Innsbruck 04/2015

  • 03.04.2015
  • FC Wacker Innsbruck – LASK Linz 2:0
  • Erste Liga (II)
  • Tivoli-Neu (Att: 2.300)

Was wäre ein Osterurlaub in Österreich ohne Fussball? Sicher nicht der Weltuntergang, aber wenn die dort schon am Karfreitag kicken, kann man sich das ja mal angucken, dachten sich Milano, Ole, Bene, Lo und ich. Beim Release der BahnCard 4+1 wurde beschlossen jene zu kaufen und Ostern einzusetzen. Mit dem Europa-Spezial der DB ging es bereits für 39 € je Strecke von Hannover nach Innsbruck und mit der BahnCard 4+1 (Anschaffungskosten 25 €) gab es nochmal 25 % für alle fünf Reisenden. So kostete der Spaß pro Person keine 60 € hin und zurück. Bei diesen Preisen muss man reisen.

Karfreitag ging es wie an einem gewöhnlichen Werktag vor 6 Uhr aus den Federn und mit der gewohnten Bahnverbindung zum hannoverschen Hauptbahnhof. Nur dass heute die ganzen vertrauten Pendlergesichter fehlten. 7:25 Uhr sollte dann eigentlich der gebuchte ICE nach München starten, aber der verzögerte sich gleich mal um 15 Minuten aufgrund einer verspäteten Bereitstellung. Mit der just gelesenen Info, dass die Bahn an Ostern 250 Baustellen eingerichtet hat, kamen gewisse Ängste aufgrund unserer teilweise kurzen Umstiegszeiten auf. Stellte sich aber als unbegründet heraus, wie ich schon mal vorweg nehme.

Edler Stoff

Der ICE war leider proppenvoll („Hm, komisch zu Beginn eines bundesweit langen Wochenendes?“) und der Unmut über meine Geiz-ist-geil-Mentalität in Sachen kostenpflichtige Reservierung wurde von Abteil zu Abteil lauter (4 € am falschen Ende gespart). Zum Glück fanden wir im letzten Wagen noch ein freies 6er-Abteil ohne weitere Reservierungen. Nun konnten wir ganz entspannt harte Mettwurst aus eigener Schlachtung und Augustiner Edelstoff frühstücken. Dazu wurden bis München die Top-Hits der Fussballgeschichte gehört (Gruß an u. a. Alberto Colucci und Udo Jürgens), sowie die üblichen hochwertigen Diskussionenge geführt.

Süddeutsche Natur

Bis München, welches uns mit strahlender Sonne empfing, war die Verspätung wieder reingeholt. So hatten wir noch genug Zeit, um unseren Proviant an Edelstoff aus dem Hause Augustiner wieder aufzufüllen. München-Kufstein war dann eine wahre Perle des DB-Kursbuchs und die glasigen Augen bekamen durch’s Fenster malerische Landschaften geboten. Wir freundeten uns darüber hinaus in Sekundenschnelle mit unseren neuen Sitznachbarn an. Ein Er und eine Sie aus Hamburg und ein weiterer Er aus Neuss. Alle schon jenseits der 30, aber die Coolness haben sie anscheinend nicht irgendwo zwischen Studium und Arbeitswelt abgegeben. Die wollten nach Mayrhofen zum Snowbombing Festival. Ein besonders im britischen Raum beliebtes Festival des Snowboardings und der elektronischen Musik. Ihr Konsum an schnapshaltigen Getränken war beachtlich und der Neusser bot uns Brownies aus einer Dunkin‘ Donuts Tüte an. Dem strengen Geruch nach zu urteilen aus einem niederländischen Dunkin‘ Donuts.

Kufstein

Im schönen Kufstein hieß es dann abermals die Biervorräte auffüllen, Sonne tanken und auf den verspäteten EuroCity Richtung Bologna warten. Der war recht voll, aber irgendwie kam unsere extended group, verteilt auf zwei 6er, doch noch zu Sitzplätzen. Kurz vor Innsbruck hieß es dann Abschied nehmen von unseren neuen Freunden, die nach Mayrhofen umsteigen mussten, und dann war die Alpenmetropole Innsbruck endlich erreicht. Bei dem bereits mehrfach gewürdigten strahlenden Sonnenschein spazierten wir aus dem Bahnhof zur Altstadt hinunter. Wir fotografierten dort Asiaten beim Goldenes Dachl fotografieren und schlenderten durch diese wunderschöne Stadt. Verfolgt wurden wir dabei von drei Buben in schwarzen Trainingshosen und schwarzen Windbreakern. Da fiel uns auch wieder ein, dass heute ja Fussball war und der Anstoß gar nicht so fern in der Zukunft lag.

