch tatsächlich zum 0:1 nutzen. Das versprach eine spannende Schlussphase, in der Aue nochmal lautstark vom Publikum nach vorne gepeitscht wurde. Die Lilien mauerten sich allerdings sehr erfolgreich hinten ein. Nach einem letzten Freistoß der Veilchen, beendete Frau Steinhaus eine turbulente Endphase schließlich in der 90+4.Minute. Nun großer Jubel bei den paar Hundert mitgereisten Hessen, die ihre Mannschaft in der Gästekurve noch ausgiebig herzen durften. Das ist schon bemerkenswert, was der Überraschungsaufsteiger bislang geleistet hat. Als Tabellendritter nach dem 22.Spieltag stellt sich langsam die Frage nach dem Durchmarsch. Der FC Erzgebirge rutscht dagegen auf den 16.Platz ab und verliert hoffentlich nicht den Esprit des ansonsten guten Rückrundenstarts (zuletzt zwei Siege und ein Remis).

Hanno Behrends und die Fans feiern

Unsere zwei PKW rollten nach Abpfiff auf dunklen Landstraßen nach Pilsen, wo uns das zentrale und preiswerte Hotel Beyer (***) zum Glück auch nach dem offiziellen Check-In-Zeitraum empfing. Um 23 Uhr wurden dort schnell die Koffer in die Zimmer gepfeffert und dann ging es schnurstracks zum zentralen Platz der Stadt. Den Zuschlag dort bekam die Pilsener Dependance der tschechischen Erlebnisgastronomie-Kette The Pub. Ihr besonderes Konzept sind Hähne zum Selberzapfen an allen Tischen. Ein Terminal am Platz zeigt dabei die eigenen Konsumdaten und auf großen Monitoren wird tisch- und lokalübergreifend ausgewertet. Platz 1 im hiesigen Lokal war nach gut einer Stunde erobert. Doch die überregionale Konkurrenz war uns teilweise weit voraus. Besonders hervorzuheben waren zwei Tische im Pub Prag II, die mit knapp unter und knapp über 30 Litern uneinholbar vorne lagen. Wir erreichten aber wenigstens unsere Wunschmarke von 18,96 Litern Bier und mussten dafür etwas über 1.500 CZK zahlen (umgerechnet ca. 3 € pro Liter). Teurer als die Pilsener Durchschnittskneipe, aber gegenüber daheim immer noch saubillig.

  • 21.02.2015
  • FC Viktoria Plzen U19 – MFK OKD Karviná U19 1:3
  • 1. Liga U19 (I / U19)
  • Lucní UMT (Att: 40)

Nach kurzer Nachtruhe saß die Reisegruppe um 9 Uhr am Frühstückstisch. Dort wurde die einstimmige Entscheidung des Vortages, nämlich heute Vormittag ein U19-Spiel von Viktoria Pilsen zu besuchen, nicht mehr als beste Idee aller Zeiten gefeiert (der zerstörteste Mitreisende fragte übrigens, ob wir denn heute nach Pilsen weiterfahren würden…). Aber Kaffee wirkt bekanntlich Wunder und so spazierten wir wenig später bei strahlendem Sonnenschein durch die kleine, aber feine Altstadt zum Sportkomplex.

St. Bartholomäus Kathedrale

Das Stadion von Viktoria Pilsen grenzt direkt an die Altstadt und als wir es erreichten, hörten wir bereits das Treiben eines Mannschaftssport von der anderen Seite des Stadions. Dort wurde allerdings Bandy gespielt, genauer gesagt Rinkbandy. Die Gelegenheit des ersten Bandygrounds unseres Lebens ignorierten wir allerdings. Stattdessen überquerten wir einen Fluss, an dessen anderem Ufer weitere Fußballplätze der Viktoria lagen. Die U19 kickte dort auf Kunstrasen ohne Ausbau und erwartungsgemäß interessierte das Treiben nur Angehörige der Jungs. Aber preiswertes Catering wurde zum Glück dennoch geboten.

Pilsens U19 gegen die U19 des MFK Karvina

Dazu guter Fußball. Was wir sahen, war rassig, schnell und technisch gut. In der ersten Hälfte ging der Viktoria-Nachwuchs (12.) überraschend gegen die stärker aufspielenden Gäste aus Karviná (3.) in Führung. Die Jungs aus Mährisch-Schlesien fielen nebenbei nicht nur durch das bessere Spiel, sondern auch durch ihre Einheitshaarpracht auf. Mit Ausnahme eines mutmaßlich besonders eitlen blonden Stürmers hatte der komplette angereiste Kader eine Glatze rasiert. Das heizte bei uns natürlich die Spekulationsmaschine an. Von politischer Einstellung, über verlorene Wetten bis hin zu einem Reaktorunglück im Osten Tschechiens wurden zahlreiche Erklärungsansätze debattiert. Wie auch immer, die Skins kamen mächtig entschlossen aus der Kabine und korrigierten das Ergebnis binnen weniger Minuten auf 1:2. Am Ende hieß es gar 1:3 und die U19 von Viktoria zog geknickt in die Kabine, während die Skinheads nun ausgelassen ihren Auswärtssieg feierten.

Böhmische Spezialitäten

Wir zogen derweil weiter zur benachbarten und weltberühmten Brauerei und stärkten uns anschließend mit Pilsener Urquell und böhmischen Spezialitäten in einem guten Restaurant. Ob Ente, Haxe oder Wildgulasch mit Puffern, verschiedenen Knödeln und Rettich (meine Wahl); alles war reichlich, lecker und preiswert (umgerechnet ca. 5 bis 7€). Die weiteren Stunden bis zum Topspiel des Tages gingen Bundesliga verfolgend in diversen Lokalen der Altstadt auch schnell vorüber und gegen 19:30 Uhr brachen wir vom Flutlicht angezogen wieder gen Stadion auf.

  • 21.02.2015
  • FC Viktoria Plzen – SK Dynamo Ceske Budejovice 6:0
  • 1. ceska fotbolava liga (I)
  • Doosan Arena (Att: 10.217)

Nachdem die letzte Kneipe des Tages verlassen war (die Dreads der Gäste und der Cannabisduft in der Luft waren dort ein beruhigender Gegenpol zu den Keltenkreuz- und Antiantifa-Fussballgraffitis, die wir am Tage erspähten), mussten wir uns nur noch mit Karten für das Main Event des Tages eindecken. Wir entschieden uns für die teuerste Kategorie, die umgerechnet satanische 6,66 € kostete. Klugerweise hatte ich mir extra ein paar Kronen aufgespart, denn hier war erstmalig keine Bezahlung in Euro oder mit Karte möglich und die anderen durften nochmal zur Bank laufen. Das sorgte schließlich für getrennte Plätze im Stadion, da mein Block inzwischen ausverkauft war.

La Banda di Birra

Im großen tschechischen Bierderby Pilsen vs. Budweis wurde zum Glück einiges geboten, so dass ich auch alleine meinen Spaß hatte (für einen Tribünenwechsel zu meinen Freunden war ich zu faul). Die Rollen waren dabei klar verteilt. Der Tabellenführer und mittlerweile achtbar europäisch erfolgreiche Gastgeber empfing einen Aufsteiger in seinem relativ neuen Stadion. Vom ehemaligen Mehrzweckstadion war nur noch die Haupttribüne übrig. Jene wurde generalüberholt und das Spielfeld an sie heran geschoben, um mit einem überdachten neugebauten breiten U zu einem reinen Fußballstadion zu verschmelzen. Alles war in den Clubfarben blau und rot gehalten (Sitze, Außenfassade) und wirkte noch sehr neu und gepflegt.