Goldenes Dachl

Vor’m Match suchten wir noch eine feine Gastwirtschaft auf, die in der Happy Hour das 0,5 l Zipfer für 2 € servierte. So günstig hatten wir Innsbruck nicht erwartet. In Sachen günstig Frühstücken / Essen (und Trinken) schiebe ich an dieser Stelle mal für junge und junggebliebene Leute den Breakfast Club als Empfehlung ein. Insgesamt ist das Preisniveau von Innsbrucks Gastronomie im Rahmen (neben teuer geht auch preiswert) und die Einheimischen sind nicht so „charmant“ wie die Salzburger oder Wiener gegenüber uns Deutschen. Oder sie verbergen das besser. Die Zecher von der Theke waren auf jeden Fall sehr freundlich zu unserer Gruppe und besorgten für uns den besten Taxifahrer der Stadt. Rudi, ein Ur-Innsbrucker jenseits der 50, trug schwarze Cowboystiefel und Leder-Joppe. Er wusste alles und kannte jeden Schleichweg.

Spaziergang durch’s malerische Innsbruck

Pünktlich zum Anpfiff lieferte er uns am Neuen Tivoli ab, welcher 2000 eröffnet wurde und vor der EM 2008 nochmal auf 31.600 Plätze aufgestockt wurde. Der temporäre Oberrang verschwand aber völlig zurecht nach dem Turnier wieder, denn selbst die 17.400 Plätze der Arena heuer sind arg überdimensioniert. Bei sportlichem Erfolg wäre das Tivoli wohl halbwegs ausgelastet, aber davon hatte der FC Wacker in der jüngeren Vergangenheit wenig.

Das sah bei Stadioneröffnung noch anders aus. Der FC Tirol, also die im Sommer 1993 aus dem Traditionsverein FC Wacker Innsbruck ausgegliederte Fussball(profi)abteilung, gewann unter den Trainern Kurt Jara und Joachim Löw von 2000 bis 2002 drei Meisterschaften in Serie und war das fußballerische Nonplusultra Österreichs. Allerdings waren es Erfolge auf Pump, die noch 2002 im Lizenzentzug mündeten. Da der Ur-Verein FC Wacker Innsbruck (von 1915) bereits 1999 aus finanzieller Not heraus in die Abspaltung FC Tirol eingegliedert wurde (quasi die Reunion der getrennten Vereine von anno ’93), gründete man als ideellen, aber rechtlich nicht verbundenen Nachfolger den FC Wacker Tirol. Der sollte das Erbe des 1915er Traditionsclubs FC Wacker und des in junger Vergangenheit erfolgreichen 1993er FC Tirol gleichermaßen antreten.

Zipfer-Genuss

Man startete als Spielgemeinschaft mit der WSG Wattens drittklassig und marschierte mit zwei Aufstiegen in Folge durch in die Bundesliga. Wattens – nur Mittel zum Zweck im gegenseitigen Einvernehmen, um nicht ganz unten starten zu müssen – wurde bereits nach dem ersten Aufstieg wieder als Partner abgelegt und die Stadt Innsbruck und das Land Tirol hatten erneut einen Bundesligisten. Hinter den Kulissen begehrten aber von Anfang an die Fans auf. Sie sahen den Verein als Innsbrucker und nicht als Gesamttiroler Verein. Folglich gab es eine breite Initiative zur Umbenennung in FC Wacker Innsbruck, welche 2007 von Erfolg gekrönt wurde. Sportlich allerdings befindet man sich nach einigen unsteten Jahren im Frühjahr 2015 auf dem letzten Platz der 2.Liga (die in Österreich Erste Liga heißt).

Tivoli-Neu

Der heutige Gast LASK Linz kann auf eine kontinuierliche Vereinsgeschichte seit 1899 zurückblicken, wenn auch Fussball erst seit 1919 als Linzer ASK gespielt wird und man 1997 mit dem Ortsrivalen FC Linz (Stahl Linz) fusionierte, was allerdings eher einem Schlucken des Nachbarn gleichkam. Daher auch der irgendwie doppelt gemoppelte Vereinsname L(inzer)ASK Linz. Meister wurde man 1931 und 1965 und der Bundesliga gehörte man zuletzt 2010/11 an. Nach zwischenzeitlichem Konkurs ist man 2014 zumindest wieder in die Erste Liga aufgestiegen und steht aktuell auf einem passablen 3.Rang. Jener ist den auf Durchmarsch getrimmten Vereinsverantwortlichen allerdings nicht ausreichend, so dass man jüngst im März dieses Jahres den Aufstiegstrainer rasierte. Ziel heute war natürlich ein Sieg, um am SV Mattersburg und dem FC Liefering dranzubleiben (wobei letztere nicht aufsteigen dürfen, da sie ein Red Bull Farmteam sind), während es für Innsbruck um’s nackte Überleben geht.

Spärlich besuchter Tivoli

Und ausgerechnet am strengsten Fastentag der katholischen Kirche beendete Wacker Innsbruck seinen mehrwöchigen Siegesverzicht. Man begann von der 1.Minute an druckvoll auf das Linzer Tor zu spielen und nach Chancen im Dutzend konnte der FC Wacker in der 34.Minute in Führung gehen (Abstaubertor nach abgeklatschtem Fernschuss). Und gleich in der 37.Minute legte man zum 2:0 nach, was auch der Pausenstand war. In den zweiten 45 Minuten gab es für die knapp 2.300 Zuschauer (darunter auch ein paar hundert Linzer) auf Konter lauernde Innsbrucker zu bestaunen und bemühte, aber glücklose Gäste. Ein spannungssteigernder Anschlusstreffer war uns neutralen Zuschauern und den Linzern aber leider nicht vergönnt.

Making new friends

Da blieb genug Zeit einer alleinerziehenden u30-Mutter einen Heiratsantrag zu machen, aber sie wollte ihr schönes Tirol einfach nicht verlassen. Am Fussball wird es nicht gelegen haben, aber wenn man über das Stadiondach hinweg auf das Alpenpanorama schaute, konnte man sie schon ein bißchen verstehen. Das Tivoli ist eines der schönstgelegenen Stadien die ich bisher kennenlernen durfte und Innsbruck, wie bereits erwähnt, eine wunderschöne Stadt. Mit dem Schlusspfiff schieden wir dann von der Tiroler Lady und den feiernden Innsbruckern, um uns wieder ganz unserer Objektophilie gegenüber Hofburg, Schloss Amras, Helblinghaus und Bergiselschanze zu widmen.

Schon recht pittoresk da

Zu den Fans kann man noch anmerken, dass beide Szenen gefällig supporteten. Für Österreichs 2.Liga sicher das Nonplusultra. Die Fankurve der Innsbrucker gehört zu den besten der Alpenrepublik und der LASK hat immerhin den zweitgrößten Anhang in der Zweitklassigkeit, muss aber damit leben sich das Potential der Stadt mit Blau-Weiß Linz (inoffizieller Nachfolgeverein des FC Stahl Linz) teilen zu müssen. Beide Teams würden der Bundesliga vom Fanpotential gut tun, wo eben Grödig, RB Salzburg, Wolfsberg und Co aus Fansicht zum Gähnen sind. Aber vom Aufstiegsplatz entfernt sich Linz immer weiter und Innsbruck muss zusehen überhaupt zweitklassig zu bleiben.

Innsbrucker Hofburg

Respekt aber an alle Unentwegten, die ihren Clubs die Treue halten. Denn der (durchaus fußballaffine) Otto-Normal-Innsbrucker ließ an diesem Wochenende in Gesprächen durchblicken, dass er den Wacker-Stadiongänger für bekloppt hält und wir Deutschen, die sich sowas freiwillig angucken, noch depperter sein müssen. Wie früher bei uns daheim, als Hannover 96 noch ein Scheissverein ohne internationale Strahlkraft war.

Song of the Tour: Ein Kranz von Bergen stolz und hoch erhoben, umringt die Heimat; mein Tiroler Land.