Doosan Arena

Zum Anpfiff um 20:15 Uhr war das Stadion mit 10.217 Zuschauern dann auch ganz gut ausgelastet (Gesamtkapazität des All Seater: 13.000). Nur der Gästeblock mit zwölf Budweisern war enttäuschend. Fünf von ihnen riefen wenigstens ab und zu „Dynamo! Dynamo!“, während die Fans aus Pilsen von Anfang an lautstark und abwechslungsreich supporteten. Viktoria, mit Kurzzeit-96er Rajtoral, machte unterdessen das Spiel und kombinierte sehr gefällig nach vorne. Viel ging dabei über Rajtoral, der in der 6.Minute nach starkem Solo millimetergenau auf Milan Petrzela flankte. Der einstige Augsburger und Nationalspieler vollendete das perfekte Zuspiel zum 1:0.

Choreo der Pilsner Ultras

In der 30.Minute wurde es dann erstmal auf den Rängen interessanter. Zum einen kam eine Busladung Fans aus Budweis in den Block, von denen viele wie Spieler der U19 des MFK Karvina aussahen und sogleich mit Unterstützung der mitgebrachten Trommel anfingen Krach zu machen. *Bumm-Bumm – Dy-na-mo!* war simpel, aber laut. Und als hätten sie auf die Gäste gewartet, präsentierten die Pilsener Ultras zeitgleich eine kleine, aber feine Choreographie in ihrem Block. Ihre Mannschaft blieb ebenfalls für die Höhepunkte zuständig, so dass Daniel Kolar (wie Petrzela tschechischer Nationalspieler) in der 43.Minute den Pausenstand von 2:0 besorgen konnte.

Meatloaf in a bun

In der Unterbrechung widmete ich mich intensiv dem Catering. Zunächst wurde der Meatloaf in a bun getestet (das Stadion ist eigentlich überall zweisprachig beschildert), welchen ich als Hackbraten-Leberkäse-Hybrid mit hohem Fettgehalt klassifiziere und der so knapp 1,50 € kostete (hier war übrigens wieder Euro-Zahlung möglich). Note 3 dafür. Danach wurden die letzten Kronen in eine minimal teurere Klobasa mit zwei Brotscheiben investiert. Note 2 für dieses würzige und fettige Fleischerzeugnis. Bier (das leckere Gambrinus) wurde nebenbei für umgerechnet 0,90 € (0,3 l) bzw. 1,10 € (0,5 l) zum Platz gebracht und war somit wie überall in dieser Stadt (und diesem Land) günstiger als Softdrinks.

Pyro der Budweiser

In der 2.Hälfte machte Pilsen erfreulicherweise nochmal richtig Dampf auf Rängen und Rasen. Drei Tore zwischen 52. und 61.Minute (u. a. schönes Tor von Rajtoral) machten ganz schnell den Deckel auf die Partie und der Rest war nur noch Test(spiel). So kam auch der füllige Altstar Pavel Horvath, der mittlerweile 40 sein dürfte, noch zu einem Einsatz und neben Rajtoral, Mahmutovic und Petrzela schien er besonders hoch im Kurs bei den Anhängern zu stehen. Ein paar schöne Pässe gelangen dem Routinier, aber ein Tor war ihm leider nicht vergönnt. Stattdessen schoss in der 90.Minute ein gewisser Pavel Horava, der mir bisher trotz fünf Länderspielen unbekannt war, das sechste und letzte Tor des Abends. Viktoria bleibt damit auf Meisterkurs und scheint neben Sparta Prag langfristig das internationale Aushängeschild des tschechischen Fußballs zu werden. Budweis wird dagegen wohl bis Saisonende um den Klassenerhalt zittern.

Pilsen Downtown

Fazit: Tschechien wird auch immer teurer, bleibt aber preiswert. Diesen Rajtoral sollte 96 als rechten Verteidiger verpflichten. Pilsen ist ’ne Reise wert, aber überschaubar und binnen eines Tages und einer Nacht abgefrühstückt. Übrigens gewann Budweis am Ende doch noch gegen Pilsen. Und zwar an der Supermarktkasse, als eine Palette Budweiser Budvar Originál anstatt Pilsner Urquell für die Heimfahrt gekauft wurde.

Song of the Tour: Was würde besser zur Bierstadt Pilsen passen